Meteorologie

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1.4.2Luftdruck als Navigationshilfe für die Luftfahrt

Es gibt aber auch noch ein zweites, überdies sehr wichtiges Verfahren. Man fragt dabei nicht, welcher Druck in der betrachteten Höhe herrscht, sondern in welcher Höhe ein bestimmter Druck zu finden ist. In Abbildung 1.8 sind die Höhen angegeben, in denen der Druck gerade 700 mbar beträgt. In der Warmluft ist das in 1800 m Höhe der Fall, in der Kaltluft in 3700 m, in der Standard­atmosphäre in 3000 m. Man kann sich leicht überlegen, dass ein bestimmter Druckwert in einem Tief in einer geringeren Höhe zu finden ist als in einem Hoch.

Vergleicht man viele Punkte der Erde hinsichtlich der Höhenlage eines bestimmten Druckwertes, so bildet die Gesamtheit dieser Höhen eine gedachte Fläche gleichen Druckes oder Isobarenfläche. Sie wird nach dem Luftdruck benannt, der in ihr herrscht. So spricht man z. B. von der 700-mbar-Fläche oder der 300-mbar-Fläche. Isobarenflächen bilden regelrechte Topografien mit Bergen, wo Hochs, und Mulden, wo Tiefs liegen. Ihre nützlichste Eigenschaft ist, dass sie sehr bequem zur Flugnavigation benützt werden können. Erhält z. B. ein Flieger von der Flugsicherung den Auftrag, während seines Fluges immer auf der 500-mbar-Fläche zu bleiben, so besteht nie die Gefahr, dass er mit einem Flugzeug zusammenstößt, dessen Pilot beispielsweise die 400-mbar-Fläche zugewiesen bekommen hat.

Auf diese Weise lässt sich ein Flugetagensystem aufbauen, innerhalb dessen sich alle Flugzeuge alleine mithilfe eines Druck-Messgerätes gefahrlos bewegen können. Auch die Autopilotanlagen 35 halten – einmal eingestellt – das Flugzeug immer in der vorgegebenen Fläche gleichen Drucks.

1.4.3Reduktion des Luftdrucks auf Meeresniveau

In den Wetterkarten werden die Luftdruckwerte vieler Orte regelmäßig eingetragen und mit ihrer Hilfe Linien gleichen Luftdruckes, sogenannte Isobaren, gezogen. Da sich der Luftdruck gerade in den tieferen Atmosphärenschichten mit der Höhe stark ändert, würden die Isobaren im Wesentlichen die Topografie der Erdoberfläche wiedergeben. Deshalb reduziert man den Luftdruck auf ein einheitliches Niveau. Dazu wählt man die Meereshöhe und denkt sich das unter der Station liegende Land weggenommen. Dann würde auf Meeresniveau der gemessene Luftdruck, vermehrt um den Beitrag der unter der Station liegenden Luft, herrschen.

Diesen Anteil kann man mithilfe der barometrischen Höhenformel berechnen, wenn man die mittlere Lufttemperatur kennt. Das ist natürlich nicht der Fall, weil es sich ja um eine gedachte Schicht handelt. Aber man kann abschätzen, welche Temperatur sie haben müsste, wenn sie tatsächlich vorhanden wäre. Dazu geht man davon aus, dass es mit jedem Meter, den man hinuntersteigt, um 0,006 K wärmer wird (→ Kap. 2.2.1, S. 72).

Bezeichnet man mit ϑ h die an der Station (in der Höhe h) gemessene Temperatur, dann beträgt der auf Meeresniveau zu erwartende Wert ϑ h + h · 0,006, wenn man h in Metern angibt. Die Mitteltemperatur ϑ m der Schicht berechnet sich dann zu

ϑ m = ϑ h + 0,003 · h

Nun setzt man die mittlere Lufttemperatur zusammen mit dem gemessenen Druckwert ph und der Stationshöhe h in die barometrische Höhenformel ein und kann so den auf Meeresniveau reduzierten Druckwert p0 berechnen. In der Praxis hat man dafür Tabellen oder Software, mit denen man die Reduktion bequem durchführen kann.

1.5Temperatur der Atmosphäre

Dass die Temperatur der Luft nicht in allen Höhen gleich ist, weiß man von jeder Bergtour. Um wie viel kälter es in größeren Höhen ist, sieht man daran, dass im Hochgebirge der Schnee sogar im Sommer nicht schmilzt. Das markanteste Beispiel dafür ist der schneebedeckte Gipfel des direkt am Äquator liegenden Kilimandscharo (5895 m). Die wohlhabenden Römer entzogen sich der sommerlichen Hitze, indem sie die heiße Jahreszeit in ihren Villen in den Bergen verbrachten.

Wie kommt diese Temperaturabnahme zustande? Denken wir an einen ganz alltäglichen Vorgang: das Aufpumpen eines Fahrradreifens. Wie man weiß, erwärmen sich dabei die Pumpe und das Ventil, insbesondere aber – wie man leicht messen könnte – die Luft in der Pumpe. Bei anderen Kompressionsvorgängen kann man entsprechende Erwärmungen beobachten. Bekanntlich wird im Dieselmotor das Kraftstoff-Luft-Gemisch durch Kompression so stark erhitzt, dass es zündet. Andererseits kühlen sich Gase beim Entspannen ab. Öffnet man das Ventil eines voll aufgepumpten Fahrradreifens, so kann man diese Abkühlung an der ausströmenden Luft deutlich fühlen. Im Kühlschrank wird das stark komprimierte Kühlmittel unter hohem Druck durch eine enge Düse gepresst. Hinter der Düse dehnt es sich aus und nimmt deshalb ein viel größeres Volumen ein, als es vor der Düse hatte. Während der Volumenvergrößerung kühlt es sich ab und erzeugt auf diese Weise die gewünschte Kälte.

Alle diese Vorgänge lassen eine Gemeinsamkeit erkennen: Wird das Volumen verändert, so ändert sich auch die Temperatur. Kompression erhöht sie, Expansion senkt sie.

Wie ist dieses Verhalten zu erklären? Machen wir dazu ein einfaches Gedankenexperiment: Wir legen einen nur schwach aufgeblasenen Luftballon unter die Glasglocke einer Vakuumpumpe. Sobald wir die Pumpe einschalten, beginnt der Ballon sich aufzublähen. Ein Zeichen dafür, dass der Druck in der Glocke immer weiter unter den Druck im Ballon sinkt. Nun lehrt uns die Physik: Wenn das Volumen eines Gases vergrößert wird, wächst sein Energieinhalt (→ Lehrbücher der Theoretischen Meteorologie). Anschaulich kann 36 man sich den Vorgang so vorstellen: Zum Vergrößern des Luftvolumens im Ballon ist eine Kraft erforderlich. Diese Kraft geht auf den Druck der Luft im Innern des Ballons zurück. Während sie den Ballon aufbläht, werden die Abstände der einzelnen Luftteilchen zueinander vergrößert: Es werden also Wege zurückgelegt. Und das bedeutet: Es wird Arbeit geleistet, denn Arbeit ist Kraft mal Weg. Und Arbeit ist nichts anderes als (mechanische) Energie. Somit wird einem Luftvolumen beim Vergrößern Energie zugeführt. Diese Energie bleibt nach der Expansion im Gas zurück.

Mathematik und Physik

Wem nicht auf Anhieb klar geworden ist, dass die Druck bedingte Volumenänderung p · Δ V eine Energie repräsentiert, für den möge die folgenden kleine Dimensionsbetrachtung hilfreich sein:

Wir wissen, dass der Druck eine Kraft pro Fläche ist:

p = K/f.

Wir dürfen also für p · Δ V schreiben:



Setzen wir unsere Überlegungen statt mit den Formelzeichen jetzt mit den zugehörigen Einheiten fort, so erhalten wir den Ausdruck:



wobei N für Newton, also die Einheit der Kraft steht. Kürzen wir jetzt, so erhalten wir

N · m

also „Kraft mal Weg“. Kraft mal Weg ist aber nichts anderes als die mechanische Arbeit und damit Energie. Der Ausdruck p · Δ V repräsentiert somit eine Energie und zwar diejenige, die zur Volumenänderung erforderlich ist.

