Dem Kunden verpflichtet

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Dem Kunden verpflichtet
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INGRID GERSTBACH

DEM
KUNDEN
VERPFLICHTET

Mit Empathie und Kreativität

Innovationen schaffen



Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft.

Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss.

Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-86936-867-2

ISBN epub: 978-3-95623-772-0

Lektorat: Anke Schild, Hamburg

Umschlaggestaltung: Martin Zech Design, Bremen | www.martinzech.de

Titelfoto: Vecteezy

Illustrationen: Peter Gerstbach | www.gerstbach.at

Autorenfoto: Budiono Nguyen, Wien | www.budiono.at

Satz und Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg | www.buch-herstellungsbuero.de

© 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2018 erschienenen Buchtitel "Dem Kunden verpflichtet" von Ingrid Gerstbach, © 2018 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

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Inhalt

Vorwort

1. DIE AUSGANGSLAGE

»Die Welt ist kompliziert geworden«

Das Ergebnis dieser Komplexität

2. WOHIN SOLL ES GEHEN?

Unternehmen müssen sich ändern

Was ist Empathie?

Was ist Kreativität?

Was ist Innovation?

Wie werden Unternehmen innovativ?

3. DIE ANTWORT: DESIGN THINKING

Was ist Design Thinking?

Kundenverhalten beobachten

Die wahren Bedürfnisse der Menschen finden

Neue Ideen entwickeln

Eine Vision schaffen

4. DIE TOOLS: Methoden mit dem speziellen Fokus auf Kreativität und Empathie

Visualisieren durch Prototyping

Insight-Statements

Reframing

Szenarioplanung

Extreme User

Erstellen einer Roadmap für Produkte

Bodystorming

Use Case

Concept-Map

Cultural Probes

Contextual Inquiry

Synthese

Menschen skizzieren

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Die Autorin

Vorwort

Wann immer ich den Begriff »Kreativbranche« höre, bin ich überrascht. Gibt es denn wirklich so etwas wie »unkreative« Unternehmen oder Branchen? Wenn ja, wie haben sie es bis dato geschafft zu überleben? Müssten sie nicht vielmehr im Museum neben den Dinosauriern stehen? Die Welt verändert sich so rasant, dass Unternehmen, die nicht kreativ sind, bereits von Anfang an zum Tode verurteilt sind.

»Innovieren oder sterben« ist nicht nur ein Slogan, sondern die brutale Wahrheit. Kreativität wird zum wichtigsten Wettbewerbsvorteil, den ein Unternehmen haben kann. Unternehmen müssen immer schneller und immer früher mit neuen Ideen und neuem Denken aufwarten. Aber wir haben ein massives Problem: Denn es herrscht nach wie vor die Meinung, dass der kreative Künstler aus einem anderen Stoff geschnitten ist als der normale Mensch. Kreativität wird als etwas Geheimnisvolles gesehen, das schwer zu fassen und nicht erlernbar ist.

Dabei ist Kreativität keine hohe Kunst. Vielmehr geht es darum, dass die Menschen sich wieder zutrauen, ihre eigene Vorstellungskraft zu nutzen. Vielleicht kann nicht jeder Michael Jackson oder Mozart sein, aber jeder kann singen. Wir alle werden kreativ geboren, aber wir verlernen es sehr früh. Dort, wo wir lesen und schreiben lernen, lernen wir nichts weiter als Konformität.

Junge Menschen sprudeln vor Ideen. Aber sobald sie zur Schule gehen, verlieren sie die Freiheit, Dinge zu erkunden, etwas zu riskieren und zu experimentieren. Wir verbringen unsere Kindheit damit, künstliche Fähigkeiten aufzubauen, damit wir zumeist unsinnige Prüfungen bestehen – nicht nur in der Schule, auch im Arbeitsleben. Wir lernen, den Menschen das zu geben, wovon wir glauben, dass sie es von uns erwarten. Wir verbringen unsere Tage in Meetings und reden übers Querdenken und Innovieren. Aber selten machen wir das dann auch tatsächlich.

Ein Unternehmen als ein System, das durch eine routinemäßige Abfolge von Tätigkeiten gekennzeichnet ist, arbeitet gut, wenn es darum geht, in Fabriken einheitliche Objekte zu produzieren. Aber in einer Welt, in der Unternehmen nur existieren, wenn sie von Suchmaschinen gefunden werden, funktioniert dieses System einfach nicht.

Ein Grund dafür, dass im Silicon Valley die wirklich disruptiven Innovationen stattfinden, liegt darin, dass dort vor allem Menschen arbeiten, die nicht systemkonform sind. Mit der Respektlosigkeit der Jugend, die immer noch in ihnen steckt, fordern sie bestehende Strukturen heraus, gehen Risiken ein und kümmern sich nicht darum, was andere Leute denken. Die Welt von heute braucht mehr von diesen Regelbrechern.

Unternehmen wachsen und innovieren also, wenn sie eine bestimmte Fähigkeit von Menschen anzapfen, die jeder von Natur aus mitbringt – die Fähigkeit, kreativ zu sein. Und die Fähigkeit, sich mit anderen Menschen zu verbinden. Empathie bildet in unserer Welt voller Kompliziertheit und Abstraktionen jedoch so etwas wie einen Gegenentwurf.

Empathie ist aber kein neues Phänomen. Der Tante-Emma-Laden hat es noch geschafft, eine persönliche Beziehung zum Kunden aufzubauen, der Supermarkt hat dies verlernt. Stattdessen wird auf Umsätze und Daten geschaut. Es ist oft nicht möglich, Kunden direkt nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu befragen. Um weiter zu wachsen und zu innovieren, müssen Unternehmen aus ihrer Komfortzone hinaustreten und in die Schuhe der (potenziellen) Kunden hineinschlüpfen. Dann eröffnen sie sich neue erfolgreiche Wachstumsmöglichkeiten.

 

Ich bin der Überzeugung, dass wir gerade am Anfang einer neuen Epoche stehen: des kreativen und empathischen Zeitalters der Menschheit. Wir alle wissen, wie dringend es ein Umdenken braucht – jetzt mehr denn je.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.

Ingrid Gerstbach


»Die Welt ist kompliziert geworden«

Unternehmen funktionieren heutzutage grundlegend anders als noch vor einigen Jahren. Es hat sich viel verändert, Technologien und Menschen haben sich weiterentwickelt. Denken Sie etwa an die 1990er-Jahre, in denen Sie nur entweder telefonieren oder im Internet surfen konnten. Sie konnten entweder mit Ihrem Kunden sprechen oder ihm eine E-Mail senden. Heutzutage ist es ganz selbstverständlich, beides gleichzeitig auf demselben Gerät zu tun. Das ist nur eines von unzähligen Beispielen. Das Problem aber generell ist, dass wir nicht wissen, wie wir mit der neuen Komplexität, die im Zuge der Veränderungen als normaler Nebeneffekt auftritt, fertigwerden können.

Natürlich gab es auch in der Vergangenheit bereits mehr oder weniger komplexe Systeme. Das Geschäftsleben ist von jeher voller Überraschungen, unerwarteter Ereignisse und unvorhersehbarer Zwischenfälle: eine Maschine, die aus unerfindlichen Gründen ausgefallen ist, eine Gesetzesänderung oder auch die unerwartete Nachfrage nach bestimmten Produkten oder Leistungen. Mir geht es aber um die Komplexität in Unternehmen, die sich deutlich verändert hat.

Vor allem in großen Systemen ist fast alles, womit wir im Alltag zu tun haben, sehr kompliziert geworden: Produkte, die wir entwerfen, Jobs, die wir erledigen, und auch Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten. Stärkster Treiber dieses Anstiegs ist sicherlich die informationstechnologische Revolution der letzten Jahrzehnte. Denn Systeme, die früher noch getrennt voneinander gearbeitet haben, werden jetzt miteinander verbunden und dadurch voneinander abhängig. Sie sind per Definition schon komplexer geworden.

Komplexe Unternehmen sind viel schwerer zu managen, als wenn nur einzelne Probleme komplizierter Natur sind. Denn je komplexer etwas ist, desto diffiziler wird es, Vorhersagen über einen möglichen Ausgang zu treffen – komplexe Systeme reagieren einfach unerwartet und unvorhersehbar. Komplexe Unternehmen sind auch viel schwieriger zu verstehen und zu durchdringen, weil vieles jenseits der menschlichen kognitiven Grenzen liegt. Auch ist das Verhalten eines komplexen Systems in der Vergangenheit ein anderes, als es zukünftig sein wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass wir zwar wissen, wie komplex die Strukturen sind und dass Unternehmen etwas ändern müssen, aber dieses Wissen allein reicht nun mal nicht. Fraglich ist zudem, ob es bereits das wirtschaftliche Denken der Manager von heute durchdrungen hat. Denn es ist letztlich dieses Denken, das den Einzug in die Schulen hält, die wiederum die Manager von morgen ausbilden.

Aber sehen wir uns einmal genauer an, wie sich diese neue Komplexität zeigt und wie die daraus entstandenen Probleme gelöst werden können.

Kompliziert versus komplex

Die Adjektive »kompliziert« und »komplex« werden oft mehr oder weniger synonym verwendet. Es ist ein Leichtes, das Komplizierte mit dem Komplexen zu verwechseln. Während im alltäglichen Sprachgebrauch die Unterscheidung nicht so streng genommen wird, ist es aber Pflicht für Manager, den Unterschied zu kennen. Denn es gibt ein böses Erwachen, wenn Sie ein komplexes Unternehmen managen, als wäre es komplizierter Natur!

Bevor wir ins Detail gehen, möchte ich eine kurze und vereinfachte Unterteilung der Begrifflichkeiten vorstellen.

Das einfache System

Einfache Systeme enthalten nur wenige Wechselwirkungen und sind äußerst vorhersehbar. Nehmen Sie zum Beispiel das Scheinwerferlicht: Es ein- und auszuschalten ist die gleiche Aktion, die jedes Mal zum gleichen Ergebnis führt.


Die Merkmale von einfachen Systemen sind:

•Es gibt nur eine kleine Anzahl von Elementen.

•Es gibt wenig bis gar keine Wechselwirkung zwischen den Elementen.

•Sofern vorhanden, sind die Wechselwirkungen zwischen Elementen sehr gut organisiert.

•Die Attribute der Elemente sind vordefiniert.

•Gut definierte Vorgaben regeln das Verhalten.

•Das System entwickelt sich im Laufe der Zeit nicht weiter.

•Eventuelle Subsysteme verfolgen keine eigenen Ziele.

•Das System ist nicht von Verhaltensänderungen seiner Mitglieder betroffen.

•Das System ist für die Umwelt geschlossen.

Das komplizierte System

Komplizierte Systeme hingegen bestehen aus vielen unterschiedlichen Elementen. Diese arbeiten auf nachvollziehbare Art und Weise. Der Motor eines Autos ist beispielsweise ein kompliziertes System. Wenn er nicht funktioniert, gibt es viele mögliche Ursachen. Normalerweise liegt aber ein bestimmter, erkennbarer und behebbarer Grund dafür vor, warum der Motor nicht anspringt. Es ist durchaus möglich, genaue Vorhersagen darüber zu treffen, wie sich das komplizierte System verhalten wird. Oder ein anderes Beispiel: Das Bauen eines Flugzeugs ist kompliziert, folgt aber vorhersehbaren Schritten.


Die Merkmale komplizierter Systeme:

•Das System wird von zwei oder mehr Faktoren beeinflusst.

•Diese Faktoren sind bekannt und beherrschbar.

