Sky-Troopers 4 - Das Sandschiff

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Sky-Troopers 4 - Das Sandschiff
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Michael Schenk

Sky-Troopers 4 - Das Sandschiff

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77 Hinweis auf „Sky-Troopers 5 – Die Wirbelwelt“

Kapitel 78 Hinweis auf Homepage

Impressum neobooks

Kapitel 1

Sky-Troopers 4 ‒ Das Sandschiff

Science Fiction Roman

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2014/2020

Saranvaal, das Sandschiff des Kapitäns Kane-Lano.

Kane-Lano liebte das Sandmeer.

Die Menschen in den Wasserstädten mochten seine unendlichen Weiten und Gefahren fürchten, doch für den Kapitän des Sandschiffes Saranvaal war das Meer des Sandes Lebensraum und Grundlage seines Lebensunterhaltes.

Das Auf und Ab der Dünen ähnelte den Wellen von Wasser, auch wenn hier die Farben Weiß, Gelb und Ocker vorherrschten. Gelegentlich waren die Konturen von Braunfelsen zu erkennen und in der Ferne ragten die schroffen Formen der Berge auf. Die Dünen wanderten und veränderten immer wieder den Anblick des Sandmeeres, und man brauchte einen fähigen Navigator, um sich in seiner Weite nicht zu verlieren.

Meist verursachte der Wind die einzige Bewegung, doch das Meer aus Sand war keineswegs leblos und die Besatzungen der Sandschiffe nicht seine einzigen Bewohner.

Am häufigsten waren die Plattensteher anzutreffen. Ihre Leiber waren extrem dünn und hoch, so dass die Tiere tatsächlich aufrecht stehenden Stahlplatten ähnelten. Die Natur hatte sie dergestalt geschaffen, damit sie ihre Körper stets so drehen konnten, dass sie der unbarmherzigen Sonne nur wenig Fläche darboten. Die Tiere standen auf sechzehn Beinen, mit denen sie einen seltsamen Tanz aufzuführen schienen. Die Hälfte der Beine war auf dem Boden, die andere leicht erhoben, damit diese auskühlen konnte. Dann folgte der Wechsel und die Plattensteher schienen beständig auf der Stelle zu tanzen. Doch diese stete Bewegung schützte sie davor, sich am heißen Sand die Füße zu verbrennen.

Für Kane-Lano und jene Menschen, die sich mit ihren Schiffen auf das Sandmeer hinauswagten, waren die Plattensteher die Grundlage ihrer Existenz. Nicht ihres Fleisches wegen. Man musste dem Hungertod schon sehr nahe sein, um eines der Tiere auf die persönliche Speisekarte zu setzen. Doch die Eigenheit der Tiere, die Füße vor der Hitze des Bodens schützen zu wollen, war ein wichtiges Kriterium für einen erfolgreichen Fang.

Tief im Sand verborgen lebten die großen Krebse. Mit ihren dick gepanzerten Leibern und Scheren gruben sie sich durch den Untergrund und schaufelten alles in sich hinein, was ihnen auf ihrem Weg begegnete. Ihr einzigartiges Verdauungssystem verarbeitete organische und mineralische Substanzen und tief unten im Sand gab es Schichten mit den Überresten der einst reichen Pflanzenwelt. Oft kamen die Krebse dabei dicht unter die Oberfläche und bewegten die obere Schicht des Sandmeeres. Sie förderten die tieferen und kühleren Schichten nach oben. Die Bewegung war mit bloßem Auge kaum zu sehen, doch die Plattensteher spürten die leichteste Bewegung im Boden, die sie veranlasste, sofort diese kühleren Sandbereiche aufzusuchen. Wer einen Krebs erlegen wollte, der hielt nach den Plattenstehern Ausschau und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf jene Bereiche, in denen sie ihren „Tanz“ aufführten. Mit etwas Glück und Geduld passte man jene Augenblicke ab, in denen ein Sandkrebs zum Luftholen durch die Oberfläche brach. Bei dieser Gelegenheit spuckte er auch jene unverdaulichen Dinge aus, die er bei seiner Nahrungssuche aufgenommen hatte. So gab es zwei Dinge, die einem Sandschiff-Kapitän Erfolg verhießen: die Bewegung eines Rudels von Plattenstehern und das Spucken eines Krebses.

