Read the book: «Sein»
Sein erotischer Roman
Lilly Grünberg
Unter verschiedenen Namen hat sich die Autorin Lilly Grünberg in die Herzen der Erotik- und SM-Leser aber auch in die der Fantasy-Liebhaber geschrieben.
Unter dem Namen »Lilly Grünberg« sind bei Elysion-Books bisher die Romane »DEIN« und die überarbeitete Neuauflage von »Verführung der Unschuld 1« erschienen, sowie eine Kurzgeschichte in der Anthologie »Nuancen der Lust«. Eine Neuauflage von »Begierde« ist für 2013 geplant, eine Fortsetzung von »Verführung der Unschuld« für 2014.
Aktuelle Infos unter www.lilly-romane.de
Lilly Grünberg
Sein
– erotischer Roman –
WWW.ELYSION-BOOKS.COM ELYSION-BOOKS TASCHENBUCH BAND 4053 1. Auflage: Juni 2013 VOLLSTÄNDIGE TASCHENBUCHAUSGABE ORIGINALAUSGABE © 2013 BY ELYSION BOOKS, GELSENKIRCHEN ALL RIGHTS RESERVED
Sämtliche Namen, Orte, Charaktere und Handlungen sind frei erfunden und reine Fiction der Autoren/innen. Alle Ähnlichkeiten mit Personen, lebend oder tot, sind Zufall.
UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert
www.dreamaddiction.de FOTO: © fotolia/Lwilliamlangeveld und fotolia/konradbak LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig www.imaginary-world.de
PRINTED BY OPOLGRAF
ISBN 978-3-942602-32-7
eISBN 978-3-942602-79-2
Mehr himmlisch heißen Lesespaß finden Sie auf:
Inhalt
Das Feierabendspiel
Wieder allein
Die Kosmetikerin
Eine erotische Strafe
Die BDSM-Party
Die Voyeurin
Zwiespältige Gedanken
Quälende Nächte
Ein unmoralisches Angebot
Das Wiedersehen
Ruben, der Dominus
Ausgeliefert
Erotische Qualen
Verfluchte Zweifel
Mut zum Risiko!
Verwirrung
Abenteuer Sklavenausflug
Eine heiße Wanderung
Morgenstund’
Geheimzugang
Showtime – eine perfekte Sklavin
Das Feierabendspiel
Lachend versuchte Nadine sich aus der Umarmung ihres Ehemanns zu befreien. Prinzipiell hatte sie nichts dagegen einzuwenden, dass er Sex haben wollte. Einen aufregenderen Liebhaber als ihn gab es nicht. Jedenfalls war sie vor ihm nie mit einem zusammen gewesen, der mehr Leidenschaft und Fantasie gezeigt hatte. Zudem hatten sie sich drei Tage lang nicht gesehen, weil Laurin geschäftlich unterwegs gewesen war, weshalb ihr Hunger nach intimem Zusammensein groß war.
Laurin löste mit einer Hand seine Krawatte, ohne den Druck des anderen Armes, den er um ihre Taille geschlungen hatte, zu lockern. Als Rechtsanwalt war er stets makellos gekleidet, wie es bei Gericht und Kundschaft von ihm erwartet wurde, ohne dabei zu steif und unnahbar zu wirken. Seine Anzüge waren modern geschnitten und machten ihn zu dem, was er war: ein etwas eigenwilliger und zuweilen recht strenger, für Nadine aber vor allem liebenswerter Mann.
»Komm schon, hast du mich denn nicht vermisst?«
»Du weißt, dass ich dich immer vermisse.« Nur – der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. In nicht mal einer Dreiviertelstunde hatte sie ihren Termin und sie wollte auf keinen Fall unpünktlich sein oder unter Stress nach einem Parkplatz suchen müssen.
Was für ein Zufall, dass sie und Laurin sich ausgerechnet jetzt im Eingangsbereich ihres Hauses begegneten. Gerade als Nadine aus dem deckenhohen Schuhschrank die Wahl unter ihren unzähligen Pumps traf, hatte sich sein Schlüssel im Türschloss gedreht.