Natürlich stellt sich jetzt sofort die Frage: Woher kommt die für die Volumenvergrößerung erforderliche Energie. Und die Antwort kann nur lauten: aus dem Wärmevorrat des Gases! Das Gas kühlt sich ab und stellt die dabei freigesetzte Energie für die Expansion zur Verfügung. Bei der Kompression laufen die Vorgänge in umgekehrter Richtung ab: Mit dem Zusammenpressen des Gases wird dessen Volumen verkleinert. Damit verringert sich sein Energieinhalt und die überschüssige Energie wird zum Erwärmen des Gases verwendet.

Aus dieser Vorstellung heraus lassen sich die Vorgänge in der Fahrradpumpe, im Dieselmotor und im Kühlschrank bequem erklären. Der Grund, dass sich beim Aufpumpen des Reifens auch Ventil und Pumpe erwärmen, besteht darin, dass die in der Pumpe erhitzte Luft natürlich auch Wärme an die Umgebung abgibt.

Die gleichen Überlegungen machen aber auch verständlich, warum die Lufttemperatur mit zunehmender Höhe immer weiter zurückgeht. Dazu stelle man sich in einen Luftwürfel mit einer Kantenlänge von 1 m vor. Seine 6 Grenzflächen sollen eine vollständige thermische Isolierung ermöglichen, dabei aber beliebig und ohne Kraftaufwand dehnbar sein. Man bezeichnet ein solch gedachtes Luftvolumen üblicherweise als Luftpaket. Mit einem so definierten Luftpaket Gedankenexperimente durchführen zu wollen, mag zunächst als unrealistisch, ja absurd empfunden werden. Tatsächlich aber kommt das Verhalten realer Luftvolumina in der Atmosphäre dieser idealisierten Vorstellung so nahe, dass das Denkmodell „Luftpaket“ ohne Bedenken angewendet werden darf.

Ein solches Luftpaket soll nun vom Boden aus hochgehoben werden. Mit zunehmender Höhe wird der Luftdruck in seiner Umgebung immer geringer. Im Inneren des Paketes herrscht aber der ursprüngliche hohe Bodenluftdruck. Die Folge davon ist, dass sich das Luftpaket aufbläht wie ein Luftballon. Es findet eine Volumenvergrößerung statt. Da die dafür erforderliche Energie aufgrund der thermischen Isolierung unseres Luftpaketes von außen nicht zufließen kann, muss sie der Luft im Paket entnommen werden. Die Folge: dessen Temperatur geht kontinuierlich zurück. Damit entpuppt sich die Temperaturabnahme der Luft mit der Höhe als eine Konsequenz aus der Luftdruckabnahme. Analoge Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass Luftpakete, die von oben nach unten verschoben werden, eine Erwärmung erfahren.

 

Aus den Gesetzen der Thermodynamik kann man bequem ableiten, welche Temperaturänderungen bei Vertikalverschiebungen zu erwarten sind. Die Rechnungen ergeben einen Wert von ziemlich genau 1 K pro 100 Höhenmeter. (Einzelheiten da 37 rüber findet man in Fachbüchern zur Theoretischen Meteorologie). Man nennt diesen Wert den adiabatischen Temperaturgradienten. „Temperaturgradient“ bedeutet in diesem Fall nichts anderes als „Temperaturänderung pro Höhen­änderung“; er wird meist in K/100 m angegeben. „Adiabatisch“ bedeutet, dass während der Vertikalbewegung keine Wärme von außerhalb des Luftpaketes zugeführt oder nach außen abgegeben wird, d. h., die gesamte bei der Volumenänderung umgesetzte Energie stammt ausschließlich aus der Luft.

