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Read the book: «Die Welt auf Schienen», page 42

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Der Hauptvorzug dieser Drahtseilbahnen ist, daß auch tief zerrissenes Gelände von ihnen durchfahren werden kann. Wollte man zum Durchfahren eines Gebirgsteils der fortwährend von tief eingeschnittenen Tälern durchbrochen ist, eine Standbahn anlegen, so wäre diese gezwungen, sich allen Windungen des Geländes anzupassen. Der Weg müßte hierdurch sehr lang werden, so daß die Bahn sehr teuer würde. Die Drahtseile kann man glatt von einem Geländepunkt zum andern hinüberlegen, ohne Rücksicht darauf, was sich dazwischen befindet. Die Spannweiten können ein Kilometer und mehr betragen, so daß die Aufstellung von nur verhältnismäßig wenigen Pfeilern notwendig ist.

Wo es sich um Personenbeförderung handelt, also vollkommenste Sicherheit erforderlich ist, legt man stets zwei Tragseile aus, von denen jedes das Wagengewicht mindestens zehnmal auszuhalten vermag. Selbst der Bruch eines der Seile würde also noch keine Gefahr heraufbeschwören. Die Tragseile werden an dem einen Ende fest verankert, am anderen Ende hängen sie frei hinunter und sind mit Gewichten belastet, so daß die Wärmedehnung ausgeglichen wird und ein gleichmäßiges Durchhängen gesichert ist. Für den Antrieb der Wagen werden besondere Zugseile benutzt. Auch diese werden zumeist doppelt ausgeführt, damit beim Reißen des einen Zugseils der Wagen noch in die Haltestelle geschafft werden kann. Selbsttätige, ausreichend erprobte Hemmvorrichtungen verhindern ein Hinabgleiten selbst im Fall des Reißens beider Zugseile.

Eine besondere Schwebebahnart befindet sich seit dem Beginn des Jahrhunderts in Elberfeld als Stadtschnellbahn in Betrieb. Zum größten Teil stand für diese Bahn nur der Raum über dem Flußbett der Wupper zur Verfügung. Es mußte daher eine leichte Fahrbahn erbaut werden, die sich an die schräg über den Fluß gestellten Stützen anhängen ließ. Die gewählte Bauart Langen-Cöln hat sich vortrefflich bewährt. Jeder Wagen hängt an zwei Jochen, welche die Fahrschiene von oben und unten umgreifen, so daß eine Entgleisung ausgeschlossen ist. Die vier Räder jedes Jochs werden durch Elektromotoren angetrieben.

Unter allen Bergbahnen nimmt die Jungfraubahn eine ganz besondere Stelle ein. Und das ist der Fall, obgleich sie weder die höchst gelegene Haltestelle aller Bahnen der Erde hat, noch selbst die am weitesten hinaufdringende Bergbahn ist. Die schon auf Seite 159 erwähnte Peruanische Anden-Bahn Callao-Lima-Oroya überschreitet den Paß auf 4774 Meter Höhe. Die Bergbahn auf den Pikes Peak in Nordamerika fährt bis zu 4320 Metern Höhe hinauf. Der Gipfel der Jungfrau aber ist nur 4166 Meter hoch, die größte von der Bahn bis jetzt erreichte Höhe beträgt 3457 Meter. Aber in den Alpen liegt die Schneegrenze sehr viel niedriger als an den erwähnten Stellen in Amerika, so daß die Jungfraubahn die einzige ist, welche die Großartigkeit der Gletscherwelt in bequemster Weise erschließt.

Vielfach war schon der Plan gehegt worden, die erhabenen Schönheiten der Jungfrau durch eine Bergbahn zu erschließen. Es bedurfte aber erst des großen Gedankens eines mit künstlerischem Blick begabten Manns, um die richtige Bahnlage herauszufinden. Nach den ersten Plänen stieg die Bahn stets geradenwegs auf den Berg hinauf, so daß sich von allen Punkten aus immer das gleiche Landschaftsbild den Augen geboten hätte, nur mit zunehmender Höhenlage immer weiter sich ausbreitend. Der Schweizer Industrielle Guyer-Zeller erkannte, daß man nicht nur auf das Ziel, sondern auch auf den Weg zu achten habe: damit die Bahn ausreichenden Ertrag abwerfen könnte, mußte sie viele wechselnde Bilder erschließen.

Der Gedanke, wie das gemacht werden könne, kam ihm als echter Genieblitz plötzlich wie eine Erscheinung. Am 27. August 1893 bestieg er mit seiner Tochter von Mürren aus den Gipfel des Schilthorns, von dem man eine prächtige Aussicht auf die zusammenhängende Bergmasse Eiger-Mönch-Jungfrau hat. Guyer war die ganze Zeit über sichtlich mit einem Gedanken beschäftigt; beim Aufstieg blieb er plötzlich stehen und rief: „Nun habe ich’s gefunden!“ Noch in derselben Nacht fertigte er trotz der Müdigkeit, welche die schwere Bergwanderung dem mehr als fünfzigjährigen Mann verursacht haben mußte, eine Zeichnung an, die den ihm vorschwebenden Lageplan der Jungfraubahn darstellte.

Die Zeichnung trägt den Vermerk: „11-112 Uhr nachts, Zimmer Nr. 42, Kurhaus, 27. bis 28. August 1893. G. – Z.“ Die genaue Datierung verrät, daß Guyer sich der Tragweite seines Gedