Aus der Geschichte der Deutschen Seemannsmission

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Jürgen Ruszkowski

Aus der Geschichte der Deutschen Seemannsmission

Seemannsbetreuung in Deutschland – Band 75 in der maritimen gelben Reihe bei Jürgen Ruszkowski

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

»Christliche Seefahrt« im Mittelalter und in nachreformatorischer Zeit

Aus der Anfangs-Geschichte der Deutschen Seemannsmission – made in uk – History

Die deutsch-lutherische Seemannsmission

Johann Hinrich Wichern und die Seeleute

Johann Hinrich Wichern, Anreger und Leitfigur einer deutschen Seemannsmission

Geschichte der Deutschen Seemannsmission in Hamburg R.V.

Seemannsheim der Seemannsmission Hamburg am Wolfgangsweg

Seemannsmissionar Karl Titze in Valparaiso – Chile

Seemannsmission in Stettin

Aus Jahresberichten Hamburg 1925 – 1929

Neues Seemannsheim am Krayenkamp in Hamburg

Daten und Personen – Seemannsmission Hamburg

1970/90er Jahre im Seemannsheim Hamburg

Seeleute erleben die Seemannsmission

Zahlen und Fakten zur Seefahrt

Carl Osterwald schreibt zum Gedenken: 125 Jahre Deutsche Seemannsmission

Weitere Informationen

Die maritime gelbe Buchreihe

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers


Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig bis zu 140 Betten. In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 kam mir der Gedanke, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags“: Seemannsschicksale.

Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinem Buch.


Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage nach dem Buch ermutigten mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Inzwischen erhielt ich unzählige positive Kommentare und Rezensionen, etwa: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe“. Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

Nachdem ich einige Dutzend Bände mit Lebensportraits und Erlebnisberichte von Seeleuten und einen Band mit meinen Erinnerungen an meine 27 Jahre im Seemannsheim veröffentlicht habe, soll mit diesem Band 75 jetzt eine Materialsammlung zur Geschichte der Deutschen Seemannsmission folgen.

Für die Wiederaufnahme der Auslandsarbeit der Deutschen Seemannsmission nach dem 2. Weltkrieg bedeutende Namen, wie Pastor Harald Kieseritzky, Senatsdirektor Dr. Heinrich Maas, sucht man in diesem Buch vergeblich. Es wird auf die 1959 erschienene Dokumentation von Seemannspastor W. Thun „Werden und Wachsen der Deutschen Evangelischen Seemannsmission“ und die 1991 im Luther-Verlag in Bielefeld erschienene „Geschichte der Deutschen Seemannsmission“ von Dr. Reinhard Freese verwiesen.

Dieser Band konzentriert sich auf die frühe Geschichte der Seemannsmission mit speziellem Blick auf die Arbeit in Hamburg.

Hamburg, im September 2014 Jürgen Ruszkowski


»Christliche Seefahrt« im Mittelalter und in nachreformatorischer Zeit

Text von Friedrich Lensch (Seemannspastor 1924—1930 in Hamburg)


Die Deutsche Seemannsmission in Hamburg wurde am 15. Juni 1891 gegründet. Doch ist ihr Anliegen und Ziel — die Fürsorge für Leib und Seele der Seeleute — nur die Fortführung von Bemühungen, die so alt sind wie die »Christliche Seefahrt« selber und reicht bis in frühere Zeiten zurück.

