Kritik der reinen Vernunft

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Kritik der reinen Vernunft
Font:Smaller АаLarger Aa

Kritik der reinen Vernunft

Immanuel Kant

Inhaltsverzeichnis

Motto

Widmung

Vorrede zur zweiten Auflage

Einleitung

I. Von dem Unterschiede der reinen und empirischen Erkenntnis

II. Wir sind im Besitze gewisser Erkenntnisse a priori, und selbst der gemeine Verstand ist niemals ohne solche

III. Die Philosophie bedarf einer Wissenschaft, welche die Möglichkeit, die Prinzipien und den Umfang aller Erkenntnisse a priori bestimme

IV. Von dem Unterschiede analytischer und synthetischer Urteile

V. In allen theoretischen Wissenschaften der Vernunft sind synthetische Urteile a priori als Prinzipien enthalten

VI. Allgemeine Aufgabe der reinen Vernunft

VII. Idee und Einteilung einer besonderen Wissenschaft, unter dem Namen einer Kritik der reinen Vernunft

I. Transzendentale Elementarlehre Der transzendentalen Elementarlehre erster Teil Die transzendentale Ästhetik § 1

Der transzendentalen Ästhetik erster Abschnitt Von dem Raume § 2 Metaphysische Erörterung dieses Begriffs

§ 3 Transzendentale Erörterung des Begriffs vom Raume

Schlüsse aus obigen Begriffen

Der transzendentalen Ästhetik zweiter Abschnitt Von der Zeit § 4 Metaphysische Erörterung des Begriffs der Zeit

§ 5 Transzendentale Erörterung des Begriffe der Zeit

§ 6 Schlüsse aus diesen Begriffen

§ 7 Erläuterung

§ 8 Allgemeine Anmerkungen zur transzendentalen Ästhetik

Beschluss der transzendentalen Ästhetik

Der transzendentalen Elementarlehre zweiter Teil Die transzendentale Logik

Einleitung Idee einer transzendentalen Logik I. Von der Logik überhaupt

II. Von der tanszendentalen Logik

III. Von der Einteilung der allgemeinen Logik in Analytik und Dialektik

IV. Von der Einteilung der transzendentalen Logik in die transzendentale Analytik und Dialektik

Der transzendentalen Logik erste Abteilung Die transzendentale Analytik

Der transzendentalen Analytik erstes BuchDie Analytik der Begriffe

Der Analytik der Begriffe erstes HauptstückVon dem Leitfaden der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe

Des transzendentalen Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe erster AbschnittVon dem logischen Verstandesgebrauche überhaupt

Des Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffezweiter Abschnitt§ 9Von der logischen Funktion des Verstandes in Urteilen

Des Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffedritter Abschnitt§ 10Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien

Tafel der Kategorien

§ 11

§ 12

Des Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffedritter Abschnitt§ 10Von den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien

Tafel der Kategorien

§ 11

§ 12

Der transzendentalen Analytik zweites HauptstückVon der Deduktion der reinen VerstandesbegriffeErster Abschnitt§ 13Von den Prinzipien einer transzendent Deduktion überhaupt

Übergang zur transzendentalen Deduktion der Kategorien

Der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe zweiter AbschnittTranszendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe§ 15Von der Möglichkeit einer Verbindung überhaupt

§ 16Von der ursprünglich-synthetischen Einheit der Apperzeption

§ 17Der Grundsatz der synthetisches Einheit der Apperzeption ist das oberste Prinzip alles Verstandesgebrauchs

§ 18Was objektive Einheit des Selbstbewusstseins sei

§ 19Die logische Form aller Urteile besteht in der objektiven Einheit der Apperzeption der darin enthaltenen Begriffe

§ 20

Alle sinnliche Anschauungen stehen unter den Kategorien, als Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewusstsein zusammenkommen kann

§ 21Anmerkung

§ 22Die Kategorie hat keinen andern Gebrauch zum Erkenntnisse der Dinge, als ihre Anwendung auf Gegenstände der Erfahrung

