Im Zeichen des Opals

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Im Zeichen des Opals
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Marion Wolf

Im Zeichen des Opals

Ein Liebesmärchen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Im Zeichen des Opals

Asyl der Frommen

Fragwürdige Gesellschaft

Wiedersehen in den Bergen

Scheinheilige Gesetzeshüter

Umwälzungen

Erkenntnis

Neuanfang

Impressum neobooks

Im Zeichen des Opals

Tief in den Abruzzen lebte ein stolzer Bauer auf kargem Land. Er hatte zwei Söhne, schön von Gestalt, die einander glichen, wie ein Ei dem anderen. In ihrem Innern aber waren sie grundverschieden und das war gut so, denn so kamen sie sich nie ins Gehege.

Der Sanfte hütete die Schafe und des Abends bestellte er noch den Garten. Der Wilde jagte tagelang in den undurchdringlichen Wäldern und machte Besorgungen in der entfernt gelegenen Stadt. So lebten sie in Eintracht, bis der Vater immer schwächer wurde und sein letztes Stündlein nahte.

Das trockene, steinige Land hatte ihm nie vergönnt, Reichtümer zu horten. Alles, was er über den notwendigen Hausrat hinaus besaß, waren zwei Kleinodien: Der Opal war ein Vermächtnis seiner Frau, die lange vor ihm gegangen war. Der Rubin ein Andenken an seine Mutter. Beide Edelsteine waren etwa so groß, wie ein Daumennagel, in Silber gefasst und mit einer silbernen Kette versehen.

Eines Abends nun, als der sanfte Sohn nach getaner Arbeit ins Haus trat, saß der Vater mit dem Schatzkästlein am Tisch und empfing ihn:

„Oh Du mein frommer Sohn, ich weiß nicht, wie lange ich noch unter Euch weilen werde. So nimm‘ Du den Edelstein, den Deine Mutter selig einst hinterließ und lebe nach seinem Gesetz.“

„Welches Gesetz soll das sein?“ fragte der Sohn erstaunt.

„Siehe, der Opal ist so weiß, wie die Milch Deiner Schafe, gleichzeitig schimmern alle Farben des Regenbogens auf ihm. Die Weisheit ist wie ein Opal. Sie entspricht der Unschuld, auf der sich die gesamte Palette unseres Daseins spiegelt.“

Der Sohn kniete nieder und ließ sich von seinem Vater segnen. Der legte ihm feierlich die Kette um den Hals und mahnte ihn, in allen Bereichen des Lebens aufrichtig zu bleiben. Danach aßen sie gemeinsam eine Suppe, die der Vater aus den Früchten des Gartens gekocht hatte.

Zu später Stunde erschien der ungestüme Jäger in seines Vaters Haus und zeigte stolz, was er erlegt hatte. Der Vater nickte anerkennend und sprach: „Mein Sohn, ich weiß nicht, ob ich noch hier sitzen werde, wenn Du Dein nächstes Wildbret nach Hause bringst. So nimm‘ denn diesen Rubin und trage ihn auf Deiner Brust. Er stammt von meiner Mutter und entspricht der Leidenschaft, die in Deiner Seele brennt. Denke immer daran, Deine Liebe so rein zu halten, wie diesen Edelstein. Wenn bloße Besitzgier oder Machthunger die Ziele Deiner Inbrunst werden, wird Dein Leben bald dem Fegefeuer gleichen.“

Da kniete der feurige Jüngling nieder, gelobte Wachsamkeit bei all seinem Tun und nahm demütig den funkelnden Rubin, sowie seines Vaters Segen in Empfang. So war die Weitergabe der Kleinodien geregelt und nach drei Tagen schloss der Alte für immer die Augen.

Nachdem die Söhne ihn begraben hatten, blieben sie drei Monde zuhause und ordneten den übrigen Nachlass. Allein wollten sie in der abgelegenen Bergeinsamkeit jedoch nicht bleiben und so beschlossen, sie, fort zu wandern, um ihr Glück woanders zu suchen. Brüderlich teilten sie die Vorräte und was man sonst zum Reisen braucht, verbarrikadierten die Fensterläden, verschlossen die Türe und versteckten den Schlüssel an einem geheimen Platz. Das Vaterhaus sollte ihnen beiden als Zufluchtsort bestehen bleiben.

Der Hirte nahm seinen Stab, der Jäger sein Gewehr und gemeinsam trieben sie die Schafe zum Markt. Als die Herde verkauft war, kehrten die Brüder zum Abschied in einem Wirtshaus ein, teilten den Erlös und trennten sich nach einer herzlichen Umarmung frohgemut. Dabei vereinbarten sie, nach einem Jahr ins Vaterhaus zurück zu kehren, um einander zu berichten, wie es ihnen ergangen sei.

Asyl der Frommen

Der Fromme schritt zunächst in die Basilika, bestaunte deren Pracht und blieb in einer Altarnische stehen, die der Gottesmutter geweiht war. Dort bat er die Heilige Maria, ihm einen Wink zu geben, was er denn nun mit seinem jungen Leben anfangen solle.

Alsbald bemerkte der Priester den unbekannten Gläubigen. Leise näherte er sich dem betenden Jüngling und flüsterte: „Wenn Dich ein Kummer plagt, mein Sohn, dann folge mir in den Klosterhof. Dort können wir über alles sprechen und ich werde zusehen, wie ich Dir helfen kann.“

Der scheue Bergbauernsohn sah dem Gottesmann irritiert in die Augen, wendete seinen Blick dann wieder auf die Mutter Gottes und betrachtete nachdenklich seinen Opal. Auf einmal blitzte der matt-weiße Edelstein auf, weil ein Sonnenstrahl durch die Seitentür fiel, als der Priester die Kirche verließ. War das ein Zeichen des Himmels?

Erstaunt folgte der Bauernsohn dem Priester in den Klosterhof. Am Rande des Klosterbrunnens erzählte er von seiner Ungewissheit, seinen ferneren Lebensweg betreffend. Jener hörte aufmerksam zu und sagte: „Mein Sohn, Du kamst in die Kirche mit dem Stein der Wahrheit über dem Herzen und dem Hirtenstab in der Hand. Deine Gesinnung ist von frommer Reinheit – was kann ich Dir anderes raten, als Priester zu werden? Bei uns kannst Du die Bibel studieren und Deinen Weg bei Arbeit und Gebet fortsetzen.“ Und ehe sich der Ratsuchende versah, befand er sich im Kloster und wurde mit den Regeln des Zölibats bekannt gemacht.

Da der junge Hirte nie einem Mädchen nah gekommen war und seit jeher ein keusches Leben führte, empfand er dieses Gebot nicht sonderlich schlimm. Von seinem Geldbeutel aber verriet er dem Padre nichts, denn er wollte erst mal sehen, wie das Klosterleben vonstatten ginge und ob das Versprechen, ihn die Priesterschaft zu lehren, eingehalten würde. Und falls er das Kloster irgendwann verließe, wollte er nicht mittellos in die weite Welt ziehen müssen.

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