Moby Dick

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Moby Dick
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Is reading Janusz Zadura
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Moby Dick
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Fünftes Kapitel

»Habt ihr euch für das Schiff anmustern lassen?« Diese Worte wurden von einem Fremden an uns gerichtet, als Queequeg und ich gerade den »Pequod« verlassen hatten und von der See fortschlenderten, und jeder gerade mit eigenen Gedanken beschäftigt war. Der Fremde blieb vor uns stehen und zeigte mit seinem dicken Zeigefinger auf das in Frage kommende Schiff. Er war nicht gut angezogen, hatte eine abgetragene Jacke und geflickte Hosen an. Ein Fetzen schwarzen Taschentuchs schützte ihm den Nacken. Pockennarben bedeckten sein ganzes Gesicht, so daß es wie ein kompliziertes Flussbett mit vielen Rillen bei Trockenheit aussah.

»Habt ihr euch dafür anmustern lassen?« wiederholte er.

»Sie meinen wohl das Schiff ›Pequod‹«, sagte ich und versuchte, sein Gesicht näher kennenzulernen.

»Ja, den ›Pequod‹, das Schiff meine ich«, sagte er, zog den ganzen Arm zurück und schnellte dann den Finger in seiner vollen Länge vor wie ein Bajonett und zeigte auf das Schiff.

»Ja,« sagte ich, »wir haben gerade unterschrieben.«

»Habt ihr auch keine Angst?«

»Warum denn?«

»Oh, vielleicht könntet ihr doch Angst haben,« sagte er schnell, »es wäre auch nicht so schlimm, ich habe viele Burschen gekannt, die sie auch gehabt haben. Es ist ihr Glück gewesen, und sie sind gut davongekommen.«

»Was schwatzen Sie für dummes Zeug«, sagte ich.

»Er hat sein Teil gekriegt«, sagte der Fremde unverständlich und betonte das Wort »Er« besonders.

»Queequeg,« sagte ich, »wir wollen gehen, der scheint irgendwie nicht ganz richtig zu sein. Er spricht von jemandem, den wir nicht kennen.«

»Einen Augenblick,« rief der Fremde, »Sie haben den alten Donnerkeil wirklich nicht gesehen?« – »Wer ist der ›alte Donnerkeil‹?« sagte ich und wunderte mich wieder über den irrsinnigen Ernst, mit dem er das sagte.

»Kapitän Ahab!«

»Was, der Kapitän unseres Schiffes, des ›Pequod‹?«

»Ja. Unter einigen von uns alten Seeleuten geht er unter diesem Namen. Ihr habt ihn wohl noch nicht gesehen?«

»Nein, noch nicht. Er soll krank sein. Aber es geht ihm schon viel besser, und bald wird er wieder in Ordnung sein.«

»Bald wird er wieder in Ordnung sein!« lachte der Fremde mit einem ungewöhnlich spöttischen Lachen. »Seht her, wenn der Kapitän Ahab wieder in Ordnung ist, dann wird auch mein linker Arm hier wieder in Ordnung sein; eher nicht.«

»Was wissen Sie denn von ihm?«

»Was hat man euch denn von ihm erzählt?«

»Man hat uns nicht viel von ihm erzählt. Ich weiß nur, daß er ein guter Walfischjäger und seiner Mannschaft ein guter Kapitän ist.«

»Das ist schon richtig, alles beides ist richtig. Aber ihr müßt springen, wenn er einen Befehl gibt. Aber davon hat man euch nichts gesagt, daß er drei Tage und drei Nächte auf der Höhe des Kap Horn tot dagelegen hat, daß er mit dem Spanier vor dem Altar in Santa Schreckliches erlebt hat? Und ihr habt auch nichts davon gehört, daß er in die Silberschale gespuckt hat? Und auch nichts davon, daß er auf der letzten Reise sein Bein verloren hat, ganz wie es eine Prophezeiung vorhergesagt hatte? Habt ihr von solchen Dingen nichts gehört? Ich glaube, ihr wißt nichts davon! Wie solltet ihr es auch erfahren haben? Das weiß ja auch nicht mal ganz Nantucket. Aber jedenfalls habt ihr davon gehört, wie er das Bein verloren hat. Das wissen sie alle. Ich meine, daß er nur noch ein Bein hat, und daß ein Pottwal ihm das andere abgerissen hat.«

»Ich weiß nicht, was Ihr Geschwätz bedeuten soll, und es kann mir auch vollkommen egal sein. Wie mir scheint, sind Sie da oben nicht ganz in Ordnung. Aber wenn Sie von dem Kapitän Ahab und von dem Schiff da, dem ›Pequod‹ sprechen, dann muss ich Ihnen sagen, daß ich weiß, wie er sein Bein verloren hat.«

»Wissen Sie das alles, bestimmt alles?«

»So ziemlich.«

Mit erhobenem Finger und nach dem »Pequod« gerichteten Augen stand der wie ein Bettler gekleidete Fremde träumerisch und besorgt da. Dann brauste er auf und wandte sich mit den Worten an uns: »Ihr habt euch anmustern lassen? Habt schon unterschrieben? Nun, wenn ihr unterschrieben habt, so ist nichts mehr zu machen. Was geschehen soll, trifft ein. Und dann braucht es ja nicht immer einzutreffen! Auf jeden Fall ist schon alles festgesetzt und geregelt. Vermutlich werden wieder einige Matrosen mit ihm gehen. Möge Gott mit ihnen wie mit den anderen Erbarmen haben! Morgen wird es losgehen, der unaussprechliche Himmel möge euch schützen! Verzeiht, daß ich euch angehalten habe.«

»Wenn Sie uns etwas Wichtiges zu sagen haben, so tun Sie es doch! Aber wenn Sie uns nur zum Narren haben wollen, so haben Sie kein Glück damit, das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe«, sagte ich.

»Es ist ganz gut gesagt, und ich habe es gern, wenn ein Bursche so mit mir redet. Sie sind der richtige Mann für ihn. Guten Morgen, Kameraden, guten Morgen! Aber wenn ihr dort hinkommt, sagt ihnen, daß ich nicht für sie zu haben wäre.«

»Auf diese Weise können Sie uns nicht verkohlen, alter Freund! Das ist auch furchtbar leicht, sich den Anschein zu geben, als ob man ein großes Geheimnis wüßte.«

»Morgen, Kameraden, guten Morgen!«

»Es ist schon Morgen«, sagte ich. »Komm, Queequeg, lassen wir diesen Verrückten allein, aber wollen Sie bitte mir Ihren Namen sagen.«

»Elias!«

»Elias?« dachte ich, und wir gingen beide fort, und jeder dachte auf seine Art über den zerlumpten alten Matrosen nach. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß es nichts als Unsinn wäre, und der Mann sich nur aufspielen wollte. Aber kaum waren wir hundert Yards gegangen, als ich mich an einer Ecke umsah und merkte, daß uns jemand folgte. Es konnte nur Elias sein, wenn er auch ziemlich weit von uns entfernt war.

Der Anblick dieses Menschen machte einen solchen Eindruck auf mich, daß ich Queequeg nichts davon sagte und mit ihm in aller Ruhe weiterging und neugierig war, ob der Fremde auch wieder an derselben Ecke einbiegen würde. Es geschah. Und da kam es mir vor, als ob er sich über uns lustig machen wollte. Aber weshalb er das tat, konnte ich mir nicht denken. Dieser Umstand, sein merkwürdiges Geschwätz mit den halben Beweisen und Andeutungen erregten in mir allerhand Befürchtungen. Ich dachte an das Bein, das der Kapitän Ahab verloren hatte, an den Anfall bei Kap Horn, an die Silberschale und an die Worte, die der Kapitän Peleg über ihn gesagt hatte, als ich das Schiff am Tage zuvor verließ, dachte an die Prophezeiung der Frau Tistig und an die Fahrt, für die wir angemustert waren und an hundert andere dunkle Dinge.

Ich wollte mir Klarheit verschaffen, ob dieser zerlumpte Elias uns zum Narren haben wollte oder nicht. Ich ging mit Queequeg über die Straße und ging absichtlich etwas langsamer. Aber Elias ging vorüber, ohne auf uns zu achten. Das war für mich eine Erlösung, und noch einmal und zum allerletzten Mal sagte ich mir innerlich, daß das Ganze nichts als Blödsinn wäre.

Sechstes Kapitel

Ein oder zwei Tage vergingen, da herrschte an Bord des ›Pequod‹ eine lebhafte Tätigkeit. Die alten Segel wurden ausgebessert, funkelnagelneue Segel kamen an Bord, Bündel von Segeltuch und neue Rollen für das Takelwerk. Alles wies darauf hin, daß die Vorbereitungen zur Abfahrt zum baldigen Abschluss drängten. Der Kapitän Peleg ging selten oder fast nie an Land. Er saß in seinem Wigwam und beaufsichtigte die Leute recht scharf. Bildad kaufte, was man zur Ausrüstung brauchte, in den Lagern ein, und die Leute arbeiteten im Kiel und in der Takelage bis spät in die Nacht hinein. An dem Tage darauf, als Queequeg unterschrieben hatte, ließ man in den Gasthöfen, wo die Schiffsmannschaft sich aufhielt, sagen, daß ihre Kisten noch am Abend an Bord geschafft werden müssten. Man könnte nicht wissen, ob das Schiff nicht ganz plötzlich absegeln müsste. Queequeg und ich krochen in unsere Falle und nahmen uns vor, solange als möglich noch an Land zu schlafen. Aber man ist in diesen Fällen etwas voreilig. Das Schiff blieb noch einige Tage vor Anker liegen. Es war noch reichlich viel zu tun, und man musste noch an vieles denken, bevor der ›Pequod‹ völlig ausgerüstet war.

Jedermann weiß, was zu einem Haushalt nötig ist. Es sind eine Unmenge Dinge: Betten, Schmortiegel, Messer und Gabeln, Schaufeln und Zangen, Tischtücher, Nussknacker und der Teufel weiß was nicht alles. Genau so verhält es sich bei einer Walfischfahrt, wo man sich für drei Jahre auf dem Ozean einrichten muss, wo man keine Kaufleute, Krämer, Ärzte, Bäcker und Bankiers in der Nähe hat. Wenn das auch für Handelsschiffe zutrifft, so verhält es sich bei den Walschiffen nicht ganz so. Man muss sich die lange Dauer der Walfischfahrt vorstellen, die vielen Dinge, die man zur Ausübung der Fischerei braucht und die Unmöglichkeit, in entferntliegenden Häfen Ersatz zu beschaffen. Man muss sich vorstellen, daß die Walschiffe von allen Schiffen am meisten Unfällen jeglicher Art ausgesetzt sind und gerade dem Verlust von solchen Dingen, auf denen der Erfolg einer Fahrt beruht. Daher gibt es so viele Ersatzboote, Ersatzspiere, Ersatzleinen und Ersatzharpunen. Nur fehlt ein Ersatzkapitän und ein Ersatzschiff!

Aber als wir auf der Insel ankamen, war schon das Wichtigste auf dem ›Pequod‹ da. Es gab Rindfleisch, Brot, Wasser, Brennmaterial, eiserne Reifen und Stäbe. Doch eine ganze Zeitlang schleppte man ununterbrochen die verschiedensten Dinge an Bord.

Hierbei machte sich die Schwester des Kapitäns Bildad sehr verdient. Es war eine magere alte Dame, doch unermüdlichen und tatkräftigen Geistes, mit einem sehr guten Herzen, die darauf aus war, daß mit ihrer Hilfe kein Stück auf dem »Pequod« fehlen sollte, wenn das Schiff in See stach.

 

Einmal sah man sie mit einem Krug Marmelade an Bord eilen, der für den Speiseschrank des Steward bestimmt war, ein anderes Mal trug sie ein Bündel Gänsefedern auf den Tisch des Obermaats. Ein drittes Mal hatte sie einen Packen Flanell in der Hand, der bei rheumatischen Rückenschmerzen gute Dienste leisten sollte. Jeder nannte sie »Tante Charity«. Wie eine Pflegeschwester lief sie überall herum und war bemüht, allen an Bord das Schiff behaglich und angenehm zu machen. Sie war ebenso wie ihr lieber Bruder Bildad an dem Schiff beteiligt, sie selbst wohl mit zwanzig ersparten Dollar.

Es war schrecklich anzusehen, wie diese edle Quäkerfrau mit einem langen Öllöffel in der einen Hand und einer weit längeren Walfischlanze in der anderen Hand, an Bord kam. Aber Bildad und der Kapitän Peleg waren nicht weniger tätig. Bildad hatte eine lange Liste mit den Artikeln, die fehlten, in der Hand, und wenn etwas ankam, so machte er auf der Liste ein Zeichen. Dann und wann kam Peleg aus seinem Walfischzelt heraus, brüllte den Leuten unten an den Luken und den Takelagearbeitern oben in den Masten Befehle zu, und zog sich dann unter Schimpfen in seinen Wigwam zurück. In diesen Tagen, wo alles vorbereitet wurde, besuchten Queequeg und ich oft das Schiff, und ebenso oft fragte ich nach dem Kapitän Ahab, wer er wäre und wann er an Bord seines Schiffes käme. Man sagte mir, daß es ihm immer besser ginge, und er jeden Tag an Bord erwartet würde. Inzwischen könnten die beiden Kapitäne Peleg und Bildad für das Notwendigste sorgen, um das Schiff für die Fahrt auszurüsten. Wenn ich mir selbst gegenüber ehrlich gewesen wäre, so hätte ich merken können, daß ich keinen rechten Geschmack daran fand, auf diese Weise einer Fahrt ausgeliefert zu sein, ohne mir den Mann angesehen zu haben, der, sobald das Schiff auf das offene Meer hinauskam, sein Diktator war. Aber wenn man sich bei einer unrechten Handlung ertappt, kommt es vor, daß man, wenn man schon in die Sache verwickelt ist, sich in unverständlicher Weise bemüht, allen Verdacht vor sich selbst zu verdecken. Und so war es auch bei mir.

Ich sagte nichts und gab mir Mühe, an nichts zu denken.

Schließlich wurde bekanntgegeben, daß das Schiff am nächsten Tage zu einer gewissen Zeit bestimmt absegeln würde. So brachen denn Queequeg und ich am nächsten Morgen in aller Frühe auf.

Siebentes Kapitel

Es war beinahe sechs Uhr, als wir uns auf dem Kai entlangschlängelten, aber die Dämmerung war noch grau und voller Nebel.

»Da oben gehen einige Matrosen herum, wenn ich mich nicht irre,« sagte ich zu Queequeg, »Schatten können es nicht sein. Das Schiff fährt schon bei Sonnenaufgang fort, glaube ich. Komm her!«

»Halt!« rief eine Stimme. Zu gleicher Zeit kam jemand hinter uns her und legte uns seine Hände auf die Schulter. Dann stand er ein wenig gebückt in dem Halbdunkel da und sah von Queequeg zu mir herüber. Es war Elias.

»Geht es los?«

»Hände weg!« sagte ich.

»Sieh hier!« sagte Queequeg und schüttelte sich. »Fortgehen!«

»Wollt ihr nicht an Bord?«

»Ja, das wollen wir«, sagte ich. »Aber was haben Sie denn hier zu schaffen? Mir scheint, Mister Elias, daß Sie ein wenig unverschämt sind?«

»Nein, nein! daran habe ich nicht gedacht«, sagte Elias und richtete einen bedächtigen und erstaunten Blick von mir zu Queequeg hin.

»Elias! Mein Freund und ich wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie fortgingen. Wir wollen nach dem Indischen und Stillen Ozean und möchten nicht gerne aufgehalten werden.«

»Wirklich? Sie kommen schon vor dem Frühstück zurück?«

»Der ist oben nicht richtig, Queequeg«, sagte ich. »Wir wollen weitergehen.«

»Hallo, hören Sie doch!« rief Elias fortwährend uns nach, als wir einige Schritte weitergegangen waren.

»Kümmere dich um ihn nicht«, sagte ich. »Queequeg, wir wollen weiter.«

Aber er schlich sich wieder an uns heran und sagte, indem er mir mit der Hand auf die Schulter schlug: »Haben Sie nicht so etwas, das wie Männer aussah, vor einer Weile auf das Schiff zugehen sehen?«

Über diese Frage war ich ein wenig verblüfft und sagte: »Ja. Es kam mir so vor, als ob es vier oder fünf Männer waren. Aber sie waren merkwürdig verschwommen.«

»Sehr verschwommen, ungewöhnlich verschwommen«, sagte Elias. »Guten Morgen!«

Wir machten uns noch einmal von ihm los, aber er kam noch einmal sanft hinter uns hergeschlichen und berührte wieder meine Schulter. »Sehen Sie mal, ob Sie sie jetzt finden?«

»Wen denn?«

»Morgen, guten Morgen!« Und er war bereit, weiterzugehen. »Ach, ach! Ich wollte euch nur davor warnen, aber macht nichts – nun ist es vorbei – es ist scharfer Frost heute morgen, nicht wahr? Auf Wiedersehen, ich werde euch sobald nicht wiedersehen. Es müsste denn noch vor dem Jüngsten Gericht sein.« Unter diesen verrückten Worten machte er sich schließlich davon, und ich war über diese unglaubliche Unverschämtheit nicht wenig erstaunt.

Als wir dann an Bord des »Pequod« gingen, war alles in tiefer Ruhe, kein Laut war zu hören. Die Kajüte war von innen verschlossen. Die Luken waren zugeschoben, und davor lag Takelwerk. Als ich zu der Vorderkajüte ging, war die Luke offen. Als wir ein Licht sahen, gingen wir hinein und fanden einen alten Takelagearbeiter, der in eine zerrissene Tuchjacke gekleidet war. In seiner ganzen Länge ruhte er auf zwei Kisten; sein Gesicht war nach unten gerichtet und ruhte auf den gekreuzten Armen. Er war in tiefsten Schlaf versunken.

»Wo mögen denn nur die Matrosen, die wir gesehen haben, geblieben sein, Queequeg?« sagte ich und sah den Schlafenden ein wenig zweifelhaft an. Aber es schien, als ob Queequeg auf dem Kai sie gar nicht bemerkt hätte. Es müsste bei mir eine optische Täuschung vorgelegen haben, wenn nicht Elias seine unerklärliche Frage gestellt hätte. Aber ich versuchte es mir auszureden. Mit einem Blick auf den Schlafenden machte ich Queequeg darauf aufmerksam, daß wir am besten uns auf den Mann setzten und riet ihm, sich in diesem Sinne hinzusetzen. Er fasste den Schlafenden am Gesäß, als ob er sich überzeugen wollte, daß er auch weich genug wäre, dann setzte er sich ohne weiteres darauf.

»Um's Himmels willen, Queequeg, setz' dich nicht darauf!« sagte ich.

»Ach, sehr guter Sitz«, sagte Queequeg. »Bei uns man immer so tun. Ich das Gesicht ihm nicht wehe tun.«

»Nennst du das ein Gesicht? Das ist ja eine sehr schöne Bezeichnung, aber hör', wie schwer er atmet. Es drückt ihn. Steh auf, Queequeg, steh auf, du bist schwer, er tut sich sonst das Gesicht weh. Steh auf, Queequeg, er wird dich sonst vermöbeln, wenn er wach wird!«

Queequeg stand auf und steckte seine Tomahawkspfeife an. Ich saß in hockender Stellung da. Wir reichten uns über den Schlafenden hinweg abwechselnd die Pfeife zu. Unterdessen teilte mir Queequeg in seiner gebrochenen Sprache mit, daß man in seinem Lande keine Sessel und Sofas hätte. Die Könige, Häuptlinge und die vornehmen Leute pflegten statt der Chaiselongues und Sofas die eigens zu diesem Zweck gemästeten Niedergestellten zu benutzen. Um ein Haus in dieser Hinsicht behaglich einzurichten, brauchte man nur acht oder zehn faule Kerle anzukaufen und sie um die Alkoven und Pfeiler herumzulegen. Außerdem wäre es auf einer Reise sehr bequem. Viel besser als die Gartenstühle, die man zu Spazierstöcken zusammenlegen könnte. So könnte ein Häuptling seinen Begleiter heranrufen, wenn er ihn als Sessel unter einem schattenspendenden Baum benutzen wollte, was besonders angenehm wäre, wenn es sich um einen feuchten und sumpfigen Morast handelte.

Als Queequeg diese Dinge erzählte, hielt er die Tomahawkspfeife jedesmal, wenn ich sie ihm reichte, mit der scharfen Kante über den Kopf des Schlafenden.

»Was soll das bedeuten, Queequeg?« »Töten sehr leicht sein, oh, sehr leicht!« Bei seiner Tomahawkspfeife kamen ihm wilde Erinnerungen an frühere Zeiten; sie skalpierte die Feinde und beruhigte auch seine Seele; sie hatte somit zwei Zwecken gedient. Der enge Raum füllte sich nun mit dem starken Rauch der Pfeife. Der Schlafende musste ihn einatmen, er schien ihm in die Nase zu kommen, und er wurde etwas unruhig. Er drehte sich ein oder zweimal um, dann richtete er sich auf und rieb sich die Augen. »Was seid ihr denn für welche, die ihr am Rauchen seid?«

»Wir sind angemustert,« antwortete ich, »wann fährt das Schiff ab?«

»Ach, ihr wollt mitfahren? Es fährt heute. Der Kapitän ist gestern Abend an Bord gekommen.«

»Welcher Kapitän – Ahab?«

»Wer denn sonst?« Ich wollte ihm über Ahab weitere Fragen stellen, als wir auf dem Deck ein Geräusch hörten.

»Hallo, Starbuck ist schon auf den Beinen,« sagte der Takelagearbeiter, »das ist ein prächtiger Obermaat. Anständig und gläubig dazu. Aber ich muss nun fort.« Damit ging er an Deck, und wir kamen nach.

Es war nun Sonnenaufgang. Bald kam die Mannschaft zu zweien und dreien an Deck. Die Arbeiter beeilten sich sehr. Die Schiffsmaate waren auch kräftig bei der Arbeit, und verschiedene von den Leuten vom Lande trugen eine Reihe Sachen, den letzten Rest, an Bord. Indes blieb der Kapitän Ahab in seiner Kajüte eingeschlossen und ließ sich nicht sehen.

Achtes Kapitel

Als endlich die Takelagearbeiter entlassen, der »Pequod« von dem Kai gelöst und die um uns so besorgte Tante Charity mit ihren letzten Geschenken, einer Schlafmütze für Stubb, dem zweiten Maaten und Schwager, und einer Reservebibel für den Steward, in einem Walfischboot abgefahren war, da gingen die beiden Kapitäne Peleg und Bildad aus ihren Kajüten heraus, und Peleg sagte zu dem ersten Offizier:

»Nun, Starbuck, bist du sicher, daß alles in Ordnung ist? Kapitän Ahab ist schon fertig. Ich sprach gerade mit ihm, und wir brauchen vom Lande nichts mehr? Nun, es sollen alle herkommen. Bringt sie mal gehörig auf den Schwung, zum Donnerwetter!«

»Nicht fluchen, wenn du es auch sehr eilig hast, Peleg!« sagte Bildad. »Aber weiter, Freund Starbuck, und tu', was wir dir gesagt haben.«

Was war denn nun los? Die Fahrt ging an! Kapitän Peleg und Bildad marschierten oben auf dem Achterdeck herum, als ob sie zusammen Kapitän auf See wären. Von dem Kapitän Ahab war noch nichts zu sehen. Er wäre noch in seiner Kabine, sagten sie. Aber wenn das Schiff den Anker lichten sollte, brauchte man ihn ja noch nicht. Damit hatte er ja auch eigentlich nichts zu tun. Es war Sache des Lotsen, das Schiff in die See hinauszusteuern. Da der Kapitän Ahab, wie man sagte, noch nicht wiederhergestellt war, blieb er unten. Das war ganz in Ordnung. Auch bei den Handelsschiffen sind viele Kapitäne erst viel später, wenn der Anker gelichtet ist, an Deck zu sehen. Sie bleiben ruhig an dem Tisch in ihrer Kabine sitzen und feiern mit ihren Freunden vom Lande Abschied, bevor sie mit dem Lotsen an Bord gehen.

Aber man hatte keine Möglichkeit, darüber nachzudenken. Kapitän Peleg war nun in seinem Element. Im Reden und Kommandieren leistete er am meisten, mehr noch als Bildad.

»Auf Achterdeck, ihr jungen Burschen!« rief er, als die Matrosen am Hauptmast herumlungerten. »Starbuck, treib sie zum Achterdeck.«

»Das Zelt abbrechen!« war der nächste Befehl. Wie ich schon sagte, wurde dies Gehäuse aus Walfischbein nur im Hafen aufgeschlagen. Dreißig Jahre lang war der Befehl, das Zelt abzubrechen, an Bord des »Pequod« als der Befehl bekannt, der dem Ankerlichten voranging.

»An die Ankerwinde! Himmelkreuz und Schwerenot! Los!« war der nächste Befehl, und die Mannschaft sprang an die Handspeichen.

