Read the book: «Der Reisebericht des Hieronymus Münzer», page 4

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Über die Schlacht und die Niederlage bei der BurgMurten, OrtBurg MurtenMurten, Ort habe ich Folgendes notiert:

Im Jahre des Herrn 1476, als Herzog Karl von BurgundKarl der Kühne, Hzg. von Burgund (1467–1477) gegen die Helvetier Krieg führte, sind 10.000 Kämpfer (die ortsansässigen Leute erzählten mir, mehr als 24.000) getötet worden. Und dort beim SeeMurtensee / Lac de Morat ist eine Kapelle erbaut worden, auf deren Türsturz folgende Inschrift steht1:

Wohlergehen denen,

die den listenreichen Feind Karl, Ruhm und Stolz von Burgund, vom Schlachtfeld vertrieben haben,

die durch ihren Gesang die Helden im Himmel ehren,

und die Altäre des Mars mit einem süßen Opfer beladen,

all denjenigen, die die zerstörerische Kraft der Waffen erfuhren.

Im Lauf der Jahre hatten sich 1000 und 400 und 70 und 6 (Jahre) vereinigt,

und Atlas (= die Erde) hatte sich einmal um die Achse gedreht:

Da hatte die niedergemetzelten Körper grausam das feindliche Schwert zu Boden gestreckt.

Die Gebeine der Toten sind in zwei Grabkammern niedergelegt. Die Breite der ersten beträgt 20 Schritte, die Länge 6 und die Höhe 6, die Länge der anderen 7 Schritte und die Breite 5. Die Anhäufung so vieler Knochen ist schrecklich anzusehen, und fortwährend bringt der See neue Knochen hervor, die dort beigesetzt werden. Ich habe dies am 17. August 1494 gesehen.

Über die Stadt LyonLyon, Ort

Die alte Stadt GalliensFrankreich, L. LyonLyon, Ort ist bestens gelegen. Im Osten fließt außerhalb der Mauern der vielgerühmte RhôneflussRhône, Fluß vorbei; die SaôneSaône, Fluß, der allseits bekannte Fluss BurgundsBurgund, L., teilt die Stadt in zwei Teile. Beide (Flüsse) sind schiffbar. Die Steinbrücke der SaôneSaône, Fluß hat 9 ausgezeichnete und hohe Bögen, 13 jedoch die der RhôneRhône, Fluß. Im Osten liegt SavoyenSavoyen, L., im Norden BurgundBurgund, L., woher die SaôneSaône, Fluß kommt, im Westen liegen die Berge FrankreichsFrankreich, L. und im Süden die DauphinéDauphiné, L. der Allobroger. Ausgezeichnet ist der Ort durch 4 Kathedralkirchen und einen Bischofssitz; der vorzügliche Kirchenbau des göttlichen Johannes ist aus Steinquadern erbaut. In der Kollegiatkirche des heiligen PaulusPaulus, († nach 60), Apostel, Hl. ruht der Leichnam von Johannes GersonGerson, Johannes, (†1429), Theologe und Kanzler der Universität von Paris, des Kanzlers von ParisParis, Ort; dessen Epitaph lautet folgendermaßen1:

Eine kleine Urne enthält Johannes, genannt Gerson,

gerühmt für seine Taten und erhaben durch seine Verdienste.

Als Pariser Professor für Theologie leuchtete dieser der heiligen Kirche.

Er verschied als Kanzler am zwölften Tag im Juli 1429.

Außerhalb der Mauern, einige Steinwürfe entfernt, liegt auf einer gewissen Insel im Fluss der SaôneSaône, Fluß ein stolzes benediktinisches KlosterLyon, OrtÎle-Barbe, Kl., in dem sich eine Gebetsstätte befindet, die wegen der Wunder der seligen JungfrauMaria / Maryam, Hl., bibl. Gestalt, Mutter Jesu Christi berühmt ist. Und in einer anderen Kapelle ruhen der Leichnam der seligen AnnaAnna, Selige, Mutter der Hl. Maria, der Mutter Mariens und derjenige des Kämpfers LonginusLonginus, Kämpfer, bibl. Gestalt, der mit seiner Lanze die Seite des Herrn durchbohrte; dort findest Du einen Unterarmknochen des seligen MartinMartin, Hl., Bf. von Tours (371–397), das Haupt des heiligen MauritiusMauritius, Hl. († 280/300), eine Ampulle aus Smaragden, angeblich mit edlem Silber überzogen – daraus sollen beim letzten Abendmahl die Apostel, kurz bevor sie predigten, getrunken haben –, und viele andere (Reliquien), von denen man hier nicht erzählen muss. Im Kloster ruhen auch die Gebeine des Minderbruders BonaventuraBonaventura da Bagnoregio/Johannes Fidanzo Hl., General des Franziskanerordens, Bf. von Albano (1273–1274), des bekannten und gelehrten Mannes2.