§ 23

§ 24Von der Anwendung der Kategorien auf Gegenstande der Sinne überhaupt

§ 25

§ 26Transzendentale Deduktion des allgemein möglichen Erfahrungsgebrauchs der reinen Verstandesbegriffe

§ 27Resultat dieser Deduktion der Verstandesbegriffe

Kurzer Begriff dieser Deduktion

Der transzendentalen Analytik zweites BuchDie Analytik der Grundsätze

EinleitungVon der transzendentalen Urteilskraft überhaupt

Der transzendentalen Doktrin der Urteilskraft (oder Analytik der Grundsätze) erstes Hauptstück

Der transzendentalen Doktrin der Urteilskraft (oder Analytik der Grundsätze) zweites Hauptstück

Das System der Grundsätze des reinen Verstandes erster Abschnitt

Des Systems der Grundsätze des reinen Verstandes zweiter Abschnitt

Des Systems der Grundsätze des reinen Verstandes dritter Abschnitt

1.Axiomen der Anschauung

2.Antizipationen der Wahrnehmung

3.Analogien der Erfahrung

A. Erste AnalogieGrundsatz der Beharrlichkeit der Substanz

B. Zweite AnalogieGrundsatz der Zeitfolge nach dem Gesetzeder Kausalität

 

C. Dritte AnalogieGrundsatz des Zugleichseins, nach dem Gesetzeder Wechselwirkung, oder Gemeinschaft

4.Die Postulate des empirischen Denkens überhaupt

Erläuterung

Wiederlegung des Idealismus

Lehrsatz

Allgemeine Anmerkung zum Systemder Grundsätze

Der Transzendent. Doktrin der Urteilskraft (Analytik der Grundsätze) drittes Hauptstück

Anhang

Anmerkung

zur Amphibolie der Reflexionsbegriffe

Der transzendentalen Logik zweite AbteilungDie transzendentale DialektikEinleitungI. Vom transzendentalen Schein

II. Von der reinen Vernunftals dem Sitze des transzendentalen ScheinsA. Von der Vernunft überhaupt

B. Vom logischen Gebrauche der Vernunft

C. Von dem reinen Gebrauche der Vernunft

Der transzendentalen Dialektik erstes Buch

Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik erster Abschnitt

Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik zweiter Abschnitt

Des ersten Buchs der transzendentalen Dialektik dritter Abschnitt

Der transzendentalen Dialektik zweites Buch

Des zweiten Buchs der transzendentalen Dialektik erstes Hauptstück

Von den Paralogismen der reinen Vernunft

Widerlegung des mendelssohnschen Beweises der Beharrlichkeit der Seele

Beschluß der Auflösung des psychologischen Paralogisms

Allgemeine Anmerkung,den Übergang von der rationalen Psychologiezur Kosmologie betreffend

Der transzendentalen Dialektikzweites BuchZweites HauptstückDie Antinomie der reinen Vernunft

Der Antinomie der reinen Vernunft erster AbschnittSystem der kosmologischen Ideen

Der Antinomie der reinen Vernunft zweiter AbschnittAntithetik der reinen Vernunft

Die Antinomie der reinen VernunftErster Widerstreit der transzedentalen IdeenThesis

Beweis

Anmerkung zur ersten AntinomieI. zur Thesis

Antithesis

Beweis

II. Anmerkung zur Antithesis

Der Antinomie der reinen Vernunftzweiter Widerstreit der transzendentalen IdeenThesis

Beweis

Anmerkung zur zweiten AntinomieI. zur Thesis

Antithesis

Beweis

II. Anmerkung zur Antithesis

Der Antinomie der reinen Vernunftdritter Widerstreit der transzendentalen IdeenThesis

Beweis

Anmerkung zur dritten AntinomieI. zur Thesis

Antithesis

Beweis

II. Anmerkung zur Antithesis

Der Antinomie der reinen Vernunftvierter Widerstreit der transzendentalen IdeenThesis

Beweis

Anmerkung zur vierten AntinomieI. zur Thesis

Antithesis

Beweis

II. Anmerkung zur Antithesis

Der Antinomie der reinen Vernunft dritter AbschnittVon dem Interesse der Vernunft bei diesem ihrem Widerstreite