»Nicht jetzt, mein Schatz. Ich muss los, sonst komme ich zu spät.«
»Wieso bist du ausgerechnet heute verabredet?«, grollte Laurin mit tiefer Stimme. »Und mit wem?«
»Du hast mir nicht gesagt, dass du früher nach Hause kommst.« Nadine verstand sich ausgezeichnet darauf, mit leicht vorgeschobener Unterlippe die Unschuld in persona zu geben, für den Fall, dass sie ihm einfach nicht richtig zugehört und vergessen hatte, wann genau er heimkommen würde. »Und ich habe einen Termin bei der Kosmetikerin ausgemacht, die Sophie mir empfohlen hat.«
Laurin ergriff ihre Handgelenke und zog ihr behutsam ihre Arme auf den Rücken. Nadine wusste, was er vorhatte und dass Widerstand zwecklos sein würde.
»Nicht jetzt«, wehrte sie in einem letzten Versuch lachend ab. »Wir haben doch noch den ganzen Abend Zeit für uns.« Es war schwer, seiner dominanten Ausstrahlung zu widerstehen, wenn er sie mit diesen blitzenden Augen verschlang.
»Meine Lust kann nicht solange warten. Ich will dich jetzt«, knurrte er. »Während der ganzen Fahrt habe ich an nichts anderes gedacht als an dich und deinen weichen aufregenden Körper.«
Das war bestimmt eine reichlich übertriebene Behauptung. Wahrscheinlich hatte er vor allem über das Symposium nachgedacht, dass ihn drei Tage und fünfhundert Kilometer von ihr fortgebracht hatte. Dennoch war die Vorstellung aufregend, er wäre voller Ungeduld nach Hause geeilt. Nur ihretwegen.
In ihrem Schoß setzte ein begieriges Kribbeln ein. Sein heißer Atem streifte ihre Ohrmuschel und sein Zweitagebart schabte an ihrer Wange. Nur wenn er keine Gerichtstermine hatte, verzichtete er gerne mal einige Tage auf das ihm lästige Rasieren, wodurch er ein wenig verwegener als sonst aussah. Entschlossen zerrte er seine Krawatte unter dem Hemdkragen hervor und schlang sie ihr um die Handgelenke. Ob das gute Stück vom Knotenbinden ruiniert würde, war ihm vermutlich egal. Vielleicht würde es ihm später leid tun, vielleicht auch nicht. Er besaß eine ganze Sammlung davon, für jeden Anlass und zu jeder Kleidung passend. Und im Improvisieren war er ein Meister, wenn die nötigen Utensilien nicht greifbar waren, das wusste sie.
Nadine entfuhr ein lüsternes Keuchen. Diese einfache Geste genügte, ihr das Gefühl zu geben, sie sei ihm ausgeliefert. Was folgen würde, war klar. Sex. Ob sie nun Einwände hatte oder nicht. Er brauchte nur eine Hand zwischen ihre Schenkel schieben und würde sofort fühlen, wie sehr sie sich nach ihm verzehrte.
Trotz alledem wurde dieses Spiel nie langweilig, denn stets war es ein wenig anders. Noch hatte er nicht alle Überraschungsmomente ausgeschöpft und sie hoffte inständig, dies würde auch niemals geschehen. Es war viel zu aufregend, nicht jeden seiner Schritte vorhersehen zu können. Würde er diesmal sofort zur Sache kommen, um ihr nicht den Termin zu vermasseln? Oder würde er sie erst recht die Treppe hinauf ins Schlafzimmer schieben, oder gar über seine Schulter werfen und empor tragen, sodann mit gespreizten Schenkeln ans Bettgestell fesseln und warten lassen, bis sie es vor Verlangen nicht mehr aushielt und ihn anflehte, sie endlich zu vögeln? Allein durch seine lüsternen Blicke oder indem er die Innenseite ihrer Schenkel mit einer Feder kitzelte oder ihre Nippel mit heißem Wachs folterte, schaffte er es, dass ihr Schoß vor Begierde glühte. Kniete er sich zwischen ihre Beine, stuppste gar mit seiner Eichel ihre Schamlippen an ohne in sie einzudringen, dann schmerzte ihre Vagina vor Verlangen und zog sich erwartungsvoll enger zusammen. Wenn er endlich Erbarmen hatte und zu ihr kam, war es ein von solcher Lust geprägtes Eindringen, dass es ihr die Luft nahm und sie zum Olymp der lustvollsten Eruptionen trug.
Dementsprechend unmöglich war es, ihrem Mann zu widerstehen. Sie wollte ihn. Zu jeder Zeit und auf jegliche Art, die ihm gefiel. Denn was ihm gefiel, war auch für sie in höchstem Maße erregend, selbst wenn er sie dabei kitzelte oder übers Knie legte. Deshalb liebte sie ihn und war von ganzem Herzen seine ergebene Lustsklavin.
Seine Hände umfingen nun ihre Brüste. Sofort verhärteten sich ihre Nippel. Durch die Bluse hindurch fühlte sie seine Finger, wie sie fest über ihre Knöpfe rieben und in ihrem Unterleib setzte das vertraute, lüsterne Ziehen ein. Sie war verloren. Zeit und Raum und Termin waren ohne Bedeutung.
»Ich werde dich jetzt nehmen«, knurrte er mit tiefer, fast unheilvoller Stimme. »Deine Zeit gehört mir, vergiss das niemals. Hast du nicht überhaupt vergessen, mich um Erlaubnis zu fragen, ob du das Haus verlassen darfst?«
Dem Spiel gemäß wand sich Nadine und versuchte sich, gegen die Fesseln zu wehren. Umsonst. Natürlich. Laurin zog seine Knoten immer so stramm zu, dass sie sich nicht selbst befreien konnte. Sie sollte nicht nur das spielerische Gefühl haben, ihm ausgeliefert zu sein. Nein, sie war ihm tatsächlich ausgeliefert, was für sie kein Problem darstellte. Denn sie vertraute ihm. Niemals würde Laurin sich über ihre Grenzen hinwegsetzen und sie überfordern. Selbst der Hinweis auf das Einholen einer Erlaubnis war eher rhetorischer Natur und gehörte zu ihrem erotischen Spiel.
Nadine war es sehr recht, dass Laurin ein überwiegend softer Dom war. Ganz im Gegensatz zu dem ihrer Freundin Sophie, die sich monatelang auf die Suche nach einem Herrn gemacht hatte, der von ihr die vollkommene Unterwerfung erwarten und sie mit entsprechend starker Hand zu seiner persönlichen Liebessklavin erziehen würde. Sex als reine Belohnung, stets an eine Aufgabe und absolute Unterwerfung geknüpft.
Nadine hatte nie verstanden, warum Sophie soweit gehen wollte. Mittlerweile waren sie und Leo zwar das Traumpaar der örtlichen BDSM-Szene, aber zu welchem Preis? Sophie hatte ihrer Freundin einiges über Leos strenge Regeln erzählt, bei denen Nadine vor Schreck fröstelte. Wie konnte sie nur bereit sein, sich damit einverstanden zu erklären? Leos Vorstellungen von Sex und Gehorsam, von einer sogenannten 24/7-Beziehung, die eine vollkommene Unterwerfung Sophies einschloss, überstieg bei weitem das, wozu Nadine sich jemals bereit erklärt hätte. Erstaunlicherweise ging es Sophie in dieser merkwürdigen Beziehung sehr gut, sie schien seither ausgesprochen glücklich zu sein. Dennoch, Nadine würde nicht mit ihrer besten Freundin tauschen wollen.
Geschickt knöpfte Laurin soeben ihre Bluse auf und streifte sie über ihre Schultern nach hinten, öffnete den Verschluss ihres Büstenhalters und schob ihn herab. Nadine seufzte auf. Sie war zufrieden mit ihren Brüsten, die zwar nicht besonders groß, jedoch schön gerundet waren. Und das Wichtigste für sie war, dass Laurin Gefallen daran fand, sie zu liebkosen.
Zwischen zwei Fingern ihre Nippel einklemmend, streichelte er mit seinen Daumen über ihre Knöpfe, die sich längst erwartungsvoll verhärtet hatten. Sie wand sich vor Lust unter seiner Berührung. Verdammter Kerl, er kontrollierte sie mühelos, indem er ihren Körper in Bereitschaft versetzte. Ihr Schoß war feucht und heiß darauf, sein Geschlecht aufzunehmen.
»Ah!« Sein Unterleib presste sich gegen ihren und sie spürte seine Erektion durch den dünnen Stoff seiner Anzughose. Wow! Das Kribbeln nahm zu und dehnte sich wie ein wuselnder Ameisenhaufen über ihren ganzen Körper aus. Jeder Zentimeter ihrer Haut erwachte in sensibler Empfindlichkeit, bereit Laurins Berührungen mit voller Intensität aufzunehmen.
Nadines Stöhnen ging in ein katzengleiches Schnurren über. Sie genoss jede Sekunde.