Auf einem Berg LyonsLyon, Ort liegen gegen Westen uralte Ruinen, außerdem das Kloster des heiligen IrenäusLyon, OrtSaint-Irénée, Kl.Irenäus, Hl., des 13. Bischofs von Lyon, der von Severus AntoniusSeverus Antonius (Caracalla) röm. Ks. (211–217) mit 19.000 Männern, ausgenommen Frauen und Kleinkinder, durch das Martyrium gekrönt worden ist.

Außerdem ruhen im Chorraum in einer tiefergelegenen Krypta weitere Leichname. In der Nähe wurde uns der größte Teil der Säule gezeigt, an der ChristusJesus Christus gegeißelt wurde. In diesem Kloster gibt es Regularkanoniker des Augustinerordens. Und aufgrund der behauenen marmornen Monumente und anderer Dinge scheint es sehr alt zu sein. Die vorgenannte Kirche war ein Bischofssitz, der später unterhalb des Berges in eine andere sehr schöne Kirche des heiligen Bischofs JustusLyon, OrtSaint-Just, K.Justus, Bf. von Lyon (um 374–381) übertragen worden ist. Wir sahen zahlreiche Gebeine von heiliggesprochenen Bischöfen. Dort sind diejenigen des heiligen Justus, eines der unschuldigen Kinder und von anderen zu sehen. Nun aber ist im Laufe der Zeit der Bischofssitz an die Ufer der SaôneSaône, Fluß übertragen worden, wo eine hervorragende, mit Steingewölbe versehene Kirche zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers erbaut worden ist.

Am vierten September verließen wir LyonLyon, Ort und erreichten auf einem Schiff über den RhôneflussRhône, Fluß die uralte Stadt VienneVienne, Ort, die bestens erbaut ist. Der dortige Bischofssitz ist in einer wichtigen KircheVienne, OrtSaint-Maurice, K. mit einem hervorragenden Gewölbe und mit einer sehr bemerkenswerten Säulenhalle, die jedoch noch nicht vollendet ist; Patron der Kirche ist der heilige MauritiusMauritius, Hl. († 280/300). In einem sehr alten Kloster des BenediktinerordensVienne, OrtSaint-Pierre-hors-les-Murs, einstmals der Bischofssitz, ruht der Leichnam des heiligen MamertusMamertus, (†477) Hl., Ebf. von Vienne, eines Bischofs von Vienne, der die kleineren Litaneien (letanias menores) einführte. Einiges habe ich aus dessen Vita zusammengestellt, wie Du auf Folio 216 findest3.

Wir verließen die Stadt am 5. September; vorbei an sehr schönen Burgen, deren Namen mir nicht alle einfallen, kamen wir zur äußerst berühmten Stadt ValenceValence, Ort, einem Bischofssitz. Später gelangten wir nach Pont Saint-EspritAvignon, OrtPont Saint-Esprit, einer ehrwürdigen Stadt mit steinernen Brückenbögen, zur Stadt AvignonAvignon, Ort. Avignon liegt auf dem Ostufer der RhôneRhône, Fluß. Die Stadt ist in einem Kreis erbaut. Dort sahen wir drei staunenswerte Dinge: Die Brücke mit 23 BogenAvignon, OrtPont-Saint-Bénézet aus behauenen Steinquadern erbaut. Zum zweiten den PapstpalastAvignon, OrtPapstpalast, dem, wie ich glaube, nichts auf dem ganzen Erdkreis gleicht. Wie bewundernswert und eindrucksvoll ist das Bauwerk mit so vielen Kapellen, so vielen Palästen, so vielen Umgängen, dass man es fast für ein Labyrinth und ein Werk des Dädalus halten könnte! Die Türen sind zu größten Teilen aus Eisen, alle Fenster sind mit stärksten Eisenstangen gesichert, dazu kommen hohe Türme, beeindruckende Bollwerke, Gärten innerhalb der Mauern mit verschiedenen Früchten wie Maulbeeren, Brombeeren und Quitten. Ich glaube, dieser Palast könnte dem Kaiser und Papst für sich und ihr Gefolge als Aufenthaltsort genügen4. Aber weil dort kein wachsamer Bewohner zugegen ist, findest Du dort vieles durch Nachlässigkeit zerstört, und der Ort scheint sich in eine Ruine zu verwandeln. Dort half uns ein gewisser Gefolgsmann des Leiters, der uns Verschiedenes zeigte; dies alles zu beschreiben würde jedoch zu viel Zeit kosten.

