Leben - nicht nur irgendwie sondern richtig!

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Leben - nicht nur irgendwie sondern richtig!
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Helena Lange

Leben - nicht nur irgendwie sondern richtig!

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Impressum neobooks

Kapitel 1

Normaler Alltag

Endlich habe ich nach ewig scheinendem Suchen einen Therapieplatz gefunden. Zwar muss ich noch etwa vier bis sechs Monate warten bis ich wirklich einen Termin bekomme, aber man hört ja nie auf zu Hoffen.

Hugo sitzt gähnend neben mir. Er muss leider noch warten, denn es ist noch ganz dunkel. Meine Kater dürfen nur wenn es hell ist raus. Sie werden nachts überfahren. Auch wieder eine schmerzliche Erfahrung die ich machen musste. Die mich zu meinen zwanghaften Vorsichtsmaßnamen drängt.

Mein Anis-Fenchel-Kümmel-Tee ist nur noch lauwarm, aber ich weiß er beruhigt meinen nervösen Magen. Genau wie das Streicheln meiner Katzen. Natürlich beruhigen sie nicht meinen Magen, sondern meine angeklatschte Psyche. Ha, mein Sohn wurde bei Facebook zu 90% als Psycho bezeichnet. Ich habe kommentiert: "Wer ist das nicht!"

Um halb neun muss ich zu Horst. Ich arbeite für ihn. Er ist ein 78 jähriger Mann. Ich putze für ihn und seine Lebensgefährtin. Die beiden sind wirklich nett und sie bezahlen mich gut. Tja, zu mehr hat es bis jetzt leider nicht gereicht.

Scheiße! Ich hab doch tatsächlich den Geburtstag von meinem Papa vergessen. Heute ist ja schon der 18 ! Ich hab ihn natürlich eben schnell angerufen. Mein Papa ist mir zum Glück nicht böse. Er sagte: “ das gibt doch deutlich schlimmere Sachen auf der Welt”. Recht hat er. Ich bin mir sicher, dass er das auch genau so meint, wie er es sagt. Zum Glück.

Bei meinem Vater habe ich das Gefühl er sagt die meiste Zeit genau das was er denkt. Bei vielen anderen Menschen, die ich kenne ist das bestimmt nicht so.

Schon wieder ein neuer Morgen. Heute bin ich deutlich besser drauf als gestern. Ich habe relativ gut geschlafen und Kopfschmerzen hab ich auch keine mehr. Ich glaub das Schreiben hier stimmt mich auch ein wenig besser. Man sagt ja oft man muss sich etwas von der Seele reden. Oder eben schreiben.

Meine Kater liegen wieder um mich herum. Es ist auf unserer Funkuhr gerade

7 Uhr 50. Es wird langsam hell. Pieps putzt sich gemütlich seinen schwarzen Pelz. Und Hugo hat seine Pfoten unter geklappt und schläft.

Ich glaube die Liebe zu Katzen habe ich von meiner Mutter. Sie hat sechs Katzen. Meiner Meinung ein bisschen viel, aber ich habe im Moment auch fünf Stück. Naja, eine davon ist wieder mal eine Pflegekatze. Sie wohnt in unserem Badezimmer. Wir haben sie letzte Woche Dienstag zu uns geholt. Mimi heißt das schwarze Ungeheuer. Mimi ist ein Persermix. Sie lebte vollkommen verwahrlost im und um den Garten meines zweiten Arbeitgebers Heinz. Die Nachbarin, die Mimis eigentliche Besitzerin ist hat mir erzählt, Mimi sei schon neunzehn Jahre alt. Bestimmt hat sie mir das gesagt, weil sie damit Ihre Zerzaustheit zu entschuldigen. Die Frau hat sich einfach eine neue Katze zugelegt. Eine Rassekatze. Und das arme Mimichen vegetierte so vor sich hin. Ich hatte ihr jetzt für den Winter einen Karton als Unterkunft hingestellt und

warm ausgepolstert. Ich erschrak ziemlich als ich entdeckte, dass dieser Platz voller Blut war. Kurz entschlossen fing ich das arme Tier ein und schleppte es gleich am Nachmittag zum Tierarzt. Dieser entdeckte am Bauch ein Tumorartiges Ding in der Größe einer Clementine. Und der Tierarzt stellte fest, das Mimi gerade mal sechs sein könnte. Das Ding am Bauch ließ sich gut abgrenzen und auch wegen dem doch so geringem Alter entschied ich mich Mimi operieren zu lassen. Mittlerweile ist das schon mehr als eine Woche her und die Wunde verheilt sehr gut. Mimi hat großen Hunger und sie lässt sich schon etwas das Fell bürsten. Und sie ist ein außergewöhnlich großer Schmuser. Ich hoffe das war eine gute Entscheidung mit der OP und das wir das Tier hierher geholt haben.

Heute war ich für Heinz einkaufen. Das ist noch eine Familie für die ich putze. Er lebt mit seiner Frau zusammen, die an einer ähnlichen Krankheit wie Alzheimer leidet. Ich arbeite hier schon seit etwa sechseinhalb Jahren. Auch hier werde ich sehr gut bezahlt. Aber wegen meiner schlappen Nerven wollte ich schon oft das Handtuch werfen. Seine Frau Erika ist nicht mehr in der Lage selbst zu essen, zu laufen, auf`s Klo zu gehen. Eigentlich kann sie gar nichts mehr. Nur noch daliegen und stöhnen. Die beiden haben keine Kinder, also hängt Heinz sehr an seiner Frau. Er würde sie am liebsten so mobilisieren, dass sie wieder normal wird. Leider geht das nicht. Jedenfalls schleift er sie jeden Tag mehrmals auf`s Klo und glaubt noch er würde damit was besonders tolles machen. In meinen Augen sieht das Ganze eher aus wie fürchterliche Quälerei. Aber obwohl ich eine gefühlte Ewigkeit auf ihn eingeredet habe, schleift er sie weiterhin durchs Haus. Wir sind uns so einig geworden, dass ich dabei nicht mehr mitmache. Also ich habe sie auf einer Seite mitgeführt und das mache ich nicht mehr. Im Haushalt von Heinz lebt noch eine Polin. Sie macht das jetzt. Die Polinnen wechseln immer alle zwei Monate. Ich kann nicht verstehen wie man zwei Monate ohne seine Familie sein kann. Erika tut mir wirklich sehr leid. Früher konnte ich mir nie vorstellen, dass das Sterben von einigen Menschen eine Erlösung ist, wie ein Segen. Für Erika wünsche ich mir von ganzem Herzen, das sie endlich sterben darf. Ich schäme mich ein bisschen dafür, aber ich glaube ich würde mich sogar für sie freuen.

Ich arbeite montags und mittwochs für Heinz und Dienstag und Donnerstag für Horst und seine Milla.

Ich bin jetzt fünfunddreißig Jahre alt. Ich hätte gerne eine Ausbildung gemacht. Das wird wohl nichts mehr. Ich fühle mich dafür im Moment wirklich viel zu

schlapp und außerdem möchte ich auch nicht wirklich meine Opis im Stich lassen.

Heute Abend soll anfangen zu schneien, oder zu regnen. Mal sehen was es gibt. Es ist ziemlich kalt. Meine Funkwetterstation von Aldi zeigt 1,5 Grad + an. Hoffentlich kommt Michi bald nach Hause. Nicht das es noch glatt wird.