»Wusste ich es doch, dass du es genauso brauchst wie ich, mein widerspenstiges Kätzchen«, murmelte er. »Ich werde dich am besten gleich hier nehmen.«
Was, im Flur? Das war neu, und wenn ausgerechnet jetzt jemand läutete und sie beide durch die Tür hindurch stöhnen oder schreien hörte?
»Lass uns hinauf ins Schlafzimmer gehen«, keuchte sie. »Oder wenigstens ins Wohnzimmer.«
»Nein, hier«, knurrte er. »Du hast es doch eilig, oder hast du das schon vergessen?« Er hob ihren Rock. »Oh, du schamloses Luder! Von wegen Kosmetiktermin! Wen wolltest du in Wirklichkeit treffen?« Er gab ihr einen Klaps auf ihren nackten Po.
Nadine kicherte. Würde er sie dabei erwischen, gewöhnliche Strumpfhosen zu tragen, wäre er außer sich. Für ihn waren Strapse, Strings und Röcke oder Kleider ein unbedingtes Muss. Knapp über dem Knie, gerade so, dass es in der Öffentlichkeit noch als anständig durchging. Dies gab ihm die Möglichkeit, jederzeit und überall seine Hand unter den Stoff zu schieben und ihre nackte Haut zu fühlen. Für ihn waren dies Fetische, die ihn binnen Sekunden erregten. Nur im Winter erlaubte er ihr, warme Strumpfhosen oder auch mal eine wattierte lange Hose zu tragen. Sein Verantwortungsbewusstsein minimierte das Risiko einer Blasenentzündung bei kaltem Wetter. Zuhause galt dies natürlich nicht. Nadine in Joggingschlabberhosen war ein absolutes No-go. Auch hier diktierte sein Lustempfinden knappe Röcke oder die Super-Spar-Variante in Form einer Dienstmädchenschürze, was Nadine zu Anfang ihrer Beziehung ein wenig peinlich war, sie jetzt jedoch jedesmal in einen Zustand der Dauererregung versetzte.
Weil sie sich nicht sicher gewesen war, ob Laurin schon zuhause sein würde, wenn sie von der Kosmetik zurückkäme, hatte sie einen besonders knappen String angezogen. Eigentlich waren es nicht mehr als drei Bändchen, die einen winzigen Streifen Stoff über ihrer Scham hielten, der sich inzwischen feucht anfühlte. Dazu hatte sie besonders lange Strapse gewählt, die fast bis Mitte ihrer Oberschenkel hinab reichten und so besonders viel Haut freiließen. Bücken war bei dieser Kleidung ausgeschlossen, und alleine schon wie der Stoff ihres Rockes bei jeder Bewegung über die nackten Hautpartien streifte, genügte, um ein sinnliches Kribbeln auszulösen.
Seine Hand zitterte vor Begierde, als er die Strapse entlang fuhr und über ihre Haut streichelte. Besitzergreifend legte sich eine Hand auf ihren Po, während er mit der anderen Gürtel und Hose öffnete und fallen ließ. Dann griff er mit beiden Händen zu, zerfetzte mit einem Ruck das bisschen Stoff, das sich noch zwischen ihnen befand und wirbelte Nadine herum.
Sie japste. Im Stehen, noch dazu völlig bekleidet, nahm er sie äußerst selten. Es hatte für sie den Touch des Ruchlosen, weil sie sich dabei vorstellte, sie befänden sich in nicht in ihrem eigenen Haus, sondern irgendwo. Es blieb ihnen keine Zeit, sich auszuziehen und ein verschwiegenes Plätzchen zu suchen. Es musste schnell geschehen, bevor jemand kam und sie bei ihrem Treiben erwischte.
Ehe sie sich versah, hatte er seinen Arm unter eines ihrer Beine geschoben und es angehoben, dabei die andere Hand lüstern um ihre Brust gelegt. Nadine stöhnte laut. Gefesselt und von ihm gegen die an der Garderobe hängenden Jacken gedrängt, seine Hände heiß und zupackend, ganz so, wie sie es erregte. Es war animalisch, ihm so ausgeliefert zu sein. Komm, nimm mich, stoß zu! Jede Sekunde, die sie noch länger warten musste, dass er ihren Schoß in Besitz nahm, wurde zur süßen Qual.
»Damit du nicht vergisst, dass du mir gehörst, werde ich dich mit meinem Duft markieren«, brummte er und führte seinen Penis tief in ihre Spalte sein.