Der Antinomie der reinen Vernunft vierter AbschnittVon den transzendentalen Aufgaben der reinen Vernunft, in so fern sie schlechterdings müssen aufgelöset werden können

Der Antinomie der reinen Vernunft fünfter AbschnittSkeptische Vorstellung der kosmologischen Fragen durch alle vier transzendentale Ideen

Der Antinomie der reinen Vernunft sechster AbschnittDer transzendentale Idealism, als der Schlüssel zu Auflösung der kosmologischen Dialektik

Der Antinomie der reinen Vernunft siebenter AbschnittKritische Entscheidung des kosmologischen Streits der Vernunft mit sich selbst

Der Antinomie der reinen Vernunft achter AbschnittRegulatives Prinzip der reinen Vernunft in Ansehung der kosmologischen Ideen

Der Antinomie der reinen Vernunft neunter AbschnittVon dem empirischen Gebrauche des regulativen Prinzips der Vernunft, in Ansehung aller kosmologischen Ideen

I. Auflösung der kosmologischen Idee von der Totalität der Zusammensetzung der Erscheinungen von einem Weltganzen

II. Auflösung der kosmologischen Idee von der Totalität der Teilung eines gegebenen Ganzen in der Anschauung

Schlußanmerkung zur Auflösung der mathematischtranszendentalen, und Vorerinnerung zur Auflösung der dynamisch-transzendentalen Ideen

III. Auflösung der kosmologischen Ideen von der Totalität der Ableitung der Weltbegebenheiten aus ihren Ursachen

Möglichkeit der Kausalität durch Freiheit, in Vereinigung mit dem allgemeinen Gesetze der Naturnotwendigkeit

Erläuterung der kosmologischen Idee einer Freiheit in Verbindung mit der allgemeinen Naturnotwendigkeit

IV. Auflösung der kosmologischen Idee von der Totalität der Abhängigkeit der Erscheinungen, ihrem Dasein nach überhaupt

Schlußanmerkung zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft

Des zweiten Buchsder transzendentalen Dialektikdrittes HauptstückDas Ideal der reinen Vernunft

Erster AbschnittVon dem Ideal überhaupt

Des dritten Hauptstücks zweiter Abschnitt

Von dem transzendentalen Ideal (prototypon transscendentale)

Des dritten Hauptstücks dritter AbschnittVon den Beweisgründen der spekulativen Vernunft, auf das Dasein eines höchsten Wesens zu schließen

Es sind nur drei Beweisarten vom Dasein Gottes aus spekulativer Vernunft möglich.

Des dritten Hauptstücks vierter AbschnittVon der Unmöglichkeit eines ontologischen Beweises vom Dasein Gottes

Des dritten Hauptstücks fünfter Abschnitt

Von der Unmöglichkeit eines kosmologischen Beweises vom Dasein Gottes

Entdeckung und Erklärung des dialektischen Scheins in allen transzendentalen Beweisen vom Dasein eines notwendigen Wesens

Des dritten Hauptstücks sechster AbschnittVon der Unmöglichkeit des physikotheologischen Beweises

Des dritten Hauptstücks siebenter AbschnittKritik aller Theologie aus spekulativen Prinzipen der Vernunft

Anhangzur transzendentalen DialektikVon dem regulativen Gebrauch der Ideender reinen Vernunft

Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der menschlichen Vernunft

II. Transzendentale Methodenlehre Der transzendentalen Methodenlehre erstes Hauptstück

Des ersten Hauptstücks erster AbschnittDie Disziplin der reinen Vernunft im dogmatischen Gebrauche

Des ersten Hauptstücks zweiter AbschnittDie Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihres polemischen Gebrauchs

Von der Unmöglichkeit einer skeptischen Befriedigung der mit sich selbst veruneinigten reinen Vernunft

Des ersten Hauptstücks dritter AbschnittDie Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung der Hypothesen

Des ersten Hauptstücks vierter AbschnittDie Disziplin der reinen Vernunft in Ansehung ihrer Beweise

Der transzendentalen Methodenlehrezweites HauptstückDer Kanon der reinen Vernunft

