Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens

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Der Zusammenhalt und die Nachbarschaftshilfe seien bei den Buren stark ausgeprägt, deren Wurzeln bis zu den ersten Siedlern, die aus Europa kamen, zurückreichen. Dr. Ferdinand erhielt die erste Lektion über die Geschichte und Bräuche des Burenvolkes, die er teils akzeptierte und teils mit einem Fragezeichen versah, wenn er sich die leidenden Menschen mit schwarzer Hautfarbe vor Augen führte, denen die Buren keine Nachbarn sein und ihnen die Nachbarschaftshilfe nicht geben wollten. Ihm fiel die „Trekker“-Geschichte mit der Wagenburg-Mentalität ein. Die Buren waren bis auf den Tag ein Volk für sich, sie schirmten sich gegen andere ab und grenzten andere aus. Das erklärte ihm, warum die Buren keinem Schwarzen in ihrem Dorf ein Wohnrecht zuerkannten, wohl wissend, dass das Land den schwarzen Vätern und Vorvätern gehörte, die hier geboren waren. Auf der anderen Seite derselben Münze stand die Forderung der Weißen nach schwarzen Arbeitskräften, die für die „Herrenrasse“ für Spottlöhne zu arbeiten hatten. Mit Sonnenaufgang kamen schwarze Männer und Frauen zu den Häusern der Weißen, um die Wohnungen zu säubern, auf die Kinder aufzupassen, die warmen Mahlzeiten zu kochen, in den Gärten Unkraut zu jäten, die Pflanzen zu bewässern, mit dem Rechen den Sand vor dem Haus gleichmäßig zu verstreichen und die Autos zu waschen. Noch vor Sonnenuntergang mussten sie das Dorf verlassen und eine der zwei Kontrollstellen passieren, wo sie ein handgeschriebenes Papier des „Baas“ (Boss, Meister, Herr des Hauses) vorzuzeigen hatten, dass sie im Haus oder im Garten arbeiteten. Nur dieses Papier berechtigte die Schwarzen, das Dorf „For Whites Only“ nach Sonnenaufgang zu betreten und vor Sonnenuntergang zu verlassen. Vor dem Durchgang neben der Sperrschranke wurde kontrolliert wie beim Grenzübergang von einem Land zum andern. Die Schwarzen hatten ihre Plastiktüten vor dem Wachhabenden zu öffnen, damit dieser reinschauen und mit seinen Fingern darin rumwühlen konnte. Oft schüttete er den Tüteninhalt auf dem Kontrolltisch aus, um sich persönlich von den schwarzen Armseligkeiten zu überzeugen. Dort am „Grenzübergang“ mussten sich die Schwarzen die Leibesvisitation durch weiße Wachsoldaten gefallen lassen. „Die Situation“, fuhr Herr C. fort, „hat sich in den letzten Wochen deutlich verschlechtert, da die Aktivitäten der SWAPO ständig zunehmen und ihre Leute die Bevölkerung immer mehr mit ihren Kampfparolen aufhetzen. Dort bekommen sie Unterschlupf und Verpflegung. Es ist deshalb unvermeidlich, dass die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden.“ Dr. Ferdinand hielt sich die primitiven Granatbunker vor Augen, diese gemauerten Kästen von der Größe großer Hundehütten, die sich unter Sandsäcken neben jedem Haus verbargen und von denen nur die Ein- und Auskriechluken zu sehen waren, welche die Hunde zum Schlafen benutzten. Dass es seit Langem eine UN-Resolution 435 gab, das erwähnte Herr C. nicht, als entspräche diese Resolution nicht dem Buren-Konzept von Gegenwart und Zukunft mit dem gleichen Anspruch aller Menschen auf Frieden, Freiheit, Achtung und menschliche Würde. Dr. Ferdinand tat gut daran, sich aufs Zuhören zu konzentrieren. So konnte sich Herr C. aussprechen, während die Kinder sich vor dem Haus vergnügten. Seine Ausführungen, die unter der Überschrift „Ansichten eines Buren über Gegenwart und Gesellschaft“ stehen konnten, wurden gegen zwölf Uhr unterbrochen, als Dr. Witthuhn in seinem zu kurzen Morgenmantel erschien, der noch schiefer hing als in der vergangenen Nacht und wegen der Bauchfülle die Vorderansicht der Unterhose freigab, wobei die männlichen Geschlechtsteile noch verdeckt blieben. Mit verschlafenem Gesicht, geröteten Augen und einem Anflug des Gähnens begrüßte er Herrn C., dessen Frau und die Kinder, als diese hereinstürzten, weil sie seine sonore Bassstimme draußen gehört hatten. Sie gaben ihm die Hand zur Begrüßung, konnten dabei das Missverhältnis von Bademantel und Körperfülle nicht übersehen und rannten wieder heraus, wo sie sich wegen dieser Unstimmigkeit vor Lachen ausschütteten. „Ich mache erst einmal einen Kaffee.