Das "Eiserne Pferd" erreicht den Westen

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Das "Eiserne Pferd" erreicht den Westen
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Michael Franzen

Das "Eiserne Pferd" erreicht den Westen

Der Bau der transkontinentalen Eisenbahn in Nordamerika

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Das Gesetz

Die Präsidenten der Union Pacific

Theodore Judah und die „Big Four“

Der Bau der Union Pacific

Der Bau der Central Pacific

Die Vereinigung

Im Nachhall der Hammerschläge

Bibliografie

Bereits erschienen

Impressum neobooks

Vorwort

Als eine der größten Errungenschaften hat die Dampfmaschine den Arbeitsalltag der Menschen zu Beginn des 18. Jahrhunderts verändert und in Folge das Zeitalter der Industrialisierung eingeleitet. Vielen gilt dabei der am 30. Januar 1736 in Greenock, Schottland geborene Erfinder James Watt als „Vater der Dampfmaschine“. Doch tatsächlich perfektionierte er „lediglich“ jene Dampfmaschine, die von Thomas Newcomen (1663-1729) konstruiert und zu Beginn des 18. Jahrhunderts hauptsächlich im Steinkohlebergbau in England eingesetzt wurde. James Watt gelang es jedoch, den Wirkungsgrad seiner Dampfmaschine durch die Verlagerung des Kondensationsprozesses aus dem Zylinder heraus in einem separaten Kondensator entscheidend zu verbessern. Zudem stattete er seine Dampfmaschinen mit den vom Windmühlenbau bekannten Fliehkraftreglern zur Konstanthaltung der Drehzahl bei Belastungsschwankungen aus, wofür er im Jahre 1769 ein Patent erhielt.

Galt Newcomen auch als der Erfinder einer funktionierenden Dampfmaschine, so bediente er sich dabei lediglich der Vorkenntnisse des Pumpenherstellers Thomas Saverey (1650-1715), der am 02. Juli 1698 ein englisches Patent für seine kolbenlose Dampfpumpe („The Miner's Friend“) erhielt, mit deren Hilfe man einsickerndes Grubenwasser aus tiefer gelegenen Bergwerksstollen abpumpen konnte. Savery selber wiederum hatte seine Konstruktion auf der Kolben-Dampfpumpe des Franzosen Denis Papin (1647-1712) aufgebaut, der dann auch als der eigentliche Erfinder der Dampfmaschine gelten mag.

Der aus Frankreich stammende Artillerieoffizier und Erfinder, Nicolas Joseph Cugnot (1725-1804), wurde vom Kriegsministerium damit beauftragt, ein Transportmittel für die Artillerie zu entwickeln. Cugnot machte sich umgehend an die Arbeit und entwickelte einen Dampfwagen, der 1769 in Paris vorgestellt wurde. Das Fahrzeug war gute sieben Meter lang und über zwei Meter breit gewesen, wobei es ein Gewicht von stattlichen vier Tonnen auf die Waage brachte. Es erreichte eine Geschwindigkeit von bis zu knappe fünf Kilometern die Stunde, doch war es bedingt des über der Vorderachse hängenden Wasserkessels derart schwer zu lenken gewesen, dass es bei einem seiner ersten Testfahrten in eine Kasernenmauer fuhr. Immerhin jedoch galt Cugnots Dampfwagen als erster selbstfahrender Wagen, der weder von Menschen, noch von Tieren oder vom Wind bewegt wurde. Dieser Dampfwagen kann dann somit auch als früher Vorläufer der Eisenbahn-Lokomotiven gelten, auch wenn Cugnots Erfindung durch die extrem niedrige Leistungskraft, verbunden mit dem hohen Gewicht zunächst einmal der wohlverdienten Vergessenheit anheimfiel.

