Read the book: «Studio Babelsberg»
IMPRINT / IMPRESSUM
Studio Babelsberg – Das deutsche Hollywood
Herausgeber: contentplus communications GmbH
Autoren: Holger Hühn, Isabella Hopp
published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2012 contentplus communications GmbH
ISBN 978-3-8442-1782-7
Realisation: contentplus communications GmbH, Augsburg, www.contentplus.de
Konzept: Holger Hühn, Isabella Hopp
Redaktion: Julia Thienel
Technische Umsetzung: Isabella Hopp, Martin Holland
Bildnachweis:
Cover: Margit Weißer unter Verwendung eines Gemäldes von Ron Cramer
Vorwort: Studio Babelsberg AG
Kapitel 1: Totentanz: Deutsche Bioscop / Projektions AG / Album / AKG; Seeber: Filmmuseum Potsdam; Nibelungen: AKG / Horst von Harbou-Stiftung; Pommer: akg-images; Metropolis: AKG / Horst von Harbou-Stiftung; Lang: akg-images; Blauer Engel: akg-images; Dietrich: akg-images
Kapitel 2: Münchhausen: akg-images; Albers: Interfoto / Friedrich; Feuerzangenbowle: akg-images; Rühmann: akg-images
Kapitel 3: Mörder: DEFA-Stiftung / Eberhard Klagemann; Knef: Interfoto / Lu Wortig; Untertan: akg-images; Staudte: DEFA-Stiftung / Eberhard Klagemann; Spur: DEFA-Stiftung / Klaus D. Schwarz; Krug: Interfoto / Ingo Barth; Paul und Paula: DEFA-Stiftung / Herbert Kroiss; Carow: akg-images / Udo Hesse; Jakob: DEFA-Stiftung / Herbert Kroiss; Beyer: Interfoto / Mary Evans; Sunny: DEFA-Stiftung / Dieter Lück; Wolf: akg-images / Binder
Kapitel 4: Sonnenallee: ullstein bild / Jänichen; Haußmann: akg-images / Brigitte Hellgoth; Pianist: Focus Features / Album / AKG; Polanski: Interfoto / Moore; Fälscher: Babelsberg Film GmbH / Josef Aichholzer / Album / AKG; Ruzowitzky: ullstein bild / aslu; Walküre: United Artists / Achte Babelsberg Film GmbH / Album / AKG; Singer: 20th Century Fox / Album / AKG
Alle Angaben dieses Werkes wurden von der Redaktion sorgfältig recherchiert und auf den aktuellen Stand (Februar 2012) gebracht. Für die Richtigkeit der Angaben kann jedoch keine Haftung übernommen werden. Für Hinweise und Anregungen sind wir jederzeit dankbar.
Vorwort
Am 12. Februar 2012 feiert das Filmstudio Babelsberg ein großes Jubiläum: Vor genau 100 Jahren begannen hier die ersten Dreharbeiten. Nachdem wir letztes Jahr das eBook Hollywood Boulevard – Filme über die Traumfabrik veröffentlicht haben, steht nun die wechselvolle Geschichte des berühmtesten deutschen Filmstudios im Fokus. Das Ergebnis ist das vorliegende eBook Studio Babelsberg – Das deutsche Hollywood.
Das eBook gliedert sich in vier Kapitel, die chronologisch angeordnet sind und die verschiedenen Schaffensphasen des Filmstudios widerspiegeln. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den Anfangsjahren und der ersten Blütezeit des Studios während der Weimarer Republik. Das zweite Kapitel schildert die Situation in Babelsberg während des Dritten Reichs. Das dritte Kapitel ist der Zeit der deutschen Teilung gewidmet, in der hier die DEFA, die staatliche Filmgesellschaft der DDR, angesiedelt war. Im letzten Kapitel geht es schließlich um die Jahre seit der Wende bis heute. Neben der Studiogeschichte stellen wir für jeden Zeitabschnitt die wichtigsten Filme und die an ihnen beteiligten Filmemacher oder Schauspieler vor.
