Flirt, Flucht & Fiasko

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Flirt, Flucht & Fiasko
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Flirt, Flucht

&

Fiasko

von Liane Leicht

1. Auflage 2016

Copyright © 2016 Liane Leicht

Copyright deutsche Erstausgabe © 2016

Alle Rechte vorbehalten

ISBN: 978-1533637246

Umschlaggestaltung und -Typographie:

Andreas Müller, Alling

Homepage: www.ephresta.de

Außerdem von der Autorin erschienen:

Die ewige Mondnacht

Die Legende einer Schwertkämpferin

Die Wahrhaftigen

Selmingen - Das Geheimnis der mystischen Insel

Wolfsnacht

Über den Autor:

Liane Leicht lebt und arbeitet in einer Kleinstadt nahe bei München. Seit ihrem 8. Lebensjahr schreibt sie mit Begeisterung eigene Geschichten. Den Roman "Flirt, Flucht & Fiasko" verfasste sie im Alter von 15 Jahren.

Ein unglaubliches Angebot

Im Einkaufszentrum war die Hölle los. Es war Samstagmorgen. Alle waren unterwegs. Aber Annika brauchte unbedingt noch ein Kleid für das große Volksfest nächste Woche. Ich hatte nachgegeben und eingewilligt ihr bei der Suche zu helfen. Ich hätte mir das nicht antun müssen. Schließlich ging ich noch nicht einmal selbst hin. Ich war in keiner Beziehung und jemand anderes hatte mich nicht gefragt, ob wir gemeinsam hingehen könnten. Alleine dort aufzukreuzen würde ich nicht wagen. Niemand würde das. Damit würde man ja zeigen, dass man Single war und keine Begleitung fand. Dann lieber gar nicht.

Außerdem machte das Fest nur dann Spaß, wenn man ein Liebespaar war. Denn das Highlight des Abends war die romantische Bootsfahrt unter dem Vollmondhimmel über den mit Kerzenschein beleuchteten See.

Annika würde natürlich mit Dominik, ihrem Freund, dort sein. Aber ich? Ich würde mal wieder zu Hause sitzen. Es war nichts Besonderes, ich war nie auf dem Fest gewesen. Ich kannte das alles nur aus den Erzählungen von anderen. Es hörte sich toll an und ich würde wirklich liebend gerne hingehen, aber was sollte ich machen? Alleine? Niemals!

„Glaubst du, wir finden was?“, fragte ich gerade meine Freundin.

„Wir müssen, Miriam!“, erklärte mir Annika mit Verzweiflung in der Stimme und zerrte mich in ein Geschäft zu unserer Rechten.

Wir waren ungefähr eine geschlagene halbe Stunde darin, ohne fündig zu werden. An jedem Kleid hatte sie etwas auszusetzen. Es war nicht festlich genug. Die Farbe stand ihr nicht. Es saß nicht richtig. Es hatte zu viele Rüschen (Annika fand, dass sie in einem Rüschenkleid wie eine 3-jährige wirkte, deren Mutter ihr das Kleidchen aufgezwängt hätte). Falls dann doch alles passte, gab es noch immer Dominik, dem es angeblich aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen nicht gefallen würde.

Nichts stellte sie auch nur annähernd zufrieden. Ich hatte gewusst, dass es schwierig werden würde mit Annika einkaufen zu gehen, doch nach zwei Stunden und gefühlt zehn Läden gab ich die Hoffnung auf, dass wir je etwas finden könnten.

Erschöpft ließ ich mich auf einen Stuhl fallen und betrachtete meine Freundin missmutig. Mit unermüdlicher Energie verschwand sie in der Umkleidekabine, eine Handvoll Kleider auf dem Arm. Kurze Zeit später kam sie wieder heraus. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, drehte sich einmal vor mir im Kreis und fragte: „Wie sehe ich aus?“

„Toll.“ Das war inzwischen zu meinem Standardspruch geworden. Man hörte es mir vielleicht nicht an, aber ich meinte es immer ehrlich.

Annika hatte lange seidig-glänzende Haare und ein hübsches Porzellangesicht. Sie sah in jedem Kleid umwerfend aus. Ich verstand gar nicht, welches Problem sie hatte.