Des Kanons der reinen Vernunft erster AbschnittVon dem letzten Zwecke des reinen Gebrauchs unserer Vernunft

 

Des Kanons der reinen Vernunft zweiter AbschnittVon dem Ideal des höchsten Guts, als einem Bestimmungsgrunde des letzten Zwecks der reinen Vernunft

Des Kanons der reinen Vernunft dritter AbschnittVom Meinen, Wissen und Glauben

Der transzendentalen Methodenlehre drittes HauptstückDie Architektonik der reinen Vernunft

Der transzendentalen Methodenlehre viertes HauptstückDie Geschichte der reinen Vernunft

Fußnoten

Motto

De nobis ipsis silemus: De re autem, quae agitur, petimus: ut homines eam non Opinionem, sed Opus esse cogitent; ac pro certo habeant, nun Sectae nos alicuius, aut Placiti, sed utilitatis et amplitudinis humanae fundamenta moliri. Deinde ut suis commodis awqui – in commune consulant – et ipsi in partem veniant. Praeterea ut bene sperent, neque Instaurationem nostram ut quiddam infinitum et ultra mortale fingant, et animo concipiant; quum reversa sit infiniti erroris finis et terminus legitimus.

Widmung

Gnädiger Herr!

Den Wachstum der Wissenschaften an seinem Teile befördern, heißt an Ew. Exzellenz eigenem Interesse arbeiten; denn dieses ist mit jenen, nicht bloß durch den erhabenen Posten eines Beschützers, sondern durch das viel vertrautere eines Liebhabers und erleuchteten Kenners, innigst verbunden. Deswegen bediene ich mich auch des einigen Mittels, das gewissermaßen in meinem Vermögen ist, meine Dankbarkeit für das gnädige Zutrauen zu bezeigen, womit Ew. Exzellenz mich beehren, als könne ich zu dieser Absicht etwas beitragen.

Demselben gnädigen Augenmerke, dessen Ew. Exzellenz die erste Auflage dieses Werks gewürdigt haben, widme ich nun auch diese zweite und hiemit zugleich alle übrige Angelegenheit meiner literärischen Bestimmung, und bin mit der tiefsten Verehrung

Ew. Exzellenz

untertänig-gehorsamster Diener

Königsberg

den 23sten April 1787.

Immanuel Kant.

Vorrede zur zweiten Auflage

Ob die Bearbeitung der Erkenntnisse, die zum Vernunftgeschäfte gehören, den sicheren Gang einer Wissenschaft gehe oder nicht, das läßt sich bald aus dem Erfolg beurteilen. Wenn sie nach viel gemachten Anstalten und Zurüstungen, so bald es zum Zweck kommt, in Stecken gerät, oder, um diesen zu erreichen, öfters wieder zurückgehen und einen andern Weg einschlagen muß; imgleichen wenn es nicht möglich ist, die verschiedenen Mitarbeiter in der Art, wie die gemeinschaftliche Absicht erfolgt werden soll, einhellig zu machen: so kann man immer überzeugt sein, daß ein solches Studium bei weitem noch nicht den sicheren Gang einer Wissenschaft eingeschlagen, sondern ein bloßes Herumtappen sei, und es ist schon ein Verdienst um die Vernunft, diesen Weg wo möglich ausfindig zu machen, sollte auch manches als vergeblich aufgegeben werden müssen, was in dem ohne Überlegung vorher genommenen Zwecke enthalten war.

