Weihnachten jeden Tag

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Weihnachten jeden Tag
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Lotte Maibaum

Weihnachten jeden Tag

acht zauberhafte Weihnachtsgeschichten aus alter Zeit

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Das Töpfchen Rosmarin

Weihnachten jeden Tag

Jimmy Vogelscheuches Weihnachten

Die hölzernen Schuhe

Der Besuch beim Weihnachtsmann

Der Weihnachtsbaum der Tiere

Eines schönen Weihnachtsabends

Die Legende vom Christkind

Impressum neobooks

Vorwort

Weihnachten jeden Tag

~

acht zauberhafte Weihnachtsgeschichten aus alter Zeit

Übersetzung und Bearbeitung: Lotte Maibaum

© 2014

Vorwort

„Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens oder auch die Märchen von den Gebrüder Grimm und Hans Christian Andersen gelten, zu Recht, als zeitlose Klassiker in der Advents- und Weihnachtszeit. Jedes Jahr erfreuen sie unzählige Kinder- und Erwachsenenherzen und sind in den weihnachtlichen deutschen Wohnzimmern eine Tradition.

Doch gerade in den englischsprachigen Ländern gibt es noch andere kleine Geschichten, die ihren Weg, auch nach so vielen Jahren, noch nicht in unsere Bücherregale und Herzen gefunden haben.

Vielleicht sind sie nicht so literarisch wertvoll wie das Werk Dickens, doch ihnen wohnt ganz sicher ein Weihnachtszauber inne, der auch heute noch so manches Kind zum Strahlen bringen kann.

Die acht Geschichten dieses Büchleins, die oft schon hundert Jahre oder mehr auf dem Buckel haben, wurden genau zu diesem Zweck liebevoll aus der englischen Sprache übersetzt und bearbeitet – auf dass sie nach so langer Zeit vielleicht auch in Deutschland zu einer kleinen Weihnachtstradition werden.

Ich wünsche allen Lesern und ihren Familien eine frohe Weihnachtszeit,

Lotte Maibaum

Das Töpfchen Rosmarin

- nach Maud Lindsey-

* * *

Es war einmal ein kleiner Prinz, und seine Mutter, die Königin, war sehr krank. Den ganzen Sommer über lag sie nur im Bett und im Schloss musste es ganz still sein. Erst als der Herbst kam, ging es ihr langsam besser. Mit jedem Tag bekamen ihre Wangen wieder mehr Farbe, ihre Glieder schmerzten nicht mehr so sehr und bald durfte der Prinz in ihr Schlafgemach und an ihrem Bett sitzen.

Er war sehr froh darüber, denn er wollte sie unbedingt fragen, was sie sich zum Weihnachtsfest wünschte; und sobald er sie geküsst und seine Wange an ihre gelegt hatte, flüsterte er ihr die Frage ins Ohr.

„Was ich mir zu Weihnachten wünsche?“, wiederholte die Königin. „Ein Lächeln, einen Kuss und eine Umarmung von dir – das sind die schönsten Geschenke, die ich kenne.“

Doch der Prinz gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden.

„Umarmungen und ein Lächeln kann ich dir doch jeden Tag geben“, sagte er, „aber denk nach, Mama, was wäre dir von allen Dingen auf der Welt am liebsten?“

Also dachte die Königin eine Weile nach und sagte schließlich:

„Wenn ich mir von allen Dingen auf der Welt etwas aussuchen könnte, dann hätte ich gerne ein kleines Töpfchen mit Rosmarin; so wie das, was früher im Fenster meiner Mutter geblüht hat, als ich noch ein junges Mädchen war.“

Der kleine Prinz war ganz entzückt über diesen Wunsch und gleich nachdem er aus dem Schlafzimmer der Königin getreten war, schickte er einen Diener in das Gewächshaus des Schlosses, um nach einer Rosmarin-Pflanze zu fragen.

Doch der Diener kam mit enttäuschenden Neuigkeiten zurück. Es gab im Gewächshaus des Königs rosa Nelken, hübsche Lilien und sogar Rosen mit goldenen Herzen – aber kein Rosmarin. Denn Rosmarin war nur ein gewöhnliches Kraut und wuchs deshalb eher in den Gemüsegärten der Untertanen.

„Dann geh zu den Bauern“, sagte der kleine Prinz. „Egal wo es wächst, meine Mama soll es als Weihnachtsgeschenk bekommen.“

Also wurden Boten hier und dort aufs Land geschickt, um nach der Pflanze zu suchen; doch jeder von ihnen kam mit dem selben traurigen Ergebnis zurück: es gab genug Rosmarin – aber nur im Frühjahr. Jetzt hielt der Frost das Land in seiner kalten Hand und es gab keinen einzigen grünen Sprössling, den man dem Prinzen bringen konnte.