“ Dr. Witthuhn ging in die Küche, legte einen neuen Papierfilter in die Kaffeemaschine, verschüttete von den hoch gehäuften Löffeln einen Teil, füllte den Behälter bis zum Rand mit Leitungswasser, in dem kleine Flocken auf und ab wirbelten, und stellte die Kaffeemaschine an, die vor braunen Flecken strotzte. Er kam mit einem Tablett zurück und stellte es mit Tassen, Teelöffeln, Milchkännchen ohne Henkel und der angekatschten Zuckerdose auf die Glasplatte des Klubtisches. Er nahm seinen Platz auf der zweisitzigen Couch neben Herrn C. ein, ließ sich ins Polster sinken und zog die Zipfel des Bademantels über seine Schenkel, während in der Küche die Kaffeemaschine röchelte und ein anregendes Aroma bis in den Wohnraum verströmte. Frau Laura übernahm den Rest, holte den Kaffee aus der Küche und goss ihn in die Tassen. Jeder rührte sich seine Zuckermenge ein und bediente sich der Milch bis zur gewünschten Bräune. Nur Dr. Ferdinand hielt seinen Kaffee schwarz. „Da sind wir noch einmal heil davongekommen“, resümierte Dr. Witthuhn das Granatenerlebnis der vergangenen Nacht. Beim Wort „heil“ lachte er und trank seine Tasse als Erster leer. „Das hat uns einen Schreck eingejagt und zwei ,Guinness’ gekostet“, fügte er hinzu. Aus seinen Worten war zu entnehmen, dass er diese Schreckreaktion von sich selbst nicht erwartet hatte, da es ja nicht der erste Granatenbeschuss gewesen war. Frau Laura meinte, dass der Granateneinschlag der letzten Nacht heftiger gewesen war als die vorherigen Einschläge. Diesmal hatten die Kinder große Angst gehabt und wollten nicht mehr in ihre Betten zurück, sie hatten sich an die Eltern angeklammert und waren dann schließlich mit ihnen eingeschlafen. „Für alle gab es keine gute Nacht“, ergänzte Herr C. mit einem sorgenvollen Gesicht, als Dr. Ferdinand an die gestörte Nachtruhe der schwarzen Menschen dachte und die Angstschreie der Kinder zu hören und die weinenden Gesichter der Mütter zu sehen glaubte. Von diesen Kindern und Müttern wurde nicht gesprochen. Bilder dieses Entsetzens reichten nicht bis zum weißen Bewusstsein, wo das Wort „alle“ sich auf die Weißen beschränkte, weil ihnen Angst und Schrecken der schwarzen Menschen nicht in die Köpfe ging, und so die Betrachtungsweise einseitig und weiß begrenzt blieb. Je länger darüber gesprochen wurde, umso schwärzer wurde die Bedrohung, die nach mehr Schutz für die Weißen verlangte, wobei an den Schutz schwarzer Menschen erst gar nicht gedacht wurde. Dr. Ferdinand hatte gut zugehört und sich dabei auch etwas gedacht.

So stellte er die Frage, ob denn auch einmal an die vielen schwarzen Menschen und ihre Kinder gedacht wurde, die der Bedrohung nicht weniger ausgesetzt und völlig schutzlos seien. Sie hätten nicht weniger das Verlangen nach einer ruhigen Nacht und einem ruhigen Leben. „Solange wir diese Menschen aus unseren Gedanken ausschließen, denken wir ungleich und ungerecht. Da bleiben auch die Gebete der Weißen unvollständig. Der Frieden der Versöhnung bleibt dann aus.“ Das rundliche Gesicht des Herrn C. rötete sich stärker, während Dr. Witthuhn „Die Zauberflöte“ auflegte, nachdem er noch einmal kräftig über die Platte gepustet hatte und mit dem Bademantelzipfel darübergefahren war. Er stellte den Plattenspieler an, setzte den Tonarm auf die Platte, die Ouvertüre begann und wurde von den Quietschlauten der Nadel in den ausgefahrenen Rillen begleitet. Wie in der Nacht davor bekam er nach den ersten Takten strahlende Augen wie ein Geburtshelfer, der der Mutter ein gesundes Kind entbunden hat und ihr den kräftigen Sohn in die Arme legt. Herr C. setzte die Tasse auf die Glasplatte des Klubtisches zurück und war sichtlich mit seinen Gedanken zugange. Etwas stotternd versuchte er Dr. Ferdinand zu antworten und lehnte sich dabei zurück. „Haben Sie etwas Geduld“, sagte er, „auch Sie brauchen wie alle, die aus Europa kommen, mehr Zeit, um zu verstehen, wo die Probleme wirklich liegen. Ich bin von Ihrer Bemerkung nicht überrascht und weiß, dass wir Buren immer missverstanden werden. Doch so hat uns die Geschichte das Leben gelehrt.