Bei der Umsetzung war es unser Ziel, die vielfältigen Möglichkeiten des ePUB-Formats bestmöglich zu nutzen. Alle 16 vorgestellten Filme werden daher mit Plakaten oder Szenenfotos bebildert, die sich auf dem iPad, iPhone oder iPod touch per Doppelklick auf das Motiv bildschirmfüllend genießen lassen. Mit Lesezeichen und Notizen lässt sich Studio Babelsberg personalisieren, mit der Volltextsuche schnell durchsuchen. Links verknüpfen die einzelnen Texte untereinander. Zugleich hat Studio Babelsberg optisch viele Anklänge an ein klassisches Buchlayout. Als modernes eBook funktioniert es aber mit nahezu jeder Schrifteinstellung und auf allen Readern, die ePUB (bzw. mobi) unterstützen.
Viel Spaß beim Lesen wünschen
Holger Hühn und Isabella Hopp
Anfangsjahre
und Goldene Zeiten
1912–1933
Studiogeschichte
1912–1933
Die Geschichte des Filmstudios Babelsberg begann am 12. Februar 1912, als dort die ersten Dreharbeiten starteten. Das Gelände entwickelte sich rasch zu einem beliebten Drehort. Nach der Eingliederung in die UFA erlebten die Babelsberger Filmstudios in den 20er- und frühen 30er-Jahren eine Glanzzeit.
Als Anfang des 20. Jahrhunderts das neue Medium Film seinen Siegeszug antrat, war Berlin das Zentrum der deutschen Filmindustrie. Doch das Filmmaterial war extrem feuerempfindlich, weshalb die in der Stadt befindlichen Filmfirmen, die meist in kleinen Fotoateliers produzierten, in einem ständigen Konflikt mit der zuständigen Feuerpolizei standen.
Eine dieser Filmfirmen war die Deutsche Bioscop GmbH, die 1899 gegründet worden war. 1911 wurde deren Technischer Direktor, der Kameramann und Filmpionier Guido Seeber, beauftragt, ein neues Grundstück außerhalb Berlins zu suchen. In der Gemeinde Nowawes bei Potsdam fand er unweit der Villensiedlung Neubabelsberg ein geeignetes Grundstück: ein leer stehendes Fabrikgebäude, an das er ab Spätherbst 1911 ein Glasatelier anbauen ließ. Dieses wurde zum Grundstein des Filmstudios Babelsberg.
Drehbeginn im neuen Atelier
Am 12. Februar 1912 begannen in Babelsberg die ersten Dreharbeiten. Der Film hieß Der Totentanz und hatte als Hauptdarstellerin die damals äußerst populäre Stummfilmschauspielerin Asta Nielsen, eine gebürtige Dänin. Regie führte ihr späterer Ehemann Urban Gad. Das neue Filmstudio wurde sofort zu einem beliebten Drehort und so wurde das Gelände schon 1913 um ein Außengelände und ein zweites Atelier erweitert.
Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, hatte dies auch Auswirkungen auf die Filmindustrie. So sollten nun vor allem unterhaltende Filme produziert werden, die zugleich eine patriotische Grundhaltung demonstrieren sollten. Da zudem die meisten männlichen Mitarbeiter Kriegsdienst leisteten, hielten Frauen den Filmbetrieb in Babelsberg aufrecht. Bis 1918 entstanden allerdings nur noch wenig künstlerisch anspruchsvolle Filme.
Babelsbergs Glanzzeit
1920 fusionierte die Deutsche Bioscop mit der Filmgesellschaft Decla, der deutschen Tochterfirma der französischen Eclair-Gesellschaft, und wurde zur Decla Bioscop. Im Oktober 1921 ging die Decla Bioscop in der 1917 gegründeten Universum Film AG (UFA) auf. Diese übernahm 1922 das Studiogelände in Babelsberg und machte es zum wichtigsten in Deutschland. Unter der Leitung des ehemaligen Decla-Produzenten Erich Pommer entstanden nun zahlreiche Filmklassiker in Babelsberg, wie beispielsweise der Zweiteiler Die Nibelungen (1924) von Fritz Lang. Der deutsche Film fand weltweit Beachtung.
