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2.1.2 Qualitätsmanagement

Nach einer Definition der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) ist Qualität die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse bezieht.8) Ein führender Qualitätsmanagementexperte in den USA (J. M. Juran) definiert Qualität ganz einfach als fitness for use und stellt damit den Kundennutzen als Maßstab in den Vordergrund.

Die Entwicklung des Qualitätsmanagements in Deutschland lässt sich in vier wichtige Phasen einteilen:


In den 1950/60er Jahren wurde die regelmäßige und systematische Qualitätskontrolle als unternehmerische Aktivität eingeführt.


Danach wurden zunächst in der Produktion Systeme der Qualitätssicherung eingeführt (1970/80er Jahre).


Als in den 1980er Jahren das japanische Kaizen nach Europa kam, wurde über die Idee des kontinuierlichen Verbesserungswesens (KVP) das TQM geschaffen – sozusagen als Antwort auf das japanische Kaizen. TQM bildet somit als Weiterentwicklung der Qualitätskontrolle und -sicherung jetzt eine unternehmerische Qualitätskultur.


Business Excellence stellt eine konsequente unternehmens- und prozessübergreifende Weiterentwicklung des TQM dar, ein ganzheitliches Unternehmensmodell (EFQM-Modell) zur hervorragenden Vorgehensweise im Management einer Organisation mit Konzepten der Selbstbewertung von Stärken/Schwächen für Verbesserungspotenziale zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Managementsysteme. Hieraus entwickeln sich jetzt Qualitätsmanagementkonzepte wie Fehlermanagement oder entsprechende Bewertungskonzepte wie Six Sigma.

Vernetzt wird dies z. B. mit dem Wissensmanagement um z. B. die Projekt- und Prozessergebnisse und -erfahrungen der Mitarbeiter für das Unternehmen und damit den Kundennutzen zu sichern.

Kaizen

Kaizen kommt ursprünglich aus Japan und kam Anfang der 1980er Jahre in Europa in die Unternehmensführung. Kaizen (jap. kai = Wandel, zen = das Gute) kann vereinfacht als Unternehmensphilosophie der permanenten Verbesserung bezeichnet werden. Die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse, Produkte und Dienstleistungen soll durch laufende unzählige Einzelideen in allen Bereichen zustande kommen. Die Mitarbeiter aller Hierarchieebenen sind aufgefordert, permanent auch kleinste Kleinigkeiten zu verbessern, mit der Konsequenz, die ganze Produktionsanlage anzuhalten, wenn ihnen Möglichkeiten für Verbesserungen auffallen.

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)

Der Ansatz kontinuierlicher Verbesserungsprozess wird oft als westliche Antwort auf japanisches Kaizen bezeichnet. Der Grundgedanke von KVP ist relativ einfach: Der Kunde steht im Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns und für ihn sind Produkte und Dienstleistungen zu optimieren. Kunden sind auch jeweils die internen vor- und nachgelagerten Prozessbeteiligten, z. B. ist der Vertrieb Kunde der Fertigung. Durch die schnelle Beseitigung von Störungen und Schwachstellen im Prozess sowie das Vermeiden unnötiger Aufwendungen (Arbeit, Kosten …) sollen die Arbeitsprozesse von allen Beteiligten direkt vor Ort kontinuierlich und dauerhaft verbessert werden. Dazu werden unterstützend oft Gruppenarbeit und Qualitätszirkel als Parallelworkshops eingerichtet.

Total Quality Management (TQM)

Total Quality Management wird auch oft mit KVP gleichgesetzt und meint eine Philosophie der qualitätsorientierten Unternehmensführung. Nicht mehr allein die Qualität des Endprodukts ist oberste Maxime unternehmerischen Handelns, sondern die Qualität im gesamten Geschäftsprozess. Dies hat zur Konsequenz, dass alle Teile eines Geschäftsprozesses qualitätsorientiert durchgeführt werden, vom Pre-Sales-Bereich (z. B. Produktentwicklung) über die Produkterstellung bis zum After-Sales-Bereich (z. B. Service). Ein wichtiger Ansatz ist, dass jede nachgelagerte Stelle im Geschäftsprozess Kunde der vorgelagerten Prozesse ist. In der Praxis werden TQM und KVP oft synonym verwendet – eine Abgrenzung lässt sich am besten so beschreiben, dass mit TQM ein gesamtes Unternehmenskonzept gemeint ist, das – konsequent umgesetzt – mit Instrumenten wie KVP, Benchmarking usw. arbeitet.