“ Dr. Ferdinand konnte den Sinn dieser Sätze nicht richtig verstehen, verkniff sich aber in Anbetracht der Zeit und weil es ein Sonntag der Entspannung und des nachzuholenden Schlafes sein sollte, noch einmal nachzuhaken. In Form einer höflichen Floskel räumte er bereitwillig ein, dass er mit dem Leben der Buren und ihrer Geschichte nicht vertraut sei und die Ursachen des getrennten Nebeneinanderlebens von Schwarzen und Weißen eher ahnen als wissen könne. Doch an dieser Tatsache, wo es völlig am Miteinander fehlt, käme wohl keiner vorbei. „Mir scheint“, fügte er hinzu, „soweit ich es beobachten konnte, dass die grundlegenden Dinge des Lebens mit zweierlei Maß gemessen werden, nur weil es da Unterschiede in der Hautfarbe gibt. Das kann ich als Christ mit dem Reformator Luther und meinem Gewissen nicht vereinbaren.“ Herr C. schien das gut verstanden zu haben. Das Blut in seinen Gesichtskapillaren hatte sich verlaufen, und die Röte blasste etwas ab. Er zündete sich eine Zigarette an und war damit einverstanden, dass Dr. Ferdinand seine Lektion über die Buren und ihre Geschichte noch lernen wollte. Dr. Witthuhn erzählte dann ausführlicher aus Dr. Ferdinands Leben und scheute sich vor Übertreibungen nicht, als er von seinen chirurgischen Leistungen und Erfahrungen sprach. Schließlich räumte er ein, dass er nun schon zwei Wochen auf die Arbeitserlaubnis aus Pretoria wartete. Herr C. nahm seine Worte positiv auf. Sie verabschiedeten sich, wobei Herr C. seiner Hoffnung Ausdruck gab, dass die Arbeitserlaubnis bald eintreffen möge. Er sicherte Dr. Ferdinand seine Unterstützung zu. Die Familie C. verließ das Haus, schritt in Gänsemarschformation zum Toyota-Kleinbus vom Typ Hiace, winkte aus den Fenstern und fuhr davon. Die „Zauberflöte“ war noch nicht beendet. Die Kollegenfreunde setzten sich gegenüber. Dr. Witthuhn begleitete die Arien teils brummend, teils singend, meist eine Oktave tiefer und goss den restlichen Kaffee ein. Dr. Ferdinand schwieg mit der Zigarette zwischen den Fingern, während er sich einer tagträumerischen Exkursion von Planet zu Planet anvertraute und dabei die aufsteigenden Rauchschwaden verfolgte, die sich an der Zimmerdecke brachen. „Lass uns mal sehen, wo die Granaten eingeschlagen haben“, sagte Dr. Witthuhn, eine Bemerkung, die den Bezug zur Realität unterstrich, „doch erst nehme ich ein Bad.“ Mitsingend erhob er sich von der Couch, machte Zwischenstation auf der Toilette, wo der Gesang fortgesetzt und von synkopischen bis taktlosen kontrabasstiefen, stakkatohaften Analgeräuschen begleitet wurde, die eine erfolgreiche Verdauung mit derart kräftigen Donnerschlägen verkündeten, dass das Türschloss quietschte. Dann verschwand er für eine Stunde, um sein Bad zu nehmen, das er der Länge nach genoss. Dr. Ferdinand legte die „Symphonie phantastique“ auf, pustete nach Kräften die Plattenrillen frei und setzte behutsam die Nadel auf. Was für eine Gabe, die Gefühle so reich auszudrücken, merkte er für sich an und erinnerte sich, wie er seinem Vater nach überstandenem Abitur den Wunsch vortrug, sein weiteres Leben mit der Musik, mit Geige und Klavier zu verbringen. Er erinnerte sich auch an dessen heftige Reaktion mit der erhobenen rechten Hand, als er diesen Wunsch mit der Bemerkung aus der Welt räumte, dass das völliger Blödsinn sei. „Du studierst Medizin, und damit basta!“, war seine ganze Begründung. In der Frage der Berufswahl ließ er sich in puncto Musik erst gar nicht auf ein Gespräch ein. Und das war es. Der Wunsch blieb unerfüllt und hatte eines widernatürlichen Todes zu sterben; das machte Dr. Ferdinand für lange Zeit traurig. Doch in seinem Denken, Fühlen und Träumen nahm die Musik einen großen Raum ein, und so blieb es bis auf den Tag. Er hörte mit innerer Anteilnahme, was Berlioz aus seinem Leben zu berichten hatte, wie er Freude gegen Leid, erfüllte gegen verlorene Liebe, Glück gegen Einsamkeit und Tod in der wunderbarsten der Sprachen ausdrückte und gegenüberstellte.