*

Zwei Tage vor Weihnachten erreichte den Prinzen schließlich die Nachricht, dass man doch noch Rosmarin gefunden hatte. Eine liebliche grüne Pflanze, die in einem Töpfchen wuchs; sogar genau in der Stadt, in der auch das Schloss stand.

„Aber wo ist es denn?“, fragte der kleine Prinz. „Warum hast du es nicht mitgebracht? Geh bitte sofort und hole es herbei!“

„Nun, es ist so“, erklärte der Diener, der das Pflänzchen entdeckt hatte, „es gibt da eine kleine Schwierigkeit. Die alte Frau, der das Rosmarin gehört, wollte es mir nicht verkaufen; obwohl ich ihr eine Hand voll Silber angeboten habe.“

„Dann gib ihr ein Säckchen voll Gold“, befahl der kleine Prinz.

Also brachte man ein Säckchen zu der alten Frau, das so voller Gold war, dass keine einzige Münze mehr hineinpasste – doch sofort wurde es wieder zurückgebracht. Sie würde ihr Rosmarin nicht verkaufen; nein, nicht einmal für ein Säckchen Gold.

„Wenn die kleine Hoheit selbst zu ihr gehen und sie darum bitten würde, vielleicht würde sie ihre Meinung dann ändern“, schlug die Amme des Prinzen vor.

Also wurde die, von sechs weißen Pferden gezogene, königliche Kutsche gebracht und der kleine Prinz und seine Diener fuhren zu dem Haus der alten Frau. Und sobald sie dort angekommen waren, fiel ihnen als erstes das Töpfchen Rosmarin im Fenster auf.

Die alte Frau kam an die Tür und war sehr erfreut den Prinzen zu sehen. Sie winkte ihn hinein, bat ihn, sich die Hände am Feuer zu wärmen und gab ihm ein Plätzchen von ihrem Küchenregal.

Sie hatte einen kleinen Enkelsohn, der kaum älter als der Prinz war; doch er war krank und konnte nicht wie die anderen Kinder spielen und umher springen. Er lag in seinem kleinen weißen Bett im Zimmer der alten Frau und nachdem der Prinz sein Plätzchen gegessen hatte, ging er zum ihm hinein. Er redete mit dem Jungen und holte sein allerliebsten Spielzeug, das er immer mit sich herum trug, hervor und zeigte es dem kranken Kind.

Des Prinzen liebstes Spielzeug war ein Ball, der nicht wie jeder andere Ball war. Er war aus Magie gemacht, die so hell wie die Sonne selbst strahlte, und er funkelte wie das Sternenlicht und war so golden wie der Erntemond. Und wenn der kleine Prinz ihn in die Luft warf oder in seinen Händen drehte, dann erklang ein Ton wie tausende silberne Glöckchen.

Das kranke Kind lachte, als es das hörte und hielt seine Hand auf, und der Prinz ließ ihn den wundersamen Ball eine Zeit lang halten; was auch die Großmutter sehr erfreute.

Doch so erfreut sie auch war – ihr Rosmarin wollte sie immer noch nicht verkaufen. Sie hatte es von dem Zuhause mitgebracht, wo sie einst gelebt hatte, als der Vater ihres Enkelsohnes selbst noch ein kleiner Junge war; und sie wollte es hegen und pflegen, bis sie einmal sterben würde.

Also mussten der Prinz und seine Diener ohne die Pflanze ins Schloss zurückkehren.

*

Schon kurze Zeit, nachdem sie gegangen waren, begann das kranke Kind von dem wundervollen Spielzeug zu reden.

„Ach, wenn ich doch nur so einen Ball hätte“, sagte er, „ich wäre so glücklich wie nie zuvor.“

„Da kannst du dir auch den Mond vom Himmel wünschen“, meinte die Großmutter traurig. Doch sie dachte über seine Worte nach und als ihr Enkelsohn am Abend eingeschlafen war, legte sie sich ihren Schal um, nahm das Töpfchen Rosmarin und eilte zum Schloss des Königs.

Als sie dort angekommen war, fragten die Diener sie nach dem Grund ihres Besuchs, doch sie gab keine Antwort, bis sie schließlich zu dem Prinzen gebracht wurde.

