DIE BÄRIN

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DIE BÄRIN
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Gernot Hackl

DIE BÄRIN

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Bärin

VORWORT

DIE GESCHICHTE

NACHWORT

Impressum neobooks

Die Bärin

Gernot Hackl

Eine Erzählung

VORWORT

Der Bär, Märchen – und Sagenfigur, Verkörperung in sich ruhender Kraft, Jäger und Gejagter zugleich, Suchender auf Wanderschaft, Nahrungssuche und vereinzelt im Begriff, ihm entzogenen Lebensraum zurückzuerobern, auf leisen Tatzen in Richtung urbaner Siedlungen.

Der Bär, ein wildes, mutiges, intelligentes Tier, eigenwillig und freiheitsliebend, ein Kämpfer, jederzeit bereit zur Verteidigung seiner Familie und seines Territoriums. Vielleicht deshalb das Wappentier des Schweizer Kantons Bern oder der bundesdeutschen Hauptstadt Berlin, um nur zwei der wichtigsten Städte zu nennen.

Aber was ist aus ihm geworden? Hat er noch Chancen, zu überleben?

In Zoos wird er in sicherer Distanz zum Publikum zur Schau gestellt oder hinter Gittern präsentiert, unter Zirkuszelten und auf Jahrmärkten wird er tanzend vorgeführt, angekettet und mit einem Maulkorb, um ihn wehrlos und gefügig zu machen.

In Spielzeuggeschäften füllt er die Regale in allen Varianten und den Kindern wird er als Kuschelobjekt ins Bett gelegt.

Da ist symbolisch sogar etwas dran, denn der Bär ist ein „Familientier“, wenn es um den eigenen Nachwuchs geht, fürsorglich die Mutter, achtsam der Vater und beide beschützend.

Was zunächst behäbig daherkommt, kann durchaus Geschwindigkeit aufnehmen, wenn es um die Verfolgung eines Feindes oder die Jagd auf Beute geht. Da trifft der Vergleich mit dem deutschen Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg, den die Alliierten „Brummbär“ nannten, schon eher zu, wenn wir über Kraft und Ausdauer sprechen.

Der andere, menschliche Vergleich, wonach ein Brummbär ein brummiger, missgelaunter Zeitgenosse sei, trifft auf den Bären jedoch ganz und gar nicht zu, solange man ihm nicht „an den Kragen gehen“ oder in seinen Lebensbereich eindringen will.

Doch da der „homo sapiens“ mehr denn je auf der Suche nach spektakulären Abenteuern und perversen Gaumenfreuden ist, kommen ihm Mythos und Eigenschaften des Riesen gerade recht, um ihn zu erlegen, für die Trophäensammlung präparieren zu lassen oder Teile von ihm als Delikatesse zu verspeisen.

Vereinzelte „Normal – und Blaublütler“ aller Couleur und Herkunft scheuen weder Geld noch Strapazen, den Koloss aufzuspüren und ihm den Garaus zu machen, mit der eigenen, oder im Notfall auch mit der Flinte eines gedungenen „Heckenschützen“.

Anderswo verfolgen in Panik geratene und eigens organisierte „Exekutionskommandos“ einen wehrlosen Bären auf Wanderschaft über die Alpen, um ihn schließlich mit einem Gnadenschuss zu erlösen. Wovon erlösen, fragt der Autor? Vor den Menschen?

Aber vielleicht fragt sich der eine oder andere irgendwann, ob er in einem früheren Leben nicht schon einmal ein Bär gewesen sein könnte oder im nächsten Leben vielleicht ein Bär sein wird.

Oft schleichen sich Träume heimlich in unser Leben, ohne dass wir es bemerken aber dennoch danach handeln. Ebenso, wie das Leben Teil unserer Träume ist und Träume Teil unseres Lebens sind und Handlungen erzeugen, in denen wir uns entweder als agierender Darsteller oder aber nur als Beobachter wiederfinden.