 

Das Telefon klingelte. Dr. Ferdinand nahm den Hörer ab, und eine junge Frauenstimme verlangte Dr. Witthuhn zu sprechen. Da die Stunde Bad bis auf fünf Minuten erfüllt war, kam er bis zum Nabel in ein Badetuch gewickelt und führte ein langes Gespräch in deutscher Sprache, in dem das Wort „Liebling“ häufiger vorkam, das ihn jedes Mal dazu veranlasste, mit der linken Handpranke die Tropfen von der Stirn zu wischen. Im konventionellen Teil des Telefongesprächs berichtete er über den mitternächtlichen Granatenbeschuss und die Anwesenheit eines deutschen Arztes, der vorübergehend im Haus wohne. Dr. Witthuhn zeigte sich als guter Zuhörer, der diese Eigenschaft auskostete und das am anderen Ende Gesagte mit charmant vorgetragenen Komplimenten erwiderte, was die Vermutung einer intimen Beziehung nur bekräftigte. Das Gespräch war beendet, und die Freude strahlte aus seinem Gesicht. Da war das Glück im Spiel. Nach dem Telefonat ging er nicht zurück ins Bad, sondern zu den Platten, aus denen er „Figaros Hochzeit“ herauszog und auflegte. „Jetzt öffnen wir eine Flasche Wein!“ Er holte sie irgendwoher, stellte zwei Gläser auf den Tisch und öffnete den „Nederburg“, Jahrgang 1983. Er war in bester Laune und leerte ein volles Glas stehend mit dem Badetuch umwickelt. Die Arie des Figaro singend verschwand er aus dem Wohnraum, und mit derselben Arie kehrte er angekleidet zurück. Dr. Ferdinand blätterte im „Woordeboek“, denn sein Afrikaans war noch wackelig auf den Füßen, wenn er auch seine letzten zwei deutschen Wochen dazu benutzt hatte, sich in diese Mundartsprache einzulernen, deren Wurzeln ins Flämisch-Holländische gehen.

Medizin inmitten des Krieges

Das Telefon läutete das zweite Mal. Diesmal war es das Hospital. Da ging es um Blutkonserven, die für die Patienten gebraucht wurden, die in der vergangenen Nacht mit schweren Verletzungen gebracht worden waren. Bei dem einen wurde das Bein amputiert, bei dem anderen wurden die Milz und vier Finger der rechten Hand entfernt. Die Konserven waren in Windhoek vorrätig und konnten geholt werden. Für die Tagesfahrt von hin und zurück eintausendfünfhundert Kilometern musste der Fahrer mit einem offiziellen Schreiben der höchsten Dringlichkeit versehen sein, das nur der Superintendent ausstellen konnte. Der Fahrer hatte dieses Schreiben beim Passieren der zahlreichen Straßenkontrollen vorzuzeigen. „Schicken Sie den Fahrer“, sagte Dr. Witthuhn und legte den Hörer wieder auf. Der Fahrer kam nach zehn Minuten mit einem alten, völlig verbrauchten Ambulanzwagen, der vorn, hinten und an den Seiten verbeult war. Er öffnete die eingedellte Fahrertür von außen, schlug sie ins Schloss zurück und kam ins Haus. Er setzte sich und unterrichtete den Superintendenten, dass er einen Patienten, der nach einer Schädelverletzung noch im Koma liege, mit nach Windhoek zu nehmen habe. Eine Schwester sollte den Patienten auf der Fahrt begleiten. Dr. Witthuhn schrieb die besondere Dringlichkeit der Fahrt auf ein Blatt seines Rezeptblockes. Die großen Schriftzüge füllten mit zwei Sätzen das ganze Blatt. Der Fahrer erwähnte, dass die Fahrzeuge in einem schlechten Zustand seien; von den drei Ambulanzen war nur eine noch einsatzfähig. Er wies mit dem rechten Zeigefinger auf das ramponierte Fahrzeug, das besser verschrottet als gefahren werden sollte. Die anderen lagen mit gebrochenen Achsen, Motorschäden oder als komplette Unfallwracks seit Monaten gebrauchsunfähig auf dem verödeten Parkgelände hinter dem Hospital herum. Neue Fahrzeuge mussten dringend beschafft werden, das war auch der „Administration for Ovambos“ in Ondangwa seit über einem Jahr bekannt. „Warum reagieren die nicht? Sind die taub?“, fragte der Fahrer. Dr. Witthuhn versprach, dieses Problem mit dem „Sekretaris“ zu besprechen und entließ den Fahrer mit dem erforderlichen Dokument. Dr. Ferdinand konnte nur einzelne Worte der in Afrikaans geführten Unterredung verstehen, deshalb bat er Dr. Witthuhn, ihm das noch einmal auf Deutsch zu sagen. In diesem Moment knallte der Fahrer die Wagentür zu und versuchte den Motor zu starten, was ihm beim sechsten Versuch gelang. Er ließ den Motor aufheulen, das Fahrzeug setzte sich in Bewegung, drehte auf der Straße und hinterließ eine schwarze Wolke. Dr. Ferdinand machte sich bei der Übersetzung Notizen auf einem Blatt, die er dann Wort für Wort im Wörterbuch nachschlug, um sein Afrikaans zu verbessern. „Die Hochzeit des Figaro“, die erfreulich und musikalisch immer wieder erstaunlich mit einem Happy End endete, war längst vorüber, als Wolken aufzogen, die, wenn man von den politischen Wolken einmal absah, nach Wochen der unerträglichen Hitze von den Menschen der verschiedenen Hautfarben gleichermaßen herbeigesehnt wurden.

Eine Rundfahrt durchs Dorf stand auf dem Nachmittagsprogramm, um zu sehen, wo die Granaten in der vergangenen Nacht eingeschlagen waren und was sie angerichtet hatten. Als Dr. Ferdinand zum Außentor ging, sah er, wie der Kollegenfreund und Gönner bei laufendem Motor im Rückspiegel sein Gesicht betrachtete und die Haare mit Sorgfalt kämmte. Das breite Einfahrtstor war geöffnet, und Dr. Ferdinand wartete vor dem rechten Torpfosten auf das Zurücksetzen des Wagens, das erst erfolgte, als der Freund mit Form und Aussehen seines Kopfes und der Anordnung des schwarzen, zurückgekämmten, von grau melierten Strähnen des mittleren Alters durchzogenen, leicht gewellten Haares einverstanden war. Eine dünne kurze Locke hatte dabei schräg über die rechte Stirnseite zu fallen. Die zweite Kopf- und Haarinspektion erfolgte, nachdem er den Wagen aus der Einfahrt heraus auf die Straße zurückgesetzt hatte und auf Dr. Ferdinand wartete, der das Tor zurückschob und den Riegel ins Schloss fallen ließ. Der Wagen unterschied sich von den vorbeifahrenden und in Einfahrten abgestellten Autos weniger durch sein deutsches Markenzeichen, als vielmehr dadurch, dass eine Wagenwäsche seit Langem überfällig war. Dr. Witthuhn stellte das Radio ein, dessen Sender auf Afrikaans gesungene Lieder brachte, deren Vortrag, weil Dr. Ferdinand der Text weitgehend verborgen blieb, ihm wie eine Mischung aus Kirche, Cape und Nederburg vorkam. Der Wagen rollte sonntäglich im Prozessionstempo durchs Dorf, wobei der Fahrer den Schalthebel im zweiten Gang beließ, das Gaspedal leicht antippte und die laufenden Zylinder bis in den unteren Drehzahlbereich hineinwürgte. Sie fuhren in Richtung „Military camp“ und fanden in der Tat zwei riesige Trichter unweit vom Camp mit abgeschlagenen Bäumen in der nächsten Umgebung. Die Zugangsstraße zum Camp war gesperrt, da eine dritte Granate diese mit einem so großen Trichter durchbohrt hatte, dass der Wagen in großem Abstand davon abgestellt werden musste. Sie stiegen aus, um sich den Trichter aus nächster Nähe anzusehen, was ihnen von den Militärs jedoch nicht gestattet wurde. Ein paar uniformierte Männer stiegen in den Trichter herab und suchten nach der Granate. Andere Soldaten kamen aus dem Trichter mit Metallstücken heraus, die offensichtlich Teile der Granate waren. Ein Offizier im Range eines Majors kam auf Dr. Witthuhn zu, sie kannten einander, und sagte, dass es Granaten sowjetischer Herkunft waren, die eine ungewöhnlich hohe Sprengkraft hatten und aus großer Entfernung abgeschossen wurden. Im weiten Umkreis um den Trichter schlugen Soldaten Eisenstäbe in den Boden und verbanden sie am oberen Ende und in Stabmitte mit roten Bändern. Militärfahrzeuge fuhren in weiten Bögen um den Trichter herum. Die Fensterscheiben an den zugewandten Seiten der anliegenden Baracken waren zerschmettert, und die Jüngsten der Wehrdienstleistenden harkten die Scherben zusammen und schaufelten das Bruchglas in große, eiserne Tonnen. Der Major sagte, dass erfreulicherweise keiner der Soldaten ernsthaft verletzt worden war. Einige von ihnen hätten lediglich Schnittwunden erlitten, und die seien hier mit Verbänden versorgt worden, während drei mit Gesichtsverletzungen ins Militärlazarett nach Ondangwa gebracht worden sind. Auf die Frage, wo denn die übrigen Granaten eingeschlagen seien, machte der Major eine Skizze auf einem abgerissenen Stück Papier und beschrieb die Einschusstrichter am gegenüberliegenden Dorfende, wobei ein Geschoss das Postamt, das in unmittelbarer Nähe hinter dem Hospital lag, nur um wenige hundert Meter verfehlt hatte. Er erläuterte anhand der Skizze die Abschussstrategie, indem er die gekreuzten Punkte, wovon jeder einen Einschuss markierte, mit einem durchgezogenen Strich verband, der fast einer Geraden gleichkam, wobei die Außenpunkte an den Dorfenden die ersten Einschüsse und die Innenpunkte zum Dorfzentrum hin die letzten gewesen waren. Wo der siebente Einschuss war, denn sie hatten insgesamt sieben Explosionen gezählt, konnte der Major allerdings nicht auf dem Papier markieren, seiner Schätzung nach war dieses Geschoss mehr nord- oder nordwestwärts niedergegangen. Dr. Witthuhn, der sich in der Gegend auskannte, drückte seine Befürchtung aus, dass die siebente Granate entweder die „Lokasie“, wie die Weißen das Wohngebiet der Schwarzen nannten, getroffen hatte oder in der Nähe der katholischen Mission in Okatana eingeschlagen war. Die Befürchtung wurde vom Major dahingehend entkräftet, dass drei „Casspirs“, jene dickbestahlten und dickbereiften Kolosse, mit aufgesessener Mannschaft das Missionsgelände abgesucht und nichts Auffälliges gefunden hätten, durch die „Lokasie“ waren sie nicht gefahren. Damit wurde Dr. Witthuhns Befürchtung nur zum Teil entkräftet. Die Doktoren dankten dem Major für die ballistische Unterweisung und gingen zum Auto zurück. Auf dem Wege zum Postamt kamen sie an dem Haus vorbei, wo die Druckwelle das Dach abgehoben hatte, das in der Mitte geknickt mit aufgebogenen Rändern wie eine umgekippte Wanne an der nächsten Hauswand lehnte und dort alle Fenster verstellt hatte. Eine Dachkante zog sich an der Hauswand hoch und hatte sich zur Trompete eingerollt, die zum Himmel blies. Sie kamen am Postamt an. Da lagen die Glasscherben über den ganzen Vorplatz verstreut zwischen Gesteinsbrocken unterschiedlicher Größe. Alle Fenster an der Längsseite des Gebäudes waren zertrümmert. Die Wucht des Aufschlags hatte in etwa dreihundert Meter Entfernung zwischen Postamt und dem zweiten Wasserturm einen Krater von fünf Meter Durchmesser und drei Meter Tiefe gebohrt. Durch die enorme Explosion waren Steine und Betonstücke geschossartig gegen die Mauern des Postamts geprallt und hatten tiefe Kerben in die Schmalseite des Gebäudes gerissen. Die Straße vom Postamt bis zum Ortsausgang war mit Gesteinstrümmern übersät. Von hier war die Kontrollstation nur zweihundert Meter entfernt, an der die Wachhabenden an der Sperrschranke die Fahrzeuge anhielten und nach dem Ausweis oder Passierschein verlangten, der dem Fahrer bescheinigte, dass er im Dorf wohnte und ihn berechtigte, das Wohngebiet der Weißen zu betreten. Dr. Ferdinand war bestürzt über das Ausmaß der Verwüstung. Er schwieg, da ihm die Worte fehlten, das Bild des Grauens zu beschreiben, obwohl er aus seiner Kindheit Bilder eines Grauens viel größeren Ausmaßes in Erinnerung hatte.

 

Die Farbe seines Gesichts bezeichnete Dr. Witthuhn später als blass. In der Sorge, dass die siebente Granate in der „Lokasie“ eingeschlagen hatte, fuhren sie mit dem Auto weiter. Dr. Witthuhn steuerte es durch ein Trümmermeer von Steinen und Betonbrocken zum Ortsausgang und konnte nach dem Vorzeigen des Ausweises die gehobene Schranke passieren. An der T-Kreuzung mit der strategisch wichtigen, geteerten Verbindungsstraße, die Ruacana im Westen mit Tsumeb im Osten über eine Länge von vierhundertsechzig Kilometern verband, bog er nach links in Richtung Oshikuku und drückte den Fuß aufs Gaspedal. Er wollte die Siedlung der Schwarzen vor Sonnenuntergang durchfahren, wollte wissen, ob hier die Granate eingeschlagen war. Nach einem Kilometer bog er von der Teerstraße nach links ab und fuhr langsam über die engen, von Schlaglöchern durchsetzten Sandstraßen, die von dichten Reihen der armseligsten Hütten aus Blech, Holzbalken, Pappen und Tüchern gesäumt waren. Abgemagerte Hunde streunten herum und suchten Straßen und Wege nach Kaubarem ab, während die mageren Ziegen hemmungslos das letzte Grün von den Sträuchern rissen und sämtliche Zweige und erreichbaren Äste kahl fraßen. Die Räder schlugen in die Schlaglöcher ein, dass es im Fahrgestell knirschte. Es wurde in enge Seitenwege eingebogen, in denen sich schlangenförmig ausgefahrene Spurrinnen mit ausgewaschenen Schlaglöchern abwechselten. Die erste Besichtigung der Siedlungssituation mit den eng aneinander gereihten, durchlöcherten, mit Tuchfetzen zugehängten und von Pappen und Töpfen zugestellten Unterkünften ging unter die Haut. Da gab es nur magere und nackte Kinder, die aus großen Augen blickten. Das Bild des Elends, hier war es komplett. Noch nie hatte Dr. Ferdinand Menschen so trostlos und verwahrlost gesehen. Er fragte sich beim Anblick der Kinder, denen der Tod näher war als das Leben, ob es da in den Herzen noch Hoffnung gab. Er saß zurückgelehnt und sprachlos im Auto und dachte über das Gespräch mit Herrn C. über die Ansichten eines Buren über Gegenwart und Gesellschaft nach.

