Die Zeit Constantins des Großen

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Er hatte einen trefflichen Bruder, Quintillus, den der Senat aus Hochachtung für den Verstorbenen zum Kaiser ernannte. Aber auf dem Sterbebett hatte Claudius selbst vor den versammelten Generälen Zonaras XII, 26. den Aurelian zu seinem Nachfolger designiert, und das Heer hatte ihn sofort anerkannt. Dass Quintillus sich nun alsbald die Adern öffnete, war jenen Zeiten nicht mehr als gemäss.

Aurelian, aus der Gegend von Belgrad gebürtig, erscheint uns zwar um einen Grad barbarischer als sein Vorgänger Seine Vergnügungen Hist. Aug., Aurel. 50. Seine gemeine Äusserung über Zenobia ib., Firmus 5. Nach Malalas, B. XII hatte er sie auch gemein behandelt., in den wesentlichen Dingen aber des Throns kaum minder würdig. In einem glänzenden Feldzug (272) unterwarf er Zenobia und den Orient, was den Ruf seiner Unwiderstehlichkeit sogleich wunderbar steigerte. Marcellinus, der Statthalter Mesopotamiens, von einem Teile des Heeres zur Usurpation angeregt, machte selber Anzeige bei ihm; den Antiochus, welchen die sinnlosen Palmyrener erhoben, liess Aurelian laufen, nachdem er jene bestraft; den reichen Firmus, Prätendenten Ägyptens, dagegen befahl er als einen Räuber ans Kreuz zu schlagen, wahrscheinlich nur, um nach der Möglichkeit die tiefe, traditionelle Verachtung des Römers gegen den ägyptischen Volkscharakter an den Tag zu legen. Dem Tetricus endlich, welcher sich von seiner falschen Stellung zu den Soldaten unerträglich gedrückt fühlte und in der Schlacht bei Chalons (272) sein eigenes Heer verriet, gab Aurelian ein einträgliches Amt. Rechnet man zu diesen Kämpfen um Herstellung des Reiches noch fortdauernde siegreiche Barbarenkriege, so lässt sich leicht erraten, welche unvergleichliche Kriegsschule die Regierungszeit Aurelians gewährte; die bedeutendsten seiner Nachfolger auf dem Throne haben sich unter ihm und Probus gebildet.

In weit ungünstigerm Lichte erscheint sein Verhältnis zum Senat, welches uns etwa wie dasjenige des Septimius Severus geschildert wird. Verschwörungen und Unruhen aller Art in der Hauptstadt lässt der Kaiser auch den Senat entgelten, von dessen Mitgliedern mehrere sogar hingerichtet werden Die beschränkteste und vielleicht richtigste Angabe s. bei Zosim. I, 49.. Von welcher Seite man auch die kümmerlichen Aufzeichnungen jener Zeit betrachtet, sie genügen nirgends zu einem sichern Resultat, und wir können nicht sagen, ob Aurelian die eiserne Disziplin des Lagers auch auf das bürgerliche Leben auszudehnen strebte, oder ob der Senat die Zeiten verkannte und mit dem Wiedereroberer des Reiches bei der Beherrschung desselben konkurrieren wollte. Dass Aurelian nicht persönlich grausam war und das Blutvergiessen gerne vermied, beweisen entscheidende Züge aus seinem Leben; auch nannte man ihn nicht den »Mörder«, sondern nur den »Pädagogen des Senates«. Es gehört aber schon eine starke Seele dazu, um in Lagen wie die seinige sich nicht verdüstern zu lassen durch Menschenverachtung und nicht blutgierig zu werden aus eitel Feigheit und Bequemlichkeit. Es scheint schon nichts Leichtes, sich in die Stellung eines jener Imperatoren hineinzudenken; ganz unmöglich aber ist es zu sagen, wie sich auch der gutmütigste Mensch darin auf die Länge benehmen würde. – Von dem Sonnenkultus Aurelians, der vorwiegenden Soldatenreligion dieser letzten heidnischen Zeiten, wird weiterhin die Rede sein müssen.

Auf einem Feldzuge gegen die Perser wurde Aurelian durch Verschworene aus seiner nächsten Umgebung unweit Byzanz ermordet. Man darf annehmen, dass höchstens einer der angesehenem Generale, Mucapor, bei der Tat beteiligt war; die übrigen waren Leute von der Garde, welchen ein kompromittierter Geheimschreiber, der Bestrafung zu erwarten hatte, durch eine falsche Unterschrift bange zu machen wusste.

Darauf vereinigen sich die Generale zu folgendem Schreiben an den Senat: »Die glücklichen und tapfern Heere an den Senat und das Volk von Rom. Unser Kaiser Aurelian ist durch Arglist eines Mannes und durch Täuschung Guter und Böser ermordet worden. Ehrwürdige und gebietende Väter! Erhebt ihn unter die Götter und sendet uns einen Kaiser aus Eurer Mitte, einen, den Ihr für würdig haltet. Denn wir wollen nicht leiden, dass jemand von denjenigen, welche geirrt oder wissentlich Böses getan haben, über uns gebiete.«

Dieser Brief macht allen Beteiligten Ehre, dem so schön gerechtfertigten Aurelian wie dem Senat und den Armeen, in deren Namen hier offenbar wieder die Feldherrn eine Transaktion eingegangen sind Die Ansicht der Hist. Aug., Tac. 2, als hätte die Armee selbst, gegen den Willen der Generale, so gehandelt, verdient kaum eine Widerlegung.. Von einer blossen schönen Aufwallung ist unter Männern, welche dem Verstorbenen hatten die Welt unterwerfen helfen, nicht die Rede.

Der Senat aber, dessen altgeheiligtes Ansehen hier so über alle Erwartung glänzend anerkannt wurde, wies diese Ehre zurück. Nach Soldatenregierungen, wie die letztvergangenen hatten sein müssen, war die Ernennung eines Kaisers durch den Senat absolut misslich; ausserdem mochte man in Rom berechnen, dass binnen der zwei Monate, welche mit der Überbringung der Anfrage und der Antwort verstreichen konnten, die Stimmung der orientalischen Armee sich von selbst oder durch Intrigen verändert haben dürfte. Allein nun blieb auch das Heer bei seinem Entschlusse; dreimal schrieb man hin und her, bis sich endlich der Senat zur Wahl entschloss. Während dieses halben Jahres blieben alle hohen Beamten an ihren Plätzen; keine Armee wagte der orientalischen zuvorzukommen; auf eine ganz aussergewöhnliche Weise hielt Furcht oder Achtung die bestehenden Gewalten gegenseitig in der Schwebe.

Wenn uns nach anderthalb Jahrtausenden, bei so höchst mangelhafter Kenntnis der Akten, ein Urteil gestattet wäre, so müssten wir es zwar billigen, dass der Senat jetzt endlich den Kaiser ernannte, er hätte aber einen der berühmtern, am Morde unbeteiligten Generale, wie zum Beispiel Probus, dazu wählen müssen. Statt dessen erhob man einen alten, ehrwürdigen, auch kriegskundigen Senator, Tacitus, und überliess sich dem vollen Ausbruch der Freude über das konstitutionelle Meisterstück. In alle Provinzen ergingen Jubelbriefe darüber, dass der Senat sein altes Recht der Imperatorenwahl wieder besitze; dass er inskünftige Gesetze geben, die Huldigungen von Barbarenfürsten empfangen, über Krieg und Frieden entscheiden werde; die Senatoren schlachteten weisse Opfertiere, gingen in weisser Toga einher und eröffneten in den Hallen ihrer Paläste die Schränke mit den imagines ihrer Vorfahren – während Tacitus selber sein Leben im stillen verloren gab, sein kolossales Vermögen an den Staat schenkte und zur Armee abging. Der Senat hatte ihm die Ernennung seines Bruders Florian zum Konsul aus einer damals rein reglementarischen Grille keck verweigert, und dies Zeichen eines erneuten konstitutionellen Bewusstseins soll den Kaiser sogar gefreut haben, was wir auf sich beruhen lassen.

Im Orient kämpfte Tacitus mit Glück gegen Goten und Alanen. Aber eine Faktion von Offizieren, verstärkt durch die bedrohten Mörder Aurelians, ermordeten zuerst den strengen Verwandten des Kaisers, Maximin, Kommandanten von Syrien, und dann aus Furcht vor der Strafe auch den Kaiser selbst im Lande Pontus. Sein Bruder Florian beging die Unvorsichtigkeit, sich ohne Zutun weder des Senates noch des Heeres in Tarsus als Reichsnachfolger geltend zu machen, gleich als wäre das Reich erblich, in welchem Falle doch immer die Söhne des Tacitus einen natürlichen Vorrang vor ihm gehabt hätten. Nach wenigen Wochen töteten die Soldaten auch ihn.