 

Krebse waren in vielerlei Hinsicht wertvoll. Ihr Fleisch war schmackhaft, ihre Panzer waren in den Wasserstädten beliebt und ihre Körperflüssigkeit, das Krebsöl, war ein überragendes Gleit- und Schmiermittel. In ihren Mägen sammelten sich zudem wertvolle Mineralien und Kristalle an, die sie tief unter der Oberfläche in sich aufgenommen hatten. Die Krebse nutzten sie, um ihre Nahrung damit zu zerkleinern. Durch die stete Bewegung waren diese „Magensteine“ meist perfekt rund geschliffen.

Kane-Lano und seine Besatzung lebten von den Krebsen. Ihre Saranvaal war nicht das einzige Sandschiff, jedoch eines der erfolgreichsten.

Im Augenblick lag die Saranvaal vor Anker. Kapitän Kane-Lano hatte alle vier Pfahlanker in den Sand treiben lassen. Zwei zusätzliche Sandkrallen sollten ausschließen, dass das mächtige Sandschiff abtrieb. Die Saranvaal war beeindruckend und, auf ihre eigene Art, eine richtige Schönheit. Obwohl sie nie über eine Wasserfläche segeln würde, zeigte sie doch viel Ähnlichkeit mit einem Segelschiff. Der Rumpf ragte rund fünfzehn Meter auf und war fast fünfundsiebzig Meter lang. Unten, am Kiel, war er zehn Meter breit, am Oberdeck gute fünfzehn. Während das Heck stumpf und wie abgeschnitten wirkte, verjüngte sich der Bug oben und unten, so dass er ein wenig einer offenen Schere ähnelte. An der oberen Spitze befand sich die Plattform mit der Harpunenkanone, die untere Spitze wirkte wie ein Pflug, der den Sand zerteilte.

Der gesamte Rumpf bestand aus miteinander vernieteten Stahlplatten. Dem Stahl war ein Farbpigment beigefügt worden, so dass sich die Saranvaal kaum vom sandigen Untergrund abhob. Es gab nur wenige farbige Stellen am Schiff, denn Sand und Wind hätten jede diesbezügliche Bemühung rasch wieder zunichte gemacht.

Das Sandschiff ruhte auf den Kettengliedern einer gewaltigen Raupe, die sich über die fast gesamte Breite und Länge des Kiels erstreckte. Ihre Achsen waren mit dem seitlichen Rumpf verbunden. Die Konstruktion war zuverlässig, aber kaum gefedert, weswegen sich die Bewegung der Raupe auf das gesamte Schiff übertrug. Diese Raupe diente lediglich als Laufwerk und nicht als Antrieb. Wie alle Schiffe seiner Art verfügte die Saranvaal über zwei dampfbetriebene Schaufelräder an ihren Seiten sowie über drei hohe Masten, deren Segel den Wind einfingen und die Konstruktion zu einem schnellen Jäger machten. Im Augenblick waren die großen Segel jedoch eingeholt und an den ausladenden Rahen festgemacht.

Während der Ausguck oben im Hauptmast nach einem Krebs oder Gefahr Ausschau hielt, galt die Aufmerksamkeit der Besatzung zwei großen Braunfelsen, neben denen das Schiff ankerte. Braunfels war kostbar, denn alle Dampfmaschinen im Volk der Negaruyen wurden mit ihm oder Sonnenenergie betrieben. Für Kapitän Kane-Lano ein guter Grund, einen Teil des Braunfelsens abzubauen. Der zerkleinerte Fels würde die Brennstoffvorräte des Schiffes auffüllen und ließ sich in den Wasserstädten mit gutem Gewinn verkaufen.

Fast die gesamte Besatzung war dabei, die Felsen mit Hammer und Schlageisen zu zerkleinern. Eine mühselige Arbeit, vor allem bei der herrschenden Hitze. Das rhythmische Schlagen hatte ganze Scharen der Plattensteher angelockt, welche unsicher umhertanzten, da sie den Ursprung der Erschütterungen nicht zuordnen konnten. Hier war es das Werk der Negaruyen, welches sie anlockte, und nicht die Vibrationen eines wühlenden Krebses.