„Meinst du nicht, es ist ein bisschen zu weit ausgeschnitten?“

„Blödsinn. Das steht dir gut.“

„Aber dann glaubt Dominik vielleicht, ich würde aufreizend erscheinen wollen.“

„Das ist dein gutes Recht als Frau!“, kofferte ich mich auf. „Er soll froh sein, dass er so eine gutaussehende Freundin hat. Dann muss er auch riskieren, dass dir andere Männer einen Blick zuwerfen. Aber da auf dem Fest sowieso alle als Paar unterwegs sein werden, halte ich die Chance für relativ gering.“

Annika ging gar nicht auf meine Rechtfertigungen ein. „Ich glaube, der Rock ist zu lang. Ich werde die ganze Zeit über den Saum stolpern und ihn dreckig machen.“

„Du brauchst höhere Schuhe, dann ist er gleich viel kürzer.“

„Aber da ist so eine komische Schleife am Rücken. Sieht das nicht zu verspielt aus?“

Ich gab auf. „Nein“, erwiderte ich einsilbig, mir der Tatsache bewusst, dass ich nichts tun oder sagen könnte, um sie dazu zu bringen, das Kleid zu kaufen.

Nach weiteren vier Anproben ließ sie sich neben mich plumpsen. „Kannst du mir ‘nen Kaffee holen? Es gibt hier, glaube ich, einen Automaten. Zumindest sehe ich ständig Leute mit Pappbechern durch die Gegend laufen. Ich geh so lange in den Laden gegenüber und schau mich ein bisschen um.“ Sie holte ihren Geldbeutel heraus und drückte mir einen Euro in die Hand. „Sei so lieb, ja?“, sagte sie in einem zuckersüßen Tonfall, dem ich nicht wiedersprechen konnte. Tatsächlich war ich sogar ganz froh über die Ablenkung.

Wir verließen gemeinsam das Geschäft und fanden uns sogleich im allgemeinen Samstagmorgengewühl wieder. Dann trennten sich unsere Wege. Sie ging in den Laden gegenüber und ich stand ziemlich hilflos da und schaute mich um. Wo um alles in der Welt sollte ich jetzt diesen Kaffeeautomaten finden? Völlig orientierungslos bog ich nach links ab und trottete den dichtgedrängten Gang entlang.

Mein Blick streifte einen Typen. Er kniete auf dem Boden und wischte mit einem Stapel Papiertücher eine braune Flüssigkeit auf. Seine schulterlangen blonden Haare verdeckten dabei zur Hälfte sein Gesicht, doch ich schätzte, dass er in meinem Alter war. Neben ihm stand ein fast leerer Pappbecher. Scheinbar hatte er Kaffee verschüttet. Das war meine Chance!

Ich ging auf ihn zu und fragte ihn freundlich, wo denn der Kaffeeautomat wäre. Er musste es ja schließlich wissen.

Schwer in seine Arbeit vertieft, deutete er nach rechts und meinte: „Da hinten irgendwo.“

Wow, wie präzise!

Er sah kurz auf, zögerte. Seine blauen Augen musterten mich ein paar Sekunden lang. „Ich kann es dir zeigen, wenn du willst“, bot er an. „Ich brauch‘ sowie einen neuen Kaffee.“ Seine veränderte Haltung irritierte mich, aber ich nickte trotzdem. So würde ich den Automaten wenigstens finden.

Ich schaffte es sogar noch ein „Das wäre nett“ hervorzubringen.

Er hob seinen Pappbecher auf, trank schnell den letzten Schluck aus und stopfte die feuchten Papiertücher hinein. Dann stand er auf und spazierte voraus. Ich folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Vielleicht wollte er meine Orientierungslosigkeit ausnutzen und mich ganz wo anders hinlocken? Aber wie viele Möglichkeiten gab es denn in einem Kaufhaus schon und vor allem: Warum sollte er?

Trotzdem war mir nicht ganz wohl bei der Sache. Schließlich hatte er am Anfang überhaupt nicht den Eindruck erweckt, mich irgendwo hinführen zu wollen.

Nur mit Mühe schaffte ich es mit seinen langen Beinen Schritt zu halten und ihn nicht in der Menge zu verlieren. Er führte mich im Zick-zack-Kurs durch die Gänge, bis wir nach etwa fünf Minuten tatsächlich vor dem Kaffeeautomaten standen. Er befand sich etwas Abseits von dem Gedränge, direkt neben der Fluchttür.

Der Junge warf seine schulterlangen strähnigen Haare nach hinten und lächelte mich leicht überheblich an. So als wolle er dafür gelobt werden, dass er mir den richtigen Weg gezeigt hatte.

