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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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Wil mich nun gleich mit Kuppeln nehrn,
Dieselben kunst darff ich nicht lehrn,
Bin gschwind durch mein arglistig renck,
Darmit verdien ich danck vnd schenck,
25 Dieweyl gantz abwegs steht mein Hauß,
Ist recht gut darzu vberauß,
Daß ich drinn zsamm kuppel ein paar,
Daß sein sonst niemand wird gewar.
Was steh ich, ich wil nein in Thumb,
30 Nach eim Thumbherren sehen vmb,
Mein handel kecklich fahen an,
Dieweyl ich sonst nichts hab zu than.

Leitet Sachs hier den Monolog zu Beginn des Fastnachtspiels im Nebentext mit der Regieanweisung „redet mit jhr selb“ ein, kam die Exposition im vorreformatorischen Fastnachtspiel noch dem Precursor zu, wie sich unschwer der Vorlage (vv. 4–12) entnehmen lässt:


Got gruß den wirt in hohen eren
5 Und was im got ie tet bescheren
Und alles, das das sein antrifft!
Hie kumpt von Banberg auß dem stift
Unsers herrn bischofs sigler her.
Herr wirt, der leßt euch piten ser,
10 Das er bei euch hie sigeln het,
Der wird sich fugen wol herein,
Des wolt mein herr euch danken sein.

In gleicher Weise wie der Precursor bzw. Einschreier von der Publikumsrealität – in diesem Fall das Wirtshaus als Aufführungsort – in das Spiel überleitet, leitet der Ausschreier am Ende des Spiels wieder in diese zurück.9 In der Vorlage übernimmt diese Funktion bereits eine spielinterne Figur, der Knecht, der auch explizit die Funktion des Ausschreiers im Nebentext ausfüllt: „Tumherrn Knecht ist Auszschreier“ (S. 282 v. 3). Er gibt das uneindeutige Ende dem Publikum zur Diskussion frei, indem er den Wirt auffordert mitzureden, in die Wirtshausatmosphäre übergeht und zum Tanz bittet (S. 281 v. 31 – S. 282 v. 9):


Hor, freunt, schlag nit die alten huren,
Laß dich kein kupplerin anfuren!
Herr wirt, redt auch zu den sachen!
Pauker, du solt ein tanz uns machen,
Damit ein end und pald darvon,
Wann wir noch weit haben zu gan.
Tumherrn Knecht ist Auszschreier:
Herr wirt, nu gebt uns euren segen,
5 Nit von essens noch trinkens wegen,
Als man zu gastung laden tut.
Neur das wir euch ein guten mut
Mochten machen, was unser sind hir in.
Got gesegen euch all! Wir faren von hin.

Die Ansprachen des Wirts zu Beginn und Ende und die Aufforderung zum Tanz verdeutlichen die für das vorreformatorische Fastnachtspiel typischen Grenzüberschreitungen zwischen Schauspielern und Rezipienten.10 Grundlage hierfür ist die Verortung im Aufführungsrahmen, wenngleich die Fixierung in Lesehandschriften erfolgt.

Die Einheit von Publikum, Bühne und Darstellern ist dem Fastnachtspiel des Spätmittelalters selbstverständlich. Die Aufführung vollzieht sich in engstem Kontakt zu den Zuschauern. Die Spieler sprechen die Zuschauer an, gehen (vermutlich) unter sie, werben um Wohlwollen (und indirekt wohl auch um Entlohnung), fordern am Schluss der Stücke zu Musik und Tanz auf.11

Nach Pfisters Terminologie handelt es sich um Grenzüberschreitungen zwischen dem inneren und äußeren Kommunikationssystem, die dem Precursor oder im Fall des Fastnachtspiels K 37 der Spielfigur des Knechtes die Rolle eines vermittelnden Kommunikationsteilnehmers zukommen lassen.12