Beispiel: Kontinuierliches Verbesserungswesen (KVP) in einem Elektronikwerk (EWK)9)

Die EWK mit rd. 1.700 Mitarbeitern gehört zum Bereich Automatisierungstechnik der Siemens AG und fertigt Automatisierungs- und dazugehörige Programmiergeräte zur Steuerung von Fertigungsanlagen in der Industrie. Werksweit werden Ziele über Qualität, Kosten und Liefertreue für ein Geschäftsjahr formuliert, aus denen abteilungsspezifische Ziele abgeleitet werden, die bis auf die Ebene von Arbeitsgruppen formuliert und mit ihr vereinbart werden. Eine wichtige Konsequenz bei der Einführung von KVP war, dass in allen Produktions- und Verwaltungsbereichen Gruppenarbeit eingeführt wurde. Die Gruppen organisieren sich weitgehend selbst und haben die Verantwortung für Qualität, Menge, Liefertermin und Kosten in ihrem Bereich. Zweimal pro Woche finden vom Vorgesetzten moderierte Gruppenbesprechungen statt. Ziele, Vorschläge, Ergebnisse usw. werden auf Tafeln festgehalten, die im Arbeitsbereich stehen.

Business Excellence

Der Business-Excellence-Ansatz ist eine Weiterentwicklung des TQM und stellt ein ganzheitliches Unternehmensmodell zur hervorragenden Vorgehensweise im Management einer Organisation mit Konzepten der Selbstbewertung von Stärken/Schwächen für Verbesserungspotenziale zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Managementsysteme dar.

ABB. 15: Das Modell EFQM


Das EFQM-Modell bezieht sich auf die Dimensionen Menschen, Prozesse und Ergebnisse, d. h. durch die Einbeziehung der Mitarbeiter im kontinuierlichen Verbesserungsprozess bessere Ergebnisse erzielen. Neun unterschiedlich gewichtete Hauptkriterien (fünf enabler = Voraussetzungen und vier results = Ergebniskriterien) mit jeweils differenzierten Unterkriterien dienen permanent betrachtet zur kontinuierlichen Verbesserung sowie dazu, frühzeitig Trends zu erkennen:


Enabler (50 %): 1. Leitung und Führung des Unternehmens (10 %), 2. Politik und Strategie (10 %), 3. Mitarbeiterführung und Personalpolitik (10 %), 4. Partnerschaften und Ressourcenverwendung (Finanzen, Menschen, Umwelt; 10 %), 5. Prozesse, Produkte/Dienstleistungen (10 %).


Results (50 %): 6. Kundenergebnisse (15 %), 7. Mitarbeiterergebnisse (10 %), 8. Gesellschaftsergebnisse (10 %), 9. Schlüsselleistungsergebnisse (15 %).

Entwickelt wurde der EFQM-Ansatz für Business Excellence von der European Foundation for Quality Management (EFQM), gegründet 1988 mit inzwischen weit über 1.000 Mitgliedsunternehmen, als Modell zur Umsetzung eines umfassenden Qualitätsmanagements. Beim jährlichen European Quality Award (EQA) müssen Bewerberunternehmen nachweisen, wie sie die neun Enabler- und Ergebniskriterien mit insgesamt 33 Unterkriterien erfüllen.

Acht Grundprinzipien sollen dieses Modell untermauern:10)


Kundenorientierung: Der Kunde entscheidet im Wettbewerb über den Markterfolg der Unternehmensprodukte und -dienstleistungen. Dies hat motivierte Mitarbeiter, zufriedene Kunden, Kundenbindung, Stärkung der Marktposition und einen langfristigen Unternehmenserfolg als Vorteile.


Partnerschaft mit Lieferanten: Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Lieferanten und deren Leistung geht als Input in die Qualität des Unternehmensprodukts ein.


Mitarbeiterentwicklung und -beteiligung: Mitarbeiter müssen regelmäßig weitergebildet werden um Kompetenzen für selbständige Entscheidungen zu erlangen und damit auch Motivation und Innovationsfähigkeit zu erhöhen (z. B. über Jobenrichment oder teilautonome Arbeitsgruppen).


Prozesse und Fakten: Prozesse werden durch einen Verantwortlichen ständig verbessert (auf der Basis von Zahlen, Daten und Fakten).


Ständige Verbesserung und Innovationen: Kontinuierliche Verbesserung durch Kreativität, Benchmarking aller Mitarbeiter (PDCA-Zyklus: plan, do, check, act), Lernen als Grundvoraussetzung der Verbesserungen.


Führen und Zielkonsequenz: Führen zu exzellenten Leistungen durch Führungskräfte, die die Unternehmenskultur prägen und Verantwortung für Mitarbeiterzufriedenheit und Geschäftsergebnisse tragen.


Gesellschaftliche Verantwortung: Erfüllung gesellschaftlicher Anforderungen und Vorschriften, ethisch einwandfreies Verhalten.


Ergebnisorientierung: Langfristig exzellente Ergebnisse durch fair ausgewogene Interessen der Beteiligten.

Die Selbstbewertung als kritische Selbstanalyse ist ein wichtiger Baustein im Business-Excellence-Ansatz. Maximal sind 1.000 Punkte möglich, jeweils 500 Punkte sind mit den fünf Voraussetzungen und den vier Ergebniskriterien erreichbar, die zu einer besonderen Auszeichnung führen:


Committed-to-Excellence-Zertifikat: Selbstbewertung mit daraus folgenden Verbesserungsprojekten, durch externe EFQM-Prüfer begutachtet.


Recognized-for-Excellence-Auszeichnung: Umfassende Selbstbewertung und Datenerhebung durch externe Gutachter.

Studien zeigen, dass sich nach Einführung des EFQM-Modells in Deutschland 1988 dieses zunächst sehr langsam entwickelte, inzwischen aber rd. 40 % (von 1.600 untersuchten Unternehmen) das EFQM-Label im Regelfall ihres Qualitätsmanagements nutzen.11)

Das Six-Sigma-Prinzip will als Qualitätsmanagementansatz – ursprünglich bei Motorola entwickelt und später bei General Electrics in den 1990er Jahren weiterentwickelt – mit differenzierten statistischen Geschäftsprozessanalysen radikale Maßnahmen für ein höheres Sigma-Niveau erreichen. Ein höheres Sigma ist immer schwieriger zu erreichen. Sigma bedeutet etwas ganz Einfaches und wird als Standardabweichung der Gauß‘schen Normalverteilung interpretiert. Das Sigma-Niveau errechnet sich als Fehlerzahl in einem Prozess durch Tabellen oder Statistikprogramme.

Beispiel: Drei Sigma bedeutet bei 1 Mio. Fehlermöglichkeiten (nicht Produkte) rd. 67.000 Fehler, sechs Sigma entspricht weniger als vier Fehlern, was einer sog. Null-Fehler-Produktion entspricht.

Die Mehrzahl der Unternehmen bewegt sich geschätzt auf Sigma-Niveau drei oder vier mit entsprechend 20–25 % höheren Kosten. Ein besserer Sigma-Wert wirkt sich so entsprechend unmittelbar auf die Kosten und damit den Gewinn des Unternehmens aus. Kritiker bezweifeln den generellen Nutzen des Six-Sigma-Prinzips, da eine Null-Fehler-Quote gar nicht immer sinnvoll ist, z. B. wäre dies zu kostenintensiv oder ist oft auch nicht notwendig. Auch wird Six Sigma oft als statistische Spielweise bezeichnet, der eigentliche Nutzen läge eher in der Kommunikation über die Ideen sowie durch die Integration vieler bekannter Qualitätsmanagementkonzepte wie z. B. Business Reengineering und Benchmarking.12)

Das Fehlermanagement akzeptiert Fehler als wichtigen Bestandteil der betrieblichen Lern- und Innovationsprozesse und sucht entsprechend nicht nach Schuldigen sondern den Lernmöglichkeiten. Die konstruktive und gezielte Steuerung im Umgang mit Fehlern (durch Konzepte wie z. B. Null-Fehler-Toleranz oder Six Sigma) fördert die betriebliche Lern- und Innovationskultur. Es sollte nicht darum gehen ihr fehlerhaftes Verhalten an vorhandene Strukturen anzupassen, sondern darum, Fehler auch als Entwicklungspotenzial zu erkennen um ggfs. Routinen zu verbessern oder zu verändern.

Fehlerkategorien


Absichtliche Fehler (z. B. Sabotage/Betrug, heimliches Scheitern bzw. absichtliches Verschleiern),


Nachlässigkeit und Überforderung (z. B. nachlässige Patzer, Fehler durch Überforderung, Fehlerwiederholung aus mangelnder Lernbereitschaft, Fehler durch Kompetenzüberschätzung),


Systemfehler (Fehler aufgrund sich ändernder Rahmenbedingungen, Fehler in Kreativitätsprozessen).

Während absichtliche Fehler nicht toleriert werden dürfen und entsprechend sanktioniert werden, sind die Toleranz und Sanktionen von Fehlern durch Nachlässigkeit/Überforderung im Einzelnen zu prüfen. Ebenso zu prüfen ist, inwieweit die Fehler zu positiven Lerneffekten führen können. Sogenannte Systemfehler sind dagegen eher erwünscht, da sie die Lerneffekte der Beteiligten und die Innovation im Unternehmen fördern.13)

Wissensmanagement

Information und Wissen – quasi die Grundlagen von Qualitätsmanagementsystemen – werden oft als neuer Produktionsfaktor bezeichnet. Zum unternehmerisch relevanten Wissen zählen u. a. die Allgemeinbildung, Berufsausbildung und Weiterbildung und Berufserfahrung der Mitarbeiter, z. B. aus Projekt- und Prozessergebnissen und -erfahrungen. Wissensmanagement hat zum Ziel, dieses Wissen für das Unternehmen zu sichern, damit es z. B. bei Pensionierung oder Arbeitsplatzwechsel des Mitarbeiters nicht verloren geht. Dies gilt insb., wenn hoch spezialisierte Funktionen nur von ganz wenigen oder einem Mitarbeiter ausgeübt werden, z. B. im Mittelstand oder in hochqualifizierten Arbeitsbereichen wie F&E- oder ICT-Bereich oder hoch spezialisierten Branchen wie Marketingagenturen, Kanzleien, Ingenieurgesellschaften oder Consulting. Neben einem datenbank- oder ICT-gestützten Expertensystem zählen zum Wissensmanagement auch Bausteine wie eine offene, strukturierte Ablage, Stellvertretersysteme und regelmäßige interne Besprechungen und Präsentationen zu wichtigen Bestandteilen.

Ein einfaches Beispiel ist die Zusammenführung des Wissens der Vertriebs- und der Produktionsabteilung über einen Kunden oder Markt für die F&E-Abteilung zur kundengerechten Neuentwicklung eines Produkts. Dieses Wissen kann personengestützt (z. B. als Erfahrungsaustausch, interne Schulung) vorhanden sein, papiergestützt (z. B. Bibliothek, Mustervorgänge) oder ICT-gestützt (z. B. Datenbank, Intranet-Kommunikation).

Unternehmerische Wissensbereiche 14)


Prozesswissen (in der Unternehmensberatung z. B. über die Strategiegestaltung und -implementierung),


Fachwissen (z. B. in der Medizin über neuartige Behandlungsmethoden),


Ressourcenwissen (z. B. in der Personalberatung über Bewerberkontakte),


Marktwissen (z. B. über Lieferanten-, Kunden- und Marktgepflogenheiten).

Nach einer relativ großen Euphorie in den 1990er Jahren über die Möglichkeiten des Wissensmanagements unter Nutzung von ICT-gestützten Datenbank- und Expertensystemen sind die Grenzen inzwischen erkannt: Die Auswahl des unendlich vorhandenen Wissenspotenzials im Unternehmen, der Aufwand zur Organisation eines ICT-gestützten Expertensystems, die Bereitschaft und der wirtschaftliche Aufwand für eine nutzergerechte Eingabe, Datenpflege und Ausgabe, datenschutzrechtliche Beschränkungen und soziale und ethisch vertretbare Grenzen, viele Erfahrungen (z. B. im Umgang mit Lieferanten und Kunden) sind nicht quantifizierbar oder verbal zu fassen. Auch zeigen Erfahrungen, dass gerade hoch qualifizierte Fach- und Führungskräfte aus Angst vor Machtverlust ihr Wissen nicht teilen wollen. Hinzu kommt gerade in international tätigen Unternehmen neben den erheblichen Übersetzungskosten in eine einheitliche Konzernsprache auch der kulturell sehr unterschiedliche Umgang mit Informationen und Erfahrungen.

Beispiel: Wissensmanagement (McKinsey)

In den Gründerjahren war das Wissensmanagement bei McKinsey die persönliche Kommunikation der wenigen Berater. Doch mit über 2.000 Beratern in mehr als 50 Büros weltweit war dies Ende der 1980er Jahre nicht mehr möglich. Das Projekt Rapid Response Network ermöglichte in kürzester Zeit, Hinweise auf interne Experten und relevante Dokumentationen für spezifische Themen zu finden, um Best-Practice-Lösungen zu bekommen. Heute verwaltet ein speziell entwickeltes ICT-System die interne Dokumentation und persönliche Expertenprofile der Berater, Mitarbeiter betreuen das System und Experten bearbeiten kompliziertere Anfragen.