Der Kapitän war unruhig und schritt langsam auf dem Oberdeck auf und ab, während seine Blicke zwischen den Braunfelsen und dem Mastkorb des Ausgucks pendelten, der, gute vierzig Meter über dem Deck, nach möglichen Gefahren spähte.

Kane-Lano war ebenso beeindruckend wie sein Schiff. Seine Haut war von der Sonne gebräunt und, trotz seiner Jugend, von Sand und Wind gegerbt, so dass er älter wirkte. Folge eines Lebens, welches seit Kindesbeinen der Sandfahrt galt. Er trug das Haupthaar modisch lang und hatte es im Nacken zu einem Zopf geflochten. Sein besonderer Stolz waren die beiden Wangenbärte, die am Kinn in zwei handlangen Zöpfen endeten. Nur wer im Volk der Negaruyen den Doppelnamen eines Mannes vornehmer Herkunft trug, besaß das Recht zweier Bartzöpfe.

Der Kapitän trug die schlichte Kleidung eines Sandschiffers. Jacke und Hosen waren aus bunt gefärbtem Tuch, die grellroten Stiefel aus bestem Leder. Wurde das Wetter rau und der Wind stärker, würde ein lederner Übermantel vor dem Sand schützen, der einem die Haut vom Fleisch raspeln konnte.

Kane-Lano konzentrierte sich zunehmend auf das Tänzeln der Plattensteher. Gelegentlich zog er das kleine Teleskop aus der Jackentasche und setzte es an, um die Fußbewegungen der Tiere genauer sehen zu können.

Farrel-Tuso kam mit bedächtigen Schritten über das Deck heran. Der hagere Obermaat war der Stellvertreter des Kapitäns und spürte dessen Unruhe. „Was nicht in Ordnung, Käpt´n?“

Der Angesprochene leckte sich über die Lippen und schob das Teleskop wieder zusammen. „Ich weiß nicht, Farrel. Irgendetwas an den Tänzern erscheint mir ungewöhnlich.“

Farrel-Tuso war kein Adliger, gehörte als Obermaat allerdings zu den höher gestellten Persönlichkeiten in der Hierarchie des Volkes der Negaruyen. Als Zeichen seines Standes durfte er daher einen Kinnbart tragen und das geflochtene Zopfende war fast zwei Handspannen lang. Tuso starrte zu den Felsen und Tieren hinüber und strich unbewusst am Zopf des Bartes entlang. „Sie tanzen herum, Käpt´n. Ist kein Wunder. Jetzt zur Mittagssonne heizt sich der Sand besonders stark auf. Die Tiere haben nun einmal nicht unsere Stiefel“, fügte er scherzend hinzu.

Die Stiefel eines Sandschiffers waren eine Besonderheit. Ihre Sohlen waren fast zehn Zentimeter hoch und bestanden aus einer Mischung aus Stahlrippen und Lederwülsten, die eine gitterartige Struktur aufwiesen. Die Sohlen berührten den Untergrund nur mit einer recht kleinen Fläche und leiteten Hitze schnell ab.

Kane-Lano nickte zögernd. „Vielleicht hast du recht, Obermaat.“

„Ganz sicher, Käpt´n. Zudem sind die Biester es nicht gewohnt, dass unsere Leute auf die Braunfelsen einschlagen. Die glauben sicher, dass sich ein Krebs unter uns hindurch gräbt.“ Der Obermaat bemerkte den Blick seines Kapitäns und grinste breit. „Nein, Käpt´n, da ist kein Krebs in der Nähe. Du kennst Murna. Ihren Augen entgeht auch nicht das kleinste Anzeichen für einen guten Fang.“

Erneut sah Kane-Lano zum Ausguckkorb hinauf. „Du hast recht, Farrel. Kein Krebs würde ihr entgehen.“

Einem Matrosen hätte der Obermaat nun aufmunternd auf die Schulter geschlagen, doch bei einem Kapitän gebührte sich das nicht. „Glen-Tuso hat mich geschickt. Er verlangt nach dir.“

„Dann will sich dein Bruder wieder über die Maschine beschweren?“, knurrte Kane-Lano missmutig.