Inzwischen war bereits durch reine Soldatenwahl Hist. Aug., Prob. 10. Die Wahl geschah auf freiem Felde, unter Zureden der Offiziere, welche bei den einzelnen Kompanien herumgingen. – Die Teilnahme des Probus am Untergang Florians ist weder zu bezweifeln noch klar zu ermitteln. Laut Zosim. I, 64 könnte man glauben, Probus habe bloss dessen Absetzung gewollt. der gewaltige Probus auf den Thron erhoben worden, ein Landsmann Aurelians, und von diesem wenigstens ahnungsweise zum Nachfolger designiert. Der Senat erkannte ihn ohne Widerrede an, und Probus hatte den Takt, die gewiss etwas gedrückte Stimmung der Väter durch Erteilung einiger Ehrenrechte zu versöhnen. Die Mörder des Aurelian und Tacitus liess er vor sich bringen und unter Bezeigung seiner Verachtung töten. Den Soldaten hatte er gleich bei der Wahl gesagt, sie würden in ihm keinen Schmeichler finden, und nun hielt er sein Wort. Unter harter Disziplin führte er sie zu jenen ungeheuern Siegen, welche Gallien von Germanen säuberten und 400 000 Barbaren das Leben kosteten. Wenn damit doch nicht mehr als die Erhaltung des Statusquo erreicht wurde, wenn die Grundbedingung aller Sicherheit Roms, die Unterwerfung ganz Germaniens, trotz der klaren Einsicht des Probus unerfüllt blieb, so ist dies am allerwenigsten seine Schuld. Vom Rhein und Neckar zieht er dann nach dem Orient, und seine Generale siegen im fernen Südosten. Dass Usurpatoren gegen ihn aufstanden (Saturnin, Proculus, Bonosus), kam nicht von dem Unwillen der gemeinen Soldaten gegen seine Strenge, sondern von dem verzweifelten Mutwillen der Ägypter, der Furcht der Lyoner und ihrer Partei vor einer kaiserlichen Strafe und der Angst eines Trunkenboldes wegen schwerer Nachlässigkeit im Grenzdienste. Die Herrlichkeit war jedesmal von kurzer Dauer.

Der grosse Fürst aber, den man für einen ausschliesslichen Soldatenkaiser halten sollte, hegte ein Ideal ganz anderer Art; er wollte es dahin bringen und machte kein Hehl aus diesem Gedanken, dass nach gänzlicher Besiegung oder Schwächung der barbarischen Völker der römische Staat keiner Soldaten mehr bedürfen, dass ein Zeitalter des Friedens und der Erholung heranbrechen sollte. Die sehnsüchtige Ausmalung dieses saturnischen Jahrhunderts mag man in der Historia Augusta Prob. 20 und 23. nachsehen; genug, dass solche Reden selbst bis zu den Soldaten durchdrangen, welche bereits unwillig darüber waren, dass der Kaiser sie auch ausserhalb des Krieges durch Anlegung von Weinbergen, Kanälen und Strassen beschäftigte. In seiner Heimat, beim Kanalbau von Sirmium, töteten sie ihn, wahrscheinlich ohne Prämeditation Vgl. hiegegen Ioh. Antiochenus, Fragm. 160, wonach Carus mit einer Empörung begonnen hätte., mit baldiger Reue. Seine Familie, wie die mehrerer gestürzten Kaiser, verliess Rom, um sich in Oberitalien anzusiedeln.

 

An den Senat dachte die Armee diesmal nicht; dass übrigens auch jetzt die höhern Offiziere allein wählten oder wenigstens die Wahl leiteten, möchte man daraus schliessen, dass ein furchtbar strenger Alter, der Illyrier Carus, mit dem Purpur bekleidet wurde. Zur Vollendung des sarmatischen, zur Wiederaufnahme des persischen Krieges brach er sogleich samt seinem jüngern, bessern Sohne Numerianus auf; den Wüstling Carinus machte er zum Mitregenten und gab ihm den Oberbefehl gegen die Germanen; doch soll er dieses bereut und die Ersetzung des ungeratenen Sohnes durch den tüchtigen und edeln Constantius Chlorus (den Vater Constantins) beabsichtigt haben; eine merkwürdige Emanzipation von dynastischen Gedanken, wenn sie nur besser bewiesen wäre Auf die Missetaten des Carinus in Rom bezieht sich wahrscheinlich die Klage in der V. (I.) Ekloge des Calpurnius Siculus, V. 60 ff., über Gefangenschaft und Hinrichtung vieler Senatoren und gänzliche Entwertung des Konsulates. Auch hier sehen wir in einen Abgrund hinein, ohne ihn erhellen zu können. In der letzten Ekloge wird Carin wieder vergöttert. Von einer grossen Hungersnot und von einer Brandstiftung durch die öffentlichen Arbeiter, welche die Gegend zwischen Palatin und Kapitol verheerte, wird nur mit einem Worte berichtet. Vgl. Mommsens Ausg. des Chronographen vom J. 354 in den Abh. d. K. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch., Bd. I, S. 648..