Beide waren erleichtert, als sie von den Bewohnern der „Lokasie“ erfuhren, dass die Granate außerhalb eingeschlagen war, wo sie einen Kraal mit schlafenden Ziegen begrub. So fuhren sie im Abendlicht, denn die Wolken des frühen Nachmittags hatten sich verzogen, dem Rest des Sonnenuntergangs entgegen. Mächtig glühten die Strahlen, die aus dem Jenseits des Horizonts auftauchten und in breiten Fächern den Himmel durchzogen, ihn noch vor Tagesende mit dem roten Meer des Blutes tränkten. Sie fuhren noch einmal zum Camp zurück, wo die Erkundung begonnen hatte. Dort waren mittlerweile die Aufräumungsarbeiten so gut wie abgeschlossen. Der Einschlagstrichter war aufgefüllt und die Zugangsstraße wieder befahrbar. Dann fuhren sie zum Haus zurück. Dr. Ferdinand schob das Tor zu und ließ den Riegel ins Schloss fallen. Dr. Witthuhn ging ins Haus. Er hatte sich aus der Kantine des Camps eine Zwölferpackung Dumpies der Marke „Guinness“ beschafft, die er aus dem Kofferraum holte und in die Küche trug. Er öffnete die Packung, nahm sich eine Flasche, trank sie halb leer, öffnete eine zweite, drückte sie Dr. Ferdinand in die linke Hand, sagte „Prost!“ und trank seine Flasche aus. Er drückte die Hoffnung aus, dass der Abend ruhig und die Nacht noch ruhiger sein mögen. Dann besetzte er die Toilette. Dr. Ferdinand ging ins Wohnzimmer, stellte die Flasche auf den Tisch, zog das zweite Brandenburgische Konzert als sechste Platte aus dem Elferstapel und legte sie auf. Er lehnte sich in dem gefleckten Polsterstuhl zurück, zündete die drittletzte Zigarette an, sah auf die halb geleerte Flasche, ohne sie leeren zu wollen, und hörte zu, was Papa Bach mit kontrapunktischer Strenge aus seiner Zeit zu erzählen hatte, wie das Leben der Menschen damals war. Er kniete im Glauben und schlug mit der Faust auf den Tisch, wenn ihm die Heimkinder der Thomasschule, statt die lateinischen Aufgaben zu machen, ein sächsisches Schnippchen drehten. Es war der Organist und Heimleiter Bach, von dem der spätere Gigant Beethoven sagte, dass er aufgrund seiner großartigen Musik einen größeren Namen als nur Bach verdient hätte. Dennoch, als seine Söhne Friedemann, Philipp Emanuel und Michael ohne des Vaters Gedankenschärfe mit viel weniger Polyphonie ihre rühmlichen Gratwanderungen machten, verschwand die Fugenmusik mitsamt dem großen Fugenmeister in den Tiefen der Vergessenheit, wo sie fast verloren gegangen wären, wenn es den jungen und genialen Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig nicht gegeben hätte, der das große Werk des Thomaskantors und Heimleiters der Thomasschule aus der Gruft holte und neu einspielte. Nur so blieb Papa Bach am Leben, dessen „geringen“ Namen der noch junge Felix zum Ruhm der Unsterblichkeit erhob. Dr. Ferdinand betrachtete die schief hängenden Reproduktionen deutscher und französischer Expressionisten und hörte sich das barocke Leben auf den Fugenstufen einer feudalen Treppe an, neben der der große Brunnen des Unerschöpflichen, des immer Neuen stand. Das brachte ihn gedanklich zum „panta rhei“ des Philosophen Heraklit, bei dem alles permanent im Fließen war, der als Mensch schwierig, weil cholerisch war und nach dem Niederbrand des Artemistempels in Ephesus zurückgezogen lebte. Dr. Ferdinand drückte die Zigarette auf der Untertasse aus, stand beim zweiten, langsamen Satz auf, rückte die Expressionisten in eine galeriegerechte Stellung, betrachtete sie von rechts nach links, dachte über das miserable Leben eines Toulouse-Lautrec und Vincent van Gogh nach und setzte sich erst mit dem Ende des zweiten Satzes aus dem zweiten Brandenburgischen Konzert in seinen Stuhl zurück.

Was war geschehen? Nichts, das für Dr. Ferdinand die Note „ausgezeichnet“, wohl aber die Note „unbefriedigend bis ungewöhnlich“ verdient hätte. Das nicht nur aus Gründen, die ihn persönlich betrafen, wie der Fortgang aus Deutschland und seine Begleitumstände, oder das Warten auf die Arbeitserlaubnis aus Pretoria und vieles andere mehr. Die eigentlichen Gründe für sein Niedergedrücktsein waren die Menschen, die er so elendig und verwahrlost in der „Lokasie“ leben sah. Da hatte die Armut nichts zurückgelassen, was man Zivilisation oder Kultur nennen konnte. Da war alles platt gedrückt und bis ins Letzte unkenntlich gemacht. Die Eigensucht der Weißen hatte den Schwarzen böse mitgespielt und ihnen den weißen Strich durchs schwarze Leben gezogen. Gegen solche Brutalität waren sie machtlos und wurden von der ihnen aufgesetzten Krebsgeschwulst zerfressen. Dort schlug die Ohnmacht in die Augen, von menschlicher Würde gab es keine Spur. Das Leben stand am Abgrund, wo es in der Tiefe nur die Fäulnis gab. Die Visionslosigkeit war erschütternd. Ethisch und moralisch war so ein Leben gar nicht zu verstehen. Für die Gedanken der Aufklärung fehlte jeglicher Anknüpfungspunkt, weil das Leben unmenschlich war, das hier in Armut und gesundheitsschädlichen Abfällen verkam. Die Schwarzen in der „Lokasie“ zahlten mit der erbärmlichen Kümmerlichkeit ihres nackten Lebens den Wohlstand der Weißen. Da blickte Dr. Ferdinand auf das Europa des Westens nach dem Zweiten Weltkrieg zurück, wo mit dem aufkommenden Wohlstand die Gesellschaft verfettete und alles andere verkümmerte, das Geistige wie Spirituelle, die Mitmenschlichkeit wie die Nächstenliebe. Der Blick war der Blick in den Spiegel, das Interesse galt nur sich selbst. Den anderen nahm man nicht mehr zur Kenntnis, egal wie schlecht es ihm ging. Der Unwille zur Besserung hat die Menschen schwach gemacht, sie mit Blindheit und Gehörlosigkeit geschlagen. Die Antennen waren abgebrochen, die sensiblen Organe zu verrostet und verkrustet, um den Aufschrei der Hungernden und Gefolterten zu hören. Der Verstand war ausgeschaltet und damit die Vernunft, nach den Prinzipien der Mitverantwortung zu leben, die nicht vom Tisch zu wischen war. So war es in Europa, doch viel schlimmer war es hier. Da schwirrte ihm der Adler durch den Kopf, der auf die hilflose Beute stürzt, als er das eben Gesehene auf den neuesten Stand seiner Erfahrung brachte und mit größter Zurückhaltung mit der Note „unbefriedigend bis ungewöhnlich“ versah, was in Wirklichkeit entsetzlich war. So ließ ihn die Beurteilung des Gesehenen nicht ruhen, weil ihn die Milde des Wortes „unbefriedigend“ durch die Abstraktion vom tatsächlichen Bild mit der Entwürdigung des Menschen irritierte. Es gab Fragen über Fragen nach dem Warum, die auf eine Antwort warteten. Das andere Benotungswort „ungewöhnlich“ ärgerte ihn dagegen heftig, er wollte es so nicht stehen lassen, musste es aber tun, weil sich die Menschen in der „Lokasie“ an die höchst ungewöhnlichen Wohn- und Lebensbedingungen längst gewöhnt hatten. Sie kamen aus dem Elend, der Verwahrlosung und der totalen Trostlosigkeit mit eigener Kraft nicht heraus, und mit einer weißen Hilfe konnten sie nicht rechnen, weil es die Weißen waren, die sie ins schwarze Elend gebracht hatten und dort verkommen ließen. Die, die helfen konnten und helfen sollten, stellten sich blind und ihre Ohren auf Durchzug. Dr. Ferdinand wäre bei der Beurteilung der Lage mit der Note „verheerend bis tot“ einverstanden gewesen, doch befürchtete er, dass ihn die Mitmenschen missverstehen und ihn für einen unverbesserlichen Pessimisten halten würden, was er eben nicht sein, vielmehr den Menschen als Arzt helfen wollte. Die Musik hörte sich da anders an, die den Gefühlen viel näher kam, als es die Worte schafften. Bach und Berlioz oder Beethoven, Mozart und die späteren Romantiker drückten sich da nicht so negativ aus. Sie hatten das Leben in einer „Lokasie“ aber auch nicht gesehen.