„Natürlich will er das.“ Der Obermaat stampfte zustimmend mit dem linken Fuß auf. „Als Obermaschinist ist das ja seine Aufgabe. Jetzt frag mich nicht nach seinem Begehr, Käpt´n. Vielleicht sind es die Ventile oder schlechter Braunstein, vielleicht ist eine Dampfleitung undicht oder ein Kolben hat sich festgefressen.“ Er lachte dröhnend. „Vielleicht ist ihm auch nur der Zwieback zu hart. Du weißt doch, ein Dampfschrauber findet immer einen Grund zur Klage.“

Der Kapitän sah zu den beiden dünnen Schornsteinen, die zwischen dem mittleren Hauptmast und dem Heckmast aus dem Oberdeck ragten. Rechts und links, an den Flanken des Rumpfes, ragten die riesigen Schaufelräder über die Reling empor. Zwischen diesen Schaufelrädern war an Deck der Ruderstand mit dem großen Steuerrad, Kompass und Sprachrohr zum Maschinenstand errichtet worden. Der Dampfantrieb war überlebenswichtig für ein Sandschiff. Die Maschinisten, nicht umsonst als Dampfschrauber bezeichnet, genossen einen besonderen Status an Bord, denn ein guter Fang gelang nur mit einem schnellen Schiff und die Saranvaal war unbestritten ein ausgezeichneter Jäger. „Also schön, Farrel, hören wir uns an, was dein Bruder zu sagen hat.“

Sie gingen gemächlich in Richtung eines der beiden Niedergänge, die unter das Deck führten und wichen dabei den wenigen Hindernissen aus. Es gab ein paar Gestelle mit ordentlich aufgeschossenen Leinen, Körbe mit Sammelnetzen und die beiden an Deck festgezurrten Beiboote. An Bug und Heck erhoben sich die einzigen Deckaufbauten: hinten das Lagerhaus, mit allen Hilfsmitteln, die man benötigte, um das Schiff für eine Sturmfahrt vorzubereiten oder Reparaturen vorzunehmen, und vorne der Verschlag mit Ersatzteilen und Projektilen für die Harpunenkanone. Diese beiden Aufbauten waren keilförmig. In Richtung auf den Bug flach, damit sie nur wenig Windwiderstand boten, und zum Heck hin breit und hoch, damit der Wind sie von hinten erfassen und der entstehende Druck als zusätzliche Antriebskraft genutzt werden konnte.

Der vordere Niedergang, wie man die Treppen an Bord eines Sandschiffes nannte, diente als Aufgang und lag zwischen den beiden Ankerwinden in der Nähe des Bugs. Diese waren massige und schwere Konstruktionen, die aus stählernen Zahnstangen, einer Kurbelübersetzung und einem Schlagkeil bestanden. Wurden die Anker eingeholt, so war es Schwerstarbeit, sie mit den Kurbeln und Zahnstangen aus dem sandigen Grund zu befreien und seitlich am Rumpf zu fixieren. Zum Herablassen reichte es hingegen aus, die Haltekeile mit ein paar kräftigen Schlägen aus dem Gewinde zu treiben. Den Rest erledigte das hohe Eigengewicht der Ankerpfähle.

Der hintere Niedergang, also die hinabführende Treppe, war im Gegensatz zum Aufgang als Rolltreppe konstruiert. Das Gewicht des Benutzers setzte die Stufen in Bewegung und drückte sie nach unten. Die daraus entstehende Kraft wurde durch eine simple Mechanik umgewandelt, welche jene Reinigungsbürsten unterstützte, mit denen man die Oberfläche der Glieder der Laufraupe provisorisch säuberte. Die Hauptarbeit musste per Hand von den Sandbürstern der Mannschaft geleistet werden. Deren Aufgabe war es, die Raupenglieder unermüdlich von Sand zu befreien, der die beweglichen Glieder sonst blockieren konnte.

Unter dem Oberdeck gab es zwei Decks. Das Mitteldeck erstreckte sich über die gesamte Länge des Schiffes und war in verschiedene Bereiche und Kammern unterteilt. Hier war der eigentliche Lebensraum der Besatzung, so eng dieser im Einzelfall auch sein mochte. Hinten im Heck lag die große Kapitänskajüte, davor die Kammern der Maate und des Obermaschinisten. Eine weitere Kammer war der Harpunierin Desara vorbehalten. Die übrigen Besatzungsangehörigen teilten sich die Mitte des Decks. Am Tag standen hier Tische und Bänke, die für die Nacht zur Seite gestellt wurden, damit es genug Raum für die Hängematten gab. Vorne im Bug befanden sich das Vorratslager und die Rüstkammer des Schiffes. Entlang des Decks zogen sich rechteckige Öffnungen, welche Luft und Licht hereinließen. Ihre Verschlussklappen waren mit einfachen Metallstreben versehen. Jetzt, da das Schiff stillstand, nutzte man die Möglichkeit, es zu durchlüften, denn es stank nach heißem Metall, Dichtungsmitteln, Schmierölen, Braunfels und Ausdünstungen der Besatzung. Nahm das Schiff hingegen Fahrt auf, musste man die Klappen meist schließen, damit der Fahrtwind nicht Unmengen von Sand hereinblies.

Sand war der Freund und zugleich Feind eines Sandschiffers. Er durchdrang nahezu jede Kleidung und jede Öffnung und setzte sich überall fest. Seine feinen Körner malträtierten die Haut, reizten die Augen und Atemwege und blockierten immer wieder bewegliche Teile des Schiffes, wenn sie nicht ausreichend mit Krebsöl geschützt waren. Ein Dutzend Männer war stets damit beschäftigt, dem eingedrungenen Sand mit Bürsten und Besen zu Leibe zu rücken.

 

Im Mitteldeck war leise Musik zu hören. Einer der Matrosen hatte wohl vergessen, sein Walzengerät abzustellen. Der Kasten wurde mit einem Federzug betrieben und in ihm rotierte eine mit Stiften besetzte Walze, die an einem metallenen Kamm entlangstrich. Auf diese Weise entstanden Töne, die sich zu einer Melodie zusammenfügten. Es gab viele Walzen für viele verschiedene Melodien, doch der Matrose der Saranvaal besaß bedauerlicherweise nur eine einzige und ihr Abspielen wurde kaum noch als Entspannung empfunden. Farrel-Tuso trat schweigend an den Walzenkasten und legte den Hebel um, der den Federmechanismus blockierte.

Der Weg von Kapitän und Obermaat führte weiter hinunter in das Unterdeck. Hier war der Boden in Längsrichtung offen, damit man die Glieder der Raupe säubern und schmieren konnte. Metallene Stege führten von einer Schiffsseite zur anderen. Im vorderen Drittel erhob sich die klobige Dampfmaschine mit ihrem Antriebsgestänge zu den außen liegenden Schaufelrädern. In der Mitte gab es die Bunker mit den Brennstoffvorräten. An Bug und Heck waren die Wassertanks installiert, deren Inhalt den Durst der Mannschaft und der Maschine stillte und für den richtigen Trimm des Schiffes sorgte, damit es gleichmäßig auf ebenem Kiel fuhr.

Hier unten, im Maschinendeck, war es drückend heiß. Wenn sich das Schiff bewegte, dann förderte die Bewegung der Laufraupe eine Menge Sand durch die offene Führungsrinne der Raupenglieder, daher gab es keine zusätzlichen Außenluken, durch die noch mehr Sand hätte eindringen können. Es gab nur dann einen kühlenden Luftstrom, wenn der Antrieb lief und ein Teil seiner Energie genutzt wurde, um Frischluft durch die Belüftungsrohre zu pumpen.

Obwohl Kane-Lano und Farrel-Tuso Hitze gewohnt waren, trieb ihnen die Schwüle des Maschinendecks sofort den Schweiß aus den Poren.