Daß die Logik diesen sicheren Gang schon von den ältesten Zeiten her gegangen sei, läßt sich daraus ersehen, daß sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen, wenn man ihr nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlichen Subtilitäten, oder deutlichere Bestimmung des Vorgetragenen, als Verbesserungen anrechnen will, welches aber mehr zur Eleganz, als zur Sicherheit der Wissenschaft gehört. Merkwürdig ist noch an ihr, daß sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können, und also allem Ansehen nach geschlossen und vollendet zu sein scheint. Denn, wenn einige Neuere sie dadurch zu erweitern dachten, daß sie teils psychologische Kapitel von den verschiedenen Erkenntniskräften (der Einbildungskraft, dem Witze), teils metaphysische über den Ursprung der Erkenntnis oder der verschiedenen Art der Gewißheit nach Verschiedenheit der Objekte (dem Idealism, Skeptizism. u.s.w.), teils anthropologische von Vorurteilen (den Ursachen derselben und Gegenmitteln) hineinschoben, so rührt dieses von ihrer Unkunde der eigentümlichen Natur dieser Wissenschaft her. Es ist nicht Vermehrung, sondern Verunstaltung der Wissenschaften, wenn man ihre Grenzen in einander laufen läßt; die Grenze der Logik aber ist dadurch ganz genau bestimmt, daß sie eine Wissenschaft ist, welche nichts als die formalen Regeln alles Denkens (es mag a priori oder empirisch sein, einen Ursprung oder Objekt haben, welches es wolle, in unserem Gemüte zufällige oder natürliche Hindernisse antreffen) ausführlich darlegt und strenge beweiset.

Daß es der Logik so gut gelungen ist, diesen Vorteil hat sie bloß ihrer Eingeschränktheit zu verdanken, dadurch sie berechtigt, ja verbunden ist, von allen Objekten der Erkenntnis und ihrem Unterschiede zu abstrahieren, und in ihr also der Verstand es mit nichts weiter, als sich selbst und seiner Form zu tun hat. Weit schwerer mußte es natürlicher Weise für die Vernunft sein, den sicheren Weg der Wissenschaft einzuschlagen, wenn sie nicht bloß mit sich selbst, sondern auch mit Objekten zu schaffen hat; daher jene auch als Propädeutik gleichsam nur den Vorhof der Wissenschaften ausmacht, und wenn von Kenntnissen die Rede ist, man zwar eine Logik zu Beurteilung derselben voraussetzt, aber die Erwerbung derselben in eigentlich und objektiv so genannten Wissenschaften suchen muß.

So fern in diesen nun Vernunft sein soll, so muß darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff (der anderweitig gegeben werden muß) bloß zu bestimmen, oder ihn auch wirklich zu machen. Die erste ist theoretische, die andere praktische Erkenntnis der Vernunft. Von beiden muß der reine Teil, so viel oder so wenig er auch enthalten mag, nämlich derjenige, darin Vernunft gänzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden; denn es gibt übele Wirtschaft, wenn man blindlings ausgibt, was einkommt, ohne nachher, wenn jene in Stecken gerät, unterscheiden zu können, welcher Teil der Einnahme den Aufwand tragen könne, und von welcher man denselben beschneiden muß.

Mathematik und Physik sind die beiden theoretischen Erkenntnisse der Vernunft, welche ihre Objekte a priori bestimmen sollen, die erstere ganz rein, die zweite wenigstens zum Teil rein, denn aber auch nach Maßgabe anderer Erkenntnisquellen als der der Vernunft.

Die Mathematik ist von den frühesten Zeiten her, wohin die Geschichte der menschlichen Vernunft reicht, in dem bewundernswürdigen Volke der Griechen den sichern Weg einer Wissenschaft gegangen. Allein man darf nicht denken, daß es ihr so leicht geworden, wie der Logik, wo die Vernunft es nur mit sich selbst zu tun hat, jenen königlichen Weg zu treffen, oder vielmehr sich selbst zu bahnen; vielmehr glaube ich, daß es lange mit ihr (vornehmlich noch unter den Ägyptern) beim Herumtappen geblieben ist, und diese Umänderung einer Revolution zuzuschreiben sei, die der glückliche Einfall eines einzigen Mannes in einem Versuche zu Stande brachte, von welchem an die Bahn, die man nehmen mußte, nicht mehr zu verfehlen war, und der sichere Gang einer Wissenschaft für alle Zeiten und in unendliche Weiten eingeschlagen und vorgezeichnet war. Die Geschichte dieser Revolution der Denkart, welche viel wichtiger war als die Entdeckung des Weges um das berühmte Vorgebirge, und des Glücklichen, der sie zu Stande brachte, ist uns nicht aufbehalten. Doch beweiset die Sage, welche Diogenes der Laertier uns überliefert, der von den kleinesten, und, nach dem gemeinen Urteil, gar nicht einmal eines Beweises benötigten, Elementen der geometrischen Demonstrationen den angeblichen Erfinder nennt, daß das Andenken der Veränderung, die durch die erste Spur der Entdeckung dieses neuen Weges bewirkt wurde, den Mathematikern äußerst wichtig geschienen haben müsse, und dadurch unvergeßlich geworden sei. Dem ersten, der den gleichseitigen Triangel demonstrierte (er mag nun Thales oder wie man will geheißen haben), dem ging ein Licht auf; denn er fand, daß er nicht dem, was er in der Figur sahe, oder auch dem bloßen Begriffe derselben nachspüren und gleichsam davon ihre Eigenschaften ablernen, sondern durch das, was er nach Begriffen selbst a priori hineindachte und darstellete (durch Konstruktion), hervorbringen müsse, und daß er, um sicher etwas a priori zu wissen, er der Sache nichts beilegen müsse, als was aus dem notwendig folgte, was er seinem Begriffe gemäß selbst in sie gelegt hat.

