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Abseitsfalle

Eine Halloween-Kurzgeschichte

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Abseitsfalle

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Abseitsfalle

Sylvi und Rob hatten sich ein Haus am Rande der Stadt gekauft. Es war die Art Immobilie, die ihre Eigentümer unweigerlich unglücklich macht: zu teuer, zu weit draußen, das Haus zu klein und zu alt, der Garten zu groß und verwildert, die Gegend langweilig und die Nachbarn in der kurzen Wohnstraße feindselige alte Leute, die in ihren verwitterten Häuschen stumpfsinnig auf den Tod warteten. Hinter den Grundstücken begann das platte Land mit ungepflegten Wiesen, struppigen Hecken, Hochspannungsleitungen und Windrädern, und je nachdem, wie das Wetter war, hörte man entweder das Brausen des Verkehrs auf der Autobahn oder das Rumpeln und Kreischen der nahen S-Bahn. In diese Einöde luden Sylvi und Rob ausgerechnet am Abend des einunddreißigsten Oktober zur Einweihungsfeier.

Ich kam spät und hatte vor, früh wieder zu gehen. Zwar gehörte Rob zu meinen ältesten Freunden, und mit Sylvi hätte ich vor Jahren einmal beinahe gevögelt, aber die Szene aus »Kreativen« und Besserverdienern, der sie angehörten, seit sie fest angestellt und gut bezahlt arbeiteten, lag mir nicht. Das Haus war voll, die Musik laut und die Gäste geradezu panisch gut drauf, wie in Erwartung eines existenziellen Aschermittwochs. Viele hatten sich wegen Halloween kostümiert; politisch korrekt natürlich: die Frauen als Hexen, die Männer als Zombies, klar. Aber es gab auch einige Vampire. Auf der Suche nach den Gastgebern checkte ich die anwesenden Frauen aus und markierte im Geist die, die ich für Praktikantinnen hielt. Die sind für gewöhnlich am leichtesten abzuschleppen und lassen sich noch am ehesten davon beeindrucken, dass ich einen Roman geschrieben habe und einen alten Citroën fahre. Ich fand Sylvi, gab ihr die Blumen, die ich unterwegs an einer Tankstelle gekauft, und eine Flasche Dom Perignon, die ich seit ewigen Zeiten unter meiner Spüle aufbewahrt hatte; von Champagner kriege ich nämlich Sodbrennen. Dann entdeckte ich auch Rob in einer Gruppe von Typen, die sich gegenseitig vollprahlten, und winkte ihm zu; mehr war nicht nötig. Wir kannten uns, wie gesagt, schon lange.

Es ist nicht so, dass ich nichts hermache oder nicht weiß, wie man Frauen anspricht, aber an diesem Abend gelang es mir nicht, die Aufmerksamkeit irgendeiner der weiblichen Partygäste länger als ein, zwei Minuten zu halten. Also beschloss ich nach einer Dreiviertelstunde, mir noch ein Abendessen zu gönnen, damit sich die Fahrt hier raus gelohnt hatte, und dann wieder zu verschwinden. Sylvi hatte in das kleine Haus eine gefakt altmodische Landhausküche einbauen lassen, mit einem großen Esstisch in der Mitte des Raums, als ob sie vorhatte, dort einmal eine zahlreiche Familie aus Kindern und Enkeln zu versammeln. Vorläufig drängten sich erst mal Gäste in der schönen neuen Küche. Sie quatschten alle durcheinander, fledderten das von einem Catering-Service aufgebaute Büffet, bedienten sich an den Getränken aus dem übermannshohen Edelstahl-Kühlschrank oder mixten etwas aus der Flaschensammlung auf der Anrichte, und überhaupt sauten sie alles ein. Der Fliesenboden war klebrig, der Tisch war komplett zugemüllt mit Flaschen, Gläsern und schmutzigem Geschirr.

Ich packte mir also einen Teller voll und blickte mich nach einem Platz um, wo ich in Ruhe essen konnte. Da sah ich am Kopfende des Tischs einen Typen sitzen, der mir vorher nicht aufgefallen war, ja, ich würde sogar sagen, der ein paar Sekunden früher noch gar nicht da gesessen hatte … und der, so fand ich, überhaupt nicht in diese Küche und auf diese Party gehörte. Er grinste mich freundlich an, schob mit seinem Unterarm das in seiner Nähe befindliche Gerümpel auf der Tischplatte zur Seite und rückte mir einen Stuhl zurecht.

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