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Die schönsten Märchen

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Zwei Wünsche waren dahin, der Sattel und Zaum nebst Gebiß und Steigbügel und Schabracke — alles war fort — und der Geizige atmete freier; ein Glück, daß er nicht noch einmal wünschte und daß seine Frau kein Wünschelweiblein war, denn daheim saß sein Weib fest im Sattel und hatte die Reitpeitsche in der Hand, wußte nicht, wie ihr geschah, und wünschte ihren Mann, seinen Gaul und sein Sattelzeug alles zum bösen Voland.



Wollte der Reiche wohl oder übel, so mußte er seine Frau wieder frei und ledig wünschen, da war auch der dritte Wunsch dahin.



Des Nachbars nagelneues Haus drüben stand hell glänzend im Sonnenschein und war das schönste des Dorfes.



Neugierig öffnete der Reiche den Sack — hätte er nur das nicht getan. Im Sacke stak — des Nachbars Armut, die kam jetzt über ihn wie ein gewappneter Mann.





Die Kuhhirten



Einst ging ein Wanderer über eine Wiese. Da hörte er von weitem im Geröhrig einen seltsamen dumpfen Ruf, der oft hintereinander ausgestoßen wurde, als ob ein Rind brülle, und konnte sich gar nicht erklären, von wem das Getöne herrühre und was es zu bedeuten habe. Nach einer Weile kam der Wanderer zu zwei alten Kuhhirten, die hüteten nachbarlich ihre Herden auf der weiten Wiese. Diese fragte der Wanderer, was das Tönen bedeute.



Da antwortete der eine alte Kuhhirt: »Ich will es Euch sagen. Was dort im Schilfe so schreit, das ist der Rohrtumb, auch Rohrtrummel genannt.«



»Oh, er hat gar viele Namen«, setzte der andere alte Kuhhirte hinzu. »Er heißt auch Ur-Rind, Moor-Rind und Mooskuh. Vor Zeiten ist selber Brüller ein Hirtenknecht gewesen, aber ein schrecklich fauler, deshalb ist er in einen Vogel verwandelt worden, und das ärgert ihn so sehr, daß er immerfort brüllt, absonderlich des Nachts, da stößt er seinen Schnabel in das Wasser und brüllt wie ein Stier, daß man es eine Stunde weit hören kann, damit zeigt er Regen an.«



»Selt ist richtig«, nahm wieder der erste Kuhhirte das Wort, »aber mit dem Knecht wird es anders erzählt. Es waren der Kuhhirten zwei, wie unserer auch zwei sind, sie waren aber nicht alle zwei beide zusammen. Der eine hütete seine Kühe auf den grünen fetten Wiesen im Tale, der andere aber auf einem hohen und dürren Berge. Daher wurden die Kühe des ersteren auf den blumigen Wiesen sehr munter und mutig und gaben viel Milch — die Kühe des Hirten auf dem Berge aber, wo der Herr zwar Gras wachsen läßt, das aber auch danach ist — wie jener Schulmeister in der Kollekte sang —, und wo der Wind mehr mit dem Sande als mit Blumen spielt, die wurden sehr matt und sehr mager und gaben wenig und nur himmelblaue Milch, wie sie mehr blauen Himmel als grünes Gras sahen.



Eines Abends, als beide Kuhhirten nach Hause treiben wollten, da hatten die muntern und mutigen Kühe auf der fetten Wiese keine Lust nach Hause, und war unter ihnen eine bunte Kuh, die lief in entgegengesetzter Richtung davon, und die andern Kühe alle folgten ihr, da schrie der Kuhhirte, so laut er schreien konnte: ›Bunte h‘rum! Bunte h‘rum!‹ aber es half ihm all sein Schreien nichts. Die magern Kühe des Hirten droben auf dem Berge hingegen, die hatten sich vor Hunger und Ermattung hingelegt und mochten nicht aufstehen oder vermochten‘s zuletzt auch nicht, da schrie der Kuhhirte aus Leibeskräften: ›Up! up! up! up!‹ meinte damit, sie sollten aufstehen, standen aber doch nicht auf, dieweil sie nicht konnten, und nun schrien die Hirten drunten und droben um die Wette, der eine ›Bunte h‘rum, Bunte h‘rum‹ — der andere ›up! up! up!‹ — und Nacht und Tag und Tag und Nacht, bis ihnen der Odem ausging und die Seele aus dem Halse fuhr, und da sind sie beide zu Vögeln geworden, der Wiesenhirte zum Rohrtumb und der Berghirte zum Wiedehopf, und schreien nun noch immer so fort.«



So erzählte der Kuhhirte dem Wanderer, und der wußte nun, was das Gebuller im Geröhrig zu bedeuten habe, und wenn er von einem Berge herab den Ruf up! up! up! vernahm, da wußte er auch, was das für ein Vogel war, der also schrie, nämlich der ohnehin verrufene Kuckuckslakai und Kuckucksküster, der Vogel Wiedehopf.





Das Unentbehrlichste



Vor Zeiten hat einmal ein König gelebt, der hatte drei gute und schöne Töchter, die er sehr liebte und von denen er auch herzlich wiedergeliebt wurde. Prinzen hatte er nicht, aber es war in seinem Reiche herkömmlich, daß die Thronfolge auch auf Frauen und Töchter überging, und da des Königs Gemahlin nicht mehr am Leben war, so stand dem Könige frei, eine seiner drei Prinzessinnen zu seiner Nachfolgerin auf dem Throne zu bestimmen, und es brauchte gerade nicht die älteste zu sein. Da aber nun derselbe König seine Töchter alle drei gleich liebte, so fiel ihm die Entscheidung schwer, und er ging mit sich zu Rate, diejenige zu wählen, die den meisten Scharfsinn offenbare. Diesen Entschluß teilte er seinen drei Töchtern mit und bestimmte seinen nahe bevorstehenden Geburtstag zur Entscheidung. Die sollte Königin werden, welche ihm »das Unentbehrlichste« bringen werde.



Jede der Prinzessinnen sann nun darüber nach, was wohl das Unentbehrlichste sei, und als der Geburtstag da war, nahete zuerst die älteste, brachte ein feines purpurnes Gewand getragen und sprach: »Gott der Herr läßt den Menschen nackend in die Welt treten, aber er hat ihm das Paradies verschlossen, darum ist ihm Gewand und Kleidung unentbehrlich.«



Die zweite Tochter brachte, auf einem goldenen gefüllten Becher liegend, ein frisches Brot, das sie selbst gebacken, und sprach: »Das Unentbehrlichste ist dem staubgeborenen Menschen Trank und Speise, denn ohne diese vermag er nicht zu leben, darum schuf Gott Früchte des Feldes, Obst und Beeren und Weintrauben und lehrte die Menschen Brot und Wein zu bereiten, die heiligen Symbole seiner Liebe.«



Die jüngste Tochter brachte auf einem hölzernen Tellerchen ein Häufchen Salz dar und sprach: »Als das Unentbehrlichste, mein Vater, erachte ich das Salz und das Holz. Darum haben schon alte Völker den Bäumen göttliche Ehre erwiesen und das Salz heilig gehalten.«



Der König war über diese Gaben sehr erstaunt und nachdenklich, und dann sprach er: »Am unentbehrlichsten ist dem Könige der Purpur, denn hat er den, so hat er alles übrige, geht er seiner verlustig, so ist er König gewesen und ist gemein, gleich andern Menschenkindern. Darum, daß du das erkannt, meine älteste geliebte Tochter, soll dich nach mir der königliche Purpur schmücken; komm an mein Herz, empfange meinen Dank und meinen Segen!«



Als der König nun seine älteste Tochter geküßt und gesegnet, sprach er zu der zweitältesten: »Essen und trinken ist nicht allerwege notwendig, mein gutes Kind, und es zieht uns allzusehr in das Gemeine herab. Es zeigt gleichsam die mittelmäßige Menge an, den großen Haufen. Gefällst du dir darin, so kann ich es nicht hindern, wie ich dir auch nicht danken kann für deine übel gewählte Gabe, doch für den guten Willen sollst du gesegnet sein.« Und der König segnete seine Tochter, aber er küßte sie nicht.



Dann wandte er sich der dritten Prinzessin zu, die bleich und zitternd stand und ahnete, nach dem, was sie gesehen und gehört, was kommen werde.



»Du hast wohl Salz auf deinem hölzernen Teller, meine Tochter«, sprach der König, »aber im Gehirn hast du keins, lebst aber doch, und folglich ist das Salz nicht unentbehrlich. Salz braucht man nicht. Du zeigst mir Bauernsinn mit deinem Salze an, nicht Königssinn, und am steifen hölzernen Wesen habe ich kein Wohlgefallen. Darum kann ich dir nicht danken und dich nicht segnen. Gehe von mir, so weit dich deine Füße tragen, gehe zu den dummen und rohen Völkern, welche, anstatt den lebendigen Gott, alte Holzklötze und Baumstöcke anbeten und das verächtliche Salz für heilig halten!«



Da wandte sich die jüngste Königstochter weinend von dem harten Vater ab und ging hinweg vom Hofe und aus der Königsstadt, weit, weit hinweg, so weit sie ihre Füße trugen.



Und kam an ein Gasthaus und bot sich der Wirtin an, ihr zu dienen, und die Wirtin ward gerührt von ihrer Demut, Unschuld, Jugend und Schönheit und nahm sie als eine Magd in das Haus. Und als die Königstochter sich sehr anstellig erwies in allen häuslichen Geschäften, so sagte die Wirtin: »Es ist schade um das Mädchen, wenn es nichts Ordentliches lernt, ich will sie das Kochen lehren.« Und da lernte die Königstochter das Kochen und begriff es sehr leicht und kochte bald manches Gericht noch besser und noch schmackhafter als ihre Lehrmeisterin selbst. Darob bekam das Wirtshaus vielen Zuschlag, bloß weil darin so vortrefflich gekocht wurde, und der Ruf der guten Köchin, die noch dazu so jung und so schön sei, ging durch das ganze Land.



Nun trug sich‘s zu, daß die älteste Prinzessin, Tochter des Vaters dieser Köchin, sich vermählte und eine königliche Hochzeit ausgerichtet werden sollte, da wurde man Rates, die weit gerühmte Köchin an den Hof zu berufen, daß sie mit ihrer Kunst dem Feste die Krone aufsetze, denn die Herren am königlichen Hofe, Marschälle, Erbschenken, Erbtruchsesse, Zeremonienmeister, Kammerherren und sonstige Exzellenzen, teilten sämtlich nicht jene Ansicht, die einst ihr allergnädigster Herr, der König, ausgesprochen hatte, daß essen und trinken nicht allerweg notwendig sei, und daß es in das Gemeine herabziehe, vielmehr lobten sie alle gute Schmause neben feinen Weinen und huldigten, im stillen mindestens, dem alten wahren Sprichworte: Essen und trinken hält Leib und Seele zusammen.



Das Hochzeitsmahl war köstlich bereitet, auch fehlte dabei nicht das Lieblingsgericht des Königes, welches der Erbtruchseß ganz besonders bestellt hatte, und als das Mahl gehalten ward, kam eine Speise nach der andern auf den Tisch und wurde hoch belobt.



Endlich kam auch die Leibspeise des Königes und ward ihm zuerst dargeboten. Aber als er sie kostete, fand er sie völlig unschmackhaft, seine heiteren Mienen verfinsterten sich, und er sprach zum hinter seinem goldenen Armstuhle stehenden ersten Kämmerlinge: »Dieses Gericht ist ganz verdorben! Das ist sehr — fatal, lasse die Schüssel nicht weitergeben und rufe mir die Köchin herein!«

 



Die Köchin trat in den prachtvollen Saal, und der König redete sie unwillig an: »Du hast mir mein Lieblingsgericht verdorben, meine Freude hast du mir versalzen, weil du meine Leibspeise ganz und gar nicht gesalzen hast!«