Im Orient starben Carus und bald darauf auch Numerianus (284) unter geheimnisvollen Umständen, der letztere durch Arglist des Gardepräfekten Aper, welcher unter den Generalen der grossen Schule Hist. Aug., Prob. 22 wird dieselbe namentlich aufgezählt. nicht mit aufgezählt wird und wahrscheinlich zu einer erfolgreichen Usurpation keine weitern Mittel als seine Keckheit besass Ein Rätsel bleibt es immerhin, wie Aper den Caesar zu seinem Schwiegersohn machen und dann gleichwohl aufopfern mochte.. Als man den Tod des Caesars inne wurde, verlor Aper, wie es scheint, die Fassung und liess sich bemeistern und vor ein Kriegsgericht in Gegenwart des ganzen Heeres stellen. Nachdem hier »durch Wahl der Generale und Offiziere« einer der bedeutendsten Feldherrn, Diocletian, zum Kaiser proklamiert worden war, stürzte dieser auf den noch unverhört am Fusse des Tribunals harrenden Aper los und durchbohrte ihn. Man würde wohl mit Unrecht dem Diocletian deshalb Mitwissenschaft an Apers Verbrechen beilegen; die einfache Erklärung der auffallenden Tat liegt darin, dass einst eine Druidin in Gallien dem Diocletian das Kaisertum geweissagt hatte, wenn er einen Eber (aper) erlegen würde. Auf allen Jagden hatte er seitdem Ebern nachgestellt; jetzt riss ihn die Ungeduld hin, weil er den rechten vor sich sah.

Es blieb noch übrig, mit Carinus um die Weltherrschaft zu streiten. Derselbe war keineswegs ohne kriegerische Begabung; einen Usurpator Iulianus scheint er unterwegs in Oberitalien (285) mit Leichtigkeit überwunden zu haben; der Krieg mit Diocletian zog sich ein halbes Jahr hin, und selbst in der Schlacht bei Margus (unweit Semendria), welche gewöhnlich als die entscheidende gilt, siegte vielleicht Carinus. Aber persönliche Feindschaft, die er sich durch seine Ausschweifungen zugezogen, kostete ihm das Leben. Dass Diocletian nun sofort von beiden Heeren anerkannt wurde, niemanden absetzte noch des Vermögens beraubte und selbst den Gardepräfekten Aristobul in seinem Amte liess, könnte man auf vorhergegangene Einverständnisse im Heere Carins beziehen, doch wollen wir es eher mit dem ältern Aurelius Victor der besondern Milde und der höhern Einsicht des neuen Kaisers und seiner Umgebung zuschreiben. Den Tod Carins selber hatte er laut seiner Beteurung nicht aus Ehrgeiz gewünscht, sondern aus Mitleid für das gemeine Wesen. Wer sonst mit so unerhörter Schonung verfuhr, dem darf man auch dieses glauben.

Diocletian Das System seiner Adoptionen Seine Regierung
Zweiter Abschnitt

Die Vorbedeutungen waren erfüllt, und die Orakel hatten recht behalten, als der Sohn dalmatinischer Sklaven, die dem römischen Senator Anulinus gehört hatten, etwa neununddreissigjährig den Thron der Welt bestieg. Von ihrer Heimat, dem kleinen Dioclea unweit Cattaro, hatten Mutter und Sohn ihren Namen erhalten; nur nannte sich jetzt Diokles, »der Zeusberühmte«, den Römern zuliebe mit vollerer Endung Diocletianus Der Name bei Orelli, Insc. Lat.sel., nr. 1052: Gaius Aurelius Valerius Diocletianus. – Er war schon Statthalter von Moesia gewesen, auch einmal consul suffectus, und hatte den Carus in der hohen Stellung eines comes domesticorum in den Orient begleitet. – Vgl. Theodor Preuss, Kaiser Diocletian und seine Zeit (Leipzig 1869), S. 19 ff. Wir werden uns auf diese treffliche Monographie noch oft beziehen., ohne deshalb die Beziehung auf den höchsten der Götter aufzugeben, an welchen auch sein neuer lateinischer Beiname, Iovius, erinnert.