„Silber und Gold können mein Rosmarin nicht kaufen“, verkündete die alte Frau, „aber wenn du mir deinen wunderschönen Ball für meinen kleinen Enkel gibst, so will ich dir das Pflänzchen geben.“

„Aber mein Ball ist der tollste Ball, der je gemacht wurde!“, rief der kleine Prinz, „und es ist mein liebstes Spielzeug. Ich gebe ihn für nichts auf der Welt her!“

So ging die alte Frau mit ihrem Töpfchen Rosmarin zurück nach Hause.

*

Schließlich kam der Weihnachtstag und im Schloss herrschte große Unruhe und Betriebsamkeit. Der Arzt der Königin hatte gesagt, dass sie sich am Abend aufsetzen durfte, um den Weihnachtsbaum zu sehen und mit ihrer Familie die Geschenke entgegen zu nehmen; und jeder eilte hin und her, um alles für sie vorzubereiten.

 

Es gab so viele schöne Geschenke für die Königin, dass sie gar nicht alle unter den Weihnachtsbaum passten; und so wurden sie auf einem Tisch vor dem Thron verteilt und mit Stechpalme und Tannenzapfen geschmückt. Der kleine Prinz ging mit seiner Amme in den Thronsaal, um auch sein Geschenk – ein glitzerndes Juwel – dazu zu legen.

„Sie hat sich ein Töpfchen Rosmarin gewünscht“, sagte er traurig, als er den glitzernden Geschenkehaufen betrachtete.

„Sie wird nicht mehr daran denken, wenn sie all diese Dinge sieht. Da kannst du beruhigt sein“, meinte die Amme.

Doch der kleine Prinz war nicht beruhigt. Er dachte sehr oft an diesem Tag darüber nach und als er mit seinem Ball spielte, fragte er die Amme:

„Wenn du eine Rosmarin-Pflanze hättest, würdest du sie dann für ein Säcklein Gold verkaufen?“

„Aber gewiss“, antwortete die Amme, „und so würde es jeder andere Mensch bei klarem Verstand tun. Da kannst du dir sicher sein.“

Doch der kleine Prinz war immer noch unzufrieden und als er später mit seinem Ball am Fenster stand und den Schnee betrachtete, der die Erde wie mit Zuckerguss überzogen hatte, sagte er zu seiner Amme:

„Ich wünschte es wäre Frühling. Dann wäre es ganz einfach, eine Rosmarin-Pflanze zu bekommen.“

„Die kleine Hoheit ist wie der Papagei des Königs, der nur ein Wort sagen kann – Rosmarin, Rosmarin, Rosmarin“, sagte die Amme, die so langsam keine Geduld mehr hatte. „Die Königin denkt schon gar nicht mehr an das Töpfchen Rosmarin, da kannst du dir sicher sein.“

Doch der kleine Prinz war sich nicht sicher, und als die Amme zu ihrem Abendessen gegangen und er einen Moment alleine war, zog er seinen Fellmantel über, nahm seinen Ball und schlich sich heimlich aus dem Schloss, zum Haus der alten Frau.

Er war noch nie zuvor nachts alleine unterwegs gewesen und sicher hätte er große Angst gehabt, wenn nicht die unzähligen Sterne so freundlich über ihm gefunkelt hätten.

„Wir zeigen dir den Weg“, schienen sie zu sagen; und so schritt er mutig voran, bis er schließlich angekommen war und an der Tür der alten Frau klopfte.

Das kranke Kind hatte den ganzen Abend nur von dem wundervollen Ball geredet.

„Hast du gesehen, wie er geglitzert hat, Großmutter? Und hast du auch die kleinen Glöckchen gehört?“, fragte es; und es war genau in diesem Moment, dass der kleine Prinz an die Tür klopfte.

Die alte Frau eilte zur Tür und als sie den kleine Prinzen erblickte, war sie zu erstaunt um etwas zu sagen.

„Hier ist der Ball“, sagte er mit einem lachenden und einem weinenden Auge, „gibst du mir jetzt bitte das Rosmarin für meine Mutter?“

*

Und so kam es, dass die Königin, als sie sich vor den großen Gabentisch setzte, als erstes ein Töpfchen mit lieblichem Rosmarin entdeckte; so wie das, was einst im Fenster ihrer Mutter geblüht hatte, als sie noch ein junges Mädchen war.

„Von allen Geschenken auf der ganzen Welt ist dieses das allerschönste!“, rief sie, nahm den kleinen Prinzen in ihre Arme und küsste ihn.

„Frohe Weihnachten, Mama!“

„Frohe Weihnachten, mein kleiner Prinz!“

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