2.1.3 Projektmanagement

Projekte sind einmalige oder neuartige und komplexe Aufgaben, die meist die Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten aus verschiedenen Unternehmensbereichen oder Branchen erforderlich machen sowie begrenzte Ressourcen (Zeit, Budget, Mitarbeiter) haben. Projektmanagement ist aktueller denn je, Umstrukturierungen, Netzwerkorganisationen, der Zwang zu laufenden Produkt- und Verfahrensinnovationen bei immer kürzeren Produktlebenszyklen usw. stellen die Unternehmen immer wieder vor neue Aufgaben. In vielen Unternehmen hat sich ein radikaler Wandel in den Arbeits- und Organisationsstrukturen vollzogen. 40 % der Arbeitszeit wird laut Deutscher Gesellschaft für Projektmanagement bereits in Projekten verbracht.15) Insbesondere in den technischen Bereichen wie Maschinen- und Anlagenbau, Bauwirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologie oder internationales Management sind Projekte die führende Organisationsform. Herkömmliche Unternehmensstrukturen, eher langfristig und auf kontinuierliche Daueraufgaben ausgerichtet, sind oft nicht flexibel und schnell genug, solche Aufgaben effizient umzusetzen. Mit Projektmanagement lassen sich als Erfahrungswert rd. 35 % Kosten im Vergleich zu herkömmlichen Formen der Zusammenarbeit einsparen. Damit ist Projektmanagement als funktions- und hierarchieübergreifendes Managementsystem ein Erfolgsfaktor im Unternehmen.

Beispiel: Typische Projekte (HP, Standort Böblingen)


Entwicklungsprojekte (z. B. Entwicklung eines neuen Druckersystems),


Forschungsprojekte (z. B. Umweltbelastungsvergleich von Druckerpatronen),


Verbesserungsprojekte (z. B. Reduzierung der Ausfallrate von Workstations),


Organisationsprojekte (z. B. Re-Organisation des Vertriebs in Europa),


Dienstleistungsprojekte (z. B. Markteinführung einer neuen Druckerserie),


spezielle Projekte (z. B. Bau eines eigenen Blockheizkraftwerks).

In der Praxis finden sich unterschiedliche Formen von Projektmanagement, vom reinen Projektmanagement (herkömmliche Linienorganisation bleibt erhalten und Mitarbeiter oder Gruppen bekommen zeitlich befristet eine zusätzliche unabhängige Projektaufgabe) über das Einflussprojektmanagement (ursprüngliche Organisation bleibt erhalten und eine dauerhafte Projektgruppe berät) bis zum Matrixprojektmanagement (Projektmanagement ist ergebnis- und weisungsverantwortlich und die ursprüngliche Organisation hat Dienstleistungsfunktion). Es ist aber nicht nur eine Organisationsform für Arbeitsprojekte, Projektmanagement kann auch eine grundsätzliche Form der Unternehmensorganisation sein (s. Kap. 5.1.2.6: Projektmanagement) oder befristete Projektgesellschaften als Kooperation verschiedener Unternehmen bedeuten (z. B. Arbeitsgemeinschaften bei großen Bauvorhaben).

Beispiel: Projektorganisation

Ein Beispiel für eine typische Projektorganisation sind Verlage mit Stabs- und Betriebsabteilungen in einer herkömmlichen Organisationsform. Die Produktbereiche werden aufgrund enorm kurzer Produktlebenszyklen und damit permanent erforderlicher neuer Produkte und Neuentwicklungen in Form des Projektmanagements organisiert (s. Kap. 5.1.2.6: Projektmanagement).

Die ideale Projektgruppengröße liegt bei vier bis sieben Mitarbeitern, da diese Gruppe genügend Möglichkeiten der Aufgabenverteilung hat, flexibel und überschaubar ist. Größere Gruppen sollten sich in Teilprojekte oder Untergruppen strukturieren. Neben Projektleitung, Projektmitarbeitern und evtl. externen Spezialisten gehören in großen Unternehmen meist ein Lenkungsausschuss (zur unternehmensweiten Lenkung aller Projekte) sowie Fachausschüsse (projektbegleitende fachliche Steuerung, z. B. ICT-Fachausschuss) zur Projektorganisation.

