Die grössten Weltwunder

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Die grössten Weltwunder
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Noah Adomait

Die grössten Weltwunder

Monumente und Bauwerke unserer Erde

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung

Die sieben Weltwunder der Antike

Weitere „Weltwunder“

Die neuen 7 Weltwunder

Weltwunder der Natur

Das achte Weltwunder

Rechtliche Hinweise

Impressum neobooks

Einleitung

Weltwunder oder die sieben Weltwunder waren bereits in der Antike eine Auflistung besonderer Bauwerke oder Standbilder. Die älteste Überlieferung einer Liste von Weltwundern geht auf den Geschichtsschreiber Herodot zurück (etwa 450 v. Chr.).

Geschichte

Die erste vollständige Liste der bekannten „sieben Weltwunder“ findet sich in einem Epigramm des Schriftstellers Antipatros von Sidon (2. Jahrhundert v. Chr.), der einen Reiseführer des Mittelmeerraums und Vorderasiens schrieb. Die Griechen nannten sie: „die sieben Sehenswürdigkeiten der bewohnten Erde“. Philon von Byzanz beschrieb sie in der Schrift De septem mundi miraculis.

Dass die Liste in Vorderasien entstand, ist naheliegend: Vier der Weltwunder fanden sich dort. Da zu jener Zeit viele imposante Bauwerke be- und entstanden, wurden vor allem solche in der Umgebung des Schreibers angeführt.

Diese Liste wurde im Laufe der Jahre oft geändert und den Reisegewohnheiten der jeweiligen Gesellschaften angepasst. Schon in klassischer Zeit gab es Alternativen, wie das Kapitol in Rom, den „Hörneraltar der Artemis auf Delos“, den „Hadrianustempel des Zeus in Kyzikos“ (südliches Marmarameer) und viele mehr. Im 13. Jahrhundert wurden die gesamte Stadt Rom, die Hagia Sophia in Konstantinopel (heute Istanbul, Türkei) und sogar die Arche Noah aufgenommen. Aus der anfänglich kurzen Reiseliste entstand zeitweise ein ganzer Reisekatalog, der alle bedeutenden Bauwerke wie Tempel oder Skulpturen enthielt. Doch diese zerfielen mit der Zeit, und im Gedächtnis blieb vor allem der Mythos der ursprünglichen Weltwunder.

Auch heute noch inspirieren die klassischen „sieben Weltwunder“ Autoren, immer wieder neue Listen von „Weltwundern“ in den verschiedensten Bereichen zu erstellen. Darunter fallen zeitgenössische Bauwerke ebenso wie auch außergewöhnliche Aufzählungen von Naturereignissen oder Kunstwerken.

Die sieben Weltwunder der Antike

In der Antike beschrieb der erwähnte Antipatros die heute geläufige Liste der klassischen sieben Weltwunder in seinem Reiseführer. Genannt wurden darin die imposantesten und prunkvollsten Bauwerke seiner Zeit und seines Kulturkreises:

 Die hängenden Gärten der Semiramis zu Babylon

 Der Koloss von Rhodos

 Das Grab des Königs Mausolos II. zu Halikarnassos

 Der Leuchtturm auf der Insel Pharos vor Alexandria

 Die Pyramiden von Gizeh in Ägypten

 Der Tempel der Artemis in Ephesos

 Die Zeusstatue des Phidias von Olympia

Die Liste umfasst sieben Weltwunder, weil die Zahl Sieben in der Antike als „vollkommen“ galt. Diese festgelegte Zahl sollte die Bauwerke in ihrer Bedeutung erhöhen.

Heute existieren von diesen Weltwundern nur noch die Pyramiden von Gizeh. Die anderen wurden durch Erdbeben und Kriege zerstört oder zerfielen im Laufe der Zeit. Die ursprünglich aufgelisteten Stadtmauern von Babylon wurden z. B. schon von Antipatros aus der Liste entfernt, da sie zerstört waren, und durch den Leuchtturm von Alexandria ersetzt. In späteren Listen waren die Mauern von Babylon aber teilweise noch verzeichnet. Erst Gregor von Tours strich sie im 6. Jahrhundert endgültig aus der Liste. Der Turm zu Babel fand dagegen nie Eingang in die Liste der Weltwunder, weil er schon bei ihrer ersten Erfassung nicht mehr existierte.