Und drittens gibt es dort eine hervorragende Mauer um die Stadt herum. Sie ist aus behauenen Steinen gebaut, mit vielen Türmen, Schutzwerken und Zinnen: Etwas Ähnliches habe ich noch nie gesehen. Die Stadt liegt freilich in einer schönen Ebene beim RhôneflussRhône, Fluß und ist nach Art der Gallier mit edlen Häusern ausgestattet.

Dort findet sich auch das Kloster des heiligen Petrus vom Orden der CoelestinerAvignon, OrtSaint-Pierre der Observanz, das mit ausgezeichneten Bildern dekoriert ist5. Hier liegt der Leichnam des heiligen PetrusPeter von Luxemburg / Peter von Lützelburg (Petrus) († 1386/87), Hl., Bf. von Metz (1384–1385) aus der Familie der Grafen von Luxemburg in DeutschlandDeutschland, L., schon von seiner Jugend an wurde er Gott und der Askese geweiht und in ParisParis, Ort ausgebildet. Später wurde er Bischof von MetzMetz, Ort, dann zum Kardinalat erhoben und führte ein kontemplatives Leben. Schließlich ging er – durch körperliche Gebrechen und ein sehr hartes Leben erschöpft – in AvignonAvignon, Ort in das Reich des Herrn ein. In der vorgenannten Kirche ist er begraben und leuchtet durch unzählige Wunder6. Sein Epitaph folgt:

Epitaph des heiligen PetrusPeter von Luxemburg / Peter von Lützelburg (Petrus) († 1386/87), Hl., Bf. von Metz (1384–1385)‘ von Lützelburg in Avignon Avignon, Ort

In diesem Tempel wird verehrt und zugleich bedeckt goldene Tugend:

Der berühmte Spross aus dem Hause Luxemburg, ein überaus glanzvoller Lohn.

Petrus († um 64), Apostel, Hl.Auf Erden einmaliger Ruhm wird mit sterblicher Hülle in den Himmel überführt,

und für seine Verdienste durch Petrus in das Himmelreich erhoben.

Im Jahr Tausend, füge dreihundert, achtzig und sieben hinzu, wurde er begraben:

Durch seine großartigen Wunder mächtig erfährt er jedes Jahr am fünften Juli Verehrung durch das Volk.

Wir verließen AvignonAvignon, Ort am 6. September, durchquerten eine sehr schöne Ebene und gelangten dann über den schiffbaren Fluss IsèreIsère, Fluß1 an Berglandschaften, Tälern und fruchtbaren Ebenen vorbei zur Stadt AixAix-en-Provence, Ort(-en-Provence), einst für ihr Thermalwasser bekannt. Jetzt im Sommer ist der Ort allerdings seiner heißen Quellen vollkommen beraubt, im Winter hingegen wird er von genug heißem Wasser bewässert. Der Ort ist mit zugerichteten Quadersteinen sehr vornehm erbaut; in den Ebenen sind Weinstöcke und anderes in großer Zahl vorhanden, die Stadt ist mit einem Bischofssitz ausgezeichnet. Patron der KathedraleAix-en-provence, OrtCathédrale Saint Sauveur, K. ist der Welterlöser (Salvator Mundi); dort ruht inmitten der Leichname der Heiligen unter anderem derjenige des heiligen MaximinMaximin, Hl., Bf. von Trier (329–346), des Bekenners der seligen MagdalenaMaria Magdalena, Hl.: Er ist mit einem wunderschönen silbernen Gewand geschmückt. Ebenso befindet sich dort das ausgezeichnete Grab des Königs René von SizilienRené I. von Anjou, Gf. der Provence (1433–1480), Kg. von Neapel und Jerusalem (1435–1480)2 und einige weitere Dinge.

Am achten September kamen wir nach Saint-MaximinSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, Ort, ein Kastell, das ehemals Villa lata genannt wurde; dort hörten wir frühmorgens im ehrwürdigen Kloster der PredigerbrüderSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, OrtSaint-Maximin, Kl.3 eine Messe und sahen rasch die Reliquien, zunächst den rechten Arm und das Schienbein des ergebensten Bischofs MaximinMaximin, Hl., Bf. von Trier (329–346); ebenso den Kopf eines Blinden, der von Gott geheilt wurde, auch das Haupt der heiligen SusannaSusanna, Hl., Schwester des Hl. Maximin, der Schwester des heiligen Maximin, die Haare, mit denen sie (gemeint MagdalenaMaria Magdalena, Hl.) ChristusJesus Christus berührte und trocknete, sie sind unvergänglich und in der Farbe eines reifen Hafers.