Wenn das Schiff den Anker lichtet, stellt sich der Pilot gewöhnlich an dem vorderen Teil des Schiffes auf. Nun waren Bildad und Peleg außer den anderen Ämtern, die sie noch einnahmen, staatlich berechtigte Hafenlotsen. Man hatte Bildad im Verdacht, daß er nur deshalb Lotse geworden war, um allen Schiffen, an denen er beteiligt war, das Lotsengeld in Nantucket zu ersparen; denn er führte niemals ein Schiff hinaus, das einem anderen gehörte. Man sah, wie Bildad nun über den Bug spähte, als der Anker heraufgezogen wurde. Er sang in bestimmten Zwischenräumen einen scheußlichen Psalm, um die Leute an der Winde anzufeuern, die ihrerseits ein Lied von den Mädchen in der Booble Alley aus Herzenslust sangen.

Trotzdem ihnen Bildad vor drei Tagen noch gesagt hatte, an Bord des »Pequod« dürften keine weltlichen Lieder gesungen werden, besonders nicht beim Ankerlichten, und Schwester Charity in die Koje jedes Matrosen kleine ausgewählte Schriften von Watts gelegt hatte.

 

Kapitän Peleg beaufsichtigte indessen den anderen Teil des Schiffes und tobte auf Achterdeck wie ein Verrückter. Ich dachte schon, er würde das Schiff zum Sinken bringen, bevor der Anker hochgezogen wäre. Unwillkürlich hielt ich an meiner Ankerwinde einen Augenblick inne und riet Queequeg, dasselbe zu tun. Ich dachte an die uns bevorstehenden Gefahren, wenn wir mit einem solchen Teufel von Lotsen die Fahrt begönnen. Ich beruhigte mich aber bei dem Gedanken, daß der fromme Bildad trotz seines verdammten siebenhundertsiebenundsiebenzigsten Anteils alles zum besten führen würde. Da fühlte ich auf einmal hinten einen Stoß, und als ich mich umdrehte, erschrak ich, da der Kapitän Peleg unmittelbar in meiner Nähe das Bein zurückzog. Das war mein erster Fußtritt.

»Bedient man so die Ankerwinde bei den Handelsschiffen?« brüllte er. »Angepackt, du Schafskopf, los und das Kreuz durchgedrückt! Wollt ihr anpacken, sag ich euch allen. Los, angepackt! Quohag! Du Kerl mit dem roten Bart! Los! Ihr Grünschnäbel da! Los, sage ich euch, und macht eure Augen auf!«

Unter diesen Worten ging er vor der Ankerwinde herum und machte von seinem Bein ungenierten Gebrauch, während Bildad in seiner unerschütterlichen Ruhe mit seinem Psalm den Takt dazu sang. Mir schien, als ob Kapitän Peleg an dem Tage getrunken hatte.

Schließlich war der Anker hoch, die Segel wurden aufgezogen, und wir glitten in die See. Es war ein kurzer und kalter Weihnachtstag, und als der kurze nordische Tag in der Nacht versank, sahen wir uns auf dem Ozean, der uns mit dem zu Eis erfrierenden Schaum wie mit einer polierten Panzerrüstung bekleidete. Die langen Walfischzähne auf dem Schiff glitzerten im Mondschein, und wie das weiße Elfenbein bei einem Elefanten, so hingen mächtige Eiszapfen von dem Bug des Schiffes herab. Der schmächtige Bildad war der erste Wachthabende. Als das alte Fahrzeug in das grüne Meer hineintauchte und über und über mit kaltem Reiffrost bedeckt war, der Sturmwind heulte und das Tauwerk zu singen anfing, da hörte man die mächtigen Strophen von Bildad:

»Grüne Länder sind hinter dem Meer.

Ach scheue nicht die Flut!

So kamen die Juden zum Jordan her

Und sahen Kanaans Gut.«

Nie haben diese Worte einen süßeren Klang für mich gehabt, als damals. Es lag so viel Hoffnung und Freude darin. Trotz der kalten Winternacht auf dem stürmischen Atlantischen Ozean, trotzdem ich nasse Füße und einen durchnäßten Rock hatte, hatte ich das Gefühl, als ob ich im sicheren Hafen wäre.

Schließlich kamen wir so weit auf die hohe See, daß man die beiden Lotsen entbehren konnte. Das große Segelboot, das uns begleitet hatte, stellte sich nun zur seitlichen Abfahrt auf.

Es war merkwürdig und schön, wie Peleg und Bildad, besonders dem Kapitän Bildad, die Trennungsstunde schwerfiel. Es wurde ihnen schwer, nun ein Schiff zu verlassen, das auf lange Zeit für eine so gefährliche Fahrt bestimmt war, das an stürmischen Kaps vorbeifahren musste und bei dem einige tausend sauer verdienter Dollars angelegt waren. Ein Schiff, auf dem ein alter Maat als Kapitän fuhr, der gerade so alt wie sie und noch einmal allen Schrecken des erbarmungslosen Ungeheuers ausgesetzt war. Es wurde einem schwer, einem Ding Lebewohl zu sagen, das einem in jeder Hinsicht sosehr am Herzen lag. Der alte arme Bildad stand lange unentschlossen da. Aufgeregt ging er über Deck und lief dann wieder in die Kajüte, um sich dort zu verabschieden. Kam wieder an Deck und sah nach dem Winde, schaute in den weiten und endlosen Ozean hinaus, sah ans Land, sah nach dem Steuerbord und sah nach links und sah nach rechts. Schließlich fasste er gedankenlos ein Schiffstau und wickelte es um den Bolzen. Dann griff er den stämmigen Peleg krampfhaft bei der Hand, hielt die Laterne hoch und sah ihm einen Augenblick wie ein Held ins Gesicht, als ob er sagen wollte: »Trotz alledem, Freund Peleg, ich halte es aus. Ja, das tue ich.«

Peleg zeigte mehr die Haltung eines Philosophen, aber als die Laterne in seine Nähe kam, zuckte er merklich mit den Augen. Er war auch in ziemlicher Aufregung und lief von der Kajüte zum Deck, sprach ein Wort unten und dann auch ein Wort mit Starbuck, dem Ersten Offizier.

Aber schließlich wandte er sich an seinen Kameraden und sagte: »Kapitän Bildad! Komm, alter Schiffskamerad, wir müssen gehen. Die Großrahe zurück! Ein Boot losmachen! Aber vorsichtig. Komm, Bildad, alter Junge, wenn du noch etwas zu sagen hast, so tue es! Viel Glück, Starbuck, viel Glück, Stubb, viel Glück, Flask! Auf Wiedersehen und allen viel Glück! Bis in drei Jahren! Dann soll für euch in dem alten Nantucket ein heißes Abendessen auf dem Tische dampfen!«

»Gott segne euch und nehme euch in seine Hut«, murmelte der alte Bildad, fast ganz ohne Zusammenhang. »Hoffentlich habt ihr schönes Wetter. Sonnenschein braucht ihr und vor allem auch der Kapitän Ahab, daß er sich unter euch bewegen kann. Wenn ihr erst in den Tropen seid, dann habt ihr ja Sonnenschein genug. Seht euch aber vor bei der Jagd! Setzt die Boote nicht leichtsinnig auf das Spiel, ihr Harpuniere! Das gute weiße Zedernholz ist um volle drei Prozent gestiegen im letzten Jahr. Vergeßt aber auch das Beten nicht! Starbuck, achte darauf, daß der Fassbinder die Reservereifen nicht zu sehr verschwendet! Die Segelnadeln sind in dem grünen Kasten! Jagt auch nicht zu viel an den Tagen des Herrn! Aber wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, so verachtet die guten Gaben des Himmels nicht! Achtet auch auf das Fass mit der Melasse, Stubb, es kam mir so vor, als ob es ein wenig leck war. Wenn du auf die Inseln kommst, so hüte dich vor der Hurerei, Flask! Lebt wohl, lebt wohl! Lasst auch den Käse nicht zu lange im Kielraum liegen, Starbuck, sonst verdirbt er! Geht auch sparsam mit der Butter um! Das Pfund hat zwanzig Cents gekostet und –«

»Komm, komm, Kapitän Bildad, laß das Palavern sein. Komm!« Und damit zog ihn Peleg schleunigst auf die Seite, und beide ließen sich ins Boot fallen.

Das Schiff und das Boot kamen auseinander. Die kalte und feuchte Nachtbrise wehte dazwischen. Eine schreiende Möwe flog ihnen über den Kopf. Wir riefen alle dreimal schweren Herzens »Hurra« und tauchten in den einsamen Atlantischen Ozean blindlings hinein wie in unser Schicksal.