Authentisches geistliches Mentoring

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Authentisches geistliches Mentoring
Font:Smaller АаLarger Aa

LARRY KREIDER

Authentisches

geistliches Mentoring

ANDEREN HELFEN IM GLAUBEN ZU REIFEN

GLORYWORLD-MEDIEN

1. E-Book-Auflage 2021

© 2008 by Larry Kreider

Originally published in the U.S.A. by Regal Books,

A Division of Gospel Light Publications, Inc.

Ventura, CA 93006 U.S.A.

All rights reserved

© der deutschen Ausgabe 2009 GloryWorld-Medien, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen.

Weitere Bibelübersetzungen:

Luther Bibel, Revidierte Fassung von 1984

Einheitsübersetzung 1980

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Übersetzung: rdm

Lektorat / Satz: Manfred Mayer

Umschlaggestaltung: Kerstin & Karl Gerd Striepecke, www.vision-c.de

Foto: istockphoto

ISBN (epub): 978-3-95578-134-7

ISBN (Druck): 978-3-936322-34-7

Stimmen zum Buch

Larry Kreider ist ein Leiter, dessen Effektivität, das Reich Gottes voranzubringen und andere Leiter heranzubilden, ein Maß an Begabung und Demut offenbart, das so apostolisch ist, dass er einen solchen Titel nicht braucht, um es zu beglaubigen. Ich vertraue diesem Mann, weil sein Herz rein und sein Verstand klar ist.

Jack W. Hayford

Präsident der internationalen Foursquare-Gemeinden

Dies ist bei weitem das beste Buch zum Thema Geistliches Mentoring, das ich kenne. Larry [Kreider] lebt diese Prinzipien und ist eine echte Autorität auf diesem Gebiet. Wenn Sie diese Prinzipien befolgen, wird sich Ihr Dienst in vielen anderen und in zukünftige Generationen hinein multiplizieren.

Jim Orred, Jugend mit einer Mission

Larry Kreider gibt uns eine ausgezeichnete biblische Darstellung der Prinzipien, Werte und Ziele für authentisches geistliches Mentoring. Jeder Christ und jeder christliche Leiter, der sein maximales Potential erreichen will, sollte dieses Buch lesen.

Dr. Bill Hamon

Christian International Ministries Network

Die Kirche braucht heute vor allem Männer und Frauen, die geistliche Eltern sein können. Larry Kreiders Buch hat mich herausgefordert und mich mit Hoffnung erfüllt, dass die Gemeinde dem Ruf Gottes folgen wird, geistliche Väter und Mütter zu sein.

Dominic Yeo

Trinity Christian Centre, Singapur

„Authentisches geistliches Mentoring“ bringt praktische Themen, die man in anderen Büchern nicht findet. Ich lehre seit vielen Jahren an Hochschulen und in Gemeinden über Mentoring und habe dazu jedes hilfreiche verfügbare Buch benutzt. Dieses Buch hätte ich allen anderen vorgezogen.

Dr. Joseph Umidi

Gründer von Lifeforming Leadership Coaching

Larry Kreider ist ein Vater in der heutigen Gemeinde. Er schreibt aus dem heraus, wer er ist, sowie aus der praktischen Erfahrung, die er im Lauf der Jahre gewonnen hat. Dieses Buch ist ein Muss für alle, die Mentoren für andere sind oder anderen in der Jüngerschaft helfen.

Barbara J. Yoder

Hauptpastorin der Shekinah Christian Church, Ann Arbor

Mentoring, geistliche Elternschaft und das Heranziehen gesunder geistlicher Nachkommen ist heute die wichtigste Aufgabe der Gemeinde. „Authentisches geistliches Mentoring“ gibt uns biblische Prinzipien an die Hand, die jeder Gemeinde und jedem Dienst, die wirklich das Reich Gottes voranbringen möchten, zu einer höheren Effektivität verhelfen werden.

George Bakalov

Harvest Breakthrough Network International

„Authentisches geistliches Mentoring“ kommt zur rechten Zeit und wird im Leib Christi viele Leser finden, insbesondere unter denen, die außerhalb der Gemeindegrenzen dienen. Es stellt sehr klar und deutlich heraus, dass gute und gesunde Beziehungen die Basis für kulturelle Transformation und die Ausbreitung des Reiches Gottes sind.

Jim Hodges, Apostolischer Leiter

Federation of Ministers and Churches International

Wir haben viele Lehrer, aber wenige Väter. Seit 25 Jahren sehe ich die Frucht eines echten Vaters im Glauben, durch den einige der großartigsten Leiter im Leib Christi hervorgekommen sind. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, „Authentisches geistliches Mentoring“ zu empfehlen.