An einem gegenüberliegenden Ort jedoch, rechts des Altares, wurden uns der Arm der heiligen Maria MagdalenaMaria Magdalena, Hl. und andere Reliquien gezeigt. Schließlich kamen wir aus dem Chor in die KapelleSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, OrtSainte-Marie-Madeleine, K. des heiligen MaximinMaximin, Hl., Bf. von Trier (329–346). Es ist die Stelle, wo vor dem Steinaltar Maria Magdalena, nachdem sie den Leib des Herrn empfangen hatte, in dessen Armen ihren Geist aushauchte. Wir sahen ihr Grabmal bei demjenigen des heiligen Maximin und ebenso weitere sehenswerte Gräber4. Schließlich erblickten wir an einem Ort, der durch Stangen und anderes gesichert war, das Haupt der heiligen Magdalena, das mit einem Tuch aus Gold und Silber bedeckt war. Es ist schrecklich, dieses Gesicht anzusehen, am vorderen Teil des Schädels, auf der linken Seite, kleben ein wenig Fleisch und Haare am Knochen. An dieser Stelle freilich hat ChristusJesus Christus sie nach seiner Auferstehung mit seinem verklärten Leib berührt und gesagt: Noli me tangere5. Erhalten ist dort auch der untere Kinnknochen. All dies ist bewunderns- und staunenswert! Ich glaube nicht, dass man auf dem ganzen Erdkreis etwas finden wird, was dem göttlichen Wirken im katholischen Glauben derart ähnelt. Je länger man es betrachtet, desto mehr fühlt man sich von einem ungeahnten Geist entflammt!

Wir sahen auch eine kleine Glasampulle, in der sich mit dem Blut des Herrn getränkter Sand befindet, den die heilige MagdalenaMaria Magdalena, Hl. aufsammelte; immer am Freitag beginnt dieser Sand zu kochen und das Glas mit einer blutroten Farbe zu füllen. Dies ist ohne Zweifel ein sehr großes Wunder. Noch am selben Tag verließen wir das Kastell Saint-MaximinSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, Ort über eine schlecht ausgebaute und steile Straße, 35 Meilen weit bis zu einem Ort, wo sie BußeSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, OrtSaint Pilon, Berg tat. Unter den übrigen Bergen sticht dieser hervor. Sein Gipfel reicht bis zu den Wolken, und am unteren Ende des Abhangs, innerhalb des Berges nehmen eine Höhle und KryptaSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, OrtGrotte de la Sainte Baume großen Raum ein. In dieser Krypta leistete die heilige Magdalena auf einem harten Felsen zweiunddreißig Jahre lang Buße: Jeden Tag wurde sie von Engeln siebenmal über den Abgrund erhoben und durch göttlichen Nektar genährt. Am Ort dieser Krypta steht heute ein Kloster des DominikanerordensSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, OrtSainte-Baume, Kl., das mit bewundernswerter Technik am Abgrund des Tals erbaut wurde.

Dorthin werden regelmäßig Brüder aus dem Ort Saint-MaximinSaint-Maximin-la-Sainte-Baume, Ort geschickt, die Tag und Nacht Lobgesänge auf Gott und die heilige MagdalenaMaria Magdalena, Hl. anstimmen; sie empfingen uns als Pilger in ihrem Hospiz und teilten freizügig. Unter ihnen war ein Deutscher aus FreiburgFreiburg, Ort, ein wirklich frommer Priester, der mit uns die sehr lange und noch dazu harte Straße bis zum Gipfel des Berges emporstieg. Dort konnten wir bei einer Kapelle mit dreimaligem Umlaufen Ablässe erwerben, derer wir hoffentlich teilhaftig wurden. Im Kloster hinter dem Hauptaltar gibt es ein äußerst weiches und für die Gegend eiskaltes Wasser. Die Lage des Ortes verweist nach Norden, so dass, wenn die Sonne unter winterlichen Bedingungen scheint, Wolken, heftige Regenfälle und Schnee den Berg heimsuchen. Dennoch nehmen diejenigen, die dort bleiben, dies alles aus Liebe zur heiligen Maria Magdalena auf sich.

Am Fuß des Berges gibt es einen geradezu riesigen Wald. Er ist reich an Buchen, Eichen, ebenso an Eiben, Wacholder und Tamarisken. Die Stümpfe dieser Bäume sind so groß, dass sie von den Armen eines einzelnen Mannes nicht umschlossen werden können; so etwas habe ich in DeutschlandDeutschland, L. noch nirgendwo gesehen.

Gebet zur heiligen Maria Magdalena Maria Magdalena, Hl.

Sanfte Freundin Gottes, neige Dich unseren Tränen zu,

und erhöre unsere demütigen Bitten, sorge für unser Wohlergehen!

Denn das vermagst Du. In der Tat ist es für Dich unstatthaft vergeblich zu berühren,

mit Deinen Tränen kannst du die heiligen Füße benetzen,

und sie mit strahlend glänzenden Haaren trocknen, die Sohlen darfst Du küssen,

über dem Haupt des Herrn kostbaren Duft verbreiten.

Im Moment seiner Wiederauferstehung warst Du die erste, der es gewährt war,

ihn zu treffen, seine Worte zu hören und seine Glieder zu betrachten.

Sie (die Glieder) werden von unsterblicher Herrlichkeit sein und für alle Zeiten leuchten.

ChristusJesus Christus, König oben im Götterhimmel, gab nicht vergebens:

Dieser hatte sie am Kreuze stehen sehen, jene ihn,

den weder das schreckliche Foltern durch Judenhand

noch die Anschuldigungen und Beleidigungen der aufgebrachten Menschenmenge

– und auch nicht solche Äußerungen, die Schlägen gleichkamen – ängstigten.

Doch er, tief betrübt und unerschrocken zugleich, sah,

wie sie die blutbeschmierten Nägel mit ihren Fingern betastete und die Wunden mit ihren Tränen benetzte,

wie sie mit ihren Fäusten fest auf seine fahle Brust schlug,

und mit ihren Händen rücksichtslos die bleichen Haare ausrupfte.

Und ich wiederhole: er hat das alles gesehen,

während die treuen Seelen seiner Gefolgschaft ängstlich auseinandergelaufen waren.

Daran hat er sich also erinnert, als er sich vor allen anderen zuerst nach Dir umsah,

Dir allein offenbarte er sich schon früher.

Du bist es auch, die er, als er dem irdischen Reich entschwunden und zu den Gestirnen zurückgekehrt war,

unter diesem Felsen nährte, sodass Du in diesen 30 Lebensjahren niemals irdischer Nahrung bedurft hast.6

So lange Zeit warst Du ausschließlich von göttlichen Speisen gesättigt und von heilsamem Tau benetzt.

Dieses Dein Haus, von tropfendem Gestein feuchte Höhlen, furchterregend und finster gelegen,

hatte über die Paläste der Könige, und all den anderen Luxus, sowie über fruchtbares Land gesiegt.

Hier bist Du gerne abgeschieden, bedeckt von langem Haar, ansonsten aber unbekleidet.

Hier sollst Du 30 Dezembertage lang gelitten haben. Hier lebtest Du und bist dabei nicht vor Eiseskälte erfroren.

Auch die Angst konnte Dich hier nicht bezwingen.

Denn obwohl Du Hunger hattest und es eiskalt war, hast Du durch Deine Liebe und Hoffnung, die im

Innersten Deines Herzens wohnte, das Gestein in eine Schlafstätte verwandelt.

Du bist zwar für niemanden sichtbar, doch umringt von Engelsheerscharen.

Du, die Du würdig warst, sieben Mal am Tag aus dem Kerker Deines Leibes entrückt zu werden,

und die himmlischen Chöre dabei zu hören, wie sie Dir im Wechselsang ein Loblied singen.7

Irgendjemand schrieb in jener Höhle folgende Verse:

Die sieben Freuden der heiligen Magdalena Maria Magdalena, Hl.

Frohlocke, fromme, MagdalenaMaria Magdalena, Hl.,

Du Hoffnung auf Heil, Ader des Lebens,

Zuflucht der Gestrauchelten.

Frohlocke, edelmütige Fürsprecherin,

den Unglücklichen nach ihren Verfehlungen Ideal einer Büßerin.

Frohlocke und sei glücklich, Dank sei Gott,

Dir sind Deine Sünden erlassen worden,

mit besonderer Gnade.

Frohlocke, die Du die Füße Christi gewaschen hast,

wodurch Du Dir so sehr Zeichen der Liebe verdientest.

Frohlocke, die Du als Erste würdig warst,

Dich am Antlitz Deines Retters zu erfreuen,

der ruhmvoll auferstanden ist.

Frohlocke, die Du siebenmal am Tag

aus der Höhle nach draußen fährst,

auf zu himmlischen Höhen.

Frohlocke, die Du jetzt emporgehoben bist,

Jesus Christusund mit Christus zusammen verherrlicht wirst,

in der himmlischen Gemeinschaft.

So lass uns hier Buße tun,

damit uns nach unserem Tod

die Freuden wahren Lichtes zuteil werden.1

Am elften September hörten wir in der Morgendämmerung die Messe, und nachdem wir aus der köstlichen Quelle hinter dem Hochaltar getrunken hatten, sagten wir den Patres Lebewohl. Über eine lange und schwierige Straße kamen wir nach 35 Meilen durch ein imposantes Tal in die älteste Stadt der Gallia NarbonensisGallia Narbonensis, röm. Provinz, MarseilleMarseille, Ort. Ihre Lage, am Fuße eines Berges und als Hafen des Meeres, ist perfekt. Dort gibt es einen sehr berühmten HafenMarseille, OrtHafen, den sie mit eisernen Ketten jederzeit gegen Piraten abriegeln können. Das Land ist fruchtbar, dort wachsen Mandelbäume, Feigenbäume, Baumwollpflanzen, Granatapfelbäume, Ölbäume, Weinstöcke und andere vorzügliche Früchte. Im Umfang ist Marseille größer als NürnbergNürnberg, Ort, aber die Hügel sind nicht sehr bewohnt, weil sie einstmals durch die Katalanen verwüstet wurden2.