In den frühen Fastnachtspielen bis 1549 und vereinzelt auch noch danach wählt Sachs eine schon in K 37 teilweise gebrauchte Zwischenform der Einschreier- und Ausschreier-Rede, bei der spielinterne Figuren diese Reden übernehmen. Mit der Einleitungsformel ‚redt mit jhr/jhm selb‘, die erstmals 1544 im Nebentext des Fastnachtspiels G 16 ausgewiesen ist, wenn auch nicht zu Beginn, unterstreicht Sachs den Monologcharakter gegenüber der Begrüßung des Publikums, die zu erwarten wäre.13

Die analeptische Konstruktion und gleichzeitige Selbstcharakterisierung des Expositionsmonologes begründet das Verhalten der Kupplerin, indem er Lebenshintergründe benennt.14 Die Enthüllung, Geld mit Kupplerei zu verdienen, vermittelt den Rezipienten unmissverständlich das Wissen über die leitenden Figurenabsichten und führt ihnen vor Augen, dass es sich bei der auftretenden Figur um eine Kupplerin handelt. Die Affektdarstellung in den einleitenden Worten „ach, was soll ich nun fahen an?“ (v. 1) verdeutlicht ihre verzweiflungsnahe Suche nach einem Lebensunterhalt. Ihrer Selbstcharakterisierung nach möchte sie ihn nicht mit Spinnen oder Krankenpflege verdienen und empfindet Scham bei der Vorstellung, betteln zu müssen. Als in der Stadt „verachtet und unwert“ (v. 10) angesehen, entsinnt sie sich ihrer Kunstfertigkeit in der „arglistig renck“ (v. 23). So erscheint ihr gefasster Plan plausibel, durch Kupplerei „danck und schenck“ (v. 24) zu verdienen, zumal ihr abgelegenes Haus für eine verschwiegene Abwicklung des Kupplergeschäfts gute Voraussetzungen bietet. Das Motiv, durch Kupplerei Geld verdienen zu wollen, ist das handlungsauslösende Moment.15

Der wesentlich informierende Monolog findet sein Ende im sprachlich vermittelten aktiven Übergang, der den Ort16 der Handlung mitteilt: „Was steh ich, ich wil nein in Thumb“ (v. 29). In der Vorlage findet sich für die Fülle an Informationen, die der Expositionsmonolog vermittelt, keine Entsprechung. Auch die Figurenidentität zeigt sich im Haupttext der Vorlage allein dadurch, dass die auftretende Figur von einer den Domherren begehrenden Frau wissen will und dem Domherren dieses Wissen in einer Weise anträgt, das als typisch für das Verhalten einer Kupplerin angesehen worden sein dürfte. Darüber hinaus sind Figur und handlungsauslösende Situation nicht entwickelt; sie erscheinen primär im Nebentext, durch den Titel des Spiels und Rollennamen („Kupplerin dicit“).

 

Sachs hingegen entwirft Elemente einer Biographie für die Figur, die von „Bulerey in meiner Jugend“ (v. 5) über „kranckheit lange Jar“ (v. 3) bis zur Gegenwart reicht, in der „mein Geltlich ich verzehret han“ (v. 2). Der Monolog, der die Selbstsicht der Figur als Introspektion präsentiert, ist für diese Informationen das geeignete Mittel. Sachs schickt damit der eigentlichen Handlung eine ausgearbeitete Situation voraus, die in plausibler Weise das Handeln motiviert.17

Diese Funktionen des Monologs sind jedoch nicht nur auf den Expositionsmonolog beschränkt, sie gelten auch für den der nachfolgend auftretenden Figur (vv. 33–50):


Ich wil da meine Horas beten
Vnd allmitt hin vnd wider tretten
35 Vnd wil als bald im Thumb vmbschawen
Nach den zarten vnd schoͤnen Frawen,
Ob ich der eine vberkoͤmb,
Die mich zu eim Bulen annoͤmb.
Da wolt kein vnkost ich an sparn.
40 Als denn so wolt ich lassen fahrn
Daheimen mein alte Schaf schelln,
Die nichts kann denn gronen vnd pelln,
Wil schir mein gantzen Hof regieren:
Was ich jr kauff vnd thu hofieren,
45 Wil sie mir gar zu Herrisch sein,
Wuͤrd mich endtlichen gar thun ein.
Darumb muß ich sie nach gepuͤr
Fuͤr den Ars schlagen mit der Thuͤr,
Ein blasn anheckn, wie man thut sagen,
50 Vnd darmit auß zum Teuffel jagen.