Antike Darstellungen der Weltwunder gibt es recht wenige, jedoch wurden einige Münzprägungen mit dem Helioskopf (der Koloss von Rhodos war eine Statue des Sonnengottes Helios), mit der Zeusstatue im Profil oder mit dem Leuchtturm von Alexandria gefunden. Beschreibungen des Mausoleums liegen vor. In der Renaissancezeit fertigten Künstler wie der Niederländer Maerten van Heemskerck und im Barock der österreichische Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach Darstellungen der Wunder nach ihren Vorstellungen an.

Hängende Gärten der Semiramis

Die Hängenden Gärten der Semiramis, auch die Hängenden Gärten von Babylon genannt, waren nach den Berichten griechischer Autoren eine aufwendige Gartenanlage in Babylon am Euphrat (im Zweistromland, im heutigen Irak gelegen). Sie zählten zu den sieben Weltwundern der Antike. Die griechische Sagengestalt der Semiramis wird manchmal mit der assyrischen Königin Schammuramat gleichgesetzt.

Geschichte

Nach den antiken Schriftstellern lagen die Hängenden Gärten neben oder auf dem Palast und bildeten ein Quadrat mit einer Seitenlänge von 120 Metern. Die Terrassen erreichten eine Höhe von ca. 25 bis 30 Metern. Die dicken Mauern und Pfeiler des Aufbaugerüstes waren überwiegend aus Brandziegeln hergestellt, unter den einzelnen Stufenabsätzen sollen sich Gänge befunden haben. Die Etagenböden bestanden aus drei Lagen, eine Lage aus Rohr mit viel Asphalt, darüber eine doppelte Lage aus gebrannten Ziegeln, die in Gipsmörtel eingebettet waren, und ganz oben dicke Platten aus Blei. So wurde ein Durchdringen von Feuchtigkeit verhindert. Auf diese Konstruktion hätte man Humus aufbringen und verschiedene Baumsorten einpflanzen können. Eine Bewässerung war aus dem nahegelegenen Euphrat möglich.

Die Beschreibungen, denen wir unsere Vorstellung dieser Gärten verdanken, gehen auf folgende Autoren zurück:

 Antipatros von Sidon (Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr.), in dessen Gedicht über die sieben Weltwunder in der Anthologia Palatina jedoch kein Ort genannt wird („auch die Hängenden Gärten und den Koloß des Helios“).

 Den Chaldäer Berossos (* etwa 350 v. Chr.), aus dessen verlorenem Werk Babyloniaka der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus ausführlich zitierte.

 Den griechischen Mediziner Ktesias von Knidos, der um 400 v. Chr. in persische Kriegsgefangenschaft geriet und als Leibarzt des Königs Artaxerxes II. tätig war. Er hinterließ ein umfangreiches und streckenweise fantasiereiches Werk mit dem Titel Persika. Was er darin über Babylon schrieb, ist weitgehend verloren, bis auf Zitate in den Werken von Diodor und Quintus Curtius Rufus.

 Diodoros Sikulos, der seine Beschreibung (Historien II. 10.1–6) ungefähr in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. schrieb und der aus einem mittlerweile verloren gegangenen Werk des Griechen Ktesias von Knidos zitiert. Ktesias diente vermutlich lange vor den Eroberungen durch Alexander den Großen am persischen Hof. Sein Bericht beruht vermutlich wiederum auf einem Bericht des antiken griechischen Geschichtsschreibers Kleitarchos. Diodoros Sikulos' Bericht ist vor allem wesentlich, weil er eindeutig festhält, dass kein Mechanismus sichtbar war, der das Wasser nach oben transportierte.

 Strabon, ein griechischer Gelehrter, der im 1. Jahrhundert v. Chr. seine Geographie schrieb.

 Flavius Josephus, der sich auf Berossus beruft.

 Philon von Byzanz, der vermutlich um 250 v. Chr. eine Art Reiseführer zu den sieben Weltwundern schrieb.

Nach der allgemeinen Überlieferung sollen die Gärten von Königin Semiramis errichtet worden sein, deren Ruhm auch heute noch bis ins entfernte Armenien reicht, wo ein großer Bewässerungskanal für die Stadt Wan am Vansee „Strom der Semiramis“ und der höchste Teil des Kastels der Stadt „Semiramisburg“ genannt wird.