Der Kapitän nickte ein paar Sandbürstern zu, die unentwegt ihrer Arbeit nachgingen, und verharrte einen Moment, um zwei Maschinisten zuzusehen, welche die Raupenglieder schmierten. Es war eine ebenso erforderliche wie gefährliche Arbeit. Man konnte kein normales Öl oder Fett verwenden, um die Glieder gängig zu halten, denn diese wären mit dem Sand verklebt. Stattdessen wurde das Körperöl der Sandkrebse genutzt. Auf geheimnisvolle Weise besaß es eine abstoßende Wirkung auf den Sand. Die Bürster, die ansonsten jedes Korn von der Raupe entfernten, waren jetzt in die Führungsrinne hinabgestiegen, sicherten sich mit Leinen und pinselten das Öl auf alle beweglichen Metallteile. Die Saranvaal lag vor Anker und die Raupe war mit Keilen blockiert. Die kleinste Bewegung des Schiffes und damit der Raupenglieder hätte zu schweren Verletzungen oder dem Tod der Arbeiter führen können.

Obermaschinist Glen-Tuso erwartete sie mit einem seiner Dampfschrauber an der Dampfmaschine. Die Klappe der Feuerung war geöffnet und Glen-Tuso ließ Schlacke aus der Heizkammer entfernen. Er war ebenso hager wie sein Bruder und trug, wie alle hier unten, kaum mehr als eine lederne Schürze vor dem Bauch und die obligaten Schifferstiefel.

„Ah, Euer Ehrenwert gibt sich die Ehre“, grüßte Glen-Tuso seinen Kapitän mit der offiziellen Anrede, wie sie in den Wasserstädten üblich war. Hier an Bord grenzte dies fast an eine offene Beleidigung.

„Du vergisst dich, Bruder“, knurrte Farrel-Tuso. „Du sprichst mit dem Käpt´n.“

Der Heizer holte eine weitere Schaufel Schlacke aus der Befeuerung und wandte den Kopf zur Seite. Der Kapitän wusste, dass ihm dies signalisieren sollte, dass der Mann nichts gehört hatte. Für Kane-Lano ein untrügliches Zeichen, dass er nun erst recht reagieren musste. Er war bereit gewesen, über die Respektlosigkeit des Obermaschinisten hinwegzusehen, doch nun blieb ihm keine andere Wahl, als die Disziplin sofort wieder herzustellen.

„Dass du dem Ehrenwerten nach dem Maul redest, war mir klar“, fuhr Glen-Tuso seinen Bruder an. „Aber du bist der Obermaat und so ist das auch deine Aufgabe. Jeder hat ja seine Aufgabe, nicht wahr? Der Kapitän sorgt für uns, du treibst die Mannschaft an und ich wiederum die Maschine. So funktioniert das auf einem Sandschiff und das schon seit vielen Generationen. Aber bei dieser Fahrt hat unser ehrenwerter Kapitän bislang in leeren Sand gegriffen, nicht wahr? Unser Warenlager ist leer und unsere Vorratskammer leert sich ebenso wie mein Brennstofflager. Hätten wir die verdammten Braunfelsen nicht entdeckt, dann könnten wir in ein paar Tagen nur noch unter Segel fahren.“

„Die Brennstoffbunker sind leer?“ Im Gesicht des Obermaats zeigte sich Sorge und die beiden seitlichen Nickhäute unter den wimpernlosen Augenlidern schlossen sich kurz.

„Nun, die Braunfelsen werden sie wieder füllen“, antwortete der Obermaschinist und sah den Kapitän herausfordernd an. „Die Mannschaft wird aber kräftig auf sie einschlagen müssen, wenn wir ein paar Brocken über behalten wollen, um sie in der nächsten Wasserstadt zu verkaufen. Diese Fangfahrt ist bisher so gehaltvoll wie der Furz eines Sternenmenschen.“

Kane-Lano löste nun die kleine Neuro-Peitsche von seinem Gürtel und schaltete sie ein. Das helle Summen ließ den Obermaschinisten erstarren. „Ich rede dir nicht in deine Arbeit hinein, Dampfschrauber, halte dich also aus meiner heraus. Ein Sandschiffer braucht nicht nur Können, sondern immer auch ein wenig Jagdglück.“

„Fehlt es an Können oder Glück?“, entfuhr es Glen-Tuso und im nächsten Moment stieß er ein schmerzerfülltes Zischen aus, als die Neuro-Peitsche seine Wange streifte.

Der Heizer räusperte sich. „Ich muss mal nach den Dampfleitungen sehen. Ich glaube, da ist was undicht“, murmelte er und ließ die Schaufel fallen, um sich einen Lappen und einen Schrauber zu nehmen und zur anderen Seite der Maschine zu gehen.