Da fiel die Köchin dem König zu Füßen und sprach demütig: »Übet Gnade, Majestät, mein königlicher Herr, und verzeihet mir! Wie hätt ich wagen dürfen, Euch Salz unter die Speise zu mischen? Hab ich doch vordessen aus eines hohen Königes höchsteigenem Munde die Worte vernommen: Salz braucht man nicht, Salz ist nicht unentbehrlich! Salz zeigt nur Bauernsinn an, nicht Königssinn!«



In diesen Worten erkannte der König beschämt seine eigenen und in der Köchin seine Tochter, und er hob sie vom Boden auf, darauf sie kniete, und zog sie an sein Herz. Allen Hochzeitsgästen erzählte er die Mär und ließ die jüngste Tochter wieder an seiner Seite sitzen. Und die Hochzeit wurde nun erst recht fröhlich begangen, und der König war wieder ganz glücklich in seiner Töchter Liebe.



Das Salz ist heilig.





Schwan, kleb an



Es waren einmal drei Brüder, von denen hieß der älteste Jacob, der zweite Friedrich und der dritte und jüngste Gottfried. Dieser jüngste war das Stichblatt aller Neckerein seiner Brüder und der gewöhnliche Ablenker ihres Unmuts. Wenn ihnen etwas quer über den Weg lief, so mußte Gottfried es entgelten, und er mußte sich das alles gefallen lassen, weil er von schwächlichem Körperbau war und sich gegen seine stärkeren Brüder nicht wehren konnte. Dadurch wurde ihm das Leben sauer gemacht, und er sann Tag und Nacht darauf, sein Schicksal erträglicher zu machen. Als er einst im Walde war, um Holz zu sammeln, und bitterlich weinte, trat ein altes Weiblein zu ihm, das fragte ihn um seine Not, und er vertraute ihr all seinen Kummer. »Ei, mein Junge«, sagte das Weiblein darauf, »ist die Welt nicht groß? Warum versuchst du nicht anderswo dein Glück?«



Das nahm sich Gottfried zu Herzen und verließ eines Morgens frühe das väterliche Haus und machte sich auf den Weg in die weite Welt, um, wie das Weiblein gesagt hatte, sein Glück zu suchen. Aber der Abschied von dem Ort, wo er geboren worden war und wenigstens eine glückliche Kindheit verlebt hatte, ging ihm doch nahe, und er setzte sich auf einen Hügel nieder, um noch einmal recht das heimatliche Dorf zu betrachten. Siehe, da stand das Weiblein hinter ihm, schlug ihm auf die Schulter und sprach: »Das hast du einmal gut gemacht, mein Junge! Aber was willst du nun anfangen?« Gottfried dachte jetzt erst daran, was er beginnen solle. Er hatte bis jetzt geglaubt, das Glück müsse ihm wie eine gebratne Taube in den Mund fliegen.



Das Weiblein mochte seine Gedanken erraten, lächelte grinsend und sagte: »Ich will dir sagen, was du anfangen sollst. Warum? Weil ich dich lieb habe, und weil ich glaube, daß du auch mich nicht vergessen wirst, wenn du dem Glücke im Schoß sitzest.« Gottfried versprach dies mit Hand und Mund; die Alte fuhr fort: »Heute abend, wenn die Sonne untergeht, gehe an den großen Birnbaum, der dort am Kreuzweg steht. Darunter wird ein Mann liegen und schlafen, an den Baum aber wird ein großer schöner Schwan angebunden sein; den Mann hütest du dich aufzuwecken, und du mußt deswegen gerade mit Sonnenuntergang kommen, den Schwan aber knüpfst du los und führst ihn mit dir fort. Die Leute werden in seine schönen Federn vernarrt sein, und du magst ihnen erlauben, davon eine auszurupfen. Wenn aber der Schwan berührt wird, so wird er schreien, und wenn du dann sagst: Schwan, kleb an! so wird dem, der ihn berührt, die Hand fest ankleben und nicht eher wieder loswerden, bis du sie mit diesem Stöcklein antippst, das ich dir hiermit zum Geschenk mache. Wenn du nun so einen weidlichen Zug Menschenvögel gefangen hast, so führe sie nur immer gradaus. Da wirst du an eine große Stadt kommen, da wohnt eine Königstochter, die noch nie gelacht hat. Bringst du sie zum Lachen, so ist dein Glück gemacht; aber dann vergiß auch mich nicht, mein Junge!«



Gottfried gab nochmals das Versprechen und war mit Sonnenuntergang richtig an dem bezeichneten Baum. Der Mann lag da und schlief, und ein großer schöner Schwan war mit einem Bande an den Baum gebunden. Gottfried knüpfte den Vogel beherzt los und führte ihn davon, ohne daß der Mann erwachte.



Nun traf es sich, daß Gottfried mit seinem Schwan an einer Baustätte vorüberkam, wo einige Männer mit aufgestreiften Beinkleidern Lehm kneteten; die bewunderten die schönen Federn des Vogels, und ein vorwitziger Junge, der über und über voll Lehm war, sagte laut: »Ach wenn ich doch nur eine solche Feder hätte.«



»Zieh dir eine aus!« sprach Gottfried freundlich; der Junge griff nach dem Schweife des Vogels, der Schwan schrie; »Schwan, kleb an!« sprach Gottfried, und der Junge konnte nicht wieder loskommen, er mochte anfangen, was er wollte. Die andern lachten, je mehr der Junge schrie, bis vom nahen Bache eine Magd herzugelaufen kam, die mit hochaufgeschürztem Rocke dort gewaschen hatte. Die fühlte Mitleid mit dem Jungen und reichte ihm die Hand, um ihn loszumachen. Der Schwan schrie; »Schwan, kleb an!« sprach Gottfried, und die Magd war ebenfalls gefangen. Als Gottfried mit seiner Beute eine Strecke gegangen war, begegnete ihm ein Schornsteinfeger, der lachte über das sonderbare Gespann und fragte die Magd, was sie denn da triebe.



»Ach herzliebster Hans«, antwortete die Magd kläglich, »gib mir doch deine Hand und mach mich von dem verteufelten Jungen los.«



»Wenn‘s weiter nichts ist!« lachte der Schornsteinfeger und gab der Magd die Hand, der Vogel schrie; »Schwan, kleb an!« sprach Gottfried, und der schwarze Mensch war ebenfalls behext. Sie kamen nun in ein Dorf, wo eben Kirchweih war; eine Seiltänzergesellschaft gab dort Vorstellungen, und der Bajazzo machte eben seine Narreteidinge. Der riß Mund und Nase auf, als er das seltsame Kleeblatt sah, das an dem Schweife des Schwans festhing. »Bist du ein Narr geworden, Schwarzer?« lachte er.



»Da ist gar nichts zu lachen!« antwortete der Schornsteinfeger. »Das Weibsbild hält mich so fest, daß meine Hand wie angenagelt ist. Mach mich los, Bajazzo; ich tu dir einmal einen andern Liebesdienst.«



Der Bajazzo faßte die ausgestreckte Hand des Schwarzen, der Vogel schrie; »Schwan, kleb an!« sprach Gottfried, und der Bajazzo war der Vierte im Bunde. Nun stand in der vordersten Reihe der Zuschauer der stattlich wohlbeleibte Amtmann des Dorfes, der machte ein gar ernsthaftes Gesicht dazu, und er ärgerte sich gar höchlich über das Blendwerk, das nicht mit rechten Dingen zugehen könne. Sein Eifer ging so weit, daß er den Bajazzo an der ledigen Hand faßte und ihn losreißen wollte, um ihn dem Büttel zu übergeben; da schrie der Vogel, und »Schwan, kleb an!« sprach Gottfried, und der Amtmann teilte das Schicksal der Vorgänger. Die Frau Amtmännin, eine lange dürre Spindel, entsetzte sich über das Mißgeschick ihres Eheherrn und riß mit Leibeskräften an dem freien Arm desselben, der Vogel schrie; »Schwan, kleb an!« sprach Gottfried, und die arme Frau Amtmännin mußte trotz ihres Geschreis folgen. Hinfort hatte niemand mehr Lust, die Gesellschaft zu vergrößern.