Anders als bei einem Verbrennungsmotor, erzeugt eine Dampfmaschine durch äußere Verbrennung Dampf und wandelt die im Dampf enthaltene Wärme- oder Druckenergie mittels Kolben in mechanische Arbeit um, was am Ende zu der Erfindung von Dampfturbinen, Dampfschiffen oder auch Lokomotiven führen sollte, die wiederum den Fortschritt und das Zeitalter der Industrialisierung einläuten sollten. Einige Jahrzehnte später hatte der englische Ingenieur Richard Trevithick (1771-1833) die Idee gehabt, eine Lokomotive für den Personenverkehr zu bauen, die auf einer Schienenstrecke fuhr. Sie wurde anfangs allerdings nur für Vergnügungsfahrten eingesetzt. Die allererste Eisenbahnstrecke der Welt überhaupt wurde am 27. September 1825 in England eröffnet. Sie war etwa 35 Kilometer lang gewesen und führte von der Bergwerksstadt Darlington nach Stockton im nordwestlichen Teil Großbritanniens. Die Lokomotive dazu hatte der englische Ingenieur George Stephenson (1871-1848) entwickelt und er nannte sie schlicht „Locomotion.“ Die erste Eisenbahn, die regelmäßig Personen beförderte, war Stephensons „Rocket“ gewesen. Sie fuhr auf einer zweigleisigen Strecke, runde 50 Kilometer zwischen Liverpool und Manchester hin und her. Stephenson war es dann auch gewesen, der 1823 gemeinsam mit seinem Sohn die erste Lokomotivfabrik der Welt gegründet hatte. Damit war am Ende eine erste funktionierende Eisenbahn ins Leben gerufen worden, deren weitere Entwicklung auch über die Grenzen Großbritanniens hinweg Einzug in der ganzen Welt halten sollte. Erste Eisenbahnlinien durchschnitten bald die Kontinente und vereinigten sich mit den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten zu weit verzweigten Netzen, auf denen die Lokomotiven die Menschen bis in die heutige Zeit hinein in die entlegensten Winkel der Welt transportieren.

Auch in den USA hielt die Eisenbahn zu Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug. Zuvor waren, wie auch im alten Europa, Straßen und Flüsse die wichtigsten Transportwege in der neuen Welt gewesen. Nachdem die erste Eisenbahnstrecke 1826 in Quincy, Ohio ihren Betrieb für Güter aufgenommen hatte, war am 28. Dezember 1827 die Baltimore & Ohio Railroad gegründet worden. Am 24. Mai 1830 eröffnete sie zwischen Baltimore und Ellicott's Mill, Maryland eine 21 Kilometer lange Pferdebahnstrecke. Nachdem jedoch der Nachweis erbracht worden war, dass Dampfwagen weitaus effizienter gewesen waren, was insbesondere deren Geschwindigkeit anbetraf, wurden alle Pferde der Baltimore & Ohio am 31. Juli 1831 ausgemustert und durch Dampflokomotiven ersetzt. Am 15. Januar 1831 nahm die South Carolina Railroad mit der „Best Friend of Charleston“ den Betrieb auf. Doch bereits im Juni wurde die Lokomotive durch eine Kesselexplosion zerstört - ein Schicksal, welches sie mit vielen der ersten in Großbritannien gebauten Dampflokomotiven teilen sollte.

Im Jahre 1831 gründete Matthias William Baldwin (1795-1866) in Philadelphia die Baldwin Locomotive Works und fertigte dort eine Lokomotive mit zwei Wagen, die jeweils vier Passagiere aufnehmen konnten. 1832 entstand die berühmte Dampflokomotive „Old Ironside“, eine der ersten erfolgreichen Dampflokomotiven in den USA. Um das Jahr 1835 herum waren in sieben US-Bundesstaaten bereits neun Eisenbahnlinien im Bau befindlich und etwa weitere 20 in Planung gewesen. 1840 betrug das Streckennetz bereits 4.500 Kilometer und war damit bereits größer gewesen, als alle Bahnstrecken, die man bis dahin in Europa gebaut hatte. Um 1859 hatte es bereits eine Gesamtlänge von über 48.000 Kilometern gehabt, welches die Atlantikküste mit dem Mississippi River und den Großen Seen verband. Noch während der nachfolgende Amerikanische Bürgerkrieg tobte, genehmigte US-Präsident Abraham Lincoln (1809-1865) am 01. Juli 1862 das Railway Act, mit dem der 1850 gegründete US-Bundesstaat Kalifornien mit dem Osten der USA verbunden werden sollte. Während des Krieges waren jedoch kaum Bauarbeiten für die transkontinentale Strecke möglich gewesen. Erst nach dem Krieg, im Jahre 1865, wurde mit konkreten Baumaßnahmen begonnen. Er begann in Omaha, Nebraska durch die Union Pacific Railroad und in Sacramento durch die Central Pacific Railroad.

Dieses Buch befasst sich nachfolgend mit diesem Ereignis. In Wort und Bild wird der Bau der Eisenbahn vor nunmehr 150 Jahren wiedergegeben, so wie er sich nach dem Ende des Bürgerkrieges tatsächlich vollzogen hatte. Folgen Sie mir daher und machen wir gemeinsam eine Reise zurück in die Vergangenheit, in jene Zeit, als das „Eiserne Pferd“ begann, seinen Siegeszug in den Westen der USA anzutreten.

Neumünster, im Juli 2020,

- der Autor -

Das Gesetz

Das Pacific Railway Act wurde 1862 vom US-Kongress verabschiedet und umfasste eine Reihe von Gesetzen, die den Bau einer transkontinentalen Eisenbahn in den Vereinigten Staaten förderten, indem sie die Ausgabe von Staatsanleihen und die Gewährung von Land längs der Eisenbahnstrecke an die jeweiligen Eisenbahnunternehmen bewilligte. Dem Kriegsministerium unter der Führung von Kriegsminister Jefferson Finis Davis (1808-1889), dem späteren Präsidenten der Konföderierten Staaten, oblag dabei die Aufgabe, topografische Untersuchungen über fünf verschiedene potenzielle transkontinentale Routen durchzuführen, um die beste Route zu ermitteln. Die bereits bestehenden Spannungen zwischen dem Norden und dem Süden, die jeweils eine für ihre Region vorteilhafte Strecke suchten, verhinderten jedoch, dass der 34. US-Kongress im Jahre 1856 Gesetzesvorschläge für den Bau der Eisenbahn verabschiedete. Erst als es 1861 zur Abspaltung der Südstaaten von der Union kam, war damit gleichzeitig die Opposition gegen das Bauvorhaben beseitigt worden, wenngleich selbst Senator Davis nur wenige Tage vor dem Abschied vom Senat, nach dem Austritt Mississippis aus der Union, seine Zustimmung für den Bau einer transkontinentalen Eisenbahn kundtat und dabei meinte:

 

Ich habe es für ein Wagnis gehalten, das unserer Zeit und unseres Volkes würdig ist, die Menschen, die am Pazifik leben, durch die Eisenbahn mit dem Tal des Mississippi zu verbinden und dabei zu beweisen, dass selbst schneebedeckte Berge uns nicht daran zu hindern vermögen.“

Am 01. Juli 1862 unterzeichnete Präsident Lincoln das eigentliche Pacific Railway Act, dessen Titel ursprünglich:

Ein Gesetz zur Unterstützung des Baus einer Eisenbahn- und Telegrafenlinie vom Missouri River zum Pazifik und zur Sicherung der Nutzung derselben für Post-, Militär- und andere Zwecke durch die Regierung“,

lautete und welches größtenteils auf dem Gesetzesentwurf basierte, welcher am 16. August 1856 dem 34. Kongress vom „Select Committee of the Pacific Railroad and Telegraph“ vorgelegt worden war. Es umfasste umfangreiche Landbewilligungen in den westlichen Staaten und die Ausgabe von 30-jährigen Staatsanleihen, die mit sechs Prozent verzinst wurden, an die Union- und Central Pacific Railroad; letztere wurde später in Southern Pacific Railroad umbenannt. Beiden Eisenbahngesellschaften gewährte das Gesetz ferner zusammenhängende Wegerechte für ihre jeweiligen Eisenbahnstrecken sowie Grundstücke innerhalb von 30 Metern auf beiden Seiten des Gleises. Ferner gewährte das Gesetz zusätzliche 26 km² öffentliches Land für jede Meile gebauter Strecke, außer die Eisenbahn fuhr durch Städte oder überquerte Flüsse. („fünf abwechselnde Abschnitte pro Meile auf jeder Seite der Eisenbahn, auf ihrer Strecke und innerhalb der Grenzen von zehn Meilen auf jeder Seite“). Es verhalf den Unternehmen somit für jede Meile ihrer Eisenbahn zu 2.600 ha Land. Das nicht gewährte, öffentliche Gebiet blieb dabei unter der Kontrolle des US General Land Office. Diese und andere Bestimmungen, wurden später durch vier weitere Gesetze geändert, aufgehoben bzw. erweitert. Dazu zählten das: Pacific Railway Act von 1863, das Pacific Railway Act von 1864 und weitere zwei von 1865 und 1866. Der Kongress einigte sich dabei auf eine nördliche Route, um eine Eisenbahnstrecke zwischen der Ostseite des Missouri Rivers in Council Bluffs, Iowa (gegenüber von Omaha, Nebraska) bis hin nach Sacramento zu bauen und diejenigen Bundesstaaten zu subventionieren, durch die der Bau der Eisenbahnstrecke sowie eine Telegrafenlinie führen sollte. Die Eisenbahnarbeiter selber sahen sich dabei enormen Herausforderungen gegenüber. Raues Wetter, steile Berge und Konflikte mit den indianischen Ureinwohnern waren nur einige davon gewesen. Diese gesetzgeberischen Bemühungen, die am Ende zum Pacific Railway Act führen sollten, sorgten am Ende dafür, dass es zum erfolgreichen Bau der transkontinentalen Eisenbahn kam, die die Reisezeit quer über den Kontinent von mehreren Monaten auf eine Woche verkürzte und die nach ihrer Fertigstellung 1869 als eine topografische Meisterleistung des 19. Jahrhunderts gefeiert werden sollte.

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