Als Auftrittsmonolog übernimmt er die strukturell-gliedernde Funktion, den Beginn der zweiten Szene zu signalisieren. Die Rezipienten erfahren durch die ersten Verse, in denen der Monologisierende die „Horas beten“ (v. 33) und sich im „Thumb“ (v. 35) umschauen will, dass es sich um einen Domherrn handelt. Gleichzeitig verdeutlicht der Monolog die dramaturgisch relevante Information, dass ein Ortswechsel zum Dom hin stattgefunden hat. Diesen Ortswechsel hat die Kupplerin in ihrem Monolog bereits angekündigt. Selbstcharakterisierend enthüllt der Domherr seine Bereitschaft, sich eine Geliebte zu nehmen. In der Vorlage vermittelt der Precursor die Rollenidentität der Figur. Er kündigt nach der Begrüßung des Wirts den Domherrn aus Bamberg an (vv. 7–8):


Hie kumpt von Banberg auß dem stift
Unsers herrn bischofs sigler her

Weitere Erläuterungen zum Agieren des Domherrn finden sich nicht. Vielmehr antwortet er auf die Eröffnung der Kupplerin ohne Umschweife, dass sie die Frau bringen solle, er würde es der Kupplerin lohnen, bitte sich aber Verschwiegenheit aus.

Sachs dagegen entwickelt wie schon im Fall der Kupplerin ein motivationales Konstrukt für das Handeln der Figur. Im Unterschied zur Vorlage hegt der Domherr erstens selbst und eigenständig die Absicht, nach einer Geliebten Ausschau zu halten. Zweitens liefert er in der Rede mit sich selbst eine Begründung für diese Absicht. Diese Enthüllung hat als Kernaussage, dass der Domherr seiner misslaunigen und herrischen Geliebten überdrüssig ist. Obwohl es sich um einen Domherrn mit seiner Geliebten handelt, könnte Sachs hier auf das stereotype Motiv der Fastnachtspieltradition, den Machtkampf zwischen Eheleuten in Haus und Hof, zurückgegriffen haben. In der Regel erfolgt für diesen Konflikt in der Fastnachtspieltradition eine Affirmation der patriarchalen Ordnung. Die Zuflucht des Mannes bei einer anderen Frau und der Wunsch, die eigene zum Teufel jagen zu wollen, erscheinen dann als konventionelles Motiv, nach dem das folgende Handeln plausibel wäre. Wenngleich Sachs für den Domherrn keine ähnlich weit ausgearbeitete Selbstcharakterisierung wie für die Kupplerin entwirft, erfüllt der Monolog insgesamt dennoch dieselben Funktionen und vermittelt darüber hinaus funktional den Ortswechsel.

Die Verwendung der beiden Monologe bewirkt, dass im Dialog zwischen den zwei Figuren einander ergänzende Absichten zusammentreffen, die mittels Gleichzeitigkeit von ‚Motiv und Gelegenheit‘ eine kongruente Zielsetzung für das Handeln ergeben und so eine begründete Ausgangssituation präsentieren.

Dem Dialog zwischen Kupplerin und Domherrn vorangestellt ist jedoch noch ein dritter Monolog (vv. 51–60). Als Zutrittsmonolog gestaltet, fasst die Kupplerin den Entschluss, dem Domherrn von einer schönen Frau zu erzählen, obwohl sie diese noch nicht gefunden hat:


Dort ich ein jungen Thumbherrn sich,
Den wil geleich ansprechen ich,
Der wird mich je ins Maul nit schlagen,
Wil jm von einr schoͤn Frawen sagen,
55 Die ich jm zu kupplen verheiß,
Wiewol ich noch selbst keine weiß.
Villeicht bring ich durch solche renck
Von dem Thumbherrn ein gute Schenk,
Daß ich ein weyl mich hab zu speissen.
60 Ich wil jm gehen den possen reissen.

Die hier vorliegende und für das Fastnachtspiel seltene18 Form des Zutrittsmonologs wird besonders durch die Teichoskopie geprägt, die eine bereits aufgetretene Figur identifiziert. Sie verdeutlicht, dass die Kupplerin den Domherrn anspricht, ohne bereits eine Frau für ihn zu haben. Die Rezipienten erhalten damit einen Informationsvorsprung, den es in der Vorlage nicht gibt und den Sachs bewusst für die Situation und für die weitere Handlungssukzession einsetzt. In der Vorlage erschließt sich die für die Kupplerin prekäre Situation nur aus der Art und Weise, wie sie das Interesse der Frau für den Domherrn zu wecken versucht.

Der Monolog erscheint zur Wissensvermittlung besonders geeignet, weil es sich um figurenspezifisches Wissen handelt, das sich durch Darstellung von Gedanken enthüllen lässt. Die Monologfunktion liegt hier in der Explikation der Handlungslogik, die sich durch den Entschluss vermittelt. Obwohl der agierenden Figur für ein erfolgreiches Handeln noch nicht die Mittel zur Verfügung stehen, hier eine dem Herrn gegenüber willige Frau, bewirkt der Monolog eine Situationsveränderung. Den Umstand, dass das Handeln trotz fehlender Voraussetzungen erfolgreich sein muss, fängt Sachs durch erneutes Aufzeigen der Handlungsmotive auf, hier also die Notwendigkeit, den Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Charakteristisch für den Zutrittsmonolog mit Entschlusscharakter ist, dass er zum einen in einer für Sachs typischen Weise mittels dargestellter Reflexion die Handlungsintention der Figur noch einmal untermauert.19 Zum anderen deutet er eine mögliche Konfliktentwicklung an, indem die Folgen der in Gang gesetzten Handlung durch die agierende Figur nicht mehr vollständig kontrolliert werden können. Durch das eingegangene Risiko baut sich eine potenziell dramatische Spannung auf. Hier liegt ein gewichtiger Unterschied zwischen Bearbeitung und Vorlage, bleibt letztere doch in schlichter Ereignishaftigkeit verankert, deren Eindimensionalität Sachs mittels Monologen aufzulösen versteht.

Im Anschluss an den Dialog beendet Sachs die zweite Szene mit einem Abgangsmonolog (vv. 121–128) des Domherrn:


Das ist ein vnuerhofftes gluͤck,
Das mir selb waltzet auff den ruͤck.
Wer mag nur die zart Fraw gesein,
Die so bruͤnstig begeret mein?
125 Ich hoff doch, ich woͤlls sehen bald
Die außerwehlt vnd wol gestalt,
Der ich doch gar nit kan vergessen.
Ich wil zu Hauß zu den Fruͤessen.

Im Wesentlichen liegt die Funktion in der Affirmation von Situation, Motiv und Handlung. Weil die retardierende Konstruktion keine neuen Informationen für die Handlung liefert, lässt sich die Hauptfunktion in der Anordnung im szenischen Gefüge sehen. Der Einsatz des Abgangsmonologes am Ende der Szene plausibilisiert den darauffolgenden Auftritt der Kupplerin, die vor dem Monolog die Bühne verlassen hat, um in der nächsten Szene fernab des Domherrn ihre heimlichen Absichten präsentieren zu können.

Im anschließenden Auftritt-Abgangs-Monolog der Kupplerin (vv. 129–136) zeigt diese ihre Freude über die gelungene Täuschung des Domherrn:


Die ersten schantz die thett ich treffen,
130 Thett den Narren naͤrren vnd aͤffen:
Ich thett ein Bulschafft jm antragen
Vnd weiß je von keiner zu sagen,
Hab gar kein bfelch von einer Frawen,
Wil gehn am Marckt, nach einer schawen,
135 Ob ich den Reyen moͤcht machen gantz,
Villeicht geredt mir noch ein schantz.

Neben der wiederholten Feststellung, bisher keine Frau für den Domherrn gefunden zu haben, verkündet die Kupplerin ihren ersten Erfolg, da sie von ihm bereits Geld erhalten hat. Sie fasst nun den Entschluss, weiter ihr Glück zu versuchen und eine Frau zu finden. In gleicher Weise wie im Zutrittsmonolog hat Sachs eine kurze analeptische Reflexion eingearbeitet und die folgende Handlungslogik proleptisch expliziert.

 

Als eigene Szene gestaltet, dient der Monolog der Vorbereitung auf die folgende Szene, indem der Entschluss sich mit einer sprachlich vermittelten Lokalisierung des nächsten Schauplatzes verbindet. Handlungsbezogen übernimmt der Monolog die Überleitung zum Ortswechsel auf den Markt.

In der Vorlage findet sich keine Reflexion der Kupplerin, stattdessen folgt dem Dialog zwischen Domherrn und Kupplerin ein bei Sachs nicht zu findender Dialog zwischen dem Domherrn und einem Boten. Darin wird der Domherr abberufen, um einen Brief zu siegeln. Er versucht zwar, Zeit zu gewinnen, indem er den Boten nicht gleich wieder losschicken will: „Ir mußt ie harren eine kleine zeit.“ (S. 278 v. 26); doch der Bote lässt sich nicht vertrösten, da der Bischof sein Auftraggeber ist. Widerwillig fügt sich der Domherr der Anordnung mit den Worten „So sigel ich des teufels namen.“ (S. 279 v. 1).

Auch wenn Sachs das Gespräch mit dem Boten nicht übernimmt, bringt er in der fünften Szene in einem Dialog zwischen Kupplerin und Domherrn die wesentlichen Informationen dieses Abschnitts der Vorlage unter. Dem vorangestellt ist die vierte Szene, in der eine Frau mit ihrer Magd zum Marktgeschehen hinzutritt, und ein erneuter Monolog der Kupplerin (vv. 153–163). Sie liefert eine Beschreibung der Frau und den Entschluss, sie für den Domherrn ansprechen zu wollen:


Dort geht ein Fraw, die duͤncket mich
Sey geschmuͤckt auff den Finckenstrich
155 Mit grosser Pleiden, scharpffem Gbendt,
Hat etlich Corelln an der Hendt,
Mantl vnd Schaubn jr alls rebisch staht,
Weiß Stiffel, Pantoͤffelein glat;
Mit dem Gsicht hin vnd wider wechelt,
160 Mit jr Meyd stets fispert vnd lechelt.
Mich duͤnckt, sie sey deß rechten flugs,
Sie wird geleich seyn meines fugs,
Ich wil sie kecklich reden an.

Dieser Zutrittsmonolog bietet mit einer ausführlichen Teichoskopie eine Charakterisierung der bereits aufgetretenen Figur. Die wortreiche Darstellung erscheint zunächst retardierend, da die Beschriebene selbst vor wenigen Augenblicken auf der Bühne zu sehen war. In die Beschreibung ist jedoch eine Fremdcharakterisierung eingewoben: Die Kupplerin vermutet, das geeignete Opfer gefunden zu haben, denn jene Frau habe sich so herausgeputzt, weil sie auf dem „Finkenstrich“ (v. 154) sei – also nach Männern Ausschau halte. Auch ihr Verhalten zeige, dass sie „rechten flugs“ (v. 161) sei. Nicht zuletzt scheint es sich um eine hinreichend vermögende Frau zu handeln. Der Entschluss, die Frau anzusprechen, scheint auseichend begründet.

Der Monolog kommentiert und deckt bisher nicht bekannte mögliche Absichten auf. Zudem bringt er die Handlung begründend voran. Der parallele Aufbau beim Finden der ‚Auserwählten‘ stellt einerseits den Rückbezug zum Domherrn her und macht andererseits den Unterschied zu diesem deutlich. Denn im Gegensatz zum Domherrn, der in seinem Auftrittsmonolog seine Absicht enthüllt hat, ist es in diesem Monolog die Kupplerin, die der Frau aufgrund ihres Auftretens eine Absicht unterstellt.

Am Ende der zweiten Szene geht der Domherr mit den Worten „Ich will zu Hauß zu dem Fruessen“ (v. 128) von der Bühne. Der Auftrittsmonolog der fünften Szene (vv. 213–218) stellt über die Analepse die Verbindung zum erwähnten Frühstück her und verknüpft dadurch die beiden Monologe miteinander:


Ich hab das Morgenmahl eingnommen,
Bin wider her in den Thumb kommen
215 Vnd wil da auff dem platze schawen,
Ob mir von der zart schoͤnen Frawen
Die Alt brecht etwann gute Mehr.
Dort kombt sie eben gleich daher.

Dem semantischen Anschluss an das Frühstück fügt Sachs eine Prolepse an, die mit der Bekundung, auf Nachricht von der Kupplerin zu warten, in den folgenden Dialog überleitet. Die wesentliche Funktion ist indes technisch bedingt, da der Zeitverlauf und der Ortswechsel zum Dom vermittelt werden müssen. Zudem bleibt über die zeitliche Klammer und die Wiederholung der grundlegenden Motivation des Domherrn die Handlungssituation der Figur über die bisherigen Orts- und Szenenwechsel erhalten. Aus dieser figurenspezifischen Perspektive heraus wird der Blick auf die bald auftretende Person gerichtet.

Die dadurch gewährleistete Konstanz der Figurenperspektive erfährt einen umso stärkeren Bruch, wenn der Domherr im folgenden Dialog der Kupplerin eine Absage erteilt. Es ist auffällig, dass Sachs den Auftrittsmonolog nicht dazu nutzt, die zeitliche Verhinderung darzustellen, die dem Domherrn bereits bekannt sein müsste. Mit Blick auf die Vorlage wäre es eine denkbare Möglichkeit, den Auftritt des Boten zu streichen und den dadurch frei gewordenen Inhalt in den Monolog zu übernehmen. Sachs jedoch verankert diese Information im Dialog mit der Kupplerin. Das überraschende Moment, das sich daraus für die Wahrnehmung der Figur Domherr ergibt, fängt er mit dessen bedauernden Worten vor seinem endgültigen Abgang ab. Auch sie sind also nicht als Monolog geformt.

Grund dieser dramaturgischen Ausgestaltung könnte sein, dass Sachs erstens die enge zeitliche Abfolge der Vorlage beibehalten wollte. Dass das Zusammentreffen mit der Frau so rasch zu erfolgen habe, scheint der Domherr nicht vermutet zu haben. Ebenso wie sein Alter Ego in der Vorlage kann er jedoch einen Auftrag des Bischofs nicht aufschieben. Zweitens verlagert Sachs den sich aus der Absage ergebenden Konflikt ganz auf die Figur der Kupplerin. Indem er dafür auf den Dialog zurückgreift, findet sie sich direkt in einer völlig veränderten Situation wieder. Damit entscheidet sich Sachs drittens gegen eine berichtsmäßige Informationsvergabe im Monolog und folglich gegen einen Wissensvorsprung der Rezipienten vor der Kupplerin. Stattdessen schafft er Parallelität von innerem und äußerem System für die Informationsvergabe und den größtmöglichen Effekt für die Peripetie. Obwohl damit die Vorlage hier eine Möglichkeit für die Verwendung des Monologs eröffnet, hat sich Sachs an dieser Stelle gegen eine Informationsvermittlung von Figurenwissen in dieser Form entschieden.

Am Ende der fünften Szene (vv. 241–248) bringt ein Abgangsmonolog den Ärger der Kupplerin zum Ausdruck, einen neuen Mann finden zu müssen:


Potz Leber Huͤnr, wo muß ich nauß?
Die Fraw wart daheim in meim Hauß,
Vnd wo ich kein Mann zu jr bring,
Wird ich vbel bstehn aller ding.
245 Ich wil nach eim andern umbschawen,
Denselben bring ich zu der Frawen,
Auff daß mit ehren ich besteh
Vnd mein handel von statten geh.

Mittels Affektdarstellung und raschem Entschluss nach kurzer Reflexion kommt es zur Tempoverschärfung im Spiel. Der Monolog findet sich an einer Stelle, an der die Situationsveränderung eine intentionale Reaktion der Figur erfordert. Er verstärkt so die Spannung hinsichtlich des kommenden Handlungsverlaufs.