Gottfried sah schon die Türme der Hauptstadt vor sich; da kam ihm eine wunderschöne Equipage entgegen, in der eine schöne junge, doch ernste Dame saß. Als diese den bunten Zug erblickte, brach sie jedoch in lautes Gelächter aus, und ihre Dienerschaft lachte mit. »Die Königstochter hat gelacht!« rief alles voller Freude. Sie stieg aus, betrachtete sich die Sache noch genauer und lachte immer mehr bei den Kapriolen, welche die Festgebannten machten. Der Wagen mußte umwenden und fuhr langsam neben Gottfried nach der Stadt zurück.



Als der König die Kunde vernahm, daß seine Tochter gelacht habe, war er voll Entzücken und nahm selbst Gottfried, seinen Schwan und dessen wunderliches Gefolge in Augenschein, wobei er selbst lachen mußte, daß ihm Tränen in den Augen standen. »Du närrischer Gesell«, sprach er zu Gottfried, »weißt du, was ich dem versprochen habe, der meine Tochter zum Lachen bringt?«



»Nein«, sagte Gottfried.



»So will ich dir‘s sagen«, antwortete der König. »Tausend Goldgulden oder ein schönes Gut. Wähle zwischen den beiden.«



Gottfried entschied sich für das Gut. Dann berührte er den Buben, die Magd, den Schornsteinfeger, den Bajazzo, den Amtmann und die Amtmännin mit seinem Stäbchen, und alle fühlten sich frei und liefen davon, als brenne die Hölle hinter ihnen her, was neues unauslöschliches Gelächter verursachte. Da wurde die Königstochter bewegt, den schönen Schwan zu streicheln und sein Gefieder zu bewundern. Der Vogel schrie; »Schwan, kleb an!« sprach Gottfried, und so gewann er die Königstochter. Der Schwan aber erhob sich in die Lüfte und verschwand in den blauen Horizont. Gottfried erhielt nun ein Herzogtum zum Geschenk; er erinnerte sich aber auch des alten Weibleins, das schuld an seinem Glücke war, und berief sie als seine und seiner auserwählten Braut Haushofmeisterin in sein stattliches Residenzschloß.