Von seinen Kriegstaten, seiner Regierung und seinem so sehr bestrittenen Charakter wird weiterhin die Rede sein müssen; uns beschäftigt zunächst die ganz eigentümliche«Weise, in welcher er seine Kaisergewalt auffasst und zu sichern, zu teilen, zu vererben sucht.

Die letzten Kaiser waren zum Teil durch gewaltsamen Tod an jeder Verfügung über die Krone verhindert worden, zum Teil hatten sie wissentlich den Generalen die Entscheidung überlassen; dass endlich Carus ohne weiteres seine Söhne als Reichserben aufgestellt hatte, war vielleicht einer der entscheidenden Gründe ihres Unterganges gewesen. Diocletian, der von seiner Gemahlin Prisca, wie es scheint, nur eine Tochter, Valeria, hatte, musste natürlich auf einen andern Ausweg denken. Vielleicht hätte er bei ruhigem Zustande des Reiches jede Entscheidung verschoben, allein die heftigsten Stürme drängten von aussen heran, und im Innern war seit Carus alles voller Usurpatoren, die eigene Regierung Diocletians im Grunde nicht ausgenommen, wenn sie auch die Anerkennung des Senates erhalten haben mochte. Wie war hier zu helfen?

Was Diocletian tat, verrät einerseits einen hohen, durchdringenden Geist, andererseits aber erscheint es sonderbar und rätselhaft.

Die Erfahrung des letzten Jahrzehntes hatte gezeigt, dass auch die tüchtigsten Regenten, die Retter des Reiches, dem gemeinen verräterischen Mord und dem Soldatenaufruhr unterliegen mussten. Die grossen Generale, aus welchen ihre Umgebung bestand, konnten es nicht hindern, und einzelne wollten auch wohl nicht, weil ihr Ehrgeiz, wenn auch mit Schaudern, auf den Thron hinblickte. Auf die Länge wäre unausbleiblich ein Zustand wie zur Zeit des Gallienus und der Dreissig Tyrannen wieder eingetreten, wozu es im Jahre 285 schon allen Anschein hatte, und das Reich wäre von neuem in Stücke gegangen, vielleicht auf immer. Diocletian ergriff das wahre Gegenmittel; er umgab sich mit Nachfolgern und Mitregenten. Damit war der Usurpation des Ehrgeizes Ziel und Zweck verrückt, dem Lageraufruhr der Erfolg sehr erschwert. Denn wenn bloss einer der Kaiser oder Caesaren fiel, wenn es nicht gelang, an einem Tag die zwei oder vier Herrscher etwa in Nikomedien, Alexandrien, Mailand und Trier zugleich aufzuheben und zu ermorden, so gab es für die vereinzelte Gewalttat unfehlbar einen oder mehrere Rächer; alle Guten wussten sofort, an wen sie sich anzuschliessen hatten, und brauchten sich nicht mehr in besinnungslosem Schrecken der ersten besten Soldatenwahl in die Arme zu werfen. Der zweite sehr grosse Vorzug von Diocletians Massregel war die Teilung der Reichsarbeit, die nun mit Ruhe und Besinnung, nach festen gemeinsamen Planen unternommen und im Ganzen glorreich durchgeführt werden konnte.

Rätselhaft aber kömmt uns das künstliche System dieser Adoptionen vor. Der einfachste Ausweg, obenhin betrachtet, wäre es offenbar gewesen, wenn Diocletian eine begabte Familie von mehrern Brüdern adoptiert und in die Provinzen und Regierungsaufgaben verteilt hätte. Was dem Hause des Carus zum Teil durch Schuld Carins misslungen war, konnte jetzt viel eher gelingen, nämlich der Übergang aus dem wechselvollen Caesarismus Ich wüsste nicht, weshalb die Wissenschaft gegen diesen von Romieu aufgebrachten Ausdruck sich spröde erweisen sollte, indem derselbe eine ganz bestimmte Sache sehr gut bezeichnet. in eine erbliche Dynastie, auf welche am Ende jede monarchische Herrschaft mit Notwendigkeit hindrängt. Oder fürchtete er, selber von einer auf diese Weise erhobenen Familie beiseite geschoben zu werden? Ein so imposanter Mensch lässt sich nicht ohne weiteres beseitigen. Mochte er den Banden des Blutes in dieser zerfallenen Zeit keine sittliche Wirkung mehr zutrauen? Er selbst hat nachher die Caesaren zu Schwiegersöhnen der Imperatoren gemacht. Musste er möglichst viele Ehrgeizige durch die Adoption oder die Hoffnung darauf zu befriedigen suchen? Er wusste besser als sonst jemand, dass man gerade die Gefährlichsten nie zufriedenstellt, auch lag es gar nicht in seinem Wesen, sich sonderlich um aller Welt Zufriedenheit und Beistimmung zu bemühen. Fasst man aber die einzelnen Tatsachen und ihre nachweisbaren oder vermutlichen Motive näher ins Auge, so lässt die lückenhafte Überlieferung zwar manches unerklärt, doch leitet sie vielleicht im ganzen auf die richtige Spur.