Wir sahen im benediktinischen Kloster Saint-VictorMarseille, OrtSaint-Victor, Kl.3 den Arm und das Haupt des heiligen ViktorViktor, Hl., außerdem eine Pyxis aus Alabaster mit der kostbaren Salbe der seligen MagdalenaMaria Magdalena, Hl.. Das Kreuz des heiligen AndreasAndreas, Apostel, Hl., welches wie das Kreuz Christi ist, obwohl dieser transversal gekreuzigt werden wollte, sowie einige andere (Reliquien), worüber man nicht unbedingt schreiben muss, befinden sich ebenfalls dort. In der tiefen Krypta, unter dem Chor, sahen wir den Ort der Buße der heiligen Magdalena, bevor sie in die Einsiedelei ging, ebenso die Steintafel, auf der sie sich wiederherstellte.

Sehr früh stiegen wir die Hügel der Stadt hinauf in die uralte Kirche des heiligen LazarusMarseille, OrtSaint-Lazare, K., eine Kollegiatkirche. Nachdem wir dort die Messe gehört hatten, sahen wir das Haupt und den Leichnam des heiligen LazarusLazarus, († um 60) Hl., des Bischofs, den ChristusJesus Christus wiedererweckt hatte4. Außerdem gab es dort einige weitere Reliquien und Reliquiare, verziert mit Gold und Elfenbein. Wir sahen auch den OrtMarseille, OrtSainte-Madeleine, K., von dem aus MagdalenaMaria Magdalena, Hl. zum Volk predigte. Wie sie nun aus JudäaJudäa, L. dorthin gelangte, ist in ihrer Legende ausführlich berichtet5. Wir sahen auch das Haupt des Eremiten und Heiligen CassianusJohannes Cassianus († 430/35), Hl., Abt von Saint-Victor in Marseille, der, als er Hymnen der Engel hörte, während der Erhebung der heiligen Magdalena auf deren Geheiß auf den heiligen MaximinMaximin, Hl., Bf. von Trier (329–346) zuging, diesem den Lebenswandel der Sünderin darlegte und durch das Sakrament des Leibes unseres Herrn gestärkt wurde.

Die Stadt MarseilleMarseille, Ort verfügt über mehrere und unschätzbare SalinenMarseille, OrtSalinen; dort gewinnen sie auf einfache Weise Salz für die gesamte Umgebung und ziehen daraus großen Nutzen. Unter anderem wurde das „Barra“ genannte KastellBarra/Berre?, Kastell bei Marseille, Ort durch die Salinen bekannt.

Am 12. September verließen wir MarseilleMarseille, Ort und bewunderten außerhalb der Mauern die überwölbten Bögen der beeindruckenden Aquädukte; wir durchquerten 15 Meilen fruchtbare Felder sowie anschließend unfruchtbare Gegenden und kamen zu der alten Stadt ArlesArles, Ort in der Provence. Im Umland gingen wir an einem großen See mit vielen Fischen vorbei und sahen dann unzählige GrabstellenArles, OrtAlyscamps, Friedhof6. Es sind rechteckige Sarkophage, die aus sehr hartem Stein hergestellt wurden, so dass 10 oder 14 Leichname in eine solche Urne hineinpassen, die durch Steintüren geschlossen werden. Es sind unzählige Grablegen, und – wenn man sie erhalten wollte – der Lauf der Zeit, der an allem nagt, kann ihnen nichts anhaben. In der Stadt aber, die mir größer vorkommt als Marseille, gingen wir in die Kapelle des heiligen AntoniusArles, OrtSaint-Julien-et-Saint-Antoine, K.7: Sein Haupt und der größere Teil seiner Gebeine wurden mit großem Pomp und unter Gesängen zur Schau gestellt. Ehrwürdig ist dieses Haupt, und gleichwie ein Blitz jagt es dem andächtigen Betrachter einen Schrecken ein. Wir sahen auch in der oberen BischofskircheArles, OrtSaint-Trophime, K. den Leichnam des heiligen Trophimus8Trophimus, Hl. Bf. von Arles, des ersten Bischofs, der einer von den 72 Jüngern war. Ebenso sahen wir den Kopf des heiligen Protomärtyrers StephanStephan, († um 36/40), Apostel, Hl. und einige andere Reliquiare, die mit Gold und Silber hervorragend geschmückt waren. Außerdem schauten wir uns das Grabmal des heiligen Ludwig von ArlesLouis Aleman/Ludwig d‘Alleman, Erzbischof von Arles (1423-1450) an, eines Bischofs, der mit seinen Mirakeln Berühmtheit erlangte; dessen Gedicht habe ich im Anschluss aufgeschrieben9:

Oh ArlesArles, Ort, Du ruhmreiche Stadt,

ausgezeichnet durch einen solchen Vorsteher,

dessen mannigfache Wunder ihn strahlen lassen.