Mit der Naturwissenschaft ging es weit langsamer zu, bis sie den Heeresweg der Wissenschaft traf; denn es sind nur etwa anderthalb Jahrhunderte, daß der Vorschlag des sinnreichen Baco von Verulam diese Entdeckung teils veranlaßte, teils, da man bereits auf der Spur derselben war, mehr belebte, welche eben sowohl nur durch eine schnell vorgegangene Revolution der Denkart erklärt werden kann. Ich will hier nur die Naturwissenschaft, so fern sie auf empirische Prinzipien gegründet ist, in Erwägung ziehen.

Als Galilei seine Kugeln die schiefe Fläche mit einer von ihm selbst gewählten Schwere herabrollen, oder Torricelli die Luft ein Gewicht, was er sich zum voraus dem einer ihm bekannten Wassersäule gleich gedacht hatte, tragen ließ, oder in noch späterer Zeit Stahl Metalle in Kalk und diesen wiederum in Metall verwandelte, indem er ihnen etwas entzog und wiedergab:1 so ging allen Naturforschern ein Licht auf. Sie begriffen, daß die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt, daß sie mit Prinzipien ihrer Urteile nach beständigen Gesetzen vorangehen und die Natur nötigen müsse, auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln lassen müsse; denn sonst hängen zufällige, nach keinem vorher entworfenen Plane gemachte Beobachtungen gar nicht in einem notwendigen Gesetze zusammen, welches doch die Vernunft sucht und bedarf. Die Vernunft muß mit ihren Prinzipien, nach denen allein übereinkommende Erscheinungen für Gesetze gelten können, in einer Hand, und mit dem Experiment, das sie nach jenen ausdachte, in der anderen, an die Natur gehen, zwar um von ihr belehrt zu werden, aber nicht in der Qualität eines Schülers, der sich alles vorsagen läßt, was der Lehrer will, sondern eines bestallten Richters, der die Zeugen nötigt, auf die Fragen zu antworten, die er ihnen vorlegt. Und so hat sogar Physik die so vorteilhafte Revolution ihrer Denkart lediglich dem Einfalle zu verdanken, demjenigen, was die Vernunft selbst in die Natur hineinlegt, gemäß, dasjenige in ihr zu suchen (nicht ihr anzudichten), was sie von dieser lernen muß, und wovon sie für sich selbst nichts wissen würde. Hiedurch ist die Naturwissenschaft allererst in den sicheren Gang einer Wissenschaft gebracht worden, da sie so viel Jahrhunderte durch nichts weiter als ein bloßes Herumtappen gewesen war.