Glen-Tuso starrte den Kapitän böse an. „Schön, das habe ich wohl verdient, aber das ändert nichts an den Tatsachen. Wir sind nun schon sechs Wochen auf Fahrt und haben nichts außer ein paar Brocken Braunfels vorzuweisen.“ Er rieb sich die Wange, die unter den Nachwirkungen des elektrischen Schlages zuckte, und deutete mit der anderen zum Heck. „Wir werden auch bald wieder Wasser brauchen, großer Kapitän. Der hintere Tank ist zu zwei Dritteln geleert.“

Der Mann sagte die Wahrheit, dennoch war der Kapitän versucht, die Peitsche erneut einzusetzen. Leider war Glen-Tuso ein ausgezeichneter Maschinist und kaum zu ersetzen. Es gab eine ganze Reihe von Maschinisten, doch niemand kannte die Macken der Saranvaal so gut wie Farrel-Tusos Bruder und für einen guten Fang brauchte Kane-Lano einen einwandfrei arbeitenden Antrieb.

„Du hast dich um die Maschine verdient gemacht, Glen-Tuso, daher werde ich über deine Respektlosigkeit hinwegsehen. Dieses eine Mal“, fügte der Kapitän finster hinzu. „Denn wenn wir einen guten Fang machen wollen, dann muss die Maschine ihr Bestes geben. So, wie wir alle.“ Er sah wie der Obermaschinist zu einer Entgegnung ansetzen wollte und hob mahnend die Peitsche. „Ich werde dir den gebührenden Respekt erweisen und erwarte, dass du ihn ebenso mir gegenüber erweist. Ich verlasse mich lieber auf den Wind als auf einen aufrührerischen Dampfschrauber.“

Glen-Tuso wurde ein wenig bleich. Dass ein Kapitän sich lieber auf den Wind als auf die Dampfkraft verließ, war eine furchtbare Erniedrigung für jeden Dampfschrauber. Doch der Maschinist war fair genug, sich einzugestehen, dass er sich das selbst zuzuschreiben hatte. Er knickte in der Hüfte nach vorne, legte die Fingerspitzen der linken Hand an die linke Schulter und erwies dem Kapitän so den traditionellen Ehrensalut. „Verzeih, Kapitän, ich vergaß mich.“

„Es ist vergeben“, brummte Kane-Lano und schlug mit der Hand leicht gegen die Schulter des Obermaschinisten.

Am Niedergang war Poltern zu hören. Das durch die Luke hereinfallende Licht wurde verdeckt, als ein paar Männer zwei große Körbe ins Maschinendeck herunterbrachten.

„Wir bringen den ersten Braunfels, Käpt´n“, meldete einer der Matrosen. „Wo soll er hin?“

„Ist er sorgfältig zerschlagen worden?“, fragte Glen-Tuso prompt und eilte zum ersten Korb hinüber. „Taugt er überhaupt?“ Er nahm einen der Brocken und betastete ihn. „Bei den Göttern und Vorfahren, ich will verflucht sein, wenn das nicht der beste Braunstein ist, der jemals gefunden wurde. Sehr dicht und sehr hart.“ Er grinste glücklich. „Das wird die Maschine befeuern, Käpt´n, das wird sie befeuern.“

„Freut mich, dass du zufrieden bist“, sagte Kane-Lano und schob die Neuro-Peitsche wieder hinter den Gürtel. Er sah die Matrosen an. „Füllt unsere Bunker auf und dann schafft so viel wie möglich in den hinteren Laderaum. Farrel-Tuso wird sich um die Trimmung kümmern.“

Der Obermaat nickte. Durch die richtige Gewichtsverteilung des Schiffes konnte man sein Heck beschweren und den Bug etwas leichter machen, so dass dieser sich ein wenig hob und den Sand besser teilte. Dann mussten sich die Schaufeln der Antriebsräder nicht so tief in den Sand graben. Das machte die Saranvaal schneller.