Gegen die bereits im Altertum kursierende Meinung, dass die Gärten von Semiramis errichtet wurden, erhob aber schon Diodor Protest (II, 10, I): Vielmehr habe sie ein babylonischer König erbaut. Nach genauerer Mitteilung des Borosos sei es Nebukadnezar II. gewesen: Seine Gemahlin soll sich nach dem Tiefland von Babylonien und den Wäldern und Bergen gesehnt haben, so habe der König ihr die Hängenden Gärten erbaut. Auch andere wichtige antike Autoren, die sich in der Gegend aufhielten oder über die Gegend berichten, benennen die Gärten nicht nach Semiramis, etwa Herodot (Historien I, 181), Xenophon (Kyropaedia) und Plinius (Naturgeschichte VI. 123).

Lokalisierungsversuche
In Babylon

Oft wird die von Robert Koldewey im Nordostteil des Südpalastes ausgegrabene Anlage, deren Fundament aus mehreren überwölbten Räumen bestand, als Überrest der hängenden Gärten gedeutet. Dieser Bau bestand aus vierzehn Kammern. Die Grundmauern bildeten ein Trapez mit Kantenlängen zwischen 23 und 35 Metern. Außerdem verfügte der Bau über eine Brunnenanlage. Auffällig waren vor allem die paternosterähnlichen Bauten, die anscheinend Wasser zwischen mehreren Etagen transportierten. Man fand heraus, dass dieses Wasser mehreren Quellen entsprang. Das ausgegrabene Areal wird Nebukadnezar II. zugewiesen.

 

Wolfram Nagel lokalisiert die Gärten im Westen der Südburg, wohl im Bereich des Außenwerks, und nimmt dann einen Neubau in persischer Zeit durch Atossa, die Mutter Xerxes' I., an, die damit an ihre „Großtante Amyitas“, für die Nebukadnezar Gärten hatte einrichten lassen, erinnern wollte.

Julian Reade lokalisiert die Gärten im Außenwerk des sogenannten Nordpalastes, nach Osten zum Palast hin orientiert.

Kai Brodersen nimmt an, dass diese Gärten nie existierten, sondern dass ein unzugänglicher Palastgarten Nebukadnezars II. im Laufe der Jahrhunderte in der Fantasie der Autoren immer wunderbarere Formen annahm. Als Beleg führt er an, dass diese Bauten bis heute nicht zufriedenstellend lokalisiert werden konnten, dass man dem Garten Bewässerungsformen unterstellte, die erst nach Nebukadnezar II. erfunden wurden, und dass weder zeitgenössische babylonische Texte noch Herodot von einem solchen Bau berichten. Auch andere Autoren bezweifeln inzwischen die Deutung Koldeweys, z. B. Michael Jursa

In Ninive

Die Assyriologin und Keilschrift-Expertin Stephanie Dalley von der University of Oxford legte bereits Anfang der 1990er Jahre Argumente für die Deutung vor, die Hängenden Gärten seien der Palastgarten des assyrischen Königs Sanherib gewesen, der rund 100 Jahre vor dem babylonischen König Nebukadnezar II. gelebt hatte. Dieser Palastgarten in Ninive am Tigris sei für Sanheribs Gattin T?šmetun-Šarrat erbaut und mittels einer archimedischen Schraube bewässert worden. Dalley untermauerte 2013 ihr Plädoyer für Ninive in einem Buch mit weiteren Belegen aus topografischen Untersuchungen und historischen Quellen und erregte damit Aufsehen.

Koloss von Rhodos

Der Koloss von Rhodos war eine über 30 Meter hohe, monumentale Bronze-Statue des Sonnengottes Helios, die etwa 292 v. Chr. nach zwölfjähriger Bauzeit vollendet und in der Inselhauptstadt Rhodos aufgestellt wurde. Die Kolossalstatue stürzte etwa 226 v. Chr. infolge eines Erdbebens um. Sie zählte bereits in der Antike zu den sieben Weltwundern.