Meine Novelle „DIE BÄRIN“, eine Geschichte über unsere ewige Neugierde auf Unbekanntes und Geheimnisvolles, eine Geschichte, die Mythos, Fantasie und Wirklichkeit verschmelzen lässt, erzählt von einer unverhofften und gleichermaßen seltsamen Begegnung mitten im Bayrischen Wald.

Es ist die Geschichte einer ewigen Wanderschaft von Mensch und Kreatur, miteinander aber auch immer öfter gegeneinander und wirft schließlich die Frage nach Ursprung und Gemeinsamkeit auf:

Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Und ist etwas dran an einer Metamorphose oder der Seelenwanderung?

**

DIE GESCHICHTE

Als ich älter wurde, kreisten meine Gedanken mehr denn je um meine Kinder – und Jugendjahre und auch die Neugierde nach meinen Wurzeln wuchs von Tag zu Tag. Wer waren meine Eltern?

Woher kamen sie? Woher kam ich?

Und als ich eines schönen sonnigen Tages auf der Strandterrasse eines Restaurants an der Westküste Mallorcas saß und mit der Wirtin ins Gespräch kam, die mir von ihrer beruflichen Vergangenheit in Regensburg erzählte und dass sie demnächst ihren alten Vater im Bayrischen Wald besuchen würde, der dort in einem schmucken Bauernhäuschen seinen Lebensabend verbringt, erinnerte ich mich, dass auch einer meiner Elternteile seine Wurzeln in der Oberpfalz hatte und von dort ist der nördliche „Bayernwald“ schließlich ja nicht mehr weit.

Um eben diesen geheimnisvollen und mit Tannen, Buchen und Fichten dicht bewachsenen Wald an der Grenze zu Tschechien und im Süden an den Böhmerwald und Österreich grenzend, der sich im Inneren auch über sanfte Hügel zieht und felsiges Mittelgebirge umhüllt, ranken sich seit jeher sagenumwobene Geschichten.

Für mich ein Grund mehr, mich auf den Weg zu machen und auf „Spurensuche“ zu gehen.

Wo es besonders einsam ist, dorthin wollte ich. Der Blick auf die Landkarte ließ Regensburg allerdings „links liegen“ und zeigte nach Niederbayern in Richtung Passau, von wo aus der entlegenste Teil des Bayernwaldes schlummert.

Also packte ich den Koffer, nicht ohne eine alte, aber noch wetterfeste Wachs-Jacke und stabile Wanderschuhe, flog von Palma de Mallorca nach München, beschaffte mir einen geländetauglichen Mietwagen und ab ging´s über Passau in Richtung „Bayernwald“.

Da kam mir wieder vieles vertraut vor und Erinnerungen wurden wach. In der Oberpfalz verbrachte ich einen Teil meiner Kindheit und in Regensburg machte ich mit achtzehn meinen Führerschein.

Nur Passau und den Bayrischen Wald kannte ich noch nicht und die Spannung wuchs von Kilometer zu Kilometer und ich malte mir in Gedanken schon aus, was mich in dieser für mich unbekannten und verwunschenen Welt erwarten würde.

Von einem Naturpark hatte ich gelesen, von unterirdischen Gängen und Behausungen, die während der Kriegsjahre sicheren Unterschlupf gewährten und von tief eingegrabenen Bunkern, in denen Kriegsbeute und Schätze gelagert wurden; dass der Wolf noch immer oder auch schon wieder Besitz vom dunklen Wald ergriffen haben soll und in Rudeln seine Bahnen durchs Unterholz zieht.

Auch einen Wildpark mit einem eigens für Braunbären eingezäunten Gehege soll es geben. Irgendetwas musste ja dran sein, an den tausend furchterregenden Märchen und Sagen, die vielleicht immer noch die Geheimnisse eines unergründlichen Waldes hüten und da und dort oder dann und wann wieder aus dem Dunkel auftauchen und zum Leben erwachen.