Für Luftpakete stellt der adiabatische Temperaturgradient eine Art „Normalzustand“ dar. Innerhalb höherer Luftschichten oder größerer Bereiche der Atmosphäre ist er eher die Ausnahme als die Regel. Das hängt damit zusammen, dass in der Atmosphäre eine ganze Reihe von Vorgängen ablaufen, die den Temperaturgradienten teilweise erheblich beeinflussen. Die Folge ist, dass die tatsächlichen Gradienten in der Atmosphäre oft beachtlich vom adiabatischen abweichen. Sie reichen von Temperaturabnahmen spürbar über 1 K/100 m bis zu Temperaturzunahmen in der Größenordnung von 35 K/100 m. Im Mittel sinkt die Temperatur in der Atmosphäre innerhalb der untersten 12 km um 0,65 K/100 m. Dieser Wert ist auch der US-Standardatmosphäre zugrunde gelegt. Man bezeichnet Temperaturabnahmen von mehr als 1 K/100 m als überadiabatisch und solche unter 1 K/100 m als unteradiabatisch. Bleibt die Temperatur mit der Höhe konstant, so spricht man von einer Isothermie, nimmt sie mit der Höhe zu, von einer Inversion.

Welche Prozesse zu Veränderungen von Temperaturgradienten innerhalb der Atmosphäre führen, werden wir unten sowie im Kapitel 4.2, Seite 195 besprechen. Einen wichtigen nicht-adiabatischen Vorgang kennen wir schon: die Strahlungsabsorption des Ozons, bei der Sonnenenergie von außen zufließt, wie die Abbildung 1.15 (→ S. 47) zeigt. Bekanntlich kommt es dadurch zu einer spektakulären Inversion mit nicht weniger als 30 km Mächtigkeit. Die Kondensation von Wasserdampf in der Luft wird eine Verallgemeinerung des Begriffes „adiabatischer Gradient“ verlangen; wir werden uns im Kapitel 2.2.1, Seite 72, mit dieser Frage beschäftigen.

Auszug aus der US-Standardatmosphäre. Nach NOAA (1976) zit. in Kraus (2004).


HöheTemp.Temp.-Gradient
km°CK/100 m
015,0
0,65
18,5
0,65
22,0
0,65
3–4,5
0,65
4–11,0
0,65
5–17,5
0,65
6–24,0
0,65
7–30,5
0,65
8–37,0
0,65
9–43,5
0,65
10–50,0
0,65
11–56,5

Wegen der Höhenabhängigkeit der Lufttemperatur ist es oft schwierig, den tatsächlichen Wärmeinhalt der Luft in verschiedenen Höhen miteinander zu vergleichen. Man denkt sich deshalb jede der zu vergleichenden Luftschichten zunächst einmal aus ihrer Druckfläche (p) adiabatisch in die 1 000-mbar-Fläche verlagert. Die dabei angenommene Temperatur heißt potenzielle Temperatur Θ. Sie berechnet sich nach der Formel



wobei ϑ die ursprüngliche Lufttemperatur (auf dem Niveau p) bedeutet.

Dazu ein Beispiel: Bei 500 mbar sei die Lufttemperatur 0 °C. Daraus errechnet sich eine potenzielle Temperatur von 59,7 °C. 20 °C bei 800 mbar ergeben dagegen eine potenzielle Temperatur von nur 39,3 °C. Man sieht daraus, wie leicht man sich in der Beurteilung des Wärmeinhaltes der Luft irren kann, wenn man die Höhenlage unberücksichtigt lässt.

Zu wesentlichen Veränderungen des Temperaturgradienten kommt es, wenn in der Atmosphäre großflächige Vertikalbewegungen stattfinden. An 38 hand der Abbildung 1.10 soll gezeigt werden, was sich dabei abspielt. Unter dem folgenden Link findet man eine Präsentation, die diesen Vorgang in einer Reihe von Einzelschritten vorstellt.

https://elibrary.utb.de/doi/suppl/10.36198/9783838555041

Dazu betrachten wir die Luftschicht AB. An ihrer Untergrenze herrsche die Temperatur ϑA, an ihrer Obergrenze ϑB. Durch Vorgänge, die später zu besprechen sind, werde die Luftschicht jetzt nach unten verlagert. Da dort ein höherer Luftdruck herrscht als oben, wird sie dabei auf die Dicke CD zusammengedrückt. Gleichzeitig erfolgt eine adiabatische Erwärmung.


Abb. 1.10 Änderung des Temperaturgradienten bei Absink- und Hebungsvorgängen (Erläuterungen im Text).