Wer einmal von See her die ragenden Türme einer Hansestadt am Horizont hat auftauchen sehen, etwa Stralsund oder Rostock, oder wer sich mit der Herrlichkeit und dem Wunder der riesigen gotischen Backsteinkirchen beschäftigt, erfährt, dass diese in allen Hansestädten von Lübeck bis nach Riga, Reval, Wisby die gleichen Namen tragen, nämlich die der Aposteljünger St. Peter, St. Andreas, St. Jacob, die die Schutzheiligen, Nothelfer und Fürbitter der Seeleute waren; dazu später St. Nicolaus und überall St. Marien, der Meerstern oder Stella Maris. Denn die Schipper und Schippsmannen, die Koplüde und Schippsherren der Hanse waren es, die nicht nur Handel und Gewerbe, sondern auch das Christentum in den damals noch heidnischen Ostraum hineintrugen und christliche Kultur und Zivilisation, christliche und soziale Grundbegriffe von Ordnung, Recht und Brüderlichkeit mit sich brachten: Die »christliche« Seefahrt als Mission des Christentums. Staunend und bewundernd stehen wir heute noch vor den gewaltigen Bauwerken, beschämt von der gewaltigen geistigen gemeinschaftsbildenden Kraft, die sie hervorgebracht und mit dem Leben ihrer frommen Bürger erfüllt hat. Solange ein Schiff auf der Fahrt war, war es eben mit Gut und Ladung und Leib und Seele der Schiffsmannschaft Auf Gefahr (daher das Wort in der heutigen Bedeutung). Man denke nur an den Schiffsfriedhof der Jammerbucht im Skagerak. Diese Notgemeinschaft schloss Kaufmann, Reeder, Besatzung und deren Angehörige an Land eng zusammen und trieb nicht nur zum Gebet, zur Fürbitte, sondern auch zu verantwortlichem Einstehen des einen für den anderen.

Das Wort »Hanse« bedeutet ja nach der Meinung der vergleichenden Sprachwissenschaft nichts anderes als: »Bruderschaft, geschlossene Gesellschaft« und gibt damit den typischen Eindruck auf In- und Ausland wieder.


Schon das alte Hamburger Stadt- und Schiffsrecht, aus dem auch die abgebildete Miniatur stammt, stellt alle gerechten Ansprüche des Schiffsvolkes sicher. Bei Schiffbruch oder Verkauf geht ihre Entlohnung allen anderen Ansprüchen vor. Sogar eine gewisse Sicherung gegen Arbeitslosigkeit ist vorgesehen: »so en Mann sin Schipp verkofft, so schall he seinen Schippmannen geven tho 14 Nacht Wekenlohn«. Menschenleben geht vor Schiff und Ladung. »So men ein Schipp tobrikkt, schal de Schipherre allererst bergen de lude.« In einer späteren Fassung heißt es: »Würde jemand krank auf dem Schiffe, der Schiffer ist schuldig, denselben aus dem Schiff bringen zu lassen, in eine Herberge zu legen, und ihm Licht zu leihen, da er des Nachts bey sehen mag, auch ihm durch einen Schutzmann oder einen anderen lassen warten, auch mit Speise und Trank zu versehen, wie er‘s im Schiff hat.«

Neben die Regelung der Wohlfahrt durch das Gesetz treten schon im Mittelalter die Organisationen der Schiffer, die damals zugleich Reeder und Kaufleute waren. Schon im Jahre 1376 finden wir die Gesellschaften der Flandernfahrer, der Englandfahrer, der Schonen- und Bergenfahrer. Diese Gesellschaften bildeten Brüderschaften, die kirchlichen Charakter trugen, und deren Sinn und Zweck vor allem geistliche Versorgung und Fürbitte waren. Am kürzesten zusammengefasst ist diese Absicht in der Gründungsurkunde der Lübecker Schiffergesellschaft von 1401: da heißt es, dass sie gestiftet sei »to hulpe und to troste der lebendigen unde doden unde alle dergennen, de ere rechtfertige Narunge soken to Water warth, de sind Schipperen, Koplude edder Schippmanns, Pelegrimen effte welkerleie Lude dat id sin, der leider vele von wathers noth to deme dode komen, aver bord werden geworpen unde in ander wise vorghan unde sterven, ungebichet (ungebeichtet) unde unberuvet (ohne Reue) de van angstes wegen nene lede noch ruve umme ere sünde hebben könen, de ok nemandes hebben, de vor se biddet, denen dat gemeine beth: denen is gestiftet unde gemaket dusse broderschup unde eine ewige messe to der alle dergennen, de uth dessen Broderschop vorsterben, dat sy tho lande edder to water, dat de gude St. Nicolaus den almechtigen God vor ere aller seelen bidde. Amen. «

 

Das Almosengeben geschieht in mittelalterlicher Weise, weniger um des Empfangenden als um des Gebers wissen: als ein das Seelenheil verdienendes gutes Werk, das man sogar einer verstorbenen Seele im Fegfeuer zugute tun kann. So heißt es in der Stiftungsurkunde der Hamburgischen Schiffer-Gesellschaft von 1492 »Item ok schall elck brodere vor den vorstorbenen Brodere de mit ons in de Brodershop is gewesen, wan idt ehme erst tho wetende werdt, viff »Pater Noster« und viff »Ave Maria« beden dartho schal he geven den husarmen vyff pennige, tho Troste des jennen Seele de so uth dc Bröderschop verstorben is.