Den grundsätzlichen Nutzen des Projektmanagements wie Flexibilität, hoch qualifizierte Sachergebnisse, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Synergieeffekte stehen aber auch Probleme entgegen. Denn viele Projekte erreichen ihr ursprünglich geplantes Ziel nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten. Verantwortlich dafür sind meistens eine unrealistische Zeitplanung (z. B. weil durch die Neuartigkeit der Aufgabe Erfahrungen fehlen), externe Einflüsse (sich verändernde Unternehmenspolitik, Mitarbeiterfluktuation), falsch eingeschätzte Projektrisiken, häufig eine Doppelbelastung der Beteiligten (parallele Projekt- und Linienfunktion) und unternehmensinterne Widerstände gegen das Projekt. Das hat unmittelbar Einfluss auf die Motivation und Zusammenarbeit im Team. Die oft sehr heterogen zusammengesetzte Projektgruppe unterschiedlicher Charaktere, Funktionen und Bereiche, die befristete Tätigkeit und der äußere Erwartungsdruck lassen viele Projekte scheitern. Damit kommt der Projektführung und Teamentwicklung eine herausragende Funktion zu (s. hierzu auch Kap. 5.2: Gruppendynamik, Teamentwicklung, Mitarbeiterführung).

Typische Problemdimensionen im Projektmanagement


Projektaufgabe (z. B. unklares oder unrealistisches Projektziel),


Projektinstrumente (z. B. Methodendefizite oder Überbetonung mechanistischer Methoden wie Softwareeinsatz behindern Kreativität),


Projektorganisation (unzureichende Ressourcen, unklare Kompetenzen, unzureichende Koordination, Nichtbeachtung informaler Beziehungen),


Mitarbeiterverhalten (z. B. zu wenig Kommunikation, 110-prozentige Lösungssuche, Einzelkämpfermentalität statt Teamarbeit, Abteilungsegoismen, Risikoscheu, unkontrollierte Gruppendynamik; fehlende interkulturelle Sensibilität).

Einsatz von Projektmanagementtechniken

Projekte lassen sich in Phasen differenzieren: Bei der Projektplanung werden Projektentwurf/-ziel, Projektauftrag, Budgets/Ressourcen, Kompetenzen und Informationsflüsse definiert; während der Projektarbeit werden das Projekt strukturiert, Aufgaben organisiert und wirtschaftlich gesteuert, Mitarbeiter geführt, Teambesprechungen moderiert. In der Projektevaluation wird das Projektergebnis dargestellt, ein Soll-Ist-Vergleich durchgeführt und evtl. das Projektergebnis in die Praxis implementiert. Dabei kommen für die Projektleitung und -mitarbeiter spezielle Instrumente des Projektmanagements sowie grundsätzliche Managementtechniken zum Einsatz:


Projektmanagementtechniken sind z. B. Arbeitsplan/Aufgabenanalysen (z. B. tabellarischer Zeitplan), Netzplantechniken (z. B. PERT-, CPM-Technik), Balkendiagramme (z. B. Gantt-Diagramm), Kapazitätspläne (z. B. Histogramme),


Kreativitäts- und Problemlösungstechniken (bedingt durch die Neuartigkeit der Aufgaben) wie Brainstorming, Delphimethode, Mindmap-Technik, Morphologie oder Synektik (s. Kap. 2.2),


strategische Planungsinstrumente (häufig Auslöser für konkrete Projektzieldefinitionen), z. B. Stärken-Schwächen-Analysen, Portfolios, Lebenszyklusmodelle, Szenariotechnik (s. Kap. 3.2),


Führungsinstrumente (i. R. d. Mitarbeiterführung/Moderation durch die Projektleitung), z. B. Teamentwicklung, Führungsstil (s. Kap. 5.2),


Controllinginstrumente zur betriebswirtschaftlichen Steuerung, z. B. Planungs-/Informationssysteme, Budgetierung und Kostenanalysen, Kennzahlen, Berichtswesen (z. B. Projektstatus- und -abschlussbericht, s. a. Kap. 4.2),


Projektmanagementsoftware bei größeren Projekten zur dialoggeführten Unterstützung o. g. Instrumente (z. B. MS-Project).

Die abteilungs- oder unternehmensübergreifende Planung, Überwachung und Koordination mehrerer Projekte wird als Multiprojektmanagement oder Projektportfoliomanagement bezeichnet. Diese übergreifende Steuerung und Abstimmung ist aus verschiedenen Gründen notwendig, z. B. um einen Qualitätsmanagementstandard einzuhalten, Ressourcenkonflikte zu vermeiden bzw. zu lösen und um Synergieeffekte zu erzielen.