Diese Erwärmung müssen wir nun etwas genauer betrachten. An der Untergrenze unserer Schicht steigt die Temperatur entsprechend dem adiabatischen Gradienten von ϑA auf ϑC. Auch die Temperatur an der Obergrenze der Schicht steigt entsprechend dem adiabatischen Gradienten von ϑB auf ϑD. Zeichnet man jetzt innerhalb der Schicht C – D die Temperatur-Höhenkurve (die durch die Punkte c und d läuft), so stellt man fest, dass die Temperatur nicht mehr mit der Höhe ab-, sondern zunimmt.

Wie ist dieses überraschende Ergebnis zu erklären? Es ist eine Folge der während des Absinkens erfolgenden Kompression unserer Luftschicht. Dadurch legen nämlich ihre oberen Bereiche einen längeren Weg (b – d) zurück als die unteren (a – c) und da die Erwärmung proportional zur Höhendifferenz erfolgt (1 K/100 m) werden die oberen Bereiche stärker erwärmt als die unteren. Man nennt eine Temperaturschichtung, bei der es nach oben hin wärmer wird, eine Inversion. Durch das Absinken ist also eine Inversion entstanden; man bezeichnet sie unter Hinweis auf den Entstehungsmechanismus als Absinkinversion, gelegentlich auch als Schrumpfungsinversion.

Wäre die Luftschicht nicht so tief abgesunken wie in unserem Beispiel, so hätte es für die Entstehung einer Inversion nicht gereicht. Die Temperaturabnahme mit der Höhe wäre aber in jedem Fall kleiner, der Temperaturgradient also unteradiabatisch geworden.

Analoge Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass beim großflächigen Aufsteigen einer Luftschicht eine Inversion abgebaut bzw. ein unteradiabatischer Gradient in einen zunehmend adiabatischen übergeführt wird. Zu Veränderungen des Temperaturgradienten kommt es auch, wenn warme Luft auf kalte aufgleitet oder von kalter Luft hochgehoben wird.

Großflächige und langlebige Absinkvorgänge stellen sich bei uns oft im Spätherbst und Winter ein. Dadurch kommt es zur Ausbildung mächtiger Inversionen, die nicht selten zu der zunächst paradox erscheinenden Situation führen, dass die Temperatur auf den Bergen höher ist als in den Tälern.

So wurde z. B. am 1. November 1984 um 7 Uhr folgendes Wetter gemeldet:


München(Höhe 530 m)nebelig:–2,2 °C
Hohenpeißenberg(Höhe 997 m)heiter:+8,6 °C
Großer Arber(Höhe 1445 m)heiter:+11,4 °C
Wendelstein(Höhe 1832 m)heiter:+10,2 °C
Zugspitze(Höhe 2930 m)heiter:+3,2 °C

Solche Situationen treten in dieser Jahreszeit regelmäßig auf. Während die tieferen Landesteile, insbesondere die Fluss- und Seeniederungen, in kaltem Nebel versinken, kann man in den Bergen oft bis in den Dezember hinein Tag für Tag bei mildem Spätherbstwetter prächtigsten Sonnenschein genießen. 39

Mathematik und Physik

Inversionen können – besonders im Herbst und Winter – so ausdauernd sein, dass sie sich sogar in den Monatsmitteltemperaturen bemerkbar machen. So wurden für den Januar 1996 folgende Werte berechnet:


Metten (Donau):(Höhe 313 m)– 3,8 °C
München:(Höhe 530 m)– 3,6 °C
Garmisch-Partenkirchen:(Höhe 719 m)– 3,0 °C
Wendelstein:(Höhe 1832 m)– 0,5 °C