Jeder Schiffer dieser Bruderschaft hatte »eine Tonne St. Annen vöringe« für die Schifferbruderschaft mitzufahren, das heißt den Frachtertrag einer Tonne abzuliefern. Am Tag der heiligen drei Könige wurde dann eine Hochmesse und nachher eine Versammlung zur Rechenschaft und darauf ein Festgelage, die so genannte »Höge«, gehalten (vgl. plattdeutsch: »sich högen«). Die Gesellschaft hatte ihre eigene Kapelle in der Petrikirche und einen festen Vertrag mit den Brüdern des Franziskanerklosters, die die Messen zu lesen hatten; auch einen eigenen Friedhof, in denen die Brüder zusammen beigesetzt wurden. Bei der »Höge« kamen die Kleinodien, das silberne Zunftgeschirr der Gesellschaft, zu Ehren und Geltung. Die Ordnungsstrafen (»Brüche«) wurden meist mit einem bestimmten Maß Bier oder Wein gebüßt, die dann bei dieser Gelegenheit vertrunken wurden. Zwei »Schaffer« hatten zu bedienen und für Ordnung zu sorgen; dass »Kive und Hader« öfter vorkamen, zeigt eine Bestimmung, die den »Oberalten« vorschreibt, in Güte zu strafen, wenn sich aber einer »in der güde nicht schicken walde, und den Olderlüden ungehorsam wäre, den mögen die Olderlüde samt den gemenen Selschopsbrüdern na older gewonte up twen tunnen und ener delen uth desser selschop ruhen dar nümmer wedder intokomende.« Erst um die Reformationszeit, im Jahre 1507, wird in Hamburg von der Gesellschaft der Islandfahrer eine Brüderschaft gestiftet, die schon ganz deutlich auf die Betätigung der Nächstenliebe hinzielt. Es liegt schon im Namen »der Ißlandesfahrer armen Broderschop«. Zugleich können wir in dem Schifferstand eine gewisse soziale Umschichtung wahrnehmen. Waren früher die Schiffer zugleich Kaufleute, so tritt nun allmählich eine Scheidung zwischen Kaufmann und Schiffer ein, die im 1520 beginnenden Rechnungsbuch der Islandfahrer schon bemerkbar ist. Doch ist Kaufmann wie auch Schiffer, Knecht und Bootsmann Mitglied der Brüderschaft und leistet die Beiträge von der Fahrt. Diese wurden in dem Handelsartikel geleistet in Fischen, Schwefel, das damals in Island gefunden wurde, teilweise auch Geld. Das gängigste Zahlungsmittel waren aber die getrockneten Stockfische. Wir finden noch bis ins 18. Jahrhundert hinein für jeden Schiffer und Mann der Islandfahrer die entsprechenden Beiträge in dieser merkwürdigen Art Notgeld gebucht. Der Vorsteher des Seefahrer-Armenhauses zeigte mir noch den Stein, an dem selbst noch in unserem Jahrhundert die Elbfischer anlegten, um ihren Beitrag, allerdings in frischen Fischen, zu diesem Haus für ihre alten Kameraden zu leisten.

Die Kleinodien dieser Islandfahrer armen Brüderschaft stechen in ihrer Bescheidenheit, entsprechend dem Namen, sehr von denen anderer Gesellschaften ab. Freilich hatten sich diese bei jenen auch im Laufe von Jahrhunderten angesammelt, während die Seefahrer-Armen-Brüderschaft gerade anfing. So sind nur verzeichnet: drei schlichte Tafellaken, noch drei Tafellaken, eine Beilade, 20 »holten Tel1er«. Doch sieht man aus dem Rechnungsbuch, wie auch ihre Einnahmen zunächst verwandt werden, um in der St. Peterskirche ihre St. Annen-Kapelle mit kostbarem Gerät auszuschmücken und Seelenmessen für die verstorbenen Brüder lesen zu lassen.

Die Christliche Seefahrt in Hamburg seit der Reformation

Als durch Luthers Auftreten die katholischen Lehren vom Fegfeuer, von der Messe für verstorbene, vom Ablass usw. erschüttert wurden, war diesen Bruderschaften der eigentlich Grund ihrer Existenz entzogen. Nach dem Gesagten begreifen wir, dass Luther von seiner evangelischen Grundlage aus die Form der Bruderschaften als etwas Überflüssiges und um der üppigen Mahlzeiten willen Schädliches bekämpfte und ihnen andere Ziele zuwies. Es ist eigenartig zu sehen, wie die Reformation das ganze Bruderschaftswesen umgestaltet. Interessant auch, dass in Hamburg, schon bevor die Reformation der Lehre nach durchgeführt war, sich besonders die sozialen Gedanken Luthers durchsetzten und den Umschwung vorbereiteten. Es ist typisch, dass die Reformation hier nicht mit Lehrstreitigkeiten anfing, sondern mit der Umgestaltung der Armenpflege, auf Grund der Gotteskastenordnung des Reformators, und dass die Vertrauensmänner dieser neuen Armenpflege die Träger der Reformation geworden sind, von der katholischen Werkgerechtigkeit, die ihre Wohltätigkeit immer in erster Linie mit Rücksicht auf das eigene Seelenheil betrieb, tritt ein Umschwung ein zu warmer Aufgeschlossenheit für das Unglück und die Not des Nächsten. Überall beginnt es sich zu regen. Die Spuren der Reformation lassen sich auch ganz deutlich in den Akten und Büchern der Seefahrer-Bruderschaften verfolgen. Ja, die Seeleute scheinen an der Reformation wesentlich direkt beteiligt gewesen zu sein. So wird berichtet, dass die Katholischen einen Aufruhr beabsichtigt hatten, die Stadt an vier Ecken anstecken und, wenn das Volk zum Feuer lief, in der Verwirrung alle Evangelischen niedermachen wollten.

»Awert dit war ruchbar durch einen Goltschmidt. Idt was aber in der Nacht sulken Bysterwedder von blixen und donner, dat de lude menten, de welt wolde ein Ende nehmen. Awert de evangelisken Borger hadden sick darub gerüstet yn ihren huseren mit geschutte und andere wehre und etliche hatten 5‚ etlich 7 und etliche 10 Bootsmanns mit Wehre in eren Huseren unde de ganze Nacht eine luchte mit branden Lichten vor eren düren up der Straten hengende.«

Gleich nach der Durchführung der Reformation sehen wir in Hamburg, Lübeck und Bremen neue Seemannshäuser entstehen. In Hamburg war zu diesem Zweck die Schiffergesellschaft auf neuer Grundlage umgeformt, deren Stiftungsurkunde fast wörtlich an den Lutherschen Kleinen Katechismus anknüpft, nämlich: »Nachdem der allmächtige, der alle Menschen geschapen unde mit aller Notdurft die nicht uth egener Vernunft edder vornehmende, sundern uth luterer Gnade unde Barmhertigkeit se doch den Glöwigen thon Troste unde, as solkens göttliche Schriften vermelden, erholden mutt... is in betrachtinge sulliker anfelliger Not, de jedermann, he sie schipper, stuermann, bootsmann, schriveren und all andere seefahrenden Lüde, von göttlicher Ungnade, unstümigkeit des weders, ok aller notdürftiger anfälliger Krankheit, Lemnisse (Lähmung), Verderven und Ungesundheit, welches doch godt der allmächtige to ewigen Tagen verhöden will, disse Ordinatie vullenitagen (vollzogen)...«; weiter heißt es: «Des hebben vorerst von den schipperen de durch godes gnade, ingewinge götlichen Wortes und Betrachtung aller Krankheit darto sind bewagen worden angenamen.« Es sollen nun zunächst Wege und Mittel beschaffen werden, um »darmyt den seefahrenden armen unde kranken eyn nye hospital unde gasthuse optorichten unde de Kranken, de tidt ehres levendes darmit nach ihrer Gelegenheit versorgen unde underholen«. Auch die Islandfahrer-Bruderschaft schließt sich ganz bewusst der Reformation an. Das Buch von 1543 ist folgendermaßen betitelt: »Dyth jegenwartige bok belangett den gemeynen broderen und Koplüden, de van Hamborch aff up Ißland segeln unde darsulvest hanteren unde de de Broderschop St. Annen, wo se vorhen im unvorstande geheten unde geholfen is, de nur tor Thidt im rechten verstande: Gott sy ewig loff: ‚Christus Broderschop’ billiker mach genomet werden, helpen holden und den vorthsetten. «.

»Gewet unde ju shall gegeven werden.«

1556 ist man endlich so weit, dass das »Trosthaus«, wie man es schön und treffend benannt hat, draußen am Schaartor gebaut werden kann, wobei ihnen ein wichtiges Anliegen war, dass nicht nur irgend ein notdürftiges Gebäude hingestellt wurde, sondern »dat it ok der Stadt zierlich syn möge«. Das Haus war gedacht als Kranken- und Waisenhaus. Für die Waisenkinder sollte neben dem Verwalter eine »dogentsame bedürftige Witwe« angenommen werden als eine rechte »Trostmutter«. Alles Geld, das durch die Beiträge und Brüche einkommt, wird genau verzeichnet und darüber jährlich Rechenschaft abgelegt. Die ganze Stiftung ist dem Hamburger Rat unterstellt. Jeder einzelne Schiffsmann wird herangezogen und die Namen verzeichnet, »sowohl derer, so wat gegeven unde derer, so nich gegeven hätten«. Bei denen soll man »ein nulla bytekenen ob dat men weten möge, wenn solke gesellen van unseren Armenhuse in künftigen Tiden etwas begehren möchten, sie in erer Armut wedderum nicht gehöret werden«. Man war weit davon entfernt, durch solche wohltätige Einrichtung Bettelei und unordentliches Wesen zu fördern. Darum wird straffe Zucht und Aufsicht geführt. »Wo awerst jemandt bübisch, ungehorsamb und motwillig befunden würde mank dem Seevolke, schall he dieser Stiftunge nichts hebben to geneten. Denn alles christliches bestellinge und Woldaten sollen förderinge und reizunge syn tor Dogend und Gottseligkeit und nicht tor Sünden Motwillen edder einiger Bosheit. Im Falle ook, dat sick jemand unschicklich in dissem Huse hielte, shall he dat stede wedder entsetzt uns syne Unterholding dasülwst berofen syn und so jemand um sine Gebrecklichkeit willen in dit Hus genommen und wedder gesund ward und sine Kost verdeenen kann, shall he na der vorstehendere Erkenntnisse wedder tor syne Arbeit gewiesen werden. Ob dat de baven Billigkeit mit unnödiger unkosten nicht beschweret und unchristlichem Lediggange und Fulheit keene Steede gegewen werde.« Auf dieser Grundlage hat das Seefahrer-Armenhaus seither bestanden und besteht, wenn auch umgebaut, bis zur Zerstörung durch den zweiten Weltkrieg. Die Islandfahrer-Armenkasse ist nachher an das Seefahrer-Armenhaus übergegangen. Später kommt dann noch hinzu, die Kasse der »Stücke vom Achten«, eine besondere »Sklavenkasse«, für die in allen Hamburger Kirchen und Gottesdiensten gesammelt wurde und die dazu bestimmt war, die von Seeräubern und Piraten gefangenen Hamburger Seeleute zurückzukaufen. Der Name stammt von einer portugiesischen Münze (pesos d‘otte). Es waren besonders die Raubstaaten von Tunis-Algier, die bis in die Nordsee hinein die Meere unsicher machten und die Hamburger Schiffe zwangen, in Konvoi zusammenzufahren unter Bedeckung von einem Kriegsschiff. Dies reichte freilich nicht aus. Deutschland hatte keine Kriegsflotte und Hamburg allein konnte keine stellen. So waren, bis 1830 die nordafrikanischen Piraten von den Franzosen niedergekämpft waren, die deutschen Schiffe schutzlos. Erst die Einigung und die Schaffung des Reiches hat der deutschen Handelsflotte auf dem Weltmeer die Geltung und seinen Seeleuten Schutz gebracht, die sich andere Nationen lange verschafft hatten. Die alte Sklavenkasse der »Stücke vom Achten« ist jetzt eine Witwen- und Waisenkasse und wird von den Oberalten der Schiffer verwaltet.


Aus der Anfangs-Geschichte der Deutschen Seemannsmission – made in uk – History


Die Anfänge in England – Die Geschichte der deutschen Seemannsmission

 

Der „Vater“ der Deutschen Seemannsmission nimmt das Steuer in die Hand – Text von Pastor W. Thun – aus „Werden und Wachsen der Deutschen Evangelischen Seemannsmission“ – 1959

Es bedurfte eines Mannes von besonderen Fähigkeiten, um der Schwierigkriten Herr zu werden, um das Deutschtum in Großbritannien für den Dienst am Seemann zu gewinnen, die Heimat zur Mithilfe aufzurufen und eine Deutsche Seemannsmission planmäßig aufzubauen.

In der Person des Pastors F. M. Harms wurde er ihr geschenkt. Ein für den Seemann warm schlagendes Herz, harte Zähigkeit in unermüdlichem Werben, unbeugsamer Wille, sein Ziel zu erreichen, ein eiserner Fleiß und die Gabe zu verhandeln und zu organisieren, führten von Erfolg zu Erfolg. Mit seinem Namen waren Wesen und Werk der Deutschen Evangelischen Seemannsmission schon bei seinen Lebzeiten eng verknüpft. So hat man ihn mit Recht den „Vater“ unserer Seemannsmission genannt.

Das Leben und die Ausbildung von Friedrich Martin Elias Harms verlief außergewöhnlich. Er wurde am 15.05.1844 in Rostock geboren und besuchte dort die Bürgerschule. Nach dem Tode seines Vaters, eines Polizeibeamten, ging er als kaufmännischer Angestellter nach London und fand Anschluss an deutsche kirchliche Kreise, vor allem in der reformierten Gemeinde Pastor Küblers. Als dieser auf seinen Wunsch, Missionar zu werden, nicht einging, trat er in den Dienst der Wesleyaner, die ihn zur Mitarbeit aufgefordert hatten. Nach dreieinhalbjähriger Ausbildung schickten sie ihn 1869 mit 25 Jahren zur Pastorierung der kleinen deutschen Gemeinde in Sunderland, die sich in der Hoffnung, dadurch einen Pfarrer zu erhalten, den Wesleyanern angeschlossen hatte. Sie erlaubten ihr aber, sich wieder von ihnen zu trennen, weil Harms erkannte, dass die großen Entwicklungsmöglichkeiten, die ihm vorschwebten, nur auf der Linie deutschen evangelischen Christentums zu verfolgen und zu lösen seien. Die Gemeinde schloss sich dann zunächst der „Congregational Mission of England“ an, damit Harms die Ordination erhielt. Sie erfolgte 1873, zwölf Jahre später der Anschluss an die Preußische Landeskirche.

Der Verkehr deutscher Schiffe, meistens Segler aus den Ostseehäfen, war damals in Sunderland und den benachbarten Häfen sehr rege. Bei der üblichen Liegezeit von 14 Tagen und mehr kam es zu engen Beziehungen der Gemeindeglieder zu Kapitänen und Mannschaften, vor allem im Kriegsjahr 1870, wo viele Schiffe durch französische Kreuzer am Auslaufen gehindert wurden. Da waren auch Beraubungen, Betrügereien, Verführungen, Matrosenfang an der Tagesordnung. Wenn auch dringende Gemeindeaufgaben die Fürsorge für die Seeleute zunächst zurücktreten ließen, so machte der Pastor doch mit freiwilligen Helfern Schiffsbesuche, lud zum Gottesdienst ein und verteilte in der Hafengegend Schriften. 1873 richtete er in der deutschen Schule ein Lesezimmer ein. Weitere Hilfe erhoffte Harms von der Englischen Seemannsmission. Aber sie lehnte ab, und der Sekretär sagte ihm zum Schluss der Aussprache: „Ich finde es übrigens seltsam, dass Sie in dieser Angelegenheit zu mir kommen und kann Ihnen nur sagen: Sie sind der Mann!“ Da wusste er, dass er auf sich selbst gestellt sei und ging mit neuer Zuversicht an die Arbeit. Mit Hilfe einiger Freunde, vorwiegend englischer Reeder, bekam er die Mittel, um einen Seemannsdiakon anzustellen. Er besuchte auch die Nachbarhäfen und konnte dadurch die Gründung weiterer deutscher Gemeinden vorbereiten.

Dann versuchte Harms, um der finanziellen Schwierigkeiten Herr zu werden, in Deutschland Mittel flüssig zu machen. Aber die Senate in Hamburg, Bremen und Lübeck lehnten zunächst ab, ebenso der Preußische Kultusminister. Harms wandte sich dann an den Centralausschuss der Inneren Mission (heute: Diakonisches Werk). Auf seine Eingabe wurde erwidert, dass zwar Mittel nicht zur Verfügung ständen, aber was möglich sei, solle geschehen, um für diese wichtige Angelegenheit in Deutschland Teilnahme und Opferwilligkeit zu wecken. Der Centralausschuss bitte ihn aber, auf einer Rundreise festzustellen, wie die Lage in anderen englischen und schottischen Häfen wäre und ihm das Ergebnis mitzuteilen.

Von Lokalkomitees zum Generalkomitee

Diesem Wunsche entsprach Harms noch im Jahre 1884. Sein Ziel war die Bildung von Lokalkomitees in jedem Hafen und deren Zusammenschluss zu einem Generalkomitee.

Zunächst bereiste er Schottland und fand bei dem Edinburgher Pastor Wagner-Groben weitgehende Hilfe. Am 16.10.1884 schlossen sich fünf inzwischen gebildete Lokalkomitees zu einem Schottischen Generalkomitee zusammen.

In den Hafengemeinden Englands fand Harms zunächst weniger Verständnis für seine Pläne. Die offenkundige Notlage unserer Seeleute wurde zwar anerkannt. Wären doch vor allem die vielen auf englischen Schiffen fahrenden Deutschen den Ausbeutern schutzlos ausgeliefert. London wollte vorläufig nicht mitmachen, und Liverpool betrachtete die Seemannsmission als Gemeindesache und hatte schon einen Stadt- und Seemanns-Missionar angestellt, der mit der Englischen Seemannsmission eng zusammenarbeitete. In den anderen Häfen standen die neu gebildeten Lokalkomitees vielfach nur auf dem Papier.

Trotzdem lud Harms die Lokalkomitees zu einer Konferenz nach Liverpool ein. Sie fand am 25.02.1885 statt und wurde von dem Ortspastor Krüsmann eröffnet. Der Antrag, dass die dort vertretenen sechs Lokalkomitees ein „Generalkomitee für deutsche evangelische Seemannsmission in England und Wales bilden, wurde zum Beschluss erhoben, ein Satzungsentwurf angenommen und ein vierköpfiger „Geschäftsführender Ausschuss mit Pastor Harms als Präsidenten gewählt.

Am 7.05.1889 schlossen sich das Schottische und Englische Generalkomitee zum „Generalkomitee für Großbritannien“ zusammen. Das war ein Markstein in der Entwicklungsgeschichte unserer Seemannsmission. Er schuf den organisatorischen Rahmen für den weiteren Aufbau und wurde die Plattform, von der aus Harms seine Ziele weiter verfolgen konnte.

Inzwischen waren auch die Lokalkomitees nicht müßig gewesen. London hatte schon 1889 seine frühere Zurückhaltung aufgegeben, die Seemannsmission der Stadtmission angeschlossen und durch Sammlungen der Frau Baronin Henry Schröder und Dr. Lichtenberg die Mittel für den Bau eines Seemannsheimes aufgebracht. Mit dem Anschluss Liverpools an das Generalkomitee schloss sich 1902 der Ring, und jeder in Betracht kommende Hafen war erfasst, — 43 Häfen in elf Bezirken.

Der Centralausschuss der Inneren Mission (CA) verwertete den ihm übersandten Bericht über die Ergebnisse der Rundreise von Pastor Harms in einer „zweiten Nachricht“ 1885. Er sandte sie die Landesverbände für Innere Mission, an Kirchen- und Staatsbehörden und an Kreise, die in erster Linie berufen schienen, sich der Seeleute anzunehmen. Er bat, ihm Beiträge zur Weitergabe nach Großbritannien zu überweisen, da ihm eigene Mittel für diesen Zweck nicht zur Verfügung stünden. Das finanzielle Ergebnis war sehr dürftig. Das Generalkomitee (GK) erhielt als erste Beihilfe 500,— Mark, außerdem 1200,— Mark, die das Reichsamt des Inneren vom Kaiser erwirkt hatte. Es war nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Harms hatte doch gehofft, dass ähnlich wie in Norwegen der CA mit Hilfe der Provinzialvereine die erforderlichen Mittel in der Heimat aufbringen würde, und das GK sich auf Sammlungen in Großbritannien beschränken könne. Das aber wurde ihm bei einem persönlichen Besuch in Berlin für unausführbar erklärt; auch sähe man sich nicht in der Lage, seinem Wunsch zu entsprechen, die Bildung von Hilfsvereinen anzuregen.

Für Harms und das GK handelte es sich aber um Sein oder Nichtsein. Das Sein forderte mutiges Vorgehen; unterblieb es, so standen GK und die Lokalkomitees nur auf dem Papier. Es blieb nichts anderes übrig, als selbständig vorzugehen. Ein Aufruf wurde versandt, aber wieder blieb das Ergebnis weit hinter den Erwartungen zurück, es gelang nur, in den drei Hansestädten Hilfsvereine ins Leben zu rufen.

Die Innere Mission der Lutherischen Landeskirche schaltet sich ein

Dann aber kam Hilfe oder wenigstens Entlastung von anderer Seite. Die beiden Rundschreiben des CA von den Jahren 1884 und 1885 waren doch nicht, wie es zunächst schien, unbeachtet geblieben. Sie wurden in Dresden und Hannover gehört. Auf Antrag des Dresdener Vereinsgeistlichen P. Hickmann beschloss eine Konferenz der Verbündeten Lutherischen Vereine für Innere Mission, die aus der „Allgemeinen Ev.-Luth. Konferenz“ hervorgegangen war, am 9.06.1885 in Rostock, der Sache näher zu treten und beauftragte Hannover mit den weiteren Vorarbeiten. Man sei bereit, sich für die Seemannsmission einzusetzen, wenn es sich einrichten ließe‚ dass man selbst ein Stück der Arbeit übernehmen könne.

Mit diesem Ziel vor Augen verhandelte in den folgenden Monaten Abt. D. Uhlhorn und der hannoversche Vereingeistliche Pastor Petri schriftlich und mündlich mit Pastor Harms und dem Präsidenten des CA D. Weiß. Ein Hamburger Vorschlag, die Seemannsmission mit der schon bestehenden Auswanderermission zu verbinden, wurde abgelehnt, weil die Aufgaben doch zu verschieden seien. Das Ergebnis war, dass das GK am 14.07.1886 beschloss, mit den Verbündeten Lutherischen Vereinen für Innere Mission in Arbeitsgemeinschaft zu treten und ihnen als Arbeitsgebiet den Bristolkanal zu übergeben. Es wurde ihnen auch Sitz und Stimme im GK zugesichert.

Auch mit dem CA wurde nach wiederholtem Briefwechsel eine Verständigung erzielt. Er hätte es allerdings lieber gesehen, wenn die in den Lutherischen Landeskirchen aufkommenden Beträge ihm zur Verteilung überwiesen würden, entzog sich aber schließlich nicht der Erkenntnis, dass der hannoversche Plan persönlicher sei und besser geeignet, eine lebendige opferfreudige Liebe zu erwecken.

So konnte denn am 29. September 1886 in Hannover der Beschluss gefasst werden, aus den Lutherischen Landesvereinen als Mitgliedern ein „Komitee zur kirchlichlichen Versorgung deutscher Seeleute im Ausland“ zu bilden. Das war ein zweiter Markstein in der Geschichte unserer Seemannsmission.