Vorgeschichte

Die große Statue des Helios wurde nach dem glücklichen Ausgang der Belagerung von Rhodos (305–304 v. Chr.) errichtet, die im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen den Nachfolgern Alexanders des Großen stattgefunden hatte. Aus historischer Sicht wäre der Sieg der Rhodier gegen den mächtigen Gegner Demetrios I. Poliorketes ohne die Unterstützung durch den griechischen Beherrscher von Ägypten, Ptolemaios I. Soter, kaum zustande gekommen. Die Rhodier selbst sahen das anders. Sie errichteten mehrere Monumente in der Stadt, die das Ereignis für die Nachwelt festhielten und feierten. Das mächtigste von ihnen war die kolossale Helios-Statue, die in das Hauptheiligtum der Stadt, das Helios-Heiligtum, gestellt und dort geweiht wurde.

Die Rhodier glaubten, der Sonnengott Helios, Schutzgott ihres Stadtstaates, habe sie auf wundersame Art vor der Eroberung durch Demetrios Poliorketes gerettet. Es sei Helios gewesen, der die Rhodier angewiesen habe, nachts einen verdeckten Graben zwischen der Stadtmauer und der neunstöckigen Hauptbelagerungsmaschine Helepolis zu ziehen. Als die Belagerungsmaschine am nächsten Morgen vorrückte, stürzte sie in diesen Graben und verschloss mit ihrem Turm eine bereits geschlagene Bresche in der Stadtmauer. Demetrios habe daraufhin die Belagerung der Stadt Rhodos aufgegeben und seine gesamten Belagerungsgeräte den Rhodiern hinterlassen. Den Erlös (300 Talente Silber, das sind etwa 9 Tonnen) hätten die Rhodier zur Finanzierung des Standbildes verwendet.

Die Frage der Gusstechnik

Aus den antiken Textquellen geht eindeutig hervor, dass der Koloss von Rhodos aus gegossener Bronze bestand. Eine Höhe von 70 Ellen ist überliefert, das sind 30–35 Meter (das exakte Ellenmaß ist nicht bekannt). Der Bau zog sich über 12 Jahre hin (etwa 304–292 v. Chr.). Bildhauer und Leiter der Bronzegusswerkstatt war Chares von Lindos, ein Schüler des Lysippos von Sikyon. Die Technik, nach der in der Gusswerkstatt gearbeitet wurde, muss heute rekonstruiert werden. Neuere Funde in Rhodos machen aber wahrscheinlich, dass die Figur in der Nähe ihres Standortes in großen Einzelstücken gegossen wurde.

Verwirrung stiftet die scheinbar ausführliche Überlieferung des Philon von Byzanz zur Gusstechnik. Philon behauptet, man habe die Figur am Standort Etage für Etage aufeinander gegossen. Nach Fertigstellung der ersten Etage habe man diese von außen unter einer Erdanschüttung verborgen und darauf dann die zweite Etage gegossen und so weiter. Im Inneren der Figur habe man von Anfang an Eisengerüste und Steine zur Stabilisierung eingesetzt und mit hochgezogen. 500 Talente Bronze (15 Tonnen) und 300 Talente Eisen (etwa 9 Tonnen) seien verwendet worden. Der Bau habe so viel Rohmaterial verschlungen, dass die damals bekannten Kupfererzquellen zu versiegen drohten. Grund für die ungewöhnliche Gussmethode sei gewesen, dass man große Einzelteile nicht habe transportieren können.

Der Text Philons ist vermutlich der frühe Versuch, die niemals aufgeschriebene und daher schon in der Antike verlorene Gusstechnik der Riesenfigur zu rekonstruieren. Der Autor, selbst kein Handwerker, vermischt Richtiges mit Falschem. So konnten in der Antike sehr wohl große Gussstücke transportiert werden, waren sie doch leichter als die riesigen Marmorteile, die im Tempelbau verwendet wurden. Der Bronzeguss in Etagen ist zwar technisch möglich, allerdings spricht die archäologisch nachgewiesene Technik dagegen, dass er in Rhodos zum Einsatz kam. Außerdem wäre bei der Methode Philons ein riesiger Berg aufgeschüttet worden. Der Abraum dieses Berges müsste deutliche Spuren in Rhodos hinterlassen haben, auf die man in achtzig Jahren archäologischer Ausgrabungen in der Stadt nicht gestoßen ist.