1.6Stabilität und Labilität der Atmosphäre

In der Physik erklärt man die Begriffe Stabilität und Labilität gerne am Beispiel einer auf verschiedenartig gekrümmten Flächen liegenden Kugel. Zunächst soll die Kugel in einer Mulde (konkave Oberfläche) liegen. Versetzen wir der Kugel einen Stoß, so wird sie zwar zunächst zur Seite rollen, dann aber umgehend an ihren Ausgangspunkt zurückkehren. Wie oft und mit welchen Variationen wir den Versuch auch wiederholen, das Ergebnis wird stets das Gleiche sein: die Kugel rollt zum tiefsten Punkt der Mulde. Wir sagen daher: Die Kugel befindet sich dort in einem stabilen Zustand, in den sie nach jeder Störung zurückkehrt. Ganz anders dagegen, wenn die Kugel auf einem Hügel (konvexe Fläche) liegt. Der kleinste Anstoß genügt, und sie rollt den Hügel hinunter, ohne jemals zurückzukehren. Wir sagen in diesem Fall: Die Kugel befindet sich in einem labilen Zustand. Auf einer waagrechten Ebene würde die Kugel stets an dem Punkt liegen bleiben, an dem sie abgelegt wird. In diesem Fall würde man von einem indifferenten Zustand sprechen. Auch die Atmosphäre kann sich in einem stabilen, einem labilen oder in einem indifferenten Zustand befinden.

1.6.1Stabile und labile Zustände

Präsentation

Unter welchen Umständen darf man in der Atmosphäre Stabilität, unter welchen Labilität erwarten? Die Antwort liefert die unter dem folgenden Link zu findende Präsentation bzw. in zusammengefasster Form der folgende Text.

https://elibrary.utb.de/doi/suppl/10.36198/9783838555041

Dazu betrachten wir in Abbildung 1.11 die rechte Hälfte. Dort ist eine Temperatur-Höhenkurve K dargestellt, die einer unteradiabatischen Schichtung entspricht. Nun denkt man sich in der Höhe h ein Luftpaket, das die gleichen Eigenschaften wie vorhin beschrieben sowie die Temperatur ϑH haben soll. Dieses Luftpaket werde nun auf das Niveau h1 hochgehoben. Dabei kühlt es sich ab, und zwar adiabatisch. Wenn es in h1 ankommt, ist seine Temperatur auf ϑΛ abgesunken. Da die Temperaturschichtung in der Atmosphäre als unteradiabatisch vorausgesetzt war, wird ϑΛ kleiner sein als die Temperatur der Umgebungsluft ϑΥ. Das Luftpaket ist also kälter als seine Umgebung. Kalte Luft ist aber schwerer als warme. Das Luftpaket wird infolgedessen sofort wieder nach unten wegsinken, bis es in der Höhe h angekommen ist. Dort stimmt nach adiabatischer Erwärmung seine Temperatur wieder mit der der Umgebung überein. Die gleichen Überlegungen gelten, sogar noch in verstärktem Maße, auch bei einer Inversion.

Denkt man sich das Luftpaket dagegen auf das Niveau h2 heruntergeholt, so passiert genau das Umgekehrte wie vorhin: Aufgrund adiabatischer Erwärmung wird seine Temperatur höher als die der Umgebung, sodass es wie ein Heißluftballon zur ursprünglichen Höhe h zurücksteigen wird.

Im Falle einer unteradiabatischen Temperaturschichtung wird also jede Vertikalbewegung automatisch und vollständig rückgängig gemacht. Die Atmosphäre kehrt nach jeder Störung wieder in ihren Ausgangszustand zurück, genauso wie die Kugel wieder in die Mulde zurückrollt. Man kann also zu Recht von einer stabilen Atmosphäre sprechen. Man bezeichnet deshalb unteradiabatische Temperaturgradienten und erst recht Inversionen als stabile Schichtungen.

Betrachtet man, wie auf der linken Hälfte der Abbildung 1.11 dargestellt, eine überadiabatische Schichtung, so erkennt man sofort, dass man hier einen labilen Zustand vor sich hat. Wird nämlich wieder ein Luftpaket von h nach h1 gehoben, so zeigt sich, dass seine Temperatur ϑΛ dann höher ist als die der Umgebung ϑΥ. Dadurch erhält das Luftpaket einen ständig wachsenden Auftrieb, der es immer schneller nach oben schießen lässt. Analoge Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass eine Verschiebung nach unten zu einem Durchsacken bis zur Erdoberfläche führt. 40

 

Abb. 1.11 Zur Demonstration von Stabilität und Labilität der Atmosphäre (Erläuterungen im Text).