Wahrscheinlich traute er mir nicht zu, die Maschine ohne seine Anleitung bedienen zu können, denn er warf etwas Geld ein, drückte einen Knopf und wartete, bis ein Pappbecher mit Flüssigkeit gefüllt wurde. In der Zwischenzeit schmiss er den bisherigen Becher in den nebenstehenden Mülleimer.

Der Junge nahm das dampfende Gefäß in die Hände, lehnte sich lässig gegen den Automaten und beobachtete mich von der Seite. Überprüfte er, ob ich aus alles richtig machte?

Ich versuchte ihn, so gut es ging zu ignorieren, fütterte das Gerät mit Annikas Euro und drückte die Taste für den Kaffee.

„Gehst du zu diesem sagenumwobenen Fest nächstes Wochenende?“, wollte der Blonde unvermittelt wissen.

Augenblicklich hatte er meine gesamte Aufmerksamkeit. Nur vage bekam ich mit, wie ein Pappbecher herausploppte und sich schwarzbraune Flüssigkeit hineingoss.

Ich wirbelte herum und starrte den Jungen mit geweiteten Augen an. Warum fragte er mich so was? Nur, um Konversation zu machen? Er könnte auch einfach verschwinden. Er hatte bereits seinen Kaffee und ich den Automaten.

 

Ich schluckte und versuchte mich wieder etwas zu beruhigen. „Weiß ich noch nicht“, murmelte ich. Ich wollte gleichgültig klingen, fürchtete jedoch, dass mir das nicht sonderlich gut gelang. Gleichzeitig beabsichtigte ich, auf keinen Fall zuzugeben, dass ich keine Begleitung hatte.

„Geh mit mir hin“, bat er mich. Meine Augen wurden - wenn das möglich war - noch größer. Er merkte wohl selbst wie verrückt er klang und verbesserte sich rasch: „Ich meine, du könntest mit mir hingehen.“

Es war nun ein Angebot, machte den Satz aber kein Stück harmloser.

„Ich kenne dich doch überhaupt nicht“, wich ich aus.

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Ich hab dich heute auch zum ersten Mal gesehen. Aber das Fest hat so einen fantastischen Ruf, willst du wirklich wegen einer Kleinigkeit darauf verzichten?“

Kleinigkeit? Man konnte doch unmöglich mit einem Unbekannten auf einer Veranstaltung für Liebespaare auftauchen!

„Ich heiße Finn“, erklärte er und streckte mir die Hand entgegen.

Ich starrte ihn immer noch an, unfähig etwas zu erwidern.

Er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen, ließ die Hand wieder sinken und fragte: „Und du?“

„Miriam“, gab ich widerwillig preis.

„Siehst du, jetzt kennen wir uns schon ein bisschen. Und auf dem Fest haben wir jede Menge Zeit noch mehr voneinander zu erfahren.“

Ich betrachtete ihn zweifelnd. Etwas in mir warnte mich. Es erschien mir grundverkehrt mit jemandem fortzugehen, den ich gar nicht kannte. Dabei war es gar nichts Schlimmes. Einfach nur ein Date. Und wenn ich dafür endlich selbst die Bootsfahrt erleben könnte, wäre es das doch wert. Egal mit wem. Oder?

Eine fremde Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Gehört der Kaffee euch?“ Erschrocken wirbelte ich herum. Ein Mann mittleren Alters war plötzlich aufgetaucht und deutete auf den Automaten, in dem noch immer mein Pappbecher stand. Die Flüssigkeit war inzwischen durchgelaufen und kühlte ab. Ich hatte ihn in all der Aufregung total vergessen. Ich merkte, wie ich knallrot anlief, schnappte mir hektisch den Becher und machte dem Fremden Platz.

„Sehen wir uns dann am Freitag?“, zog Finn meine Aufmerksamkeit wieder an sich. „Vor dem Eingang?“

„Ähm...“ Ich hatte noch immer keine Entscheidung getroffen. Das plötzliche Auftauchen des fremden Mannes hatte mich zusätzlich durcheinandergebracht. „Eigentlich...“ Ich wich Finns Blick aus, drehte den Pappbecher nervös in den Händen. Was sollte ich sagen? Mein Kopf war wie leergefegt. Mir fiel nicht einmal eine glaubhafte Ausrede ein. Dabei konnte ich sonst immer Gründe finden - egal ob dafür oder dagegen.

„Ach komm schon. Ich möchte wirklich hingehen. Alle anderen Mädchen, die ich gefragt habe, hatten bereits eine Begleitung. Du bist wahrscheinlich das einzige Mädchen, das nicht dort sein wird.“

„Wie beruhigend!“, murmelte ich. Dabei sprach er genau das aus, was ich mir schon seit Wochen dachte. Jeder redete nur von diesem dummen Fest. Was er anziehen würde, was er dort tun würde und welche traumhafte Person ihn begleiten würde.

„Wenn du mit mir hingehst, bist du auch dort“, versuchte Finn, mich zu überzeugen.

„Vielleicht gehe ich ja hin.“

„Keiner geht alleine zu dem Fest.“

Als ob ich das nicht selbst wüsste.

„Bitte, Miriam.“ Er sah mich so flehentlich an wie ein Teddybär, der Angst hatte, im Stich gelassen zu werden. Ich brachte es nicht übers Herz, ihm einen Korb zu geben. Ich konnte ohnehin nicht recht begreifen, warum ich mich so zierte. Ich wollte unbedingt zu dieser Veranstaltung. Wen kümmerte es, ob ich meine Begleitung kannte?

„Na schön, ich komme mit.“

Finn lächelte. „Cool.“ Er stieß sich vom Automaten ab und wandte sich zum Gehen. Aber bevor er ganz verschwand, sagte er noch: „Bis dann, Miriam“ und winkte mir zu.

Meine Hand hob sich wie von selbst zum Abschied. Ich sah ihm fassungslos hinterher, wie er in der Menschenmenge verschwand. Das war total verrückt. Ein wildfremder Typ fragte mich, ob ich ihn zum Fest begleiten würde. Ich musste lächeln, so absurd war das. Aber wahr!

Eine Welle von Glück breitete sich in mir aus. Ich würde zum Fest gehen!! Ich konnte es noch gar nicht richtig glauben. Was würde Annika sagen, wenn ich ihr das erzählen würde?

Mit wesentlich besserer Stimmung als vor einer Viertelstunde kehrte ich zu dem Geschäft zurück, in das meine Freundin verschwunden war. Ich fand sie, wie sie gerade ein viel zu langes violettes Kleid anprobierte, reichte ihr den inzwischen leicht abgekühlten Kaffee und fragte: „Und, hast du was gefunden?“

Annika seufzte. „Nichts Perfektes“, gab sie zu.

„Egal“, entgegnete ich fröhlich. „Wir müssen sowieso noch mal von vorn anfangen. Ich brauch jetzt nämlich auch was für’s Fest.“

Bestellt und nicht abgeholt

Annikas dummes Gesicht daraufhin war wirklich sehenswert gewesen. Ich musste lachen und erzählte ihr die Geschichte.

Ich merkte, wie sie an meinen Worten zweifelte, aber am Ende musste sie es mir doch glauben. Warum sonst sollte ich plötzlich unbedingt neue Kleidung kaufen wollen?

Wir zogen gemeinsam durch die verschiedenen Geschäfte des Einkaufszentrums, bis wir endlich etwas aufstöberten, das uns zufriedenstellte.

Annika hatte sich für ein blutrotes, eng anliegendes Kleid entschieden, wo, wie sie fand, ihre langen schwarzen Haare gut zur Geltung kamen.

Für mich war das nichts. Kleider standen mir nicht. Ich wäre am liebsten in Jeans gegangen, aber das war unmöglich. Nicht auf dem Fest. Nicht als Mädchen.

Deshalb hatte ich mir einen Wildlederrock gekauft, der mir bis zu den Knien ging. Dazu würde ich ein T-Shirt tragen, das ich bereits zu Hause hatte.

Annika war von dieser Idee nicht begeistert. Sie fand es stillos, zum Fest etwas anzuziehen, das man nicht neu gekauft hatte.

Ich erklärte ihr, dass Finn das sicherlich nicht auffallen würde, da er mich - und demzufolge auch den Inhalt meines Kleiderschrankes - nicht kannte. Das akzeptierte sie schließlich, beharrte jedoch darauf, dass ich auf jeden Fall meine lockig-braune Wuschelmähne zusammenbinden sollte. Damit war ich einverstanden. Ich war meistens zu faul, um sie in eine passable Frisur zu bringen, doch ehrlich gesagt störten sie mich manchmal schon, wenn ich sie offen trug. Oft wünschte ich, ich hätte so tolle glatte Haare wie Annika. Meine Freundin war da natürlich ganz anderer Meinung, versprach mir aber, mir bei den Vorbereitungen zu helfen.