Der Koloss von Rhodos wird in der antiken Literatur häufig erwähnt – gerne als Beispiel für übertriebene Größe und Größenwahn. In diesen Kontext gehört auch folgende Anekdote: „Die Rhodier, die zunächst eine mittelgroße, etwa 18 Meter hohe Statue bei Chares bestellten und den Preis festlegten, änderten den Auftrag und verdoppelten die Maße. Chares merkte zu spät, dass er den achtfachen statt den doppelten Preis hätte fordern müssen. Er ging an dem Auftrag bankrott, was ihn dann in den Selbstmord trieb.“

Standort

Die antiken Schriftquellen machen zum Standort des Helioskolosses von Rhodos nicht einmal eine Andeutung, vielleicht weil er den antiken Autoren selbstverständlich war. Aus dem historischen Zusammenhang lässt er sich für uns jedoch eindeutig erschließen, denn es handelt sich um ein Weihgeschenk. Die wahrscheinliche Weihinschrift ist in der Anthologia Palatina erhalten. Das monumentalste Weihgeschenk, das die Rhodier jemals ihrem Gott aufgestellt haben, kann nur im wichtigsten Heiligtum des Stadtstaates, dem Helios-Heiligtum, gestanden haben. Solche Weihungen haben auch in den Heiligtümern anderer griechischer Stadtstaaten Tradition.

Allerdings war der Standort des Helios-Heiligtums von Rhodos bisher unbekannt. Verschiedene Vorschläge wurden gemacht: auf der Mole St. Nikolaus (Wolfram Hoepfner, siehe unten), auf der Akropolis (19. Jahrhundert), an Stelle des mittelalterlichen Großmeisterpalastes am Abhang der Akropolis (zwischenzeitlich, schon wieder verworfen). Neu ist der Vorschlag von Ursula Vedder, die herausgefunden hat, dass die Benennung für Tempel und Heiligtum oberhalb der Stadion-Terrasse von Rhodos als Heiligtum und Tempel des Apollon Pythios nicht zu halten ist. Oberhalb des Stadions, in dem jährlich Spiele zu Ehren von Helios durchgeführt wurden, befindet sich demnach in Wirklichkeit das lang gesuchte Helios-Heiligtum. Das Gelände ist zwar bereits 1938 ausgegraben und als archäologischer Park hergerichtet, bisher aber noch nicht ausführlich untersucht worden. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich in den Ruinen dort Reste des Standortes des Kolosses von Rhodos nachweisen lassen.

Zerstörung

Ein starkes, heute in das Jahr 226 v. Chr. zurückdatiertes Erdbeben, das große Zerstörungen in der Stadt hervorrief, brachte auch den Koloss von Rhodos zum Einsturz; eine Quelle besagt, dass das Beben ihn in den Knien einknicken ließ. Laut Plinius dem Älteren überdauerte das Standbild nur 66 Jahre, damit war es das kurzlebigste der sieben Weltwunder. Nach diesem Erdbeben bekam Rhodos finanzielle Unterstützung aus ganz Griechenland. Ein König, vielleicht Ptolemaios III. Euergetes, versprach auch Geldmittel, um den Koloss wieder aufrichten zu lassen. Die Rhodier ließen die Bronzeteile jedoch aus Furcht vor einem neuen Sturz liegen und setzten das Gerücht in Umlauf, der Grund sei ein Orakel mit dem Wortlaut „Was gut liegt, das soll man nicht von der Stelle bewegen!“. Noch etwa 890 Jahre konnten die Besucher des Heiligtums die Trümmer sehen. Laut einer Beschreibung Plinius’ des Älteren klafften in den zerbrochenen Gliedern riesige Höhlungen und nur sehr große Männer vermochten den Daumen der Statue mit den Armen zu umfassen.

Nach einer Überlieferung, die anscheinend auf die verlorene Chronik des Theophilos von Edessa zurückgeht und mit Abweichungen bei Theophanes, Agapios von Hierapolis und Michael Syrus überliefert ist, sammelten (wohl im Jahr 654) die Araber unter Muawiya, dem Feldherrn des herrschenden Kalifen Uthman ibn Affan und Gouverneur von Syrien, das Metall der Statue ein, als sie kurzfristig die Insel eroberten. Das Altmetall soll in den Orient verschifft worden sein, wo ein jüdischer Händler aus Edessa es gekauft und mit 900 Kamelen abtransportiert habe.