Der geringste Anstoß reicht also bereits aus, in der Atmosphäre Umwälzungen größten Ausmaßes auszulösen, die nicht mehr in den Ausgangszustand zurückführen. Wir haben hier wie bei der über den Hügel rollenden Kugel eine labile Situation oder labile Schichtung vor uns. Echte überadiabatische Temperaturgradienten treten nur relativ selten und meist auch nur vorübergehend auf, weil immer Anlässe genug vorhanden sind, ausgleichende Umlagerungsvorgänge anzustoßen.

Einer der Fälle, bei denen es zu echter Labilität kommt, ist das rasche Vordringen von Kaltluft gegen eine warme Luftmasse. Aus noch zu erklärenden Gründen (→ Kap. 6.1.1) kommt dabei die Kaltluft in der Höhe oft schneller voran als am Boden, d. h. es kann am Boden noch Warmluft vorhanden sein, während in der Höhe die Kaltluft schon angekommen ist. Eine drastische Temperaturabnahme mit der Höhe, also massive Labilität, ist die Folge. Eine solche Situation äußert sich in heftigen Gewittern, Regen-, Schnee- oder Hagelschauern. Die bei solchen Wettersituationen auftretenden heftigen Wind- und Sturmböen sind nichts anderes als Luftpakete, die aus großer Höhe heruntergestürzt und – am Erdboden angekommen – in die Horizontale umgelenkt worden sind (→ Abb. 1.12).


Abb. 1.12 Kaltlufteinbruch: In der Höhe oberhalb von 1000 m ist die kalte Luft schon angekommen, während darunter noch die warme Luft vorhanden ist. (stark schematisiert).

41 Der soeben besprochene Vorgang zur Labilisierung der Atmosphäre ist zwar sehr anschaulich, sehr viel wichtiger ist ein anderer, ebenfalls beim Vorrücken von Kaltluft ablaufender Prozess: Die Kaltluft schiebt sich dabei keilförmig unter die Warmluft und beginnt diese wie mit einer Schaufel hochzuheben. Dabei laufen die in Abbildung 1.10 (Absinkinversion) beschriebenen Vorgänge, die dort zu Stabilisierung bzw. zu Inversionsbildung geführt haben, in umgekehrter Richtung ab, d. h. der Temperaturgradient kippt in Richtung überadiabatische Schichtung mit der Folge starker Labilisierung.

Ein dritter wichtiger Labilisierungsprozess setzt bei starker Sonnenstrahlung ein. Er wird im Rahmen des Energiehaushalts der Erdoberfläche im Kapitel 4.2.1 besprochen.

Zum Nachdenken

Wie hoch steigt eigentlich ein nach oben angestoßenes Luftpaket in einer labil geschichteten Atmosphäre? Da seine Temperaturdifferenz zur Umgebung mit zunehmender Höhe immer größer wird, wächst gleichzeitig auch sein Auftrieb weiter und weiter. Könnte das Luftpaket vielleicht sogar so schnell werden, dass es der irdischen Gravitation zu entfliehen vermag?

Antwort:

Das Luftpaket wird keine größere Höhe als etwa 10 km erreichen, denn die dort einsetzende mächtige, Ozon bedingte Inversion wird jede weitere Vertikalbewegung unterdrücken (→ Kap. 1.7 sowie die Bildung von Amboss-Wolken im → Kap. 2.3.3).

Wenn die tatsächliche Temperaturschichtung dem adiabatischen Gradienten entspricht, ruft die Vertikalverschiebung eines Luftpaketes keine Reaktion hervor, denn in jeder Höhe stimmen die Umgebungstemperatur und die eigene Temperatur überein. Die Folge ist, dass das Luftpaket unbeeinflusst in der betreffenden Höhe bleibt. Eine solche Situation entspricht in unserem Kugelmodell dem Fall, dass die Kugel auf einer ebenen, waagerechten Fläche liegt. Wird sie aus ihrer augenblicklichen Lage herausgenommen und an irgendeine andere Stelle gelegt, so bleibt sie dort ruhig liegen. Man nennt diesen Schichtungstyp indifferent.

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