Als ich vom Einkaufsbummel heimkehrte, berichtete ich mein unglaubliches Erlebnis auch meinen Eltern. Sie waren ziemlich baff und meine Mutter stand ernsthaft kurz davor mir zu verbieten auf die Veranstaltung zu gehen. Sie brachte lauter fadenscheinige Begründungen hervor. „Du kennst ihn doch gar nicht. Vielleicht meint er es nicht ernst, vielleicht ist das nur ein Trick. Wer weiß, was er mit dir macht“, gab sie zu bedenken. Außerdem sei ich noch zu jung und hätte noch genügend Gelegenheit später mit jemand Vernünftigen auf das Fest zu gehen.

Ich konnte es nicht fassen. Ich wartete schon seit Jahren darauf, endlich das jährliche Sommerfest zu besuchen. Ich wollte nicht noch länger warten. Finn war mir vertrauenswürdig erschienen. Er war ein netter Kerl. Ich würde dort hingehen, egal was meine Eltern sagten.

Ich verteidigte Finn, als würde ich ihn bereits mein Leben lang kennen und beschrieb ihn in den blumigsten Worten. Meine Eltern runzelten zwar die Stirn, gaben jedoch schließlich nach.

Lächelnd warf ich mich auf mein Bett. Ich würde tatsächlich auf das Fest gehen. Auf das Highlight überhaupt. Die Sommerveranstaltung, auf die sich alle Jugendliche das ganze Jahr über freuen.

Und ich würde dabei sein!

Innerlich jubilierte ich. Ich war so aufgeregt. Ich würde tatsächlich den Freitagabend dort verbringen, wo alle in meinem Alter waren!

Wow! Ich konnte es noch gar nicht richtig glauben.

Ich lief zusammen mit Annika und Dominik zu der Veranstaltung. Trotzdem hätte ich mich kaum einsamer fühlen können. Die beiden hielten die ganze Zeit über Händchen und schienen mich vollkommen vergessen zu haben. Ich trottete schweigend neben ihnen her, in Gedanken längst auf dem Fest. Würde Finn bereits auf mich warten? Würde ich ihn überhaupt wiedererkennen? Ich hoffte inständig, dass alles glatt laufen würde. Gleichzeitig machte sich eine nagende Unruhe in mir breit.

Je näher wir dem Platz kamen, auf dem das Event stattfand, desto nervöser wurde ich. Überall hingen Banner und die Anzahl von Menschen nahm stetig zu. Nach einiger Zeit hörte ich sogar leise Musik dudeln. Sie wurde mit jedem Schritt lauter. Man merkte ganz deutlich, dass dort etwas los war.

Als wir vor dem Eingang standen, verabschiedeten sich die beiden von mir und gingen hinein. Ich musste draußen bleiben und warten. Auf Finn. Auf meine unbekannte Verabredung.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und hielt Ausschau nach einem hochgewachsenen Jungen mit blonden Haaren und sonnengebräunter Haut. War er vielleicht schon reingegangen?

Ich erhaschte einen Blick auf etliche Zelte und Verkaufsstände. Außerdem gab es ein großes Hauptgebäude mit genügend Platz für alle, falls es regnen sollte. Und weiter hinten konnte ich den kleinen See erahnen, auf dem die Bootsfahrten stattfanden.

Je mehr ich sah, desto dringender wollte ich dort rein. Aber meine verdammte Verabredung kam einfach nicht.

Wir hatten doch abgemacht, uns vor dem Eingang zu treffen, oder? Auf einmal war ich mir unsicher. Es war alles so schnell gegangen.

Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! So musste es sein! Warum war mir das nicht früher klar gewesen?

Finn hatte nie mit mir zu dem Fest gehen wollen. Er hatte nur so getan, damit ich mich lächerlich machte.

Noch während ich das dachte, merkte ich, wie albern das war. Es ergab schlichtweg keinen Sinn, jemand Fremden auflaufen zu lassen. Zumal er hier sein müsste, um sich an seinem schelmischen Plan erfreuen zu können.

Ich schielte auf meine Armbanduhr. Okay, die Eröffnungsfeier würde erst in zehn Minuten anfangen, aber normalerweise war man doch immer etwas eher da, oder?

Nervös knabberte ich an meiner Unterlippe. Die Ungewissheit brachte mich fast um. Ich wandte den Blick vom Eingang ab, da ich das Gefühl hatte, sogar von der Security misstrauisch beäugt zu werden.

Ein paar Schritte abseits des Gedränges lehnte ich mich an einen Baum und wartete, in der unsinnigen Hoffnung, Finn würde doch noch kommen. Ich vertrieb mir die Zeit damit, die Pärchen zu beobachten, die durch den Einlass marschierten. Einige von ihnen kannte ich von der Schule, doch niemand schien mich zu bemerken. Sie alle waren aufgeregt, schwatzten und lachten miteinander, freuten sich auf den Abend. Alle kamen bereits in Begleitung. Keiner war so dumm, hier alleine aufzukreuzen.

Während ich zum Eingang stierte und in düsteres Selbstmitleid verfiel, hörte ich plötzlich eine Stimme fragen: „Wartest du auf jemanden?“

Ich zuckte zusammen und drehte mich erschrocken um.

Ich war wirklich überrascht, als da dieser Typ mit den schulterlangen blonden Haaren stand und mich anlächelte. Unwillkürlich begann mein Herz schneller zu schlagen. Finn war doch noch gekommen. Im Gegensatz zu den meisten anderen war er mit seinem schwarzen T-Shirt von irgendeiner Band eher schlicht gekleidet. Die Hände hatte er lässig in die Taschen seiner Jeans gesteckt, während seine blauen Augen belustigt auf mich herab blitzten.

„Mit dir habe ich ja gar nicht mehr gerechnet“, teilte ich ihm geradeheraus mit. Er sollte ruhig ein schlechtes Gewissen kriegen.

„Es geht doch erst in zwei Minuten los“, stellte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr fest. Er klang tatsächlich so, als wäre er über meinen Ärger überrascht.

„Ich steh hier aber schon seit acht Minuten!“, informierte ich ihn grollend.

Er zuckte mit den Schultern und sagte unschuldig: „Dazu kann ich nichts.“

Tolle Entschuldigung!

Doch ich wollte nicht mit ihm streiten. Damit würde ich die Zeit, die ich auf dem Fest verbringen konnte, nur sinnlos vergeuden. „Gehen wir gleich oder warten wir noch zwei Minuten?“, erkundigte ich mich rhetorisch.

Er grinste. „Wie du möchtest.“

Genervt verließ ich meinen Platz am Baum und marschierte auf den Eingang zu. Dort blieb ich stehen und ordnete mich in die Reihe der Wartenden ein. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Finn mir folgte. Schweigend standen wir nebeneinander und warteten, bis sich die Schlange in nervtötender Langsamkeit vorwärts bewegte. Unvermittelt nahm jemand meine Hand. Sie fühlte sich warm an und ließ meine Fingerspitzen seltsam kribbeln.

 

Überrascht hob ich den Kopf und blinzelte meine Begleitung verstört an. „Was soll das?“

Er lächelte mich verschlagen an und flüsterte: „Wir dürfen doch nicht auffallen.“

Seine Logik irritierte mich noch mehr und ich entzog ihm vorsichtig meine Hand. Verlegen schob ich mir damit eine lose Haarsträhne hinter das Ohr zurück. Ohne ihn dabei anzusehen murmelte ich: „Ich denke nicht, dass uns jemand so genau beobachtet.“

Für einige Sekunden breitete sich ein peinliches Schweigen aus. Drei Reihen näher am Eingang erkundigte sich Finn schließlich behutsam: „Du warst doch nicht wirklich wütend auf mich, weil ich nicht schon seit einer halben Stunde hier auf dich gewartet habe, oder?“

Ich schlug die Augen nieder. „Ich dachte, du hättest mich versetzt. Du hättest ja so ein Typ sein können, dem es Spaß macht, Mädchen an einen bestimmten Ort zu locken und sie dort versauern zu lassen.“ Zögernd schielte ich zu Finn empor. Jetzt, wo ich ihn vor mir stehen sah, kam mir der Gedanke noch alberner vor.

Er lachte. „Oh ja, das ist der witzigste Zeitvertreib, den ich mir vorstellen kann.“

Ich merkte, wie ich rot anlief. Er machte sich lustig über mich.

Er stupste mich in die Seite, um mir zu signalisieren, dass er es nicht böse meinte. „Ich bin ja noch aufgetaucht. Wenn wir die Ansprache verpassen, tut es mir leid.“

„Schon okay. Wahrscheinlich hält sowieso niemand eine.“

In diesem Moment hatten wir den Eingang erreicht, bezahlten und schritten durch das Tor. Mein Herz hüpfte vor Aufregung etwas höher. Endlich war ich auf dem Festgelände angekommen. Der Abend konnte beginnen.