Der Koloss von Rhodos in der Kunst

Eine antike Darstellung oder Beschreibung des Kolosses von Rhodos gibt es nicht. Man kann nur vermuten, dass Helios als stehender, nackter junger Mann mit langem lockigen Haar und Strahlenkranz dargestellt war. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sein Kopf nach dem Vorbild der Münzbilder des Stadtstaates Rhodos geformt war, die seit dem späten 5. Jahrhundert v. Chr. auf Rhodos geprägt wurden.

Seit der Renaissance ist das Bild vom spreizbeinigen Koloss über der Hafeneinfahrt von Rhodos weit verbreitet. Es illustriert eine Legende, die im von Kreuzrittern beherrschten Rhodos des späten 14. Jahrhunderts aufkam, vermutlich unter dem frühen Humanisten Großmeister Jean Fernandez de Heredia. Man darf annehmen, dass sie auf eine gelehrte, aber falsche Deutung einer antiken Textquelle zurückgeht. Die Johanniter erzählten den christlichen Pilgern, die auf ihrer Reise ins Heilige Land in Rhodos Station machten, dass es in Rhodos einst ein riesiges Götzenbild gegeben habe, das mit einem Fuß auf dem Ende der St.-Nikolaus-Mole stand und mit dem anderen auf dem Ende der Mühlen-Mole. Es sei so groß gewesen, dass Schiffe jeglicher Größe unter seinen Beinen hindurch in den Hafen fahren konnten. Nach dieser Legende hat der Koloss von Rhodos mit den Füßen auf den Enden der antiken Molen gestanden und einen ca. 750 m großen Schritt gemacht.

Mit den christlichen Pilgern gelangte die Legende in den Westen. 1554 hat André Thevet in Lyon zum ersten Mal ein Bild vom spreizbeinigen Hafenwächter veröffentlicht (Cosmographie du Levant). Bis heute am bekanntesten ist jedoch die von Philipp Galle 1572 gestochene Zeichnung des Maarten van Heemskerck (Colossus Solis, in Octo Mundi Miracula), die in der Folge häufig kopiert und variiert wurde. Van Heemskerck führte das Attribut des Gefäßes mit der Flamme in der rechten Hand des Kolosses ins Bild ein. Zwar wurden im 18. Jahrhundert Zweifel an der Richtigkeit der Legende laut. Der Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach (Entwurf einer historischen Architektur, Wien 1721) bemerkte zum Beispiel, dass bei einer 70 Ellen hohen Statue der Schritt nicht so weit sein konnte, wie es der Wortlaut der Legende vorgab. Dennoch zeichnete auch er ein Bild in der Tradition van Heemskercks. Der Gelehrte Anne-Claude-Philippe, Comte de Caylus stellte 1752 fest, dass Legende und antike Überlieferung nicht übereinstimmten. Die Wirkung der Legende und ihrer Illustrationen bis weit in das 19. Jahrhundert beeinflusste das nicht.

 

Fast alle heute auf Rhodos angefertigten Souvenirs vom Koloss gehen auf das Bild des Zeichners P. J. Witdoeck in B. E. A. Rottiers von 1830 (Descriptions des Monuments de Rhodes) zurück. Ein Exemplar dieses Buches besitzt die Antikenverwaltung von Rhodos. In diese Darstellung flossen rationale Überlegungen wie die ein, dass der Feuertopf aus statischen Gründen in der Mittelachse der Figur, also über dem Kopf angenommen werden muss.

Die älteste Rekonstruktion des Kolosses von Rhodos als ruhig stehende Figur wurde 1939 von A. Gabriel publiziert. In modernen Illustrationen zu den sieben Weltwundern wird dagegen gerne auf die Rekonstruktion von H. Maryon aus dem Jahre 1956 zurückgegriffen. In jüngster Zeit machen Wolfram Hoepfner und Ursula Vedder mit Untersuchungen zum Koloss von Rhodos auf sich aufmerksam. Hoepfner rekonstruiert den Koloss von Rhodos dort, wo heute das Kastell St. Nikolaus steht. Dieser Artikel folgt den Vorstellungen von Vedder.