•Die Faktoren stehen nicht in Wechselwirkung zueinander.

Das komplexe System

Im Gegensatz dazu sind komplexe Systeme durch verwobene Elemente charakterisiert, die für sich betrachtet auf strukturierte Weise funktionieren können, die sich jedoch durch Interaktion untereinander ständig gegenseitig beeinflussen. Drei Eigenschaften bestimmen die Komplexität einer Umgebung:

1.Vielfalt: Hier geht es um die Anzahl der möglicherweise interagierenden Elemente.

2.Interdependenz: Dieser Terminus zielt auf die Frage, welche Beziehung zwischen den einzelnen Elementen besteht.

3.Diversität: Mit diesem Begriff wird der eigentliche Grad der Heterogenität beschrieben.

Je größer nun Vielfalt, Interdependenz und Diversität sind, desto größer ist auch die Komplexität. Das Wachstum eines Lebewesens ist zum Beispiel extrem komplex: Es spielen dabei so viele unterschiedliche und voneinander abhängige Elemente eine Rolle, dass die Vorhersehbarkeit begrenzt ist. Die Implementierung eines Design-Thinking-Mindsets in Ihrem Unternehmen hingegen ist meist kompliziert, aber die verschiedenen Prozessschritte, die Methoden und die Auswirkungen lassen sich relativ einfach vorhersagen.

Die Merkmale komplexer Systeme:

•Komplexe Systeme bestehen aus einzelnen Elementen, die miteinander in Wechselwirkung stehen.

•Schon wenige Wechselwirkungen oder minimale Unterschiede in den Anfangsbedingungen führen oft zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

•Im Gegensatz zu komplizierten Systemen können komplexe Systeme emergent sein. Das bedeutet, dass sich neue Eigenschaften oder Strukturen innerhalb eines Systems infolge des Zusammenspiels der Elemente bilden.

•Wechselwirkungen zwischen den Elementen innerhalb des Systems sind lokal, die Auswirkungen gehen aber in der Regel darüber hinaus.

•Komplexe Systeme stehen im Kontakt mit ihrer Umgebung und sind von einem permanenten Durchfluss von Energie abhängig.

•Sie bilden selbstständig stabile Strukturen und sind in der Lage, Informationen zu verarbeiten bzw. zu lernen.

•Sie haben die Fähigkeit zur inneren Harmonisierung.

•Das Verhalten des Systems ist nicht nur vom aktuellen Zustand, sondern auch von der Vorgeschichte des Systems abhängig.

•Das System ist unabhängig von den Anfangsbedingungen, das heißt, es hat kein konkretes Ziel oder Vorgehen, das bereits am Anfang feststünde.

Der Unterschied zwischen komplizierten und komplexen Systemen

An dieser Stelle lässt sich also festhalten, dass der Hauptunterschied zwischen komplizierten und komplexen Systemen darin liegt, dass Sie bei Ersteren normalerweise Ergebnisse vorhersagen können, wenn Sie die Ausgangslage kennen, bei Letzteren dagegen nicht. In einem komplexen System können die gleichen Bedingungen zu vollkommen anderen Ergebnissen führen, da die Elemente abhängig von den Wechselwirkungen im System sind. So ist das Auto für sich betrachtet kompliziert, aber das Verhalten der Autofahrer ist ein komplexes System, da die Fahrweise sich ständig ändert – je nach Reaktion auf Wetter, andere Fahrer, Fahrbahn etc. Der Ausgang ist nicht vorhersagbar, weil das System sich kontinuierlich anpasst, sobald sich irgendeine Komponente in Bezug zu einer anderen ändert.

Wir können also komplizierte Systeme ebenso leicht wie einfache Systeme verstehen, wenn wir die Beziehungen zwischen den Teilen identifizieren können. Die Beziehungen untereinander können Sie so aufgliedern, dass letztlich klare, vorhersehbare Interaktionen übrig bleiben. Es ist aber nicht möglich, komplexe Systeme auf diese Weise zu verstehen, da alle Elemente ständig unabhängig voneinander unvorhersehbar interagieren.