Geschenkt ward er dir für seine Verdienste,

ihn erhöhe jauchzend, und lobe Gott für eine solche Gabe.

Er heißt Ludwig – mit Beinamen der Deutsche –,

ein Gott in allem gefälliger Kardinalpriester aus dem Hause Savoyen.

Er weist uns den rechten Weg.

Gott mögen wir also flehentlich darum bitten, dass wir durch Ludwigs Gebet

einen Platz im Himmel finden und uns dort der ewigen Herrlichkeit erfreuen.

Ein anderes Gedicht über Sankt Ludwig von Arles Louis Aleman/Ludwig d‘Alleman, Erzbischof von Arles (1423-1450)

Als es Abend über der Welt wurde,

da erstrahlte ein neues Gestirn,

benetzt mit einem heiligen Auftrag,

es leuchtet durch Wunderzeichen.

Ludwig, der Erzbischof der Kirche zu ArlesArles, Ort,

ein außerordentlich bewundernswerter Kardinal,

im fruchtbaren Sizilien ein Titan,Sizilien, L.

machte sich Anstand zur Richtschnur seines Handelns.

Licht und Zierde der Keuschheit,

glanzvoller Führer auf dem Weg zur Heiligkeit,

grundlegende Quelle der Gerechtigkeit!

Welch beschwerliche Aufgaben des Papstes hat er auf sich genommen, um Irrtümer auszumerzen!

Wie vielen Herausforderungen hat er sich gestellt, um einen Friedensbund zu gründen!

Nachdem er harte und sogar grausame Umtriebe über sich ergehen ließ,

wurde ihm befohlen, ins Exil zu gehen.

Weh, in Bedrängnis, wie durch einen heftigen Sturm wurde er von seinem Hirtensitz gestoßen!

Wie Gold glänzen seine Güte und seine Demut.

Sein besonnenes Wesen und seine Geduld strahlen sanft.

Nachdem er einem so schweren Schicksalsschlag anheimgefallen war,

Jesus Christushat er bei Dir, Christus, Zuflucht gefunden,

und holte, gestützt auf ein geistiges Schild, folgende Rede hervor:

„Christus, als Du meinetwegen Werkzeug für Geiseln und Ohrfeigen warst,

Jesus Christusda wurdest du geschmäht und hingst mit Dornen und schwarzen Nägeln vom Kreuz herab.

Was würde ich deinetwegen nicht alles ertragen?

da wurdest du geschmäht und hingst mit Dornen und schwarzen Nägeln vom Kreuz herab.

Was würde ich deinetwegen nicht alles ertragen?

Was auch immer mich von dir trennen könnte,

Deinetwegen, Christus, würde ich in der Verbannung leben,

mein Herz würde es jubelnd ertragen.“

Von der Burg her, gewissermaßen von einer Warte,

kannst Du klar und deutlich dessen Wehmut hören.

Zurückgeführt wird er von seinem Sitz als Vorsteher im Erzbistum zu seinem alten Rang.

Denn ist er erst vom Fleisch befreit,

dann wird sein Geist die Himmelssphären durchbrechen.

Und weil er nun im Besitz der edelsten Krone ist, wird er durch seine Wunder glänzen.

Mit den Toten kehrt er ins Leben zurück und ruft all die Geächteten in allgemeine Erinnerung.

Den Blinden gibt er das Augenlicht, den Lahmen das Gehvermögen zurück,

und allen Kranken schenkt er seine Hilfe.

Oh, vornehmster Vorsteher, beschenke diejenigen, die vor Dir niederknien.

Bitte bei Gott darum, dass er dort oben unsere Anliegen unterstütze.

Du guter und ruhmreicher Hirte,

führe Deine Herde zu den Weideplätzen, dorthin,

wo wir gemeinsam mit Dir zuckersüß fließenden Honig kosten wollen.

Gedenke Deines jungen Dieners,

dessen Herz an Dir hängt,

leiste ihm Deine Hilfe und sprich zu seinen Gunsten!