Der Metaphysik, einer ganz isolierten spekulativen Vernunfterkenntnis, die sich gänzlich über Erfahrungsbelehrung erhebt, und zwar durch bloße Begriffe (nicht wie Mathematik durch Anwendung derselben auf Anschauung), wo also Vernunft selbst ihr eigener Schüler sein soll, ist das Schicksal bisher noch so günstig nicht gewesen, daß sie den sichern Gang einer Wissenschaft einzuschlagen vermocht hätte; ob sie gleich älter ist, als alle übrige, und bleiben würde, wenn gleich die übrigen insgesamt in dem Schlunde einer alles vertilgenden Barbarei gänzlich verschlungen werden sollten. Denn in ihr gerät die Vernunft kontinuierlich in Stecken, selbst wenn sie diejenigen Gesetze, welche die gemeinste Erfahrung bestätigt (wie sie sich anmaßt), a priori einsehen will. In ihr muß man unzählige mal den Weg zurück tun, weil man findet, daß er dahin nicht führt, wo man hin will, und was die Einhelligkeit ihrer Anhänger in Behauptungen betrifft, so ist sie noch so weit davon entfernt, daß sie vielmehr ein Kampfplatz ist, der ganz eigentlich dazu bestimmt zu sein scheint, seine Kräfte im Spielgefechte zu üben, auf dem noch niemals irgend ein Fechter sich auch den kleinsten Platz hat erkämpfen und auf seinen Sieg einen dauerhaften Besitz gründen können. Es ist also kein Zweifel, daß ihr Verfahren bisher ein bloßes Herumtappen, und, was das Schlimmste ist, unter bloßen Begriffen, gewesen sei.

Woran liegt es nun, daß hier noch kein sicherer Weg der Wissenschaft hat gefunden werden können? Ist er etwa unmöglich? Woher hat denn die Natur unsere Vernunft mit der rastlosen Bestrebung heimgesucht, ihm als einer ihrer wichtigsten Angelegenheiten nachzuspüren? Noch mehr, wie wenig haben wir Ursache, Vertrauen in unsere Vernunft zu setzen, wenn sie uns in einem der wichtigsten Stücke unserer Wißbegierde nicht bloß verläßt, sondern durch Vorspiegelungen hinhält, und am Ende betrügt! Oder ist er bisher nur verfehlt: welche Anzeige können wir benutzen, um bei erneuertem Nachsuchen zu hoffen, daß wir glücklicher sein werden, als andere vor uns gewesen sind?

Ich sollte meinen, die Beispiele der Mathematik und Naturwissenschaft, die durch eine auf einmal zu Stande gebrachte Revolution das geworden sind, was sie jetzt sind, wäre merkwürdig genug, um dem wesentlichen Stücke der Umänderung der Denkart, die ihnen so vorteilhaft geworden ist, nachzusinnen, und ihnen, so viel ihre Analogie, als Vernunfterkenntnisse, mit der Metaphysik verstattet, hierin wenigstens zum Versuche nachzuahmen. Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten; aber alle Versuche, über sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert würde, gingen unter dieser Voraussetzung zu nichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, daß wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden, etwas festsetzen soll. Es ist hiemit eben so, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ. In der Metaphysik kann man nun, was die Anschauung der Gegenstände betrifft, es auf ähnliche Weise versuchen. Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müßte, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen könne; richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so kann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen. Weil ich aber bei diesen Anschauungen, wenn sie Erkenntnisse werden sollen, nicht stehen bleiben kann, sondern sie als Vorstellungen auf irgend etwas als Gegenstand beziehen und diesen durch jene bestimmen muß, so kann ich entweder annehmen, die Begriffe, wodurch ich diese Bestimmung zu Stande bringe, richten sich auch nach dem Gegenstande, und denn bin ich wiederum in derselben Verlegenheit, wegen der Art, wie ich a priori hievon etwas wissen könne; oder ich nehme an, die Gegenstände, oder, welches einerlei ist, die Erfahrung, in welcher sie allein (als gegebene Gegenstände) erkannt werden, richte sich nach diesen Begriffen, so sehe ich sofort eine leichtere Auskunft, weil Erfahrung selbst eine Erkenntnisart ist, die Verstand erfodert, dessen Regel ich in mir, noch ehe mir Gegenstände gegeben werden, mithin a priori voraussetzen muß, welche in Begriffen a priori ausgedrückt wird, nach denen sich also alle Gegenstände der Erfahrung notwendig richten und mit ihnen übereinstimmen müssen. Was Gegenstände betrifft, so fern sie bloß durch Vernunft und zwar notwendig gedacht, die aber (so wenigstens, wie die Vernunft sie denkt) gar nicht in der Erfahrung gegeben werden können, so werden die Versuche, sie zu denken (denn denken müssen sie sich doch lassen), hernach einen herrlichen Probierstein desjenigen abgeben, was wir als die veränderte Methode der Denkungsart annehmen, daß wir nämlich von den Dingen nur das a priori erkennen, was wir selbst in sie legen.2