Nadine stöhnte laut auf.
»Scht, Wildkatze. Du willst doch nicht, dass man uns erwischt?«
Sein Mund verschloss ihre Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss, was ihn nicht daran hinderte, mit kräftigen Stößen ihren Körper hin und her zu peitschen. Ihr Körper war in seiner Gewalt, seiner Begierde vollkommen ausgeliefert. Aber die Lust, diese unglaubliche, verzehrende, den Verstand raubende Lust – die gehörte nur ihr. Begierig erwiderte sie den wilden Tanz seiner Zunge und schrie in seinen Mund, als der Höhepunkt ihren Unterleib in wilden Eruptionen erbeben ließ.
Wieder allein
Zuletzt warf Thorsten schwungvoll die Wohnungstür zu, als wolle er nochmal ausdrücklich betonen, dass sein Auszug diesmal endgültig sei. Aufgrund des Knalls, der durch das Treppenhaus hallte, hing nun bestimmt die Nachbarin, welche unter Myriam wohnte, am Türspion. Die alte Hexe würde sich auf keinen Fall entgehen lassen, wer wutentbrannt und trotz des schweren Koffers schwungvoll die Treppe hinunter polterte. Das wusste Myriam genau. Für die nächsten Stunden würde Thorstens theatralischer Abgang das Tagesgespräch Nummer Eins für einige Nachbarinnen sein.
Myriam zuckte mit den Schultern. Genau genommen war wohl bereits der vorausgegangene Streit für die anderen Hausbewohner nicht zu überhören gewesen. Aber egal, sollten die Klatschbasen sich doch das Maul verreißen. Myriam würde sich davon nicht beeindrucken lassen, auch wenn sie sich lebhaft vorstellen konnte, dass diese prüde Wohngemeinschaft es in höchstem Maße unanständig fand, wie die jüngste Mieterin alle paar Monate ihre männlichen Mitbewohner wechselte. Auch wenn sie das überhaupt nichts anging. Mal warf Myriam ihren Mitbewohner nach kurzer Zeit raus, ein anderes Mal hielt dieser es nicht aus, noch länger mit ihr zusammen zu leben.
Myriams Bedauern über das Ende der aktuellen Liebschaft hielt sich in Grenzen. Es war nun mal so, dass ihre Beziehungen eher einer Wohngemeinschaft mit sexueller Nebenbenutzung ähnelten. Nur ungern gab sie ihre Gewohnheiten auf und schloss Kompromisse, wie es wahrscheinlich die anderen im Haus und überhaupt sehr viele Frauen machten. Diese lebten doch nur noch deswegen mit ihren Männern zusammen, weil sie zu bequem waren, sich von ihnen zu trennen. Denn dann hätten sie arbeiten gehen, selbst ihren Lebensunterhalt verdienen und als allein erziehende Mütter den Tagesablauf mit sehr viel mehr Stress managen müssen. Wie viel einfacher war es doch, die Sorge um den leidigen Broterwerb dem Gatten zu überlassen. Und die Männer? Die fanden sich wohl großartig in der klassischen Ernährerrolle, während sich ihre Frauen um Einkauf, Wäschewaschen, Kochen und Kinder kümmerten. Als Überstunden getarnt, erteilte den Männern diese Rollenverteilung sogar noch genügend Spielraum für außerhäusliche Vergnügungen. Ach, Schatz, ich komm heut später. Ich muss Überstunden machen. – Ach du Armer …
Im ehelichen Bett lief bei denen schon lange nichts mehr, da war Myriam sich ganz sicher. Oder wenn doch, dann war das so eine öde Rein-Raus-Nummer, genau die Kategorie von Sex, die noch schlimmer war als gar keiner. Es war also bestimmt der pure Neid, dass Myriam es immer wieder aufs Neue schaffte, sich einen jungen Mann zu angeln, mit dem sie Spaß hatte. Wenigstens eine Zeit lang.