ArlesArles, Ort besitzt ebenso ein TheaterArles, OrtTheater, das von den Römern einst hervorragend errichtet wurde. Um eine große, runde Fläche gruppieren sich in Kreisform 62 Bögen aus großen und besonders harten Quadersteinen, mit Nischen und Gewölben in der Art des Theaters von VeronaVerona, Ort und des KolosseumsRom, OrtKollosseum in RomRom, Ort erbaut1. Zweifelsohne lässt sich der Aufwand, den man für den Bau eines so bestaunenswerten Werkes aufgebracht hat, nicht schätzen. Allerdings hausen heute arme Leute in diesem TheaterArles, OrtTheater und haben ihre Hütten unter den Theaterbögen oder auf freier Fläche. Und ohne den geringsten Zweifel ist die Stadt Arles, wie aus all diesen Ruinen hervorgeht, uralt, und sie wurde schon damals besonders dafür gerühmt. Im Norden, bei den Mauern, da fließt die RhôneRhône, Fluß, im Osten und im Westen ist jeweils eine höchst fruchtbare Ebene, im Süden hingegen, bis hin zur Burg SalonSalon-de-Provence, Ort, erstreckt sich eine unfruchtbare und steinige Niederung, die einst vom Meer umspült war.

An der Meeresküste, etwa fünf Meilen von Arles entfernt, liegt ein Ort mit dem Namen der Drei Marien. Dort ruhen die Körper von Maria KleophasMaria Kleophae, († 1. Jh.), Hl., bibl. Gestalt, Maria SalomeMaria Salome, († 1. Jh.), Hl., bibl. Gestalt und Maria JacobiMaria Jacobi, Hl.2. Außerdem gibt es dort herausragende Salinen. Oberhalb von Arles, am Ufer der RhôneRhône, Fluß, liegt der Ort TarasconTarascon, Ort, wo der Leichnam der seligen MarthaMartha von Bethanien († um 84), bibl. Gestalt ruht, die von vielen ihrer zahlreichen Hilfeleistungen wegen angerufen wurde.

Am 14. September verließen wir ArlesArles, Ort, und nach Überquerung der RhôneRhône, Fluß gelangten wir nach drei Meilen zum befestigten Ort Saint-GillesSaint-Gilles-du-Gard, Ort. Wir sahen dort das sehenswerte benediktinische Kloster der Heiligen AegidiusAegidius von Saint-Gilles/Egidius aus Athen († 720/26), Hl. und BenediktSaint-Gilles-du-Gard, OrtBenediktinerkloster der Heiligen Ägidius und Benedikt, Kl.3, welches FlaviusFlavius, König der Gothen, König der Goten, auf Bitten des AegidiusAegidius von Saint-Gilles/Egidius aus Athen († 720/26), Hl. erbauen ließ. Es liegt in geringer Distanz, nahe der Mündung der RhôneRhône, Fluß in das Meer. Heute ist es reich begütert, und unter der Kirche befindet sich eine äußerst geräumige Krypta für die Gemeinschaft der Mönche, wo ihnen weder im Sommer die Hitze noch im Winter die Kälte zu schaffen macht. Unter feierlichem Gesang und Kerzenschein zeigte man uns das hinter Gitterstäben und Gestänge gesicherte Haupt des heiligen AegidiusAegidius von Saint-Gilles/Egidius aus Athen († 720/26), Hl. sowie viele seiner Gebeine und einige andere goldene, wertvolle Kleinodien. Später verließen wir das Kloster und kamen zu dem Ort, an dem er Buße getan hat; dort stehen heute die Reste einer alten Kapelle, die unterhalb von einer Höhle schon beinahe komplett verfallen ist; dort wurde er (AegidiusAegidius von Saint-Gilles/Egidius aus Athen († 720/26), Hl.) von einem Bekannten des FlaviusFlavius, König der Gothen verwundet, als dieser einen Hirsch jagte. Zu der Zeit war der Hain ein schwer zugängliches Gebüsch und erhielt Wasser von einer Quelle. Mittlerweile ist die Stelle, an der sich die Quelle befindet, recht feucht: Jedoch kommt die Quelle selbst nicht zum Vorschein, weil sich dort herabgestürzte Felsbrocken getürmt haben. Während wir uns dort aufhielten, sagten uns die Bewohner, dass es seit dem Fest zu Ehren des heiligen JohannesJohannes der Täufer, († um 29), Hl. des Täufers (24. Juni), das ist nun fast drei Monate her, nicht mehr geregnet habe. Ich habe aber den Ort genauestens in Augenschein genommen und keinen Zweifel daran gehegt, dass, hätte man zwei bis drei Ellen tief gebohrt, man dann auf frisches Wasser gestoßen wäre. Denn unmittelbar unter jener Höhle gibt es einen wasserreichen Ort voll mit Schilf. Vielleicht beschleunigt eine unterirdische Quellader die Sumpfbildung. Oh, jener Ort ist edel und ein Christ sollte ihn fürchten!