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Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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2.1.2 Handlungsbezogene Funktionen

Die handlungsbezogenen Funktionen, die Zeit und Ort zum Gegenstand haben, sind an dem auf strukturellen Prinzipien basierenden Ansatz von Manfred Pfister, erweitert um die Terminologie von Gérard Genette1, orientiert. Zusätzlich ist es notwendig, das auf figurenspezifische Funktionen orientierte Klassifizierungsschema von Fernau heranzuziehen, um ein rein auf den jeweiligen Monolog ausgerichtetes Begriffsinventar bereitzustellen, das ohne den Blick auf die dramaturgische Konstruktion auskommt.

Ein strukturalistisches Kategoriensystem, das die Differenzierung entlang der Achse aktional – nichtaktional und, davon abhängig, Information – Kommentar ermöglicht, bietet sich für die orts- und zeitbezogene Funktion an, weil es ganz auf die funktionslogische Resonanz von geäußerten Inhalten und Handlungen fokussiert ist. Die Beobachtung der emotiven oder expressiven Funktion der Selbstdarstellung, d.h. der Haltung des Sprechers dem Gegenstand der Rede gegenüber, ist dabei aus systematischen Gründen zunächst zu vernachlässigen und bedarf als eigene Ebene der zusätzlichen Betrachtung. Für die Auslassung dieser Art von Typologisierung konstatiert Pfister richtig, dass der „Nachteil solcher Klassifizierungsansätze“ darin liegt, dass „aufgrund der dabei verwendeten disparaten Kriterien Abgrenzungen nur sehr unscharf vorgenommen werden können und daß sich die Reihe der Klassen beliebig erweitern läßt“.2 Gleichwohl bedarf es dieser Kriterien für das systematische Ordnen der inhaltlichen Sequenzen im Text und der Referenzen der vermittelten Informationen.

Für die Bezugspunkte der Funktionen Figur, Handlung und Situation hat Fernau eine klassifikatorische Unterteilung in ihrer Untersuchung vorgestellt, worin sie die Monologtypen Selbsteinführungsmonolog, Reflexionsmonolog, Affektmonolog, Entschlussmonolog, Berichtmonolog und Offenbarungsmonolog unterscheidet. Fernaus Kategoriensystem ist soweit zu reduzieren, dass es mit den strukturalistischen Kategorien, die die Dramaturgie betreffen, in Einklang gebracht werden kann.

Da es irreführend ist, einen Monolog in seiner gesamten Textgestalt nur einer einzigen Funktion zuzuordnen, sind die nachfolgend erläuterten Begriffe Reflexion, Affekt, Entschluss und Enthüllung3 so zu verstehen, dass damit regelmäßig nicht der gesamte Monolog einer Figur vollständig beschrieben wird, sondern bspw. ‚Reflexion‘ den Anteil der Gesamtrede meint, der entsprechend der konstitutiven Merkmale für ‚Reflexionsrede im Monolog‘ dieser Funktion zugeordnet werden kann. Eine ‚Alleinrede‘ kann demnach aus Abschnitten oder Sequenzen bestehen, die mehreren unterschiedlichen Funktionen zuzuordnen sind.

Anstelle des Terminus ‚Selbsteinführungsmonolog‘ findet hier der Begriff ‚Selbstcharakterisierung‘ Verwendung; an die Stelle des Terminus ‚Affektmonolog‘ tritt die ‚Affektdarstellung‘ und an die Stelle des Terminus ‚Offenbarung‘ tritt die ‚Enthüllung‘. Alle Ansätze der Funktionsordnung betonen die inhaltstragende Seite der Rede. Information, Kommentar und Handlungsvollzug überlagern sich jedoch in jedem Monolog in je eigener Weise.

Zur Vermeidung von Doppelungen bei der Erläuterung der handlungsbezogenen Funktionen werden anhand eines Monologbeispiels eine figurenspezifische und eine orts- bzw. zeitbezogene Funktion jeweils vorgestellt und typologisiert.

2.1.2.1 Entschluss

Wesentliches Merkmal des Entschlusses ist, dass sich in der Rede eine Situationsveränderung vollzieht, herbeigeführt durch eine Entscheidung oder ihre Aufhebung. Die Kategorie des Entschlusses trägt darum das Merkmal des ‚aktionalen‘ Monologs.1 Als weitere Merkmale können hinzukommen: ein enger ‚Ich-Bezug‘ zur Figur, die klare Äußerung zur gefassten Intention, eine geäußerte zeitnahe Ausführungsabsicht, Bezug auf eine konkret zu vollziehende Handlung sowie Zukunftsorientierung und Selbstversicherung. Kennzeichnend für den Entschluss ist zudem, dass er Informationen vergibt, die unmittelbar die Handlung weiter führen.

Kongruent dazu verhält sich die Zeitvermittlung: Der Entschluss ist grundsätzlich proleptisch. In Anlehnung an Genette untergliedert Holger Korthals die zu den Anachronien zählenden Prolepsen (und Analepsen) zunächst in extern und intern, um in einem weiteren Schritt die internen in kompletiv und repetitiv zu untergliedern.2 Externe Prolepsen beziehen sich auf Geschehen, das außerhalb der Basiserzählung liegt, interne auf das Geschehen innerhalb der Basiserzählung. Kompletiv sind Prolepsen, wenn das erzählte Geschehen nicht noch einmal an der ‚richtigen‘ Stelle aufgegriffen wird und repetitiv, wenn das Geschehen ein weiteres Mal vorkommt. Für die Dramaturgie heißt das, dass insbesondere die internen repetitiven Prolepsen von Relevanz sind. Sie tragen wesentlich zur Spannungserzeugung bei und werden in die für das Drama entscheidenden Ebenen untergliedert: einerseits in zukunftsgewisse Vorgriffe, ‚annonces‘, und andererseits zukunftsungewisse Vorausdeutungen, ‚amorces‘.3

Ein Ereignis, das im späteren Handlungsverlauf stattfindet, zuvor in einer Figurenrede zu berichten oder zu evozieren, stellt genau jenes Moment dar, das einen Entschluss im Monolog bewirkt, weshalb ein Entschluss immer proleptisch ist.

Beispielhaft lässt sich die Funktionalisierung durch Entschluss ohne vorangehende Reflexion, die insgesamt nicht so häufig wie die Verbindung aus Reflexion und Entschluss in den Fastnachtspielen von Sachs zu finden ist, in G 45 Der groß Eyferer, der sein Weib Beicht hoͤret (vv. 85–96) aufzeigen:


85 Das wird eben ein spiel fuͤr mich;
Beym Caplan wil entlehnen ich
Ein Pfaffenrock vnd Kappenzipffel,
Den schlag ich vmbs maul mit dem gipffel
Und setz mich hintern Altar rund,
90 Nimb kleine steinlein in den Mund,
Daß sie mich an der Red nicht kenn.
Wenn mein Weib kombt zu beichten denn,
Da will ich gwissen grund erfahrn,
Was sie hat than bey iren Jarn,
95 Auch was sie noch treib vber tag.
Die kunst mir gar nit fehlen mag.

Dem Monolog geht ein Dialog des Mannes mit seiner Frau voraus, in dem sie sagt, dass sie am nächsten Tag zur Beichte gehen will. Weil der Entschluss ohne Reflexion auskommt, wird die Handlung beschleunigt. Der ‚Eyferer‘ beschließt sofort, sich als Geistlicher zu verkleiden. Die Erklärung, wie er an die Kleidung des Geistlichen kommen und seinen Platz in der Beichte einnehmen wolle, ermöglicht es Sachs, diesen Teil nicht dramatisch darstellen zu müssen. Weil die Entscheidung für zukünftiges Handeln fällt, erzeugt der Monolog Spannung, ob es dem ‚Eyferer‘ gelingen wird, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Die größte Schwierigkeit der typologischen Einordnung des Entschlusses besteht in der Abgrenzung zur Enthüllung, da in beiden Kategorien oftmals die Ich-bezogene Formulierung „ich will“ Verwendung findet. Während jedoch die Enthüllung eine bereits feststehende Absicht vorstellt oder berichtet, initiiert der Entschluss eine neue Handlung der Figur.

2.1.2.2 Enthüllung

Wesentliches Merkmal der Enthüllung ist die motivationale Grundhaltung einer Figur, die sich in bereits feststehenden Absichten, Plänen und Einstellungen zeigt. Im Gegensatz zum Entschluss ist die Enthüllung nicht-aktional, da sich in ihr kein situationsverändertes Handeln vollzieht. Vielmehr können Enthüllungen aufgrund ihres nicht-aktionalen Charakters sowohl informierend als auch kommentierend sein.1

Damit ist eine enge Verbindung zur Figurenzeichnung, d.h. zu charakteristischen Eigenschaften oder Eigenheiten der Figur gegeben, die dazu führt, dass der Ich-Bezug eine Fremd- oder Selbstcharakterisierung implizieren kann.

Die im Monolog geäußerte Absicht wird in einem Kontinuitätsbogen von vergangenen und auf die Zukunft gerichteten Intentionen vermittelt. Das bedeutet für die Zeitvermittlung, dass sowohl proleptische als auch analeptische Konstruktionen vorzufinden sind. Die Analepse ist ein Rückblick auf vergangenes Geschehen. Beinhaltet sie eine Enthüllung und wandelt sich damit die monologisierende Figur durch den „Erzählakt temporär vom Geschehensteilnehmer zum Geschehensvermittler“,2 erhält der Monolog einen berichtenden Charakter.

Wie die Prolepsen sind Analepsen in interne und externe sowie kompletive und repetitive untergliedert. Bei externen Analepsen handelt es sich um nachträglich vermitteltes Geschehen, das vor dem Einsetzen der Handlung, dem point of attack, liegt; bei internen Analepsen liegt die nachgeholte Handlung nach dem point of attack.3 Die Unterteilung der internen Analepsen in kompletiv und repetitiv ist für die Monologanalyse insofern relevant, als mit den kompletiven Analepsen Zeitsprünge und Ortswechsel nachträglich vermittelbar sind. Bleibt das Geschehen zwischen Szenen und Akten durch Ellipsen zunächst verborgen, wird es im Monolog der auftretenden Figur nachträglich vermittelt.4 Repetitive Analepsen dagegen greifen ein bereits dargestelltes Geschehen erneut auf.5

 

Beispielhaft für eine Enthüllung ist der Monolog Gittas (vv. 61–74) aus dem Fastnachtspiel G 46 Das Weib im Brunnen:


Nun hab ich mein Saw bracht in Stal.
Nun wil ich gehn aber ein mal
Auff meinen alten Finken strich.
Heint bin aber gantz sicher ich,
65 Das mein voller Man nicht erwacht,
Biß ein zwo stund nach Mitternacht.
Erst greifft er vmb nach mir allwegen,
Meint, ich sey die gantz nacht da glegen.
Diß Affenspiel ich vorwar
70 Mit jm fast trieben ein halb jar.
Weil jm so wol ist mit dem Wein,
Ist mir wol mit der Bulschafft mein.
So bricht er Haͤssn, so brich ich Kruͤg,
Und wo ich anderst redt, ich luͤg.

Gittas Entüllung erfüllt als Auftritt-Abgangs-Monolog eine zeitraffende Funktion zwischen dem Zubettgehen des Ehemannes, der vortäuscht betrunken zu sein, und seinem Wiederauftritt. Die enthüllende Funktion zeigt sich sowohl in den analeptischen als auch in den proleptischen Passagen, in denen Gitta über bereits feststehende Absichten informiert. Mittels externer Analepse enthüllt Gitta, dass sie ihren Mann schon ein halbes Jahr auf dieselbe Art und Weise hintergeht, proleptisch erläutert sie mit Zeitangaben die weitere Vorgehensweise ihres Betruges. Neben der externen Analepse und der Prolepse weist der Monolog eine interne kompletive Analepse auf, die sich lediglich auf den ersten Vers beschränkt, aber als Vermittlung des Zeitsprungs hervorgehoben werden muss. Nachdem Gitta mit ihrem Mann die Bühne verlassen hat, tritt sie monologisierend mit den Worten „Nun hab ich mein Saw bracht in Stal“ wieder auf. Damit wird verständlich, dass zwischen Ab- und Auftritt eine nichtgezeigte Handlung geschehen und somit Zeit vergangen ist. Die kompletive Analepse zur Vermittlung des Zeitsprungs ist ein häufig am Anfang eines Monologs stehendes Mittel, mit dem Sachs die Rezipienten über die neue Ausgangslage für die folgende Szene informiert.

2.1.2.3 Ortswechsel

Häufig fallen Zeitsprung und Ortswechsel zusammen. Der Ortswechsel ist dabei ebensowenig figurenspezifisch wie der Zeitsprung. Ihre Nähe zeichnet sich besonders durch die vorhergehende Ellipse in den Szenen- bzw. Aktpausen aus, die mit der Nennung im Monolog ausgefüllt wird. Dabei handelt es sich um eine explizite handlungsleitende Funktionalisierung der Monologe, mit der Sachs das Verständnis der Rezipienten sichert und Leerstellen innerhalb der Dramaturgie umgeht, gleichzeitig aber auch komprimiert den neuen Ort präsentieren kann. Mit dem Ortswechsel geht gehäuft eine Selbstcharakterisierung oder Enthüllung einher, d.h. die neu aufgetretene Figur befindet sich an einem für sie typischen Ort und erfährt dadurch eine Kennzeichnung. In anderen Fällen, wie im Monolog Gittas zu sehen war, kann dem Monolog eine Leerstelle voraus gehen, die zu Anfang gefüllt wird und die Figur in einer neuen Szenerie situiert.

2.1.2.4 Reflexion

Mit der Reflexion ist es möglich, das ‚Innenleben‘ der Figur zum Ausdruck zu bringen, weil das wesentliche Merkmal das Nachdenken über die vergangene und zukünftige Handlung sowie die gegenwärtige Situation aus der Perspektive der Figur ist. Die Diskussion von Handlungsalternativen sowie implizite oder explizite Selbst- oder Fremdcharakterisierungen können mit der Reflexion einhergehen und unterstützen maßgeblich die Figurenzeichnung. Aufgrund der analeptischen Konstruktion vollzieht sich in Reflexionen nicht unmittelbar situationsveränderndes Handeln, d.h. sie sind nicht-aktional.

Beispiele für Reflexionen, die alle genannten Merkmale einschließlich des Abwägens einer Handlung in Für und Wider beinhalten, lassen sich im Fastnachtspiel selten finden. Ein Grund dafür ist die häufige Ergänzung der Reflexion durch einen Entschluss in der Gesamtrede.

Im Fastnachtspiel G 84 Die juͤng witfraw Francisca, so durch ain list zwayer pueler abkom1 kommt die für Sachs eher untypische abwägende Reflexion zwei Mal vor. Dies lässt sich durch die Vorlage, Dekameron IX, 1, erklären, in der an gleicher Stelle beide Monologe stehen, die Sachs etwas verkürzt überträgt. Eine ausführliche Reflexion zeigt einer dieser Monologe (Rinuczo vv. 290–321), der systematisch in vier Schritte aufgeteilt ist. Dem Monolog geht die Anweisung seiner Angebeten voraus, sich in ein Grab zu legen und die Kleidung des Toten anzuziehen. In vv. 290–296 beschreibt Rinuczo, dass er auf dem Weg ist, um in das Grab zu steigen, worauf eine Fremdcharakterisierung des Toten folgt, die den Toten als zu Lebzeiten schlechten Menschen darstellt:


290 Ich pin aufm weg vnd sol hinab,
Den doten holen auͤs dem grab,
Der doch der aller poͤst man war,
Zenkisch vnd hedrisch imerdar.
Niemant het gern mit im zv schaffen,
295 In flohen leien vnd die pfaffen,
Die weil er noch war lebentig.

Von vv. 297–310 an geht die Fremdcharakterisierung in eine Reflexion über die eigene Dummheit und ihre Folgen über. Rinuczo bezeichnet sich als „narr“ (v. 297) und bemerkt, sich selbst charakterisierend, dass auch alle anderen ihn für dumm halten. Er reflektiert über das Handeln der Freunde des Toten und stuft es als große Gefahr für sich ein:


Ich groser narr, was zeich ich mich,
Das ich wil zw im steigen nab,
In zihen auͤs dem doten grab?
300 Es ist werlich ein grose gfar,
Mir stent gen perg alle mein har,
Vor forchtent zittert al mein leib.
Sol ich das wagen durch ein weib?
Der dot sol mir woln hals abrechen.
305 Als den so wuͤrt idermon sprechen:
Dem narren ist nicht vnrecht gschehen.
Was wuͤrt Stanadio freuͤntschaft jehen,
So ich in auͤs dem grab het gstoln,
Die weil int leng nichs pleibt verholn?
310 Die wuͤrn mich in als ungluͤck pringen,

In vv. 311–314 wägt er unter konkreter Nennung das Für und Wider zwischen der angebeteten Frau und der drohenden Gefahr ab. Der Monolog endet mit einem Entschluss: In vv. 315–321 entscheidet sich Rinuczo, nicht zuletzt aufgrund eines Sprichwortes, für die Geliebte. Während die Reflexion situationsaffirmativ bleibt, bringt der Entschluss durch seine zukunftsungewisse proleptische Ausrichtung die Handlung voran.


Ich weis nit, wie ich thet den dingen;
Thw ichs, so stet darauf gros gfar,
Thw ichs nit, hab ich vrlob gar
Meinr lieb vnd dienst, die ich ir trueg.
315 Weil ich icz hab zv kumen fueg
Zw der, der mein herz hat pegert
Wil ich gleich wagen die gefert,
Weil doch ein sprichwort sagt pekant,
Ein doter man der peis niemant.
320 Gerecz, so schwer ich pey mein trewen,
Sol mich die reis mein lebtag frewen.

Reflexionen sind im Fastnachtspiel die häufigsten Monologfunktionen. Sie stehen in kausalem Verhältnis zur Handlung, weil sie entweder die Folge einer vorhergehenden Handlung oder die Vorstufe einer folgenden Handlung bilden. Der Dramatiker kann durch Reflexionen „seinen Figuren einen impliziten oder expliziten Eigen- oder Fremdkommentar in den Mund legen“.2

 

Auffällig ist, dass Sachs in den Fastnachtspielen oft Nebenpersonen über eine Situation reflektieren lässt. Fernau nennt dafür zwei Gründe: Zum einen rufe der Eindruck eines Ereignisses in der Hauptperson eher einen Affekt hervor, zum anderen bleibe die Nebenperson nach einem Dialog aus technischen Gründen häufig auf der Bühne und reflektiere über den abgegangenen Dialogpartner.3

Neben möglicher Spannungserzeugung dient die Reflexion am Ende einer Szene häufig als retardierendes Moment. Damit kann Sachs die Handlung anhalten und „auf die Rezeption des Stückes Einfluß“4 nehmen. Aus der Gesamtschau der Fastnachtspiele lassen sich als Objekte der Reflexion in Monologen u.a. benennen: soeben gemachte Erfahrungen, bevorstehende Ereignisse, bestimmte Handlungsweisen bzw. Äußerungen, bekannt gemachte Absichten und Charaktereigenschaften oder Verhaltensweisen von anderen Figuren.

Dadurch, dass Sachs die abwägenden Reflexionen eher selten in seinen Fastnachtspielen und Schauspielen einsetzt, lässt sich eine Leerstelle innerhalb der Funktionalisierung von Monologen erkennen. Entwickelte Sachs nämlich die aus dem Dekameron entlehnten dilemmatischen Gedanken eigenständig weiter, müsste er letztendlich von einer typenhaften Figurenzeichnung abrücken. Es sticht nicht nur in den Fastnachtspielen, sondern auch in den Tragedis und Comedis ins Auge, dass er Ansätze einer individuellen Konstruktion nur zulässt, sofern sie in der Vorlage zu finden sind, diese aber nie selbstständig einsetzt. Die daraus entstehende Leerstelle bringt umso deutlicher das Anliegen von Sachs für die Fastnachtspiel- und Schauspielproduktion zutage: Indem die Reflexion so gut wie immer ein Überdenken einer vorhergehenden Situation oder einer aufgetretenen Person ist und nie, es sei denn vorlagenbedingt, ein Überdenken des eigenen Handelns, das unbeantwortete Fragen bei den Rezipienten zurücklassen könnte, erhält sie eine kommentierende und auslegende Funktion, mit der Sachs Verständnisprobleme vermeiden und Handlungszusammenhänge herstellen kann. Auch wenn die Reflexion eigentlich eine Funktion ist, um Figurensichten darzustellen, dient sie Sachs hauptsächlich zur Ausgestaltung der Handlungskonstruktion.