So sinnierend, vergingen die zweieinhalb Stunden Fahrt von München nach Passau wie im Flug, bis ich schließlich in den Wald eintauchte und sich hinter mir das Tor aus gewaltigen Tannen schloss. Nur Bäume links und rechts, soweit das Auge reichte, bis schließlich das Ziel vor mir lag: „das verlassene Dorf Leopoldsreut“.

Aber da aus diesem Dorf seit 1963 nur noch ein ausgestorbenes dörfliches „Museum“ wurde, suchte ich vergeblich nach einem Gasthof. Der Beginn des Abenteuers?

Also machte ich mich auf die Suche nach einer nahegelegenen Bleibe und wurde schließlich fündig: ein mehr als uriger Landgasthof war´s dann, nicht ganz so, wie man sich einen alten niederbayrischen Gasthof vorstellt, eher wie die Mischung aus einem abgehalfterten bayrischen Gehöft und dem Bühnenbild eines englischen Grusel-Krimis: außen brüchig-rissiger, aschfahler Verputz, der zu seinen Glanzzeiten sicher einmal weiß war, ab Obergeschoss eine hölzerne Ummantelung aus von Wind und Wetter gebleichten Fichtenplanken, zwischen denen kleine Fensterchen hervorlugten und um den Eingang herum erzählte eine schon etwas verwitterte Lüftlmalerei1 mit fliegenden Engelchen, lauernden Teufelchen und Jagdsymbolen die Geschichte des Ortes. Innen drückend schweres Gebälk, eine unter der Last ächzende Treppe und knarrende Bodenbretter, in denen sich der mit den Jahrzehnten meistbegangene Weg abzeichnete. Irgendwie passte das alles in das Stimmungsbild eines beginnenden Abenteuers.

Ich schleppte mein Gepäck ins Zimmer, direkt unter dem Dachgiebel und freute mich schon auf eine zünftige, deftige Brotzeit in der Gaststube. So motiviert und gespannt, machte ich mich erwartungsvoll und entschlossenen Schrittes wieder auf den Weg nach unten, als mich ein Raunen, das - unterbrochen von lauten und emotionalen Zwischenrufen durch die Türritzen der Gaststube ins Treppenhaus drang - vermuten ließ, dass hier irgendetwas im Gange sein musste, etwas von allgemeinem Interesse und besonderer Wichtigkeit.

 

Drinnen, unter einer illustren Sammlung sorgsam aufgehängter Hirschgeweihe, ausgestopfter Füchse und Mardern auf baumstumpfähnlichen Konsolen und einem majestätischen Auerhahn, stach ein Bärenkopf hervor und mir schien, als würden mich seine Glasaugen auf Schritt und Tritt verfolgen. Oder bildete ich mir das nur ein?

Am Kachelofen war noch ein kleiner Tisch mit einer schon über Jahrzehnte lang blank geschrubbten Platte aus leicht durchgebogenem Ahorn-Holz frei und ich freute mich schon auf ein kräftiges Schmankerl.

„Die Küche ist zu“, ließ mich die gewichtige Bedienung wissen und aus ihrem tief seufzenden Atem und dem wallenden Auf und Ab ihres überquellenden Dekolletees schloss ich, dass sie wohl für heute nicht mehr viel Lust hatte.

Und so begnügte ich mich mit einer „Halben Bier“ von der örtlichen Gemeindebrauerei. Inzwischen war es ja schon am späten Nachmittag und draußen legten sich bereits die ersten Nebelschleier ums Haus. Um mich herum nahm das Stimmengewirr mehr und mehr Fahrt auf, wurde immer hektischer und ich musste mich erst gar nicht anstrengen, um alles mitzubekommen, auch wenn ich den Dialekt nicht immer gleich auf Anhieb verstand.

Plötzlich ergriff der „Kommandeur“ der Runde das Wort. ´So, wie er sich gestenreich in Positur bringt, muss er wohl der Bürgermeister sein´, dachte ich. „Heute müssen wir ihn erlegen. So kann es nicht mehr weitergeh´n. Inzwischen kamen schon fünf Touristen mit blutiger Nase aus dem Wald und ein Wanderer bekam vor Schreck einen Herzinfarkt“.

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