Die sieben Schwanen



In einem Lande war ein junger Rittersmann, der war reich und schön und hatte eine prächtige Burg. Zu einer Zeit ritt er mit seinen Hunden in den Wald, um zu jagen, da sah er eine Hindin (Hirschkuh), die war weißer als der Schnee und floh vor ihm auf und davon in das Gebirge zwischen die wilden hohen Gesträuche. Der Rittersmann aber folgte ihr gar eilig nach und kam zuletzt in ein wildes, finstres Tal, da verlor er durch die Hunde die Hindin aus dem Gesicht, ritt hin und her und rief die Hunde wieder zusammen. Darüber kam er an einen Fluß, an dem sah er eine schöne Jungfrau stehen, die wusch sich und trug in der Hand eine goldene Kette. Und da ihm diese Jungfrau sehr wohl gefiel, so stieg er sacht vom Roß, schlich sich ihr unversehens nah und nahm ihr die goldne Kette aus der Hand. In dieser Kette aber war sonderliche Kraft und Planetenzauber, und die Jungfrau war ein Wünschelweiblein und so schön, daß er ob ihrer Schönheit die Hindin samt seinen Hunden vergaß und gedachte, die Jungfrau heimzuführen als seine Gemahlin. Und also tat er auch und führte sie heim auf seine Burg. Nun hatte der junge Rittersmann noch eine Mutter, der kam die Schwiegertochter ungelegen, denn sie hatte bisher das Regiment ganz allein geführt und besorgte sich nun, daß sie Gewalt und Ansehen auf dem Schloß verlieren werde. Und sie wurde der Schwiegertochter gram und haßte sie und ermahnte oft ihren Sohn, jene nicht allzu lieb zu haben, und hätte gar zu gern Unfrieden und Zwietracht zwischen beiden angestiftet. Aber sie konnte das nicht zuwege bringen, denn ihr Sohn wollte ihre Worte nicht hören und war dann jedesmal ungehalten auf sie. Als sie nun das wahrnahm, da stellte sie sich in allem willfährig und dienstgefällig gegen ihren Sohn und die junge Frau, aber es kam bei ihr alles aus einem falschen Herzen, darin sie zumal eine grausame Bosheit erdacht hatte gegen die junge Frau, obschon sie sie äußerlich gar sehr zu ehren schien. Darüber kam die Zeit, daß die junge Frau in das Kindbett kam und genas von sechs Söhnen und einer Tochter, die trugen alle goldne Ringe um ihre Hälse. Sofort kam die alte böse Frau, die Mutter des jungen Herrn, und nahm die sieben Kinderchen, während die Mutter schlief, trug sie hinweg und legte sieben junge Hündlein, die in derselben Nacht geworfen worden, an deren Stelle. Nun hatte diese falsche und ungetreue Frau einen vertrauten Knecht, dem überantwortete sie die sieben Kinder und verpflichtete ihn bei Treuen und Eide, daß er sie in den wilden Wald tragen, sie töten und begraben sollte in der Erde oder im Wasser ertränken. Das gelobte der Knecht zu tun, trug die Kindlein in den Wald, legte sie unter einen Baum und bereitete sich, sie zu erwürgen. Da kam ihn aber ein Grauen an vor dem Mord, und er schauderte zurück vor solch ungetreuer Tat und ließ die Kindlein leben, ging und sagte der Frau, daß er ihr Gebot vollbracht habe.



Aber der Schöpfer aller Wesen, der alle Dinge zum Besten lenkt, erbarmte sich der Kindlein und sandte ihnen einen Nährvater, das war ein alter weiser Meister, der in dem Walde wohnte, Weisheit zu pflegen, der nahm die Kindlein in seine Klause und nährte sie mit der Milch der Hirschkühe, die zu ihm zu kommen gewohnt waren, sieben Jahre lang.



Als jene böse Frau die Kinder weggebracht hatte von der Mutter, führte sie ihren Sohn zu der jungen Frau, zeigte ihm die Hündlein und sprach: »Siehe Sohn, die Kinder, die deine Frau dir geboren, es sind junge Hunde.« Das tat sie ihrem Sohn aus Rache an, weil er die junge Frau so lieb hatte. Als er das sah, glaubte er seiner Mutter und warf einen Haß auf die junge Frau, die er vorher so lieb gehabt, wollte auch kein Wort einer Entschuldigung hören, sondern er ließ sie auf dem Hofe vor dem Palast seiner Burg in die Erde eingraben bis an die Brust und über ihr Haupt ein Waschbecken mit Wasser setzen und gebot allem seinem Gesinde, sich über ihrem Haupt zu waschen und ihre Hände an ihrem schönen Haar zu trocknen. Auch sollte sie keine andere Nahrung bekommen als die Hunde.

 



Und so mußte die arme Frau stehen bleiben in der Grube in Nöten und Ängsten sieben ganze Jahre, und es durfte sich ihrer keine Seele erbarmen. Darüber verzehrte sich ihr schöner Leib, ihre Kleider vermoderten, und es blieb nur die Haut über ihren Gebeinen.