Im Augenblick atmete sie auf. Es war vorbei. Endlich. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende, wie man so sagte. Seit Tagen hatte sie sich mit Thorsten, der vor einem halben Jahr bei ihr eingezogen war, nur noch gestritten. Der kleinste Anlass genügte und die Fetzen flogen. Wieso hatte sie sich überhaupt in diesen langweiligen Kerl verliebt? Seine T-Shirts und Jeans waren durchschnittlich wie sein gesamtes ungepflegtes Äußeres. Vor lauter Gefühlsduselei war ihr dies zunächst gar nicht aufgefallen. Oder hatte er sich da noch Mühe gegeben und auch mehr Zeit für sie gehabt? Jedenfalls verbrachte er die Nächte in letzter Zeit lieber mit seinem Computer, wo er Sachen programmierte, von denen sie nichts verstand, als mit ihr Sex zu haben. Wenn er einmal pro Woche das Bedürfnis verspürte, mit ihr ins Bett zu hüpfen, dann verlief das Vorspiel im Dauerlauf und nach nicht einmal zehn Minuten war alles vorbei. Anschließend fiel Thorsten entweder sofort mit lautem Schnarchen in Tiefschlaf, oder er zündete sich eine Zigarette an und schenkte seine Aufmerksamkeit für die nächsten Stunden wieder dem Computer. Beides war absolut nicht das, was Myriam erwartete.
Lieber ein selbstbewusster Single als die deprimierte Hälfte einer mittelmäßigen Partnerschaft. Ihre Hormone mussten einige Schaltungen in ihrem Gehirn durchgeschmort haben, sonst hätte sie es niemals solange mit Thorsten ausgehalten.
Zum Glück war es vorüber. Puh! Ihre besten Freunde lagen verwendungsbereit in ihrer Nachttischschublade, und die sahen nicht nur besser aus, die machten auf jeden Fall mehr Spaß, als sie jemals mit Thorsten erlebt hatte.
Bei einem Kontrollgang durch ihre Zwei-Zimmer-Wohnung suchten Myriams Augen aufmerksam nach Gegenständen, die Thorsten gehörten. Auf keinen Fall wollte sie durch irgendetwas, das er vergessen hatte, an ihn erinnert werden. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Flur. Alles keimfrei, dachte sie grinsend. Fehlt nur noch die Inspektion des Bades.
Selbstbewusst musterte Myriam ihr Gegenüber im Badezimmerspiegel und strich mit einer lässigen Handbewegung eine Haarsträhne hinter das rechte Ohr. Sie musste vorsichtiger sein. Den nächsten Mann würde sie einer harten Prüfung unterziehen! Wenn er es nicht schaffte, sie innerhalb von fünf Minuten so heiß zu machen, dass sie sich danach verzehrte, von seinem Schwanz ausgefüllt zu werden, dann war er es nicht wert, sich mit ihm einzulassen. Und heiße Liebe brauchte ihr sowieso keiner zu beteuern. Dieses Thema wurde völlig überbewertet. Erst Liebesschwüre und Sex, dann nur noch Liebesschwüre, und am Schluss? Nichts mehr. Vielleicht wäre eine reine Sexbeziehung überhaupt die bessere Variante? Kein Streit, kein Herzschmerz, nur Spaß. Dann weiß man wenigstens was man voneinander hat und die übrige Zeit kann man machen, was man will! Keine Verpflichtungen, keine Vorwürfe, dass der eine zu wenig Zeit für den anderen hat. Genau!
Als sie ihren Blick senkte, blieb dieser an Thorstens Hinterlassenschaften hängen. Grimmig warf Myriam die Zahnbürste, in deren Borsten noch Reste der Zahnpasta klebten, den Kamm, der viel zu selten benutzt worden war und ebenfalls alles andere als sauber aussah, sowie ein paar andere Utensilien, die Thorsten gehörten, in den chromblitzenden Abfalleimer. Pflegeprodukte wie Lotion, AfterShave oder Eau de Toilette hatte er sowieso nie benutzt. Das sei unmännlich, hatte er behauptet. Schade, dass er nicht verstanden hatte, worauf es ankam.
Myriam überlegte, sie brauchte heute noch ein positives Erlebnis. Am besten sie gönnte sich nach der Arbeit einen Einkaufsbummel. Ein hübsches neues Dessous, ganz für sich alleine, wäre so ganz nach ihrem Geschmack. Ob mit oder ohne Mann im Haus, begehrenswert ausstaffiert würde sie sich gleich wieder besser fühlen.
Wer braucht schon die Männer?, fragte sich Myriam und schüttelte ihre fuchsrote Lockenpracht, als sie aus der Haustür trat. Alles gehört nun wieder mir. Meine Freizeit, meine Wohnung, mein Geld, mein Leben. Und wenn ein Mann in mein Leben tritt, dann muss er der absolute Hammer sein.