Bob Weiner

Präsident, Weiner Ministries International

Inhalt

TEIL 1: DIE BEDEUTUNG GEISTLICHER MENTORENSCHAFT

1 Gesucht: Geistliche Mentoren

2 Geistlich investieren

3 Berufen, Familie zu sein

4 Wie aus geistlichen Kindern Eltern werden

TEIL 2: EINEN GEISTLICHEN MENTOR FINDEN

5 Auf der Suche nach geistlichen Eltern

6 Geborgenheit in der Liebe des Vaters

7 Das Vergangene heilen

8 Multiple Mentoren

TEIL 3: EIN GEISTLICHER MENTOR SEIN

9 Das Jesus-Modell

10 Die Stellenbeschreibung eines geistlichen Mentors

11 Mentoring als Entscheidungshilfe

12 Fallstricken aus dem Weg gehen

13 Geistliche Kinder freisetzen

14 Ihr Ruf zur geistlichen Elternschaft

Epilog: Wie der Segen weiterfließt

Für meine Frau LaVerne,

für meine Familie

und für alle, die dieses Buch lesen

und geistliche Mentoren werden.

Ich wünsche Ihnen,

dass Sie große Freude daran haben,

die Berufung zu erfüllen,

die Gott Ihnen gegeben hat.

Dank

Ein ganz besonderes Dankeschön an Karen Ruiz, die als meine redaktionelle Mitarbeiterin einen Superjob macht.

Danken möchte ich denen, die wertvolle Erkenntnisse zum Thema beigetragen haben: Sarah Sauder, Peter Bunton, Steve Prokopchak und Ron Myer.

Ein weiteres Dankeschön geht an Gary Greig, Aly Hawkins und das ganze Team des Hauses Regal. Es ist eine Freude, mit euch zu arbeiten!

TEIL 1 DIE BEDEUTUNG GEISTLICHER MENTORENSCHAFT
Kapitel 1: Gesucht: Geistliche Mentoren

Jeder ist berufen, Mentor zu sein.

Vor kurzem sprach ich in einer dynamischen Mega-Gemeinde in den USA vor jungen Leuten. Im Anschluss daran kam ein junger Mann auf mich zu. „Ich gehöre hier zur Mitarbeiterschaft, aber nächsten Monat gehe ich“, vertraute er mir an.

Ich war perplex. „Wieso?“

Er sah mir tief in die Augen. „Larry, wenn auch nur einer aus der Leiterschaft dieser Gemeinde sich einmal im Monat ’ne Stunde auf ’nen Kaffee mit mir hinsetzen würde und mich fragte, wie’s mir so geht, dann würde ich bleiben.“ Er war auf der Suche nach einem geistlichen Mentor – jemandem, der etwas Zeit mit ihm verbringen, ihm Unterstützung und Feedback geben würde, während er es lernte, seine Gaben und Talente in der Gemeinde einzusetzen. Aber alle hatten sie zu viel zu tun, schließlich musste das umfangreiche Gemeindeprogramm am Laufen gehalten werden.

Vor ein paar Jahren war ich mit einem bekannten Evangelisten in Neuseeland unterwegs, und er sagte etwas, das ich nie vergessen werde. Seine Stimme klang müde, ja geradezu sehnsüchtig, als er sich zu mir umdrehte und sagte: „Weißt du, Larry, was ich wirklich brauche? Ich brauche einen Mentor.“ Dies war ein vollmächtiger, gesalbter Leiter, sehr erfolgreich als Evangelist – aber sein größtes Bedürfnis war, jemanden zu haben, dem es wirklich wichtig war, mit ihm zu kommunizieren. Er brauchte jemanden als Resonanzboden, jemanden, der ihm half, aus Problemen Gelegenheiten zu machen. Er sehnte sich nach einem geistlichen Mentor – einem mit allen Wassern gewaschenen Christen, der ihn sowohl ermutigen als auch beraten und unterstützen konnte.

Ein anderes Mal klingelte eine neubekehrte Christin an unserer Haustür. Sie war niedergeschlagen und entmutigt. „LaVerne und Larry“, sagte sie zu meiner Frau und mir, „ich weiß, der Herr hat mein Leben verändert, aber es gibt so viel, was ich nicht verstehe. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Die Hälfte von dem, was ich in meiner Gemeinde höre, kapiere ich nicht.“ Dann ließ sie den wirklichen Schrei ihres Herzens heraus: „Wirklich, ich brauche jemanden, der mir hilft, die Dinge zu verstehen, die ich gelehrt bekomme. Ich brauche jemanden, der mir hilft, geistlich reif zu werden.“

 

Ein älterer Pastor, den ich kannte, stand kurz vor der Rente und wollte bald den Staffelstab an die jüngere Leiterschaft weitergeben, doch hatte er niemanden dahingehend trainiert, einmal seinen Platz einzunehmen. Mit feuchten Augen gestand er ein, dass es nicht auf die Reihe gekriegt hatte, seine geistlichen Schützlinge zu trainieren und aufzuziehen. Sie brachten ihm weder Respekt entgegen, noch wollten sie ihn als ihren Mentor haben.

Solche Geschichten höre ich immer wieder. Auf meinen Reisen rund um die Welt, auf denen ich Woche für Woche geistliche Leiter und solche, die es werden wollen, trainiere, begegne ich anhaltend dem verzweifelten Ruf nach geistlichen Mentoren, die willens sind, als geistliche Väter und Mütter zu dienen. Ob bei neubekehrten oder langjährigen Christen oder selbst unter Pastoren, überall ist die Not dieselbe: Tief in ihrem Inneren haben die Menschen Sehnsucht nach geistlicher Betreuung. Gott hat uns mit dem Bedürfnis geschaffen, in ein Beziehungsnetz eingebunden zu sein, doch in der Gemeinde ist durch einen schmerzlichen Mangel an Anleitung, Unterstützung und Interaktion ein Vakuum entstanden.

Immer mehr gläubige Menschen erkennen diesen Mangel. Vor einigen Jahren gab es in unserem Distrikt in Pennsylvania eine mächtige Jugenderweckung, die anfing, als ein paar junge Leute damit ernst machten, ihre Altersgenossen für Jesus erreichen zu wollen. Der Bibelkreis am Dienstagabend, den sie mit einer Handvoll Jugendlicher begonnen hatten, wuchs auf mehr als 1000 Teilnehmer an. Einer der jungen Leiter erzählte mir, warum er glaube, dass Gott gerade unsere Gegend als Erweckungsgebiet ausgewählt hatte: „Wir hatten geistliche Väter, die in der Lage und willens waren, uns zu dienen und uns zu ermutigen.“

Weil es geistliche Mentoren gab, die an jene jungen Leute weitergaben, was Gott ihnen geschenkt hatte, wurden junge Leiter herangezogen, die bereit waren, selbst wiederum geistliche Mentoren zu werden. Die nächste Generation fühlte sich geliebt und geschult genug, um selbst ein bleibendes Vermächtnis weiterzugeben.

Die Uncommon Individual Foundation, eine Organisation, die sich der Erforschung und Einübung von Mentoring widmet, berichtet: „Mentoring ist nach der Ehe und der erweiterten Familie die drittstärkste Art von Beziehung, wenn es darum geht, menschliches Verhalten zu beeinflussen.“1

Randy MacFarland, als Vizepräsident für Training und Mentoring am Denver Seminary mit der Ausbildung von Mentoren befasst, sagt: „Die Zersplitterung der Familien und das Tempo der Veränderungen, die uns beständig abverlangen, uns neue Fertigkeiten anzueignen, sowie die Mobilität unserer Gesellschaft, die dazu führt, dass Familienmitglieder weit voneinander entfernt leben, sind der Grund dafür, dass Mentoring immer wichtiger wird … Oft vergessen wir, welch starke Wirkung es hat, wenn jemand an uns glaubt.“2 Genau das tun Mentoren: Sie glauben an die jüngere Generation. Sie helfen Leben zu formen und geben dabei ein Vermächtnis weiter.

Was aber passiert, wenn man eine Generation ihren eigenen Ressourcen und Möglichkeiten überlässt, ohne ihr durch Mentoring zur Seite zu stehen?

Leben bewahren: ein Beispiel

Vor einigen Jahren besuchte ich den Pilanesberg-Park, ein Wildreservat in Südafrika. Man sagte mir, vor nicht allzu vielen Jahren sei das Überleben des Weißen Nashorns in diesem Reservat fraglich gewesen. Mehrere Tiere dieser gefährdeten Art hatte man verendet vorgefunden. Die Tierpfleger des Reservats entschlossen sich daraufhin, die verbliebenen Nashörner elektronisch zu markieren und zu überwachen. Zu diesem Zweck installierten sie an wichtigen Plätzen Videokameras, um jeden Missetäter zu erfassen, der sich den Tieren näherte.