Michael ist eigentlich viel zu nett für mich. Er ist immer so fleißig und immer so lieb zu mir. Oft aber auch ein bisschen zu lieb. Ein Beispiel? Okay. Ich habe ja immer so meine Durchhänger. Wenn ich also von einem meiner Opis mittags nach Hause komme sind meine Nerven blank. Ich habe Kopfschmerzen und ich bin sooo müde. Oft möchte ich mich sofort hinlegen und eine halbe Stunde gar nichts tun. Egal ob die Küche aussieht wie Hund! Es kommt dann meistens, gerade wenn ich mich am beschissensten fühle, also mein Wochentief, dass mein herzallerliebste Ehemann freudestrahlend und voller Energie zur Tür reinkommt und fast schon ein wenig erschrocken ist über diese fatale Situation. Er ist aber kein Mensch, der sagt:” Um Himmels Willen, wie sieht es denn hier aus!!” Nein, mein Michael sagt mir brav hallo und gibt mir ein Küsschen. Dann geht er in die Küche und schrubbt und räumt, bis sie wieder blitzesauber ist. Mich regt das fürchterlich auf. Er hat schließlich schon den ganzen Tag gearbeitet. Also er fängt ja um sechs Uhr an und ich erst um neun. Und dann macht er noch meine Arbeit mit. Vielleicht würde das andere Frauen freuen. Mich nicht! Ich bekomme dann das Gefühl, das ich zu gar nichts zu gebrauchen bin. Mir geht es dann noch beschissener als mega beschissen. Mein Mann schaut mich dann an und sagt:” ich wollte dir doch nur schnell ein wenig helfen.” Manchmal denke ich dieser Mann ist Batteriebetrieben.

Es hat heute Nacht geregnet. Der Schnee blieb hier ganz aus. Es ist jetzt etwa 2,5 Grad warm und es stürmt und regnet immer noch. Die Kinder sind schon aus dem Haus, genau wie Michael. Olli hatte heute Morgen Kopf- uns Halsschmerzen. Am liebsten wäre er zu Hause geblieben, doch ich habe ihn mit Aconitum versorgt und ihm gesagt wenn es gar nicht geht hol ich ihn ab. Homöopathie hat in meinem Leben einen besonderen Stellenwert bekommen. Wir haben damit schon einige Krankheiten in den Griff bekommen, bevor das sie sich richtig ausgebreitet haben. Ich habe mir einen ganzen Haufen dieser Medikamente zugelegt. Und ein paar Bücher. Sogar für unsere Tiere. Hoffentlich ruft Olli nicht von der Schule aus an, dass ich ihn abholen soll. Das sieht immer total beschissen aus, wenn man von der Arbeit weg muss. Doch bis jetzt hat es mit Aconitum oder Belladonna ganz gut geklappt. Eigentlich müsste ich meiner Schwester auch mal so ein Buch über Homöopathie besorgen. Sie hat im Dezember ein Baby bekommen. In dem einen Buch von mir gibt es Extraseiten

 

für Kinderkrankheiten. Mal sehen ob ich bei Ebay oder Amazon interessante Angebote finde.

Die Funkuhr zeigt 16.01 Uhr an. Ich hab gerade Kaffee getrunken. Pieps sitzt vor mir auf dem Tisch und schaut aus dem Fenster. Es regnet schon wieder. Es ist der 21. Januar. Heute ist Samstag. Mein Mann war eben noch bei seiner Mutter. Seine Geschwister waren auch dabei. Die Schwester von Michi heißt Sabrina. Und der Bruder Manuel. Normalerweise kommt die Familie fast nur zu Feierlichkeiten zusammen. Aber so manches Mal passiert es doch mal so. Der Anlass diesmal war der Urlaub von Manuel und seiner Freundin. Sie waren auf einer Kreuzfahrt in der Karibik. Ich hab glaub ich für mein Leben lang genug Kreuzfahrt gehabt, indem Ich Titanik geguckt hab. Mich gruselt es immer noch fürchterlich beim Gedanken daran. Passend dazu war ja auch vor ein paar Tagen das Unglück mit der Costa Concordia im Mittelmeer passiert. Und die Geschichte mit der Estonia in der Ostsee war auch nicht gerade so, dass man Lust auf Schiffsreisen bekommt. Egal, ich hoffe sie hatten eine schöne Zeit. Bestimmt gucken die sich heute die ganzen Fotos an. Das machen die immer so.

Ich bin ja nicht so ein geselliger Mensch. Aber das kommt nur durch mein winziges Selbstwertgefühl. Ich schäme mich zwischen den hübschen Menschen zu sein. Alle sehen perfekt gestylt aus und ich mit meinem Übergewicht und meinem Schlabberlook passe einfach nicht dazu. Irgendwie freue ich mich schon darauf endlich die Therapie zu machen. Dieses permanente abschotten der Menschheit gegenüber ist auch nicht ganz normal. Ich hab das Gefühl ich habe so wenig Kraft. Nicht genug Mumm mein Gewicht zu verringern, nicht genug Mumm eine Vernünftige Arbeit zu finden usw... Aber die vier bis sechs Monate sind noch eine lange Zeit. Ich weiß gar nicht wie ich die überbrücken soll. Ich versuche ja jeden Tag ein wenig zu unternehmen. Kleine Schritte bringen einen ja auch voran. Wenn es ja nur nicht so unendlich langsam wäre!! Und ich hatte schon so schön meinen Speck reduziert. Warum muss ich eigentlich immer futtern, wenn ich unglücklich bin. Vorhin habe ich eine Sendung gesehen. Da war auch eine Frau in einer ähnlichen Situation wie ich. Nur war sie etwa zehn Jahre jünger. Also, ich vor zehn Jahren. Sie hatte einen Mann und ein kleines Kind. Und sie hatte eine ganze Menge zugelegt. Das Selbstwertgefühl war bei ihr genauso im Keller. Zum Glück hatte sie eine Freundin, die ihr aus dieser Lage half. Die Frau ging mit einer Freundin shoppen, ließ sich die Haare zurecht machen und hatte zum Schluss sogar erotische Fotos von sich schießen lassen, unglaublich!!

Der Mann war aber auch fies zu ihr. Er sagte ihr ins Gesicht sie müsse abnehmen, weil er sich vor ihr ekelt. Ich glaub der wäre mein Mann gewesen. Was für ein Arsch!

Ich habe heute gerade mal eine halbe Stunde auf dem Hometrainer geschafft. Vielleicht schaffe ich heute Abend noch ein Kohlehydratfreies Abendessen und überlebe den Abend mit Möhrenstückchen. Vielleicht!

Schon wieder nichts gewonnen. Unsere ganze Familie hofft darauf bei dem Radiosender FFH etwas zu gewinnen. Bei dem Gewinnspiel : „Wünsch dir was, dann kriegst du das“ . Man konnte dort seinen persönlichen Wunsch auf der FFH-Homepage eingeben und dann einfach hoffen, dass man gezogen wird. Der Wunsch wird dann im Radio genannt und dann muss man innerhalb von zwei Musiktiteln anrufen. Tja, bis jetzt noch nix. Ich hab mir eine neue Küche gewünscht. Mein Mann einen VW Amarok. Die Kinder haben sich ein Downhill Fahrrad und den T-Führerschein gewünscht. Also vier Lose im Topf, mal sehen was passiert.

Heute hat Heinz Frau Geburtstag. Am Samstag wollen wir ein bisschen feiern. Ich weiß ja nicht ob das noch gut ist für sie. Vielleicht bekommt sie ja noch ein wenig davon mit. Das einzige, was man als Regung bei ihr wahrnehmen kann ist, dass sie die Nacht danach kaum schlafen kann. Was soll man so einer armen Frau schenken? Vielleicht irgendwas was ihr gut schmeckt? Oder etwas was man zur Körperpflege für sie benutzen kann? Oder etwas zum Anziehen? Ich weiß es nicht. Ich glaub ich werde ihr ein paar leckere Becher Schoko- und Vanillepudding mitbringen. Dann kann sie vielleicht mal wieder was Leckeres essen. Sie hängt schon seit einigen Jahren an einer Magensonde. Zuerst fand ich es gut. Sie hat ja das Essen und das Trinken verweigert. Aber als ich erfuhr, dass Erika in ihrer Patientenverfügung festgehalten hat, das sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wollte, fand ich es nach und nach immer schlimmer. Sie wollte damals bestimmt schon nicht mehr leben. Sie wollte sicherlich nicht so arm vor sich hinvegetieren und gegen ihren Willen durch die Gegend geschleift werden. So ist das mit Patientenverfügungen. Irgendwie sind sie gar nicht so viel wert wie man denkt.

Ich hoffe, dass diese Demenzkrankheiten irgendwann einmal geheilt werden können. Dieses Vergessen von Allem was einmal gewesen ist und was einem mal wichtig war ist sehr schlimm. Auch für die Angehörigen. Vielleicht sogar gerade für sie.

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