Der Kapitän stieg ins Hauptdeck hinauf und suchte seine Kabine auf. Sie war die größte an Bord und erstreckte sich über die gesamte Breite des Schiffes. In Fahrtrichtung rechts lag die kleine Schlafkammer. Kane-Lano gönnte sich den Luxus eines richtigen Bettes. Allerdings stand dies nicht auf Füßen, sondern war mit Ketten an der Decke aufgehängt, so dass diese die Bewegungen des Schiffes ausgleichen konnten. Es gab zwei Schränke und eine große Kiste. Der übrige Teil der Heckkabine war eine Mischung aus Besprechungsraum und Wohnstube. Die meisten Möbel waren aus bunt bemaltem Metall oder gefärbtem Glas, denn diese Rohstoffe waren reichlich vorhanden und Stahlgießer, Schmiede und Glasformer gehörten zu den vielbeschäftigten Handwerkern. Lediglich der Kartentisch und zwei der Stühle waren aus Holz. Sie waren mit feinen Schnitzereien versehen. Holz zu verwenden, verriet Wohlstand. Kane-Lano war ein sehr erfolgreicher Sandschiffer, doch auf dieser Fahrt war der Erfolg bislang ausgeblieben. Hinter dem Tisch stand eine große Truhe mit mehreren Schlössern. Darin bewahrte der Kapitän Münzen und besondere Wertsachen auf.

Kane-Lano trat an den Tisch und beugte sich über die dort ausgebreitete Karte. Mit Winkelmaß und Stift prüfte er die bislang zurückgelegte Strecke. Die Saranvaal war tief in das nördliche Sandmeer vorgedrungen. Tiefer als gewöhnlich und doch hatte man noch keinen einzigen Krebs gesichtet.

Er blickte auf, als er vor der Kabinentür das Stampfen eines Fußes hörte. „Willkommen!“

Obermaat Farrel-Tuso trat ein und der Kapitän winkte ihn zur Karte. „Sechs Wochen Fahrt im Sandmeer und noch immer kein Fang“, knurrte Kane-Lano mit finsterem Gesicht. „Dabei haben wir mehrfach den Kurs geändert und ein großes Gebiet nach Krebszeichen abgesucht.“

„Wir sind weit im Norden. Weit mehr Tausendschritte als jemals zuvor.“ Farrel-Tuso tippte auf die Karte und führte den Finger ein Stück weiter. „Wir sind bald in der Nähe des großen Walls, Käpt´n.“

„Ich weiß, es ist riskant“, knurrte Kane-Lano. „Dort am Gebirge beginnt das Gebiet der Sternenmenschen und dort treiben sich oft auch die Plünderer herum.“

„Mit Plünderern der Clans werden wir fertig“, meinte der Obermaat. „Jedenfalls, wenn es nicht zu viele von den Kehledurchschneidern sind. Mehr Sorge machen mir die Sternenmenschen. Sicher, wir treiben Handel mit ihnen, aber sie haben es nicht gerne, wenn man ihrem Gebiet zu nahe kommt.“

„Es ist unser Land“, erwiderte der Kapitän und sein Blick wurde noch finsterer. „Sie haben es sich einfach genommen.“

„Wir hatten keine Wahl. Die Wasserstädte haben einen Vertrag mit den Sternenmenschen und wir müssen uns dem fügen.“

Der Kapitän stieß ein leises Schnauben aus, wobei die kurzen Nasenflügel in flatternde Bewegung gerieten. „Reden wir nicht von den Sternenmenschen. Wir brauchen Gewinn, Farrel. Eine Wochenreise westlich liegt die nächste Wasserstadt. Drei Tage nördlich, dicht vor dem großen Wall, liegt die Ruinenstadt Neroya. Vielleicht sollten wir dort nach Artefakten suchen, die wir mit Gewinn verkaufen können.“

„Die alten Städte sind doch längst ausgeplündert, Käpt´n. Ich glaube nicht, dass wir da noch etwas finden. Da müsste man schon sehr tief in den Sand hinunter. Dafür sind wir nicht ausgerüstet.“

„Dennoch könnte es sich lohnen.“ Kane-Lano stieß einen langen Seufzer aus. „Früher reisten wir selbst zwischen den Sternen. Jetzt verrosten die alten Schiffe unter dem Sand.“

„Ich glaube nicht, dass wir jemals Sternenschiffe besaßen, Käpt´n. Wir befuhren schon immer den Sand.“