Meine Kindheit in der DDR

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Meine Kindheit in der DDR
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Meine Kindheit in der DDR

1  Titel Seite

2  Meine Mutter

3  Im Judoverein

4  Jugendweihe

Druck und Verlag:epubli GmbH Berlin,www epubli.de

Copyright© 2013 Jürgen Brand

ISBN 978-3-7375-0469-0

Jürgen Brand

Meine Kindheit in der DDR

Erzählung

epubli-Verlag

Meine Kindheit in der DDR

Erzählung

Als 3 oder 4 Jähriger Junge, bin ich hier in unserer Wohnsiedlung, mit meinem Holzroller durch die Straßen gefahren.

Wann ich denn nun endlich in die Schule käme, fragte ich oft zu Hause meine Mutter, Oma und andere Leute. Wahrscheinlich nervte ich den einen oder anderen damit. Auch konnte ich nicht lange auf dem Stuhl sitzen bleiben, musste immer rumlaufen. Am liebsten auf dem Spielplatz, den Hof oder auf der Straße.

Bis zum Spielplatz durfte ich schon alleine gehen, weil unsere Straße eine Spielstraße war.

Es gab sowieso nicht so viele Autos, die ein Kind überfahren konnte. Ich weiß nicht warum, jedenfalls ging ich nicht in den Kindergarten. Deshalb musste ich vor unserer Haustür oder am Sandkasten, mir die Spielkameraden selbst aussuchen.

1952 bin ich in Magdeburg, also in der Bezirkshauptstadt der DDR geboren.

Als Sternzeichen bin ich „Fisch“.

Und leider auch Halbwaise. So nannte man es, wenn ein Elternteil abhanden gekommen war.

Meine Oma, die damals schon Rentnerin war, veranlasste mich dazu, mir abends Watte in die Ohren zu stopfen.

Eben darum, weil ich sonst ihr Schnarchen immer hörte. Oma schlief zwar im Nebenzimmer, doch die dünnen Wände ließen trotzdem alle Geräusche durch.

Von unserem Balkon aus konnte ich den Balkon vom Nebenhaus sehen, wo meine Tante Trude und mein Onkel Kurt wohnten. Also brauchte von uns

keiner gleich aus dem Haus zu gehen und auf der Straße zum Nebenhaus zu gelangen . Es konnte meine Mutter oder Oma, vom Balkon aus laut sprechend, sich mit ihnen Unterhalten. Obwohl mein Onkel schwer hörte, klappte diese Verständigung.

Weil ich nicht in den Kindergarten ging, war ich immer zu Hause. Meine Oma oder Tante Helga musste auf mich aufpassen, wenn meine Mutter auf der Arbeit war.

Unsere Wohnung war mit etwa 70 Quadratmeter, für 5 Personen nicht gerade groß. Aber wir kannten es nicht anders. Geh mal in dein Zimmer, konnte keiner zu mir sagen. Es gab nur 3 nicht große Räume in der Wohnung.


Mit 6 Jahren bei der Einschulung 1958

Als ich 1958 endlich in die Schule kam, war ich froh drüber. Es war damals noch eine heile Welt für mich. Die Einschulung war an einem Freitag in der ersten Septemberwoche.

Ich kam in die polytechnische Oberschule Maxim-Gorki. Im Klassenraum standen die ganzen Schulbänke und wir 28 Kinder wurden der Klasse 1a zugeteilt. Jetzt gehörte ich endlich dazu.

Einige Wochen nach der Einschulung, hatten wir das Vergnügen, Feierlich bei den Jungpionieren aufgenommen zu werden. Neben unserem Schulgebäude stand die Kommandantur der Sowjetischen Streitkräfte.

Also das waren unsere Befreier von Hitlers Nazis, den Faschisten.

In diesem Gebäude war auch ein großer Saal, wo oft Filme gezeigt wurden. Dort auf der Bühne standen wir Erstklässler und haben unser blaues Halstuch, sowie den Pionierausweiß empfangen.

Ein Festakt, nur für uns. „Mensch waren wir stolz“.

Uns wurde zugerufen „Jungpioniere seid bereit“ und wir riefen zurück „Immer bereit“

Ein Slogan der auf die Bereitschaft zur Hilfe für ältere Leute, eine gute Mitarbeit in der Schule, uns von Lehrern und anderen weisungsberechtigten

die Aufgaben darauf, diese zu erfüllen. Also Pflichterfüllung im Sinne der Deutschen Demokratischen Republik.

Super fand ich es. Was dieses und alles andere noch bedeutete, wusste ich als 6 jähriger natürlich noch nicht.

Meine Süßigkeiten aus der Schultüte waren etwa nach 1 Woche aufgegessen. In der Klasse waren wir anfangs 28 Schüler. Auf jeder Sitzbank saßen 2 Schüler

nebeneinander. Unsere Klassenlehrerin war Frau Breme. Sie war Nett und Freundlich.

Aber wer ungezogen war, den schimpfte sie aus oder beorderte ihn raus, vor die Tür.

Damals hatten wir noch Schreibfedern. Jedes Mal musste man vor dem Schreiben die Feder ins Tintenfass tauchen, welches auf der Abstellfläche der Schulbank stand.

Manche Schüler besaßen aber schon Schreibfüllhalter, womit man die Tinte in den Füller ziehen konnte. Praktisch wie bei einer Spritze. Mit Kugelschreiber durfte noch nicht geschrieben werden.

Dieses verdirbt nur die Handschrift, erfuhren wir von unserem Direktor Herrn

Stephan. An der Wand hing das Bild von Wilhelm Pieck, unserem Präsident der DDR.

1-2 mal pro Woche war der Fahnenappell. Alle Schulklassen mussten dafür auf

dem Schulhof sortiert, von der 1.bis zur 10.Klasse antreten. Dann wurde die DDR-Fahne am Mast hochgezogen. Dazu durfte ein Schüler den Trommelwirbel machen, bis die Fahne am Mast ganz oben war.

Ein verantwortlicher rief ganz laut „Pioniere und FDJ ler seid Bereit“ und dann

antworten wir die Schüler alle zusammen ganz laut „Immer bereit“.

Der Direktor und die FDJ-Sekretärin sprachen etwas von Lernen, Ziele und Streben im Sinne des Sozialismus, sowie der Völkerfreundschaft mit allen sozialistischen Bruderländern.

Meistens las man den Text von Zetteln ab. In meinem Alter verstand ich nicht sehr viel davon. Ein Schüler wurde Öffentlich belobigt, wofür er vor die ganze Schülermannschaft vortreten musste.

Eine Schulklasse bekam den Pionierwimpel für die beste Mitarbeit des letzten Monats.

Dieser Wimpel, worauf die Klasse mächtig stolz war, stand dann

auf dem Lehrertisch.

Am Ende der Straße wo ich wohnte, war eine Kaserne der Sowjetsoldaten. Wir nannte diese „die Russenkaserne“. Öfters marschierten Soldaten in kleineren oder größeren Gruppen von dort, zur russischen Kommandantur.

Diese befand sich direkt neben unserer Maxim- Gorki- Oberschule.

Mich freute es, dass alle Soldaten eine Maschinenpistole dabei hatten, denn so konnten die uns vor dem Feind BRD und anderen feigen Kapitalistischen Staaten schützen.

Dieses wusste ich aus der Schule von unseren Lehrern. Auch das die Imperialisten, Getreide, Kaffee und andere Lebensmittel ins Meer schütten, nur um die Weltpreise zu erhöhen. Alles das machte man nur, um unserer DDR zu schaden. Boykotteure aus dem Westen wollten den Lebensstandard

unseres Sozialistischen Staates schädigen. Aber zum Glück hatten wir unseren großen Bruder, die UdSSR (Sowjetunion). Diese halfen uns mit Export-Gütern immer aus.

Von zu Hause aus, bis zur Schule hatte ich zu Fuß, ca. 5 Minuten zu gehen.

Die meisten Schüler kamen auch aus dem Stadtbezirk, wo auch ich wohnte. Manchmal bin ich mit einem Schulfreund durch die Wache bei der Kaserne gegangen und wir haben uns aus dem Russenmagazin „Bolschen“= Bonbons gekauft.

Die schmeckten besser, als die es in unseren sonstigen Geschäften gab.

Direkt neben unserem Schulhof war auch ein Süßigkeitsladen. Ein kleiner Krämerladen.

Und dort deckten wir uns in der Pause mit Gummischlangen, Lakritzstangen und Pfefferminzbruch ein. Es war recht billig. Wir mussten nichts in Packungen kaufen, sondern wir kriegten die Bonbons auch lose. Manchmal begegneten uns russische Schüler, diese trugen keine blauen, sondern rote Halstücher.

Für besondere Leistungen durften auch bei uns, manche Schüler ein

rotes Halstuch tragen. Wenn besondere Anlässe waren, wie bsp. am der Tag der Deutsch - Sowjetischen Freundschaft oder wenn der Lehrer sagte morgen

kommt ihr in Pionierkleidung, dann gingen wir in weißer Bluse mit dem Halstuch in die Schule.

Das war Pflicht. Sonst konnte man das Halstuch auch zur normalen Kleidung umbinden.

Ich band mir dieses die ersten Monate oft um. Ich war stolz wie Oskar, ein Pionier zu sein. Was alles hervorragende Pioniere in unserem Land machten, dieses durften wir öfters in Filmen sehen.

Von der Schule aus wurden Aktionen gestartet, um die armen Kinder in Afrika zu helfen. Viele Sammelaktionen von Papier, Schrott und Flaschen wurden durchgeführt.

Da machte ich auch oft mit. Ab und an aber sind wir in die Häuser und klingelten, um Gläser und Flaschen zu bekommen.

Den Erlös behielten wir manchmal für uns, denn wir wollten auch was haben.

Viele Kinder besserten auf diese Weise ihr Taschengeld auf. Manche Kinder kriegten von zu Hause kein Geld, weil die Familie immer knapp bei Kasse war.

Hungern musste in der Deutschen Demokratischen Republik aber niemand. Grundnahrungsmittel gab es genug und die waren bezahlbar.

1960 starb unser Präsident Wilhelm Pieck. Als Nachfolger kamen Otto Grotewohl und Walter Ulbricht.

 

Meine Mutter

Meine Mutter war bei der MVB = Magdeburger Verkehrsbetriebe beschäftigt.

Dort arbeitete sie als Straßenbahnschaffnerin. Wenn ich wusste auf welcher Strecke sie gerade unterwegs war, dann stieg ich an der Haltestelle bei ihr ein

und fuhr dort mit.

Ihr Mann, also mein Vater ist 1953 nach Westberlin abgehauen und kurz darauf gestorben.

Ich wollte irgendwann mal wissen wieso nach West-Berlin, wo doch in der Stadt die Kapitalisten, die Feinde unserer Republik wohnen.

Wenn Du etwas älter bist erzähle ich Dir darüber, sagte mir meine Mutter.

Meine Mutter war zum Zeitpunkt meiner Einschulung 31 Jahre alt. Wir wohnten in der Uhlandstraße im Hinterhaus.

Dort im ersten Stock hatten wir eine kleine 3 Zimmer- Wohnung. Etwa 70 qm groß.

Sie kostete im Monat 33 Mark an Miete. Einen Balkon hatten wir auch. Immerhin, ist schön gewesen im Sommer dort zu sitzen. Auch wenn die Aussicht nicht so gut war.

Der Blick war durch eine etwa 10 m hohe Mauer versperrt. Meine Oma lebte auch mit dort. Bis 1960 wohnte auch noch meine Tante Helga bei uns in der Wohnung. Helga war die Tochter von meiner Oma. Also von meiner Mutter die Schwerster. Nach der Hochzeit 1960 zog Tante Helga zu ihrem Mann

Hans-Jürgen Schulz nach Osterburg. Dieser Ort liegt in der Nähe von Stendal. Vorher hatte meine Tante auf den Magdeburger Bahnhof im Mitropa als Köchin gearbeitet. Wenn wir Kinder oder ich in der Gegend waren, dann besuchte ich sie, indem ich ans Küchenfenster dort klopfte.

Ich fragte dann ist Frau Helga Weger da? Dann bekam ich manchmal einige Pellkartoffeln von ihr, die ich als Wegzehrung vertilgte.

Also zu viert, denn ich hatte noch einen 4 Jahre älteren Bruder, wohnten wir

gemeinsam in der Wohnung. Weil ich keinen Vater hatte und deshalb meine

Mutter das Geld verdienen musste,

war ich oft mehr oder weniger ohne Aufsicht. Im Monat verdiente sie etwa 500 Mark. Als meine Schwester geboren war, waren wir 5 Personen zu Hause. Zwar bekam meine Oma ungefähr 380 Mark Rente, aber trotzdem mussten wir recht Sparsam leben.


Meine Mutter und ich gegenüber von unserer Schule

Einen Schwarz-Weiß Fernseher der ca.2000 Mark im Laden kostete, konnten wir uns noch nicht leisten. Als Kind natürlich ärgerlich, wenn man darauf verzichten musste. Immer konnte ich doch nicht bei Tante Trude wegen dem TV klingeln.

Meine Mutter arbeitete in 3 -Schichten. Ein Radio hatten wir aber und dort lief immer Schlagermusik. Streng erzogen wurde ich nicht. Ich durfte vieles tun und lassen, welches andere Kinder nicht durften. Nach der Schule wenn ich nach Hause kam und meine Mutter war arbeiten, dann fand ich im Bett am Fußende Teller mit Mittagessen. Das war normal und bei anderen Kinder deren Eltern arbeiteten genauso.

Als Kind konnte ich in dem Alter, außer Pudding noch nichts kochen.


Meine Mutter

Wir hatten uns eine Waschmaschine vor kurzem gekauft, aber diese funktionierte nicht richtig. Wasser musste man dort mit der Hand einschütten.

Einen richtigen Wasseranschluß die Waschmaschinen haben, hatten wir auch nicht. Aber es musste auch so gehen. Unsere Fenster waren nicht sehr dicht, denn das Holz der Rahmen war teilweise schon durchgefault.

Es wurde ja nichts getan, von Seiten der Stadt. Seit Jahren sollten wir neue Fenster bekommen, doch nichts tat sich. Ich war mir jedenfalls sicher, dass nur wieder der Feind, der Westen die Finger im Spiel hatte. Das imperialistische Ausland wird wohl das nötige dazu beitragen, um uns das Material nicht

zu liefern. Ein Nachbarsjunge erzählte mir dieses.

Auf unserem Boden unterm Dach spielten wir an Wintersonntagen. Dann wenn ich keine Lust hatte draußen rumzulaufen. Eine Eisenbahn mit Schienen hatte ich dort.

Und mit dem Fernrohr leuchteten wir die Gegend ab. Mit Indianer und Cowboy-Figuren und anderen Spielen beschäftigte ich mich auch.

Oder 1 -2 andere Kinder waren mit oben.

Meine Tante Helga hatte nun in eine Verhältnismäßig reiche Familie geheiratet. Ihr Mann bzw. dessen Eltern besaßen 2 Häuser ein Geschäft und eine Menge an Grundstücke. Natürlich auch Geld. Ein bis zwei Mal im Jahr schickte sie Pakete. Leider waren da immer nur Äpfel drinnen, welche massig in ihren Gärten standen. Manche hatten faule Stellen, weil es Fallobst war. Besser wie nichts, sagte meine Mutter beim öffnen des Paketes. Ihre Schwester

schickt ihr also Äpfelpakete. Dabei gab es Äpfel immer genug in den Geschäften. Wenn sie mal zu Besuch war, tat sie wunder wie großzügig sie sei. Tante Helga war 10 Jahre jünger als meine Mutter und ich wusste das ihr so manches als Kind in den Arsch gesteckt wurde. Aber so ist das, sagte meine Mutter, aus den Augen aus dem Sinn. Soll sie doch, wenn sie denkt sie wäre nun was Besseres. Da konnte ich meine Mutter voll verstehen. Wer eigentlich dieses Ego-Geiz-Gen vererbt hat in der Familie frage ich mich heute noch. Ich jedenfalls bekam es nicht.

An einem Ende unserer Straße, einer Spielstraße,da war ein HO-Lebensmittelladen. Und an der anderen Ecke befand sich ein Konsum-Gemüseladen.

Wir spielten mit der Kieselpeitsche. Indem man den Kiesel zwischen die Steinritzen steckte und von der Seite mit einer Schnur gegen den Holzkegel

Schlug, um diesem zum Drehen zu bringen. Es ging von einer Straßenseite zur anderen. Den Bordstein hoch oder von einer Häuserecke zur nächsten. Und wer dabei erster war, der gewann das Duell. Spielmöglichkeiten gab es viele. Anfang der 60er Jahre gab es im Osten noch viele Ruinen aus dem 2.Weltkrieg. Dort konnte man als Kind sich austoben. Diese Ruinen zu betreten, war eigentlich verboten. Aber gerade das Verbotene hinderte uns nicht daran,

dieses trotzdem zu tun.

Dort gingen wir praktisch auf Schatzsuche und manchmal fanden wir

dort im Keller auch Bücher aus der Nazizeit oder altes Geld. Das war zwar wertlos, doch für uns ein Schatz. Manchmal fanden wir Briefmarken mit Hakenkreuze drauf. Andere fanden sogar Waffen. Dieses musste man dann aber schnell der Polizei melden.

Durch unseren Ortsteil floss ein mehrere Kilometer langer Bach, der hieß „Schrote“.

Dieser war zwar nur 1 Meter breit aber dort konnte man spielend, sich sportlich betätigen, wenn man von einem zum anderen Ufer sprang.

Völkerball oder Federball spielten wir, wenn das Wetter gut war. Einen Luftroller, den manche Kinder hatten, besaß ich noch nicht. Wir hatten nicht so viel Geld, weil nur ein Elternteil bei uns arbeitete. Weil ich keinen Vater mehr hatte. Auch ein neues Fahrrad konnten wir nicht kaufen.

Aber ein gebrauchtes tat auch seine Dienste. Insgesamt gesehen vermisste ich aber nichts, denn es ging mir auch so recht gut. Langweilig war mir eigentlich recht selten, soweit ich mich erinnern kann.

Höchstens mal sonntags, wenn die meisten zu Hause blieben und die Straßen leer waren. Obwohl für uns Kinder in unserer Gegend viel los war, fuhren wir auch in andere Stadtteile, die einige Kilometerweit entfernt waren. Der Stadtpark, der hinter der Elbe lag, war eine Art Halbinsel zwischen der alten Elbe und der Neuen. Ein Erholungsgebiet, wo es Freilichtbühnen, einen See, Aussichtsturm, Stadthalle, Ruderausleihstation und ein Kulturhaus gab. Außerdem natürlich freie Grünflächen und Baumbestände, wo wir und andere Kinder sich austoben konnten. Eine Pioniereisenbahn befand sich dort auch, welche durch den Park fuhr. Mit der Straßenbahn kamen wir zu dem Park oder wir fuhren mit der Fähre über die Elbe und stiegen dort aus. Heute war gerade Fackelumzug an unserer Schule.

Es gab in unserem Stadtteil etwa 8 Schulen und in ganz Magdeburg ca. 30 Stück. Wir sind erst mal frühzeitig am Nachmittag in die Schule um Fackeln zu ergattern.

Als nun 9 Jähriger bekam ich ohne Begleitung eines erwachsenen keine Fackel ausgehändigt. Ich bettelte einem älteren Schüler eine Fackel ab.

Dann muss ich nachher mit meiner Mutter kommen, um vor dem Fackelumzug zusätzlich noch eine zu ergattern. Um 19 Uhr fing alles an. Davor hatte noch ein Lehrer geredet, der erzählte von der Schule, der Freien deutschen Jugend,

deutsch-sowjetischen Freundschaft und Frieden für alle Kinder in der Welt.

Unser Schulspielmannszug fing an zu spielen und alles setzte sich in Bewegung. Hinter der Kapelle liefen etwa 200 Schüler oder andere

Kinder mit Papier-Laternen. Die älteren Kinder liefen mit Fackeln hinterher.

Nach der Schule, wenn bei manch einem Kind keiner zu Hause war, fragte ich wegen Fernsehgucken. Wir sahen uns einfach Westfernsehen an, welches eigentlich nicht geschaut werden sollte. Laut der Schule und von Amtswegen, war es Tabu. Wir schauten Serien wie „Lassy“, am Fluss der blauen Berge, „Gilligans-Inseln“, Rauchende Colts oder mal ein Zeichentrickfilm von World Disneys an. Wir träumten uns in die Zeit des gesehenen hinein und schwebten unseren Gedanken nach. In der Realität kam ich zurück, wenn der Vater oder die Mutter des Kindes nach Hause kam. Die schimpften darüber, warum wir lieber Fernsehguckten, anstatt Schularbeiten zu machen.

Je nach strenge der jeweiligen Eltern, flog ich dann raus. Aber ich durfte bei einigen sogar noch Mittagessen. Ende der 50er bis Anfang der 60er Jahre, hatte man in der DDR noch selten einen Kühlschrank oder Fernseher. Ein Bad oder ein Auto, besaß so wieso kaum einer. Fast keiner hatte ein Telefon. Höchstens Beamte, Polizisten oder höherrangige Parteigenossen. Fernheizung, wo man nur die Wärme aufdrehen brauchte, gab es nur in Neubauten.

Diese Bewohnten aber nur die wenigsten Bürger. Nur Privilegierte durften dort einziehen. Als Kind war mir dieses egal. Rein in den Hinterhofgarten, dort über verschiedene Zäune klettern und schon stand ich in einer anderen Straße. Dort vom Gemüseladen für 10 Pfennig Sauerkraut gekauft und dann ging es gestärkt ins Abenteuer Spielen. Zum 1.Mai ließ man mich noch nicht zu dort bei der Parade in der Stadt mit marschieren.

Aber bei dem nächsten Umzug mit unserer Schulkapelle, durfte ich beim Fackelumzug mitmachen. Als jüngere Kinder die am Straßenrand uns zujubelten, da war ich mächtig stolz.

Wie ein kleiner Star fühlte ich mich mit meiner Trommel.

Noch war ich nicht perfekt im Musikverein. Ich musste, wenn das jeweilige Lied das wir spielten aufpassen, am Ende nicht einen Trommelschlag zu viel zu machen.

Als 1960 unser Präsident Wilhelm Pieck starb, übernahmen Otto Grotewohl und Walter Ulbricht zusammen die höchsten Partei und Staatsämter.

Beim Großvater

Heute war anfangs März, brachte mich meine Mutter zum Bus nach Ottersleben.Ich soll für 2 Tage zum Besuch zu meinen Opa. Ottersleben ist ein Dorf, etwa 7 Km bei Magdeburg gelegen. Nach einer halben Stunde Fahrt über holpriger Landstraße, komme ich dort an.

„Am Dorfteich“ heißt die Haltestelle wo ich raus muss. Kaum auf der Straße roch ich einen penetranten Geruch.

Als ob ich im Schweine oder im Kuhstall stehe. Das kann ja was werden,

wenn ich hier im Dorf 2 Tage verbringen muss.

Ungewohnt als Großstadtjunge diese Landluft genießen zu müssen. Also immer geradeaus und dann die Nummer 51a finden. Ein Bauer kommt mir mit 4 Kühen entgegen.

Er schimpft, weil die Tiere nicht so laufen wie er es gerne möchte. Die Kühe verlieren einige Kuhfladen. Hier möchte ich nicht Wohnen, in solch einem Kaff.

Einige Häuser weiter schaut eine Frau aus dem Fenster. Meine Stief-Oma? Ja das war sie, denn am Haus stand Nr.51a dran. Nach dem Händeschütteln sagte sie zu mir, Junge komm rein in die gute Stube. Mein Opa erwartete mich bereits. Es war Opas neue Frau also meine Stief-Großmutter. Meine Mutter warnte mich vor ihr, dass sie Falsch und Gemein sei.

Na ja, ich bin ja wegen meinem Opa hier und der war immer Nett.

Nun begrüßte ich meinen Opa der im Wohnzimmer auf dem Sofa lag. Später erwähnte ich zu meinem Opa, dass es letztes Mal nicht so gestunken hat hier im Dorf. Dieses hätte ich mal lieber nicht sagen sollen, denn mein Opa und besonders die Stief-Oma waren beleidigt. Auf dem Land rieche es nun mal anders als in der Stadt hörte ich die alte Reden. Die Hühner liefern Eier,

 

die Kühe die Milch und das Schwein das Fleisch.

Ohne dieses nützt die sauberste Stadt nichts. Am liebsten wäre ich wieder umgekehrt.

Ich sagte doch nur es riecht Dolle auf der Straße im Dorf, zumal der größte Schweinestall des Dorfes nur 2 Häuser weiter war.

Aber bald beruhigten die sich wieder. Es gibt gleich essen Jürgen, ich hoffe

Du bringst Hunger mit - sagte mein Opa. Ja Hunger habe ich immer, erwiderte ich.

Mein Pech war, das es Pellkartoffeln mit Quark gab, denn Quark aß ich nicht.

So aß ich nur die Kartoffeln mit einer Klappstulle = 2 Scheiben Brot und in der Mitte Wurst .

Wenn du große Ferien in der Schule hast, dann kannst Du ruhig mal für einige Tage zu uns kommen, sagte mir mein Opa. Ja mal sehen erwiderte ich. Doch solange wollte ich nicht herkommen. Falls ich nicht ins Ferienlager fahre, sagte ich noch schnell.

Ich musste mal aufs Klo und bin raus, über den Hof und dann stand dort ein kleines Häuschen. Welches das Plumpsklo war. Ein Brett zum drauf sitzen und dann ins Loch Reinmachen. Dort stank es auch. Zeitungspapier zum abwischen lag bereit. Auf dem Dorf hatten die alle solche Toiletten ohne Spülung.

Im Hof an der Pumpe konnte ich mir die Hände Waschen.

Dass es auf dem Klo gestunken hat, sagte ich aber nicht als ich wieder im Haus war. Jürgen weist Du noch? und zeigt auf meinen Hals wo kleine Narben noch zu sehen waren. Als Du 3 Jahre alt warst hast du Dich hier am Herd verbrüht. Du musst Dir eine Fußbank genommen haben und wolltest in den Topf gucken. Dort stand heißes Wasser drauf. Die Fußbank ist ins Kippeln gekommen und du hast dich an den Topf festgehalten.

Diesen Topf hast du mit runter gerissen und das Wasser auf Dich drauf.

Die Story hatte ich schon öfters gehört, aber ich konnte mich nicht mehr daran

erinnern. Das Gesicht war aber vom Wasser verschont wurden. Die Kuck-Kucks-Uhr schlug 4 X und der Vogel kam dabei aus dem Häuschen.

Als ich im Bett lag, nervte dieser Kuckuck-Kuckuck-Kuckuck immer wieder. Nachts um 12 Uhr schrie der Kuckuck 12-mal.

Am anderen Morgen erklärte mir meine Stief-Oma wo der Bäcker ist und schickte mich zum Brötchen holen.

Für die 50 Pfennig bekam ich 10 Brötchen. Meine Tante, die Schwester von meinem verstorbenen Vater, war auch anwesend. Die war recht Nett. Mein Opa der Anfang 50 war, meinte zu mir, heute kommst Du mit auf den Friedhof zu Deinen Ur-Groß -Eltern. Dort wo meine Eltern begraben sind, sagte Opa. Egal, so musste ich nicht immer im Haus sitzen, welches mir fremd war. Obwohl ich öfters schon zu Besuch war. Unterwegs ermahnte mich mein Opa dazu,

in der Schule ja fleißig zu sein und keinen Mist zu machen.

Nicht deinen Vater nachahmen und nichts mit der Polizei zu tun kriegen. Was mein Vater schlimmes damals verbrochen hat, das erzählte er mir aber nicht.

Vieleicht war ich noch zu klein um die Dinge zu verstehen. Denn mein Vater war nach Westberlin geflohen und somit für unseren Staat eigentlich ein Verbrecher und Vaterlandsverräter.

Auf dem Friedhof legten wir Blumen nieder, die wir aus dem Garten vorher gepflückt hatten. Dann auf dem Rückweg gingen wir gemütlich und guckten in Rinder und Schweineställe, die mir mein Opa unbedingt zeigen musste. Was willst du den mal werden wenn Du groß bist, fragte er mich. Ich antwortete Lokführer, Koch oder Polizist. Mein Opa der Maurermeister war, hörte dieses wohl nicht gerne. Er fragte mich und warum nicht Maurer? Vielleicht sagte ich, aber ich komme doch erst in die vierte Klasse im Herbst. Mittags waren wir wieder zurück. Heute Nachmittag fahre ich schon zurück, ich muss noch für die Schule lernen, log ich. Ich wollte morgen am Sontag nicht auch noch bleiben, weil ich es dort in Ottersleben nicht gut fand.

Wie Du willst, kannst ja in den Weihnachtsferien vorbeikommen und Dein

Geschenk abholen, hörte ich meinen Opa reden. In der Küche drückte mir die Oma ein 5-Markschein in die Hand und eine Tafel Westschokolade.

Wenn der Teich im Winter zugefroren ist, dann werde ich nächstem Mal meine Schlittschuhe mitbringen, sagte ich in der Stube. Heute am Sonnabend, gab es mittags Kassler mit Sauerkraut zum essen.

Nach dem Kaffeetrinken konnte ich endlich los. Ein Stück brachte mich der Opa noch Richtung Haltestelle. Vor dem verabschieden bekam ich noch einen 20 Markschein zugesteckt. Ab in den Bus und nach Hause.

Die Fahrt kostete 20 oder 25 Pfennig mit dem Bus.

Mit der Straßenbahn ging es dann nach Magdeburg-Mitte, wo ich dann umstieg in die Straßenbahn nach Stadtfeld. Von der Haltestelle aus, war ich in 1 Minute zu Hause.