Indessen lernten die jungen Kinder im Walde Wild und Vögel schießen und sich von deren Fleisch nähren, und da geschah es, daß der Ritter, ihr Vater, wieder einmal jagen ging in dem Walde. Da ward er der Kinder gewahr, die in dem Holze spielend hin und her liefen und hatten alle goldne Kettlein am Halse. Und sein Herz ward von Neigung zu den Kindern bewegt; hätte gern eins oder das andere ergriffen, aber sie ließen sich nicht fangen, sondern verschwanden im Walde. Daheim erzählte er seiner Mutter und anderen Herren und Freunden, daß er im Walde kleine Kinder gesehen mit Goldkettchen an den Hälsen. Darüber erschrak seine Mutter innerlich, nahm den Knecht vor und fragte ihn: »Hast du damals die Kinder getötet, oder hast du sie leben lassen?« Da bekannte der Knecht, daß er sie nicht mit eigner Hand zu töten vermocht habe, doch habe er sie unter einen Baum gelegt, und da wären sie gewiß bald gestorben. Hierauf gebot sie dem Knecht, schleunigst in den Wald zu reiten, die Kinder zu suchen, die mitnichten gestorben seien, und ihnen die goldnen Ketten zu nehmen, sonst würden sie beide zuschanden werden. Der Knecht gehorchte voll Angst, suchte drei Tage die Kinder im Walde und fand sie nicht; erst am vierten Tage fand er sie, sie hatten die Kettchen abgelegt und waren nun in Schwäne verwandelt und spielten auf dem Wasser. Aber das Mädchen hatte noch seine menschliche Gestalt und sah den Schwänen zu, wie sie auf dem Wasser spielten. Da ging der Knecht heimlich hinzu und nahm die sechs goldnen Kettchen weg; aber das Mädchen entlief ihm, daß er es nicht erreichen konnte.



Wie der Knecht die Ketten der Alten darbrachte, sandte sie zu einem Goldschmied und hieß ihn von denselben einen Becher machen. Als der Goldschmied nun von den Ketten einen Becher gießen wollte, befand er, daß das Gold also edel und rein war, daß es weder mit dem Hammer verarbeitet noch im Feuer fließend gemacht werden konnte, bis auf ein Kettchen, das zerschlug er und machte einen Ring davon; die andern wog er auf seiner Waage, legte sie beiseit und gab dafür an Gewicht so viel anderes Gold und machte einen Becher davon, den gab er der Frau und auch den Ring, die schloß beides fest in ihren Kasten.



Jene Schwäne aber, die nun ihre menschliche Gestalt nicht wiedererlangen konnten, wurden betrübt und sangen mit süßer kläglicher Stimme wehmutvollen Gesang, der klang wie Weinen kleiner Kinder. Zuletzt erhoben sie sich auf ihrem Gefieder hoch empor, zu sehen, wo sie sich hinwenden möchten. Da gewahrten sie einen großen spiegelklaren See, auf dem ließen sie sich nieder. Der See aber umschloß einen hohen Berg, an dem hing ein großer Felsen und auf diesem lag eine schöne Burg. Der Felsen war also steil, und das Wasser stand so dicht am Berge, daß außer einem ganz schmalen Steig keinerlei Zugang zur Burg war. Und das war gerade die Burg des jungen Ritters, welcher der Vater jener Kinder war, und die Fenster des Speisesaales der Burg standen nach dem Wasser gekehrt, so daß der Herr bald der Schwanen gewahr ward, und er wunderte sich, denn er hatte so schöne Vögel noch niemals gesehen. Darum warf er ihnen Brot und andere Speisen hinunter und gebot allem seinen Gesinde, daß sie niemand solle verjagen oder vertreiben, sondern sie sollten allzeit Brot hinunter werfen, so lange, bis die Schwäne sich dort beständig heimisch hielten. Diesem Gebot ward fleißig nachgelebt, und die Schwäne gewöhnten sich daran und wurden so zahm, daß sie stets zur Essenszeit kamen und ihr Futter empfingen.



Das arme verlassene Mädchen aber, ihre Schwester, hatte nun zwar ihre menschliche Gestalt behalten, war aber hilflos und ging betteln hinauf auf die Burg ihres Vaters. Da gab man ihr den Abfall vom Tische, und sie teilte diesen mit der armen Frau in der Grube, denn so oft sie diese sah, mußte sie bitterlich weinen. Doch kannte eins das andere nicht. Auc