Dieser Versuch gelingt nach Wunsch, und verspricht der Metaphysik in ihrem ersten Teile, da sie sich nämlich mit Begriffen a priori beschäftigt, davon die korrespondierenden Gegenstände in der Erfahrung jenen angemessen gegeben werden können, den sicheren Gang einer Wissenschaft. Denn man kann nach dieser Veränderung der Denkart die Möglichkeit einer Erkenntnis a priori ganz wohl erklären, und, was noch mehr ist, die Gesetze, welche a priori der Natur, als dem Inbegriffe der Gegenstände der Erfahrung, zum Grunde liegen, mit ihren genugtuenden Beweisen versehen, welches beides nach der bisherigen Verfahrungsart unmöglich war. Aber es ergibt sich aus dieser Deduktion unseres Vermögens a priori zu erkennen im ersten Teile der Metaphysik ein befremdliches und dem ganzen Zwecke derselben, der den zweiten Teil beschäftigt, dem Anscheine nach sehr nachteiliges Resultat, nämlich daß wir mit ihm nie über die Grenze möglicher Erfahrung hinauskommen können, welches doch gerade die wesentlichste Angelegenheit dieser Wissenschaft ist. Aber hierin liegt eben das Experiment einer Gegenprobe der Wahrheit des Resultats jener ersten Würdigung unserer Vernunfterkenntnis a priori, daß sie nämlich nur auf Erscheinungen gehe, die Sache an sich selbst dagegen zwar als für sich wirklich, aber von uns unerkannt, liegen lasse. Denn das, was uns notwendig über die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hinaus zugehen treibt, ist das Unbedingte, welches die Vernunft in den Dingen an sich selbst notwendig und mit allem Recht zu allem Bedingten, und dadurch die Reihe der Bedingungen als vollendet verlangt. Findet sich nun, wenn man annimmt, unsere Erfahrungserkenntnis richte sich nach den Gegenständen als Dingen an sich selbst, daß das Unbedingte ohne Widerspruch gar nicht gedacht werden könne; dagegen, wenn man annimmt, unsere Vorstellung der Dinge, wie sie uns gegeben werden, richte sich nicht nach diesen, als Dingen an sich selbst, sondern diese Gegenstände vielmehr, als Erscheinungen, richten sich nach unserer Vorstellungsart, der Widerspruch wegfalle; und daß folglich das Unbedingte nicht an Dingen, so fern wir sie kennen (sie uns gegeben werden), wohl aber an ihnen, so fern wir sie nicht kennen, als Sachen an sich selbst, angetroffen werden müsse: so zeiget sich, daß, was wir anfangs nur zum Versuche annahmen, gegründet sei.3 Nun bleibt uns immer noch übrig, nachdem der spekulativen Vernunft alles Fortkommen in diesem Felde des Übersinnlichen abgesprochen worden, zu versuchen, ob sich nicht in ihrer praktischen Erkenntnis Data finden, jenen transzendenten Vernunftbegriff des Unbedingten zu bestimmen, und auf solche Weise, dem Wunsche der Metaphysik gemäß, über die Grenze aller möglichen Erfahrung hinaus mit unserem, aber nur in praktischer Absicht möglichen Erkenntnisse a priori zu gelangen. Und bei einem solchen Verfahren hat uns die spekulative Vernunft zu solcher Erweiterung immer doch wenigstens Platz verschafft, wenn sie ihn gleich leer lassen mußte, und es bleibt uns also noch unbenommen, ja wir sind gar dazu durch sie auf gefedert, ihn durch praktische Data derselben, wenn wir können, auszufüllen.4