Angesichts des gallischen Bauernkrieges erhebt Diocletian noch im Jahr 285 seinen Kriegsgenossen Maximian zum Caesar und im folgenden Jahre zum Augustus Über den Gebrauch dieser beiden Titel vgl. die Untersuchung bei Preuss, a. a. O., S. 174 ff.; das Verhältnis der Adoption drückt sich schon in dessen Beinamen Herculius aus, der vom Sohne des Zeus entlehnt ist. Nachdem beide sechs Jahre lang rastlos gegen Barbaren, empörte Provinzen und Usurpatoren an allen Enden des Reiches gekämpft, ohne dasselbe unter sich förmlich geteilt zu haben, erheben sie (292) zu Caesaren die Feldherrn Galerius und Constantius Chlorus, wobei es ausdrücklich von Diocletian ausgesprochen wird, »es sollten fortan immer zwei Grössere im Staat sein, als Herrscher, und zwei Geringere, als Helfer« De mortibus persecutorum 18.. Maximians Sohn, Maxentius, wird ohne Umstände übergangen Der Lobredner Mamertinus hatte noch im nämlichen Jahre (Panegyr. III, 14) auf denselben als vermutlichen Thronfolger hingedeutet., dafür aber ein neues, künstliches Band der Pietät geknüpft, indem die Caesaren die Töchter der Imperatoren heiraten müssen, Galerius die Valeria, Constantius die Theodora, letztere strenge genommen nur die Stieftochter Maximians Ob die frühern Frauen, welche sie verstiessen, gesetzlich angetraute Gemahlinnen waren, bleibt bei derjenigen des Galerius unentschieden; die Helena des Constantius war offenbar eine blosse Beischläferin.. Die Caesaren waren in der Schule des Aurelian und Probus gebildet, Constantius von hoher Geburt und mütterlicherseits der Grossneffe des Claudius Gothicus; Galerius dagegen ein riesiger Hirtensohn, der nur um so lieber sich verlauten liess, dass seine Mutter von einem göttlichen Wesen in Schlangengestalt oder gar wie Rhea Silvia von Mars geschwängert worden. Jetzt gab es vier Höfe, Verwaltungen und Armeen; über Gallien und Britannien waltete Constantius, über den Donaulanden nebst Griechenland Galerius, dem Maximian waren Italien, Spanien und Afrika, dem Stifter ihrer Macht endlich Thracien, Asien und Ägypten vorbehalten. Über zwölf Jahre dauerte unter so verschiedenen und zum Teil so rohen Menschen die merkwürdigste Eintracht »Der harmonische Vierklang«, sagt Julian in den Caesares. – Auf den Münzen wird diese Concordia beständig gerühmt. – Über Persönlichkeit und Herkommen der beiden Caesaren umständlich Preuss, a. a. O., S. 48 ff., die vollends unerklärlich wird, wenn man sieht, wie der eine in den Gebieten des andern mitregiert und Heere anführt, und wie wenig Diocletian zum Beispiel den leidenschaftlichen Galerius in Gegenwart ganzer Heere schont. Was von ihm kömmt, die schwierigsten Kriegspläne, die bedenklichsten Befehle, alles wird mit kindlicher Unterwürfigkeit vollzogen; keinen Augenblick wird daran gezweifelt, dass er die Seele des Ganzen ist. »Sie sahen empor zu ihm«, sagt Aurelius Victor, »wie zu einem Vater oder höchsten Gott; wie viel dies aber heissen will, wird erst klar, wenn man all den Familienmord von Romulus bis auf unsere Tage daneben hält.«