Die Probleme der Komplexität

In Unternehmen stellen Probleme, die komplexer Natur sind, Manager vor folgende Aufgaben: Sie müssen Situationen, die unvorhersehbar sind bzw. waren, verstehen und damit umgehen. Denn in jeder komplexen Umgebung haben selbst kleine Entscheidungen überraschende Auswirkungen.

Es ist sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, dass ein einzelner Entscheidungsträger ein komplexes System in seiner Ganzheit erkennt und versteht. Das ist das eigentliche Problem: aus einer großen Zahl von verschiedenen Elementen die unterschiedlichen Beziehungen von einem bestimmten Standpunkt aus nicht nur zu sehen, sondern diese auch zu verstehen.

Ich hatte schon in einigen Beratungen die Ausgangssituation, dass Projekte schiefgelaufen sind, weil die hierarchische Struktur dazu führte, dass die Mitarbeiter mehr oder minder in Silos eingesperrt waren und so wichtige Informationen gar nicht an diejenigen weitergeben konnten, die letztlich die strategischen Entscheidungen trafen. Solche fatalen Situationen, die aufgrund von fehlenden Informationen entstehen, führen in den allermeisten Fällen zu extrem schlechten Entscheidungen, die für das gesamte Unternehmen weitreichende Folgen haben.

Es ist ein Irrglaube, wenn wir meinen, wir würden die Auswirkungen unserer Handlungen bzw. der Handlungen anderer wirklich in ihrer vollen Tragweite verstehen. Die meisten Führungskräfte sind der Meinung, dass sie viele Informationen aufnehmen und daraus sofort die richtigen Schlussfolgerungen ziehen können. Infolgedessen handeln sie oft sehr schnell und nicht genügend überlegt. Wichtige Entscheidungen werden getroffen, ohne die wahrscheinlichen Folgen für das System vollständig verstanden zu haben.

Aber es ist nicht nur so, dass die meisten von uns nicht in der Lage sind, rein kognitiv so viele Informationen aufzunehmen. Selbst wenn wir dieses Potenzial hätten, würden wir spätestens an einer anderen Sache scheitern: nämlich an unserer Konzentration. Studien zeigen, dass Menschen einfach nicht multitaskingfähig sind. Forscher am Institut für Psychiatrie an der Universität London stellten in einer Studie1 mit 1100 Teilnehmern fest, dass Multitasking zu einer stärkeren Abnahme des IQ führte als der Konsum von Marihuana oder Schlafverlust. Natürlich ist die Versuchung, Multitasking zu betreiben, in der heutigen technisierten Welt höher als je zuvor. Und das ist ein großes Problem, denn infolge des Konzentrationsmangels sind wir weniger effizient oder effektiv, als wir uns erhoffen.

 

Dazu kommt noch, dass es besonders schwierig wird, gute Entscheidungen zu treffen, je seltener bestimmte Ereignisse eintreten. Erst die Wiederholungen ermöglichen das Wissen darum, was genau passiert und inwiefern die einzelnen Elemente das System beeinflussen. So verläuft der Straßenverkehr in der Regel in einem überschaubaren System, das sich kontinuierlich an Veränderungen anpasst. Diese Anpassungsfähigkeit ist nur möglich, weil Menschen im System Muster erkannt haben, die im Laufe der Zeit entstanden sind bzw. die erst dann sichtbar werden, wenn es zu einer anderen Ausführung als der geplanten kommt. Wenn das System nun mit einem seltenen Ereignis konfrontiert wird, wie beispielsweise einer Eruption oder einem Hurrikan an Orten, die sonst nicht mit solchen Phänomenen zu tun haben, ist das System überfordert.

Umgang mit komplexen Systemen

Lassen Sie uns weitere Besonderheiten bei der Analyse von komplexen Situationen näher ansehen.