1926 wurde Babelsberg massiv ausgebaut: Für die Produktion des Science-Fiction-Films Metropolis (1927) entstand mit der Großen Halle (heute Marlene-Dietrich-Halle) das größte Filmatelier Europas. Durch verschiebbare Wände konnten hier auch mehrere Filme gleichzeitig gedreht werden. Obwohl Metropolis heute als Filmklassiker gilt, war er bei seinem Erscheinen ein verheerender Misserfolg für die UFA. Die meisten Kritiker zerrissen den Film und die hohen Produktionskosten konnten nicht wieder eingespielt werden.
Finanzielle Nöte und Verkauf
Die UFA stand nun kurz vor dem Ruin. Schon 1925 hatte sie einen Knebelvertrag mit den amerikanischen Firmen Metro-Goldwyn-Mayer und Paramount eingehen müssen. 1927 kaufte der rechtskonservative Medienmogul Alfred Hugenberg die UFA aus diesem Vertrag frei und integrierte die Filmfirma in seinen Scherl-Pressekonzern. Damit änderte sich die politische Grundausrichtung der UFA allmählich und reaktionäre Filme entstanden.
Doch das Ende der finanziellen Nöte bedeutete für Babelsberg auch einen Aufschwung. Nachdem in den USA der Siegeszug des Tonfilms längst begonnen hatte, entstand 1929 in Babelsberg mit dem Tonkreuz das erste schalldichte Filmatelier, das die Produktion deutscher Tonfilme erlaubte. Noch im gleichen Jahr erschien der erste abendfüllende Tonfilm Melodie des Herzens. 1930 wurde in Babelsberg Der blaue Engel gedreht, der die Karriere von Weltstar Marlene Dietrich begründete. Ab 1931 wurden dann kaum noch Stummfilme in Babelsberg produziert. Da es aber noch keine Synchronisationstechnik gab, entstanden die meisten Filme in mehreren Sprachfassungen, die mal mit deutschen, mal mit englischen und mal mit französischen Darstellern in den selben Kulissen gedreht wurden.
Chronik
1911 – Baubeginn des ersten Filmstudios in Nowawes (später Babelsberg)
12.2.1912 – Drehbeginn des ersten Babelsberger Films Der Totentanz
7.9.1912 – Uraufführung von Der Totentanz
1914–1918 – Erster Weltkrieg: überwiegend Produktion von Propaganda-Filmen
1920 – Fusion der Deutschen Bioscop mit der Deutschen Eclair-Gesellschaft (Decla) zur Decla Bioscop
1921 – Fusion der Decla Bioscop mit der Universum Film AG (UFA)
14.2.1924 – Uraufführung von Die Nibelungen: Siegfried
26.4.1924 – Uraufführung von Die Nibelungen: Kriemhields Rache
1926 – Bau der Großen Halle (heute Marlene-Dietrich-Halle) für den Film Metropolis
10.1.1927 – Uraufführung von Metropolis
1927 – Übernahme der UFA durch Alfred Hugenberg
1929 – Bau des Tonkreuzes
1.4.1930 – Uraufführung von Der blaue Engel
Der Totentanz
1912
Der Totentanz war 1912 der erste Film, der in Babelsberg gedreht wurde. Das Stummfilmdrama mit dem dänischen Star Asta Nielsen in der weiblichen Hauptrolle legte damit den Grundstein zu einer 100-jährigen Erfolgsgeschichte.
Ingenieur Burk (Oskar Fuchs) ist glücklich mit der jungen Bella (Asta Nielsen) verheiratet. Doch dann ereignet sich eine furchtbare Explosion, bei der Burk schwer verletzt wird. Wochenlang schwebt er zwischen Leben und Tod. Bella lernt den Komponisten Czerneck (Fritz Weidemann) kennen. Er lehrt sie das Singen, sodass Bella durch gemeinsame Auftritte für den Unterhalt ihrer Familie sorgen kann. Dabei entwickeln sich Gefühle zwischen Bella und Czerneck, doch die verheiratete Bella weist den Komponisten immer wieder zurück. Der wieder genesene Burk verfolgt Bellas Erfolge auf der Bühne mit Misstrauen und Eifersucht. Czerneck will Bella unbedingt für sich gewinnen. Deshalb fälscht er einen Brief an Burk, der diesem die Untreue seiner Frau suggerieren soll. Bella findet jedoch den Brief und ist außer sich vor Wut. Sie sinnt auf Rache gegen Czerneck.
Ursprung der Babelsberger Studios
1911 hatte die Deutsche Bioscop den lukrativen Auftrag zu mehreren Filmen mit der Schauspielerin Asta Nielsen und dem Regisseur Urban Gad erhalten. Nielsen und Gad, beide Dänen, hatten 1910 ihren ersten gemeinsamen Film gedreht und Nielsen war sofort der Aufstieg zu einem europäischen Filmstar gelungen – sie war einer der ersten Filmstars überhaupt. Der Kameramann Guido Seeber, technischer Leiter der Deutschen Bioscop, suchte für den Dreh mit Gad und Nielsen nun nach einem geeigneten Gelände, da die Studios in Berlin nicht groß genug waren und zudem schon mehrfach die Feuerschutzpolizei auf den Plan gerufen hatten. Wenige Kilometer von Berlin entfernt fand Seeber ein leer stehendes Fabrikgebäude bei der Villensiedlung Neubabelsberg. An dieses ließ er ab Herbst 1911 ein Glashausatelier anbauen, denn damals konnte nur bei Tageslicht gefilmt werden.
Als Geburtsstunde der Filmstudios Babelsberg gilt der 12. Februar 1912: An diesem Tag fiel die erste Klappe für Der Totentanz. Der Stummfilm wurde damals noch mit recht einfachen Mitteln in nur wenigen Tagen abgedreht. Für die Kameraarbeit war Seeber höchstpersönlich verantwortlich.
Premiere und Nachleben
Seine Premiere feierte der Film am 7. September 1912. Zuvor wurde er von der Zensur mit einem Jugendverbot belegt, sodass vor jungem Publikum nur eine stark gekürzte Version gezeigt werden durfte. Die zeitgenössischen Reaktionen fielen eher gemischt aus. Während zwar Asta Nielsens Schauspieltalent sehr gelobt wurde, wurde die Handlung entweder als zu seicht oder als zu unsittlich gerügt. Dennoch war dem Film ein relativ großer Erfolg beschieden und Nielsen, Gad und Seeber konnten ihre erfolgreiche Zusammenarbeit noch eine Weile fortsetzen.
Ursprünglich hatte Der Totentanz eine Länge von etwa 60 min. Der Film ist allerdings nur fragmentarisch erhalten. Lange Zeit galten etwa 23 min als überliefert. Anlässlich des 100. Geburtstags des Studios Babelsberg wurde der Film jedoch umfassend restauriert und hat nun wieder eine Länge von immerhin 35 min.
Infos zum Film
Regie: Urban Gad
Drehbuch: Urban Gad
Darsteller: Asta Nielsen (Bella), Oskar Fuchs (Ingenieur Burk), Fritz Weidemann (Komponist Czerneck)
Guido Seeber
* 22.6.1879 in Chemnitz, † 2.7.1940 in Berlin
Guido Seeber war Kameramann und einer der wichtigsten Pioniere der deutschen Filmindustrie. Er legte den Grundstein für die Filmstudios Babelsberg, als er dort ein Glasatelier für den Film Der Totentanz erbauen ließ.
Guido Seeber wurde als Friedrich Konrad Guido Seeber am 22. Juni 1879 in Chemnitz geboren. Sein Vater Clemens Seeber war Fotograf und betrieb in der Stadt sein eigenes Atelier. Guido Seeber erhielt nach der Schulzeit dort eine Ausbildung. 1896 sah der Vater die ersten Filme der Brüder Lumière und war von der neuen Technik begeistert. Die Seebers kauften vom damals führenden deutschen Hersteller Oskar Messter einen Projektionsapparat und führten ab 1898 eigene Filme auf. Clemens und Guido Seeber entwickelten Messters Apparat zu einem handlichen Reisekinematografen weiter, der unter dem Namen „Seeberograph“ 1903 ein eigenes Patent erhielt. Später kombinierten sie den Apparat mit einem Grammophon, was dann unter der Bezeichnung „Seeberophon“ lief. Vater und Sohn zogen dann mit einer Art Wanderkino durch ganz Sachsen.
Filmpionier und Studiogründer
1905 starb Clemens Seeber. Sohn Guido übernahm zunächst sein Atelier, verkaufte es jedoch zwei Jahre später und zog mit seinem Filmprogramm durch Europa. 1909 wurde er Technischer Leiter bei der Filmfirma Deutsche Bioscop in Berlin. Seeber drehte als Kameramann nun auch eigene Filme, wie den 4 min langen Trickfilm Die geheimnisvolle Streichholzdose (1910). Auf dem Gebiet der Kameraarbeit war er damals einer der Vorreiter. Bald darauf filmte Seeber auch seine ersten Spielfilme.
Die Deutsche Bioscop beauftragte ihn 1911, ein geeignetes Studiogelände außerhalb Berlins für eine geplante Filmreihe mit dem dänischen Star Asta Nielsen und dem Regisseur Urban Gad zu finden. Seeber wurde bei der Villensiedlung Neubabelsberg fündig und stellte dort im Oktober 1911 einen Bauantrag für ein Glasatelier. Innerhalb kürzester Zeit wurde es fertiggestellt, sodass schon am 12. Februar 1912 die Dreharbeiten zu Der Totentanz beginnen konnten, bei dem Seeber hinter der Kamera stand. Seeber gilt damit als Begründer der Filmstudios Babelsberg.
Anschließend drehte Seeber noch einige weitere Filme mit Nielsen und Gad. Doch die beiden verließen schon bald die Deutsche Bioscop. Seeber arbeitete weiter dort und entwickelte für den Film Der Student von Prag (1913) eine neue Technik, mit der eine Doppelgänger-Aufnahme möglich wurde. Beeindruckende Kameraarbeit leistete Seeber auch in Der Golem (1915). Kurz nach Ende der Aufnahmen für diesen Film wurde er jedoch in den Ersten Weltkrieg eingezogen und arbeitete lange Zeit als Leiter der Bildabteilung eines Seeflugzeug-Versuchskommandos. 1918 kehrte er zur Deutschen Bioscop zurück und wurde ein Jahr später erneut ihr technischer Leiter. Nach der Fusion der Bioscop mit der Decla 1920 arbeitete Seeber dann jedoch als freier Kameramann.
Kameramann, Tricktechniker und Autor
In den 20er-Jahren widmete sich Seeber weiterhin technischen Experimenten und verfeinerte die Tricktechnik. Daneben beteiligte er sich schon 1923 an ersten Tonfilmexperimenten, die jedoch scheiterten. Als Kameramann drehte Seeber zudem einige erfolgreiche Filme wie den Vierteiler Fridericus Rex (1920–1923) und Die freudlose Gasse (1925) von Regisseur Georg Wilhelm Pabst. Seeber war auch publizistisch tätig: Er war Mitherausgeber der ab 1925 erscheinenden Zeitschrift „Filmtechnik“ und verfasste einige Bücher über Kameratechnik.
1932 erlitt Seeber einen Schlaganfall und war in dessen Folge gesundheitlich beeinträchtigt. Er drehte nun nur noch wenige Filme. 1935 wurde er in Babelsberg Leiter der Abteilung Filmtrick bei der UFA. Am 2. Juli 1940 starb Seeber in Berlin.
Die Nibelungen
1924
Der Monumentalfilm Die Nibelungen besteht aus den beiden Teilen Siegfried und Kriemhilds Rache und hat insgesamt eine Laufzeit von fast fünf Stunden. In beeindruckenden Bildern setzte Regisseur Fritz Lang die mittelalterliche Nibelungensage um und schuf damit einen Klassiker der Stummfilmzeit.
Siegfried beginnt damit, dass der gleichnamige Held (Paul Richter), ein Königssohn aus Xanten, sich auf den Weg nach Worms begibt, um Kriemhild (Margarete Schön), die attraktive Schwester des Burgunderkönigs Gunther (Theodor Loos), für sich zu gewinnen. Unterwegs kämpft Siegfried erfolgreich gegen einen Feuer speienden Drachen und badet in seinem Blut, das ihn – bis auf eine kleine Stelle, die beim Bad durch ein Lindenblatt bedeckt ist – unverwundbar macht. Anschließend gelangt er ins Reich der Nibelungen, wo er eine Tarnkappe und einen gewaltigen Schatz erbeutet. Wenig später kommt Siegfried nach Worms und hält um Kriemhilds Hand an. Doch Siegfried erhält sie nur dann zur Frau, wenn er Gunther hilft, seinerseits die kriegerische Brunhild (Hanna Ralph) zur Braut zu gewinnen. Siegfried willigt ein und überwältigt Brunhild mithilfe seiner Tarnkappe. Doch sie will sich mit ihrer neuen Rolle als Gunthers Frau nicht abfinden und fordert Siegfrieds Tod, als sie erfährt, dass Siegfried und nicht Gunther sie bezwungen hat. Gunthers zwielichtiger Vertrauter Hagen Tronje (Hans Albert Schlettow), der es auf den Nibelungenschatz abgesehen hat, erfährt durch eine List von Kriemhild alles über Siegfrieds Schwachstelle und tötet ihn aus dem Hinterhalt. Kriemhild fordert Hagens Tod, doch ihr Bruder deckt ihn. Daraufhin schwört sie grausame Rache. Brunhild nimmt sich unterdessen neben der Leiche Siegfrieds das Leben.
Kriemhilds Rache knüpft direkt an den ersten Teil an: Kriemhild ist verbittert und sinnt weiterhin auf Rache an Hagen Tronje. Mit dem ererbten Nibelungenschatz will sie Freunde gewinnen, doch Hagen durchschaut ihren Plan und versenkt den Schatz im Rhein. Da bittet sie der Hunnenkönig Etzel (Rudolf Klein-Rogge), seine Frau zu werden. Kriemhild willigt ein und zieht an seinen Hof ins Reich der Hunnen. Einige Zeit später wird ihr erster gemeinsamer Sohn geboren. Zur Geburt bittet Kriemhild Etzel, ihren Bruder Gunther und dessen burgundische Gefolgschaft an seinen Hof einzuladen. Die Burgunder treffen wenig später ein. Unter ihnen befindet sich auch Hagen Tronje. Kriemhild will ihn sofort ermorden lassen, doch Etzel schlägt ihr diesen Wunsch ab. Daraufhin lockt die noch immer rachsüchtige Frau den gesamten burgundischen Tross in eine Falle: Während eines Fests werden sie von hunnischen Kriegern angegriffen. Der Hof Etzels wird zu einem blutigen Schlachtfeld.
„Dem deutschen Volke zu eigen“ Vorangestellte Widmung des Films
Intensive Vorbereitung
Nachdem Regisseur Fritz Lang mit Dr. Mabuse, der Spieler (1922) einen großen Erfolg erzielt hatte, erhielt er von Produzent Erich Pommer ein großzügiges Budget für sein nächstes Projekt. Lang plante zusammen mit seiner Ehefrau, der Drehbuchautorin Thea von Harbou, eine Verfilmung der mittelalterlichen Nibelungensage. Von Harbou hielt sich beim Verfassen des Drehbuchs dann eher an die ursprüngliche Sage als an die damals populäre Version der Wagner-Oper. Der umfangreiche Stoff wurde dabei von Anfang an als Zweiteiler konzipiert.
Den Dreharbeiten ging eine dreimonatige Vorbereitungsphase voraus. Lang sammelte dabei ein kompetentes und erfahrenes Team um sich. Für die Kameraarbeit wurden Carl Hoffmann und Günther Rittau verpflichtet. Die spektakulären Kulissen schufen Otto Hunte, Karl Vollbrecht und Erich Kettelhut. Zusammen mit Eugen Schüfftan erarbeiteten sie auch die teils spektakulären Effekte des Films, bei denen sich beispielsweise Zwerge in Steinfiguren verwandeln oder ein Kirschbaum zu einem Totenkopf wird. Den rund 15 m langen Drachen, gegen den Siegfried in Teil 1 kämpfen muss, erbaute Karl Vollbrecht. Sechs Männer waren nötig, um ihn zu bedienen und lebendig erscheinen zu lassen. Weitere Helfer mussten dafür sorgen, dass er mithilfe eines Blechofens und eines Blasebalgs auch Feuer speien konnte.
Meilenstein der Filmgeschichte
Die Dreharbeiten für beide Teile dauerten von Herbst 1922 bis ins Frühjahr 1924, als Teil 1 schon in den Kinos lief. Für den Film wurde zudem eine eigene Filmmusik geschaffen, die sich vom Werk Wagners abheben sollte. Komponist Gottfried Huppertz spielte diese teilweise während der Dreharbeiten ein, um sie möglichst passend zur Szenerie zu gestalten. Auf dem Freigelände der Filmstudios Babelsberg entstanden dabei sowohl die Burg und der Dom von Worms als auch der Palast des Hunnenkönigs. Letzterer wurde im Beisein von Presse und Publikum für die Schlussszene des zweiten Teils niedergebrannt. Auch ansonsten veröffentlichte die UFA immer wieder Berichte von den Dreharbeiten, um so das Publikumsinteresse zu fördern.
Siegfried feierte schließlich am 14. Februar 1924 seine Premiere, Kriemhilds Rache zweieinhalb Monate später, am 26. April. Besonders der erste Teil löste große Begeisterung aus und zog nicht nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland das Publikum in die Kinos. Kritiker waren vor allem von den neuartigen Spezialeffekten begeistert. Der zweite Teil war jedoch aufgrund seiner düsteren Geschichte optisch weniger spektakulär als Teil 1, sodass er insgesamt schlechter angenommen wurde. Die UFA reagierte darauf, indem sie den Film massiv umschneiden ließ und Szenen des ersten Films – wie Siegfrieds Kampf mit dem Drachen – nochmals zeigte, andere Szenen jedoch herausschnitt. Aufgrund dieser Änderungen sind Teile der Originalfassung bis heute verschwunden. Dennoch wurde der Zweiteiler zu einem Meilenstein der Filmgeschichte.
Restauration und Wiederaufführung
Die Nibelungen existierte lange Zeit nur in gekürzten und stark veränderten Versionen. In den 80er-Jahren fand eine erste umfangreichere Restauration statt. Diese wich aber immer noch stark von der Originalfassung ab, so war der Film beispielsweise nur in schwarz-weiß zu sehen. Das ursprüngliche Filmmaterial war jedoch in der damaligen Viragetechnik orange eingefärbt worden. 2006 wurde mit einer neuen Restauration begonnen. 17 Filminstitutionen aus neun Ländern waren unter Leitung der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung daran beteiligt und stellten Kopien des Films zur Verfügung. Das Filmmaterial wurde in mühsamer Kleinarbeit miteinander verglichen. Teils konnten verschollen geglaubte Szenen wiederhergestellt werden. Das Material wurde zudem in der Technik der Stummfilmzeit erneut orange eingefärbt. Am 27. April 2010 feierte die restaurierte Fassung in Berlin ihre Premiere.
Infos zum Film
Regie: Fritz Lang
Drehbuch: Thea von Harbou
Darsteller: Paul Richter (Siegfried), Margarete Schön (Kriemhild), Hanna Ralph (Brunhild), Theodor Loos (Gunther), Hans Adalbert Schlettow (Hagen Tronje), Rudolf Klein-Rogge (Etzel)
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