Die Auswertung des Videomaterials ergab zur Verblüffung der Verantwortlichen, dass es junge Elefantenbullen waren, die die Nashörner ohne jeden ersichtlichen Grund schikanierten. Obwohl das für sie ein völlig unnatürliches Verhalten darstellte, hetzten diese Jungbullen die Rhinozerosse über weite Strecken und bombardierten sie mit Ästen, bis diese erschöpft waren und nicht mehr weiterkonnten. Schließlich trampelten sie sie tot. Wieso legten diese jungen Elefanten ein so gewalttätiges Verhalten an den Tag? Die Antwort war in einer Entscheidung zu finden, die man zwanzig Jahre zuvor getroffen hatte.

Seinerzeit hatten die Nationalpark-Verantwortlichen beschlossen, einige Elefanten aus einem anderen Reservat in den Pilanesberg-Park zu überführen, weil sie an ihrem ursprünglichen Ort wegen der zunehmenden Elefanten-Population nicht überleben konnten. Elefanten, die für den Transport zu groß waren, wurden getötet, darunter auch einige ältere Bullen. Nur jüngere Elefanten verbrachte man nach Pilanesberg, wo sie dann ohne den Einfluss reifer männlicher Artgenossen heranwuchsen. Durch die Untersuchung der mysteriösen Nashorn-Massaker fanden Tierpfleger und Wissenschaftler heraus, dass die männlichen Jungelefanten ohne ein Zusammenleben mit gereiften Elefantenbullen extrem aggressiv und gewalttätig geworden waren.

Um die Situation zu bewältigen und die Population der Weißen Nashörner zu schützen, ließen die Nationalpark-Verantwortlichen fünf der aggressivsten Jungelefanten töten und brachten dann ältere Bullen in das Reservat, damit diese die verbliebenen Jungbullen beeinflussten. Rasch lernten die Jungtiere, dass sie sich den reiferen Elefanten anzupassen hatten. Die älteren Bullen nahmen innerhalb der Herde ihre Plätze als Väter und „Disziplinarkräfte“ ein.

Einige der Verantwortlichen waren überrascht, als offensichtlich wurde, dass die Jungbullen ihre neue Beziehung zu den älteren, reiferen männlichen Artgenossen sehr zu schätzen wussten. Die Tiere, die vorher über die Stränge geschlagen hatten, kehrten zu normalen Elefanten-Verhaltensmustern zurück, und nach der Ankunft der reifen Elefanten wurden keinerlei unnatürliche Todesfälle unter den Weißen Nashörnern mehr registriert.

Auf der Suche nach Vorbildern fürs wirkliche Leben

Das Beispiel illustriert, was junge Christen zu gewinnen haben, wenn ihnen geistliche Mentoren zur Seite stehen, die sie unterstützen, beraten und unterweisen. Auf der anderen Seite verdeutlicht es auch, was passiert, wenn lebenserfahrene Christen es versäumen, geistliches Mentoring zu gewähren. Wenn reife Christen es vernachlässigen, ihre Weisheit und Liebe an jüngere Christen weiterzugeben, erhalten diese nicht die volle Ausrüstung für die Aufgaben, die vor ihnen liegen. So energiegeladen und begabt sie auch sein mögen – ohne Anleitung und liebevolle Beaufsichtigung laufen sie Gefahr, aus der Spur zu geraten oder sogar diejenigen niederzutrampeln, die ihnen ins Gehege kommen.

Reife Männer und Frauen, die jüngeren Christen als Mentoren und Mentorinnen dienen können, um ihnen klarzumachen, wo­rauf es im Leben und Dienst wirklich ankommt, werden dringendst gebraucht. Geistliche Mentoren, die sich als reife Lebensberater zur Verfügung stellen, können jüngeren Gläubigen dabei helfen, ihre Träume und Visionen zu verwirklichen und sich gut eingebunden zu fühlen, während sie Leben und Dienst miteinander zum Ausgleich bringen und zur Reife heranwachsen.

Statt auf tiefe, konstruktive Beziehungen Wert zu legen, halten wir in der Kirche von heute gläubige Menschen allzu oft dazu an, ja keinen Gottesdienst und kein Bibelgespräch zu versäumen und sich an übergemeindlichen Aktivitäten oder evangelistischen Einsätzen zu beteiligen, damit sie ihren eigenen Glauben aufpeppen und „stark werden im Herrn“. Die Theorie ist: Möglichst viel Unterweisung aus Gottes Wort plus möglichst viel aktive Beteiligung an geistlichen Diensten = mehr geistliche Reife. So wichtig diese Dinge auch sein mögen – solch eine falsche Grundannahme bringt Gläubige hervor, die Predigt auf Predigt, Buch auf Buch, CD auf CD, Seminar auf Seminar konsumieren, und das alles in dem unbewussten Bestreben, den Mangel an echten Beziehungen auszugleichen.

Im Ergebnis haben wir geistlich verfettete Christen, die mit all dem, was sie lernen, gar nichts anzufangen wissen und mithin auch außerstande sind, es an andere weiterzugeben. Solch ein Christ weiß nicht, wie er sein Leben sinnvoll und hingebend in andere investieren kann, weil er selbst nie angemessene geistliche Elternschaft erfahren hat. Ohne ein Vorbild bleibt er ein geistlicher Säugling, der es nötig hat, vom Pastor oder anderen geistlichen Mitarbeitern mit dem Löffel gefüttert zu werden.

Doch als Menschen Gottes müssen wir reif werden. Das selbst zu bewerkstelligen ist sehr schwierig, genau wie ein Säugling im natürlichen Leben nicht gedeihen kann, wenn er sich selbst überlassen bleibt. Babys brauchen die Zuwendung ihrer Eltern und sind darauf angewiesen, dass diese sie nähren; und genauso brauchen gläubige Menschen praktischen Input vonseiten liebender Eltern, deren Freude es ist, ihre Kinder in das Vollmaß ihres Potenzials in Jesus hineinwachsen zu sehen.

Die Bibel bietet zahllose Beispiele für geistliches Mentoring bzw. geistliche Elternschaft. Jesus demonstrierte geistliche Vaterschaft im Umgang mit seinen zwölf Jüngern. Paulus unterwies den jungen Timotheus in Jüngerschaft. Elia wurde für Elisa zum geistlichen Vater. Mose trainierte Josua, damit dieser seinen Platz an der Spitze der Kinder Israel einnehmen und das Volk ins verheißene Land führen konnte. In all diesen Beispielen wurden die Schützlinge darauf vorbereitet, die Stelle ihrer Mentoren einzunehmen, damit der Gesamtplan Gottes in Erfüllung gehen konnte. Im Falle Elias und Elisas empfing der geistliche Sohn sogar ein doppeltes Maß an Salbung von seinem Mentor (vgl. 2 Kön 2,9-10). Quer durch die Bibel lesen wir von diesen Mentorenschaften von Mann zu Mann und davon, welch reiches Vermächtnis für kommende Generationen sie hervorbrachten. Genau diese generationenübergreifende Verbindung und Weitergabe von Erbe brauchen wir auch heute.

Das Buch „Connecting: The Mentoring Relationships You Need to Succeed in Life“3 beginnt mit einer überraschenden Feststellung: „Die Erforschung biblischer Leiter führt zu einer erschreckenden Schlussfolgerung: Nur wenige davon bringen ihre Sache gut zu Ende.“4 Weiter sagen die Verfasser, in den Fällen, wo biblische Leiter ihre Aufgabe zu einem guten Abschluss brachten, „war es ihre Beziehung zu einem anderen Menschen, die ihre Entwicklung signifikant förderte“5.

Der Apostel Paulus wusste, dass es sein höchstes Ziel sein musste, ein geistliches Vermächtnis weiterzugeben, und war entschlossen, im Rahmen starker Beziehungen sein Lebenswerk zu einem guten Ende zu bringen. Für viele in der frühen Kirche war er Vorbild und geistlicher Vater. Sehr deutlich stellte er Mentoring als sein Leiterschaftsmodell heraus: „Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi Nachahmer bin“ (1 Kor 11,1). „Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, das tut …“ (Phil 4,9). Mit anderen Worten: „Lasst mich euer Mentor, euer Rollenvorbild sein.“

Nach langer Abwesenheit von seinen geistlichen Kindern in der Gemeinde von Thessalonich schrieb Paulus ihnen aus Sorge, sie könnten seine körperliche Abwesenheit dahin missverstehen, dass er sich nicht um sie kümmerte, einen Brief. Am Schluss dieses Briefes formuliert er im Gebet nicht bloß den Wunsch, Gott möge seinen Weg so führen, dass er die Thessalonicher wiedersehen könne (vgl. 1 Thess 3,11), sondern auch das Anliegen, sie, die Menschen in der Gemeinde, sollten andere genauso lieben, wie sie von ihm, Paulus, geliebt worden waren (vgl. V. 12). Er erwartete von ihnen, dass sie in Liebe die Verantwortung übernahmen, geistliche Eltern für andere Menschen zu sein. Die Kirche des Neuen Testaments war dazu da, eine wachsende, gedeihende Familie zu bilden, und jeder Christ sollte ein geistlicher Vater oder eine geistliche Mutter werden!