Die wahre Feuerprobe des Gehorsams bestand in der Folge der Mitkaiser Maximian, als Diocletian, nach zwanzigjähriger Doppelregierung, ihn zu der schon längst abgeredeten gemeinschaftlichen Abdankung nötigte (305). Maximian fügte sich Panegyr. VI (Max. et Const. M.), 9: consilii olim inter vos placiti constantia et pietate fraterna., obwohl mit grossem Widerwillen; er liess es geduldig geschehen, dass auch diesmal bei der Ernennung zweier neuer Caesaren (an der Stelle der zu Kaisern beförderten Galerius und Constantius) sein Sohn Maxentius übergangen wurde, und dass er selbst, der alte Sieger über Bagauden, Germanen und Mauren, bei der Caesarenwahl gar nichts zu sagen hatte; Diocletian hatte dieselbe ausschliesslich seinem Adoptivsohn Galerius vorbehalten In dem einzigen analogen Fall früherer Zeiten liegt gerade hier eine Verschiedenheit; Hadrian adoptiert den Antonin unter der Bedingung, dass dieser den Lucius Verus und den Marc Aurel adoptiere; Diocletian dagegen lässt dem künftigen Oberkaiser freie Hand., welcher einen getreuen Offizier, Severus, zum Caesar des Westens und seinen Neffen, Maximinus Daza, zum Caesar des Ostens erhob. Dem Constantius Chlorus ging es ähnlich wie dem Maximian; obwohl zur Kaiserwürde avanciert, musste er sich statt eines seiner Söhne den Severus als eventuellen Caesar gefallen lassen, wobei die christlichen Autoren Orosius VII, 25. – Auch bei Eutrop. X, 1 liegt ein Missverständnis zugrunde. ganz unnützerweise seine bescheidene Mässigung rühmen.

 

In einer nicht viel später verfassten Schrift De mortibus persecutorum. Früher glaubte ich nicht, dass die Schrift von Lactantius sei, schliesse mich aber jetzt den vielen und überzeugenden Gründen an, welche Ebert (in den Berichten der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1870) für dessen Urheberschaft geltend gemacht hat. werden die persönlichen Beweggründe dieser Staatsaktionen dramatisch ausgesponnen. Schon Gibbon erkannte, dass wir hier keine reine Geschichte, sondern die Erzählung eines erbitterten Feindes vor uns haben, der namentlich darin irregeht, dass er die abdankenden alten Imperatoren durch Galerius terrorisiert darstellt. Ein höchst merkwürdiger Zug aber Cap. 20. – Die sonstigen, erst auf eine vielleicht ferne Zukunft gehenden Absichten, welche der Autor hier bei Galerius schon im Jahre 305 vorauserraten will, sind wohl blosse Fiktionen. ist wohl nicht ersonnen: es wird dem Galerius die Absicht beigelegt, einst nach zwanzigjähriger Herrschaft, wenn die Thronfolge auf lange hinaus geordnet sein würde, abzudanken, gleich Diocletian. Der Autor hält dies für einen freiwilligen Entschluss, den er bei seinem glühenden Hasse gegen Galerius wahrscheinlich nur ungerne berichtet; wenn uns aber nicht alles trügt, so haben wir es hier mit einem vorgeschriebenen und sehr wesentlichen Hauptgesetz des diocletanischen Systems zu tun, welches die Zeitgenossen nur stückweise erraten haben. Diese Festsetzung einer zwanzigjährigen Dauer des Herrscheramtes bildet den Schlußstein und Regulator des Ganzen. Sie sollte den Adoptionen und Thronfolgen den Stempel des Unabwendbaren, Notwendigen aufdrücken.

Gleich im folgenden Jahre (306) wird freilich dies ganze System durchbrochen und unheilbar gestört durch die Usurpation der beseitigt geglaubten Kaisersöhne: Constantin (der Grosse) erbt mit Hilfe der Soldaten die Herrschaft seines Vaters, Maxentius reisst Italien an sich, und auch der alte Maximian verlässt den Sitz widerwilliger Ruhe, um sich seinem Sohne beizugesellen. Diocletian aber, dessen geweihte Reichsordnung durch diesen Einbruch des Erbrechtes zernichtet war, musste mit ihr das Reich selber dem Untergang Laut Aur. Vict., Caes. erwartete er: intestinas clades et quasi fragorem guendam status Romani. verfallen glauben; tiefe Bekümmernis erfüllte ohne Zweifel seine letzten Jahre, die er krank und lebensmüde in der Heimat, in den Hallen seines lagerähnlichen Palastes zu Spalatro, zubrachte.

In der Tat, jenes sein Ideal von Reichsordnung war wunderlich und auffallend gewesen. Und bei den möglichen Konsequenzen von Generalsregierungen, wie die der damaligen Imperatoren waren, darf man auch auf Wunderliches gefasst sein; wissen wir doch nicht, was für Erfahrungen unser spätes Europa für unsre Nachkommen in Bereitschaft halten mag. – Ein doppeltes zwanzigjähriges Kaisertum mit einbedungener Abdankung; die Caesarenernennung ausschliesslich dem altern Imperator überlassen; die einzelnen Regenten (und wären sie auch Helden der Entsagung gewesen) beständig gereizt und verletzt durch den Ausschluss ihrer Söhne – alles, um eine künstliche Dynastie zu bilden. Mag es zugestanden werden, dass um der Reichsverteidigung willen eine Teilung der Gewalt durchaus nötig war, und dass es die Usurpation von aussen unendlich schwerer hatte, gegen vier Regenten aufzukommen als gegen einen; aber wie wollte man sie verhindern in den Kaiserhäusern selbst? Anderer Umstände nicht zu gedenken, mit welchen uns Diocletian lauter Rätsel aufgibt.

Mit politischen und psychologischen Motiven allein reicht man hier nicht aus. Die Ergänzung liegt in der Annahme einer durchgehenden, alle diese Verhältnisse beherrschenden religiösen Superstition.

Es wurde schon erwähnt, welche Stelle die Vorbedeutungen und Weissagungen im Leben Diocletians einnahmen Aurel. Vict., Caes. – Euseb., Vita Const. II, 51. –Zosim. II, 10. – De mort. pers. 10. 18. 19. – Sind etwa die Geschichtsschreiber der Historia Augusta, welche ihm ihre Biographien widmeten, um seines persönlichen Geschmackes willen so fleissig in der Aufzeichnung der Omina?. Er heisst »ein Forscher künftiger Dinge«, »den heiligen Bräuchen stets zugewandt«; wir finden ihn von Priestern umgeben als eifrigen Opferer in den Eingeweiden der Tiere wühlend, voll von Sorgen wegen ominöser Blitze Const. M., Orat. ad sanctor. coetum, c. 25 ist ohne Zweifel so zu deuten.. Selbst in Eigennamen sucht er Vorbedeutungen auf; Galerius muss sich Maximianus nennen, um dadurch zu der bewährten Treue des alten Maximian magisch gezwungen und verbunden zu sein, und auch der junge Daza erhält später ebendeshalb den ähnlichen Namen Maximinus. Wahrscheinlich suchte der Kaiser in einen ganz besondern Rapport zu seinem Namensgotte Juppiter zu gelangen, der zum Beispiel auf der Rückseite seiner Münzen auffallend oft wiederkehrt. Unter einem Pfeiler mit der Zeusstatue auf dem freien Felde bei Nikomedien geschah in der Folge auch die Abdikation, und noch im Palast zu Spalatro zieht der achteckige Juppitertempel vor allem den Blick auf sich. – Auch in den öffentlichen Akten Codex Gregorian. V, 1 und XIV, 4. erkennen wir eine auffallende religiöse Tendenz; der Eingang des Ehegesetzes vom Jahr 295 lautet wie eine Predigt, und das Gesetz gegen die Manichäer vom Jahr 296 atmet einen ganz persönlichen Eifer.

Die Mitregenten sind fast sämtlich ebenfalls für ihre Superstitionen bekannt, ohne welche überdies ihr langer Gehorsam kaum erklärlich wäre. Sie mochten wissen, dass sie schon ihre Erhebung derartigen Erwägungen verdankten. Welche befremdliche, für uns ganz unbegreifliche Sorgen gingen den Adoptionen Diocletians voran! Da erscheint ihm zum Beispiel im Traume eine Gestalt, welche ihn beharrlich damit belästigt, er solle einen gewissen Mann zum Nachfolger wählen, dessen Name ihm genannt wird. Er vermutet, es sei ihm ein Zauber angetan, lässt endlich eines Tages den Betreffenden vor sich kommen und sagt nur: »Empfange denn die Herrschaft, die du jede Nacht von mir verlangst und missgönne wenigstens dem Kaiser nicht seine Nachtruhe!« – Es ist nicht bekannt, auf wen sich diese Palastanekdote Fragm. anonymi, bei Müller, Fragm. Hist. Graec., vol. IV, 198. bezieht und wie weit sie wahr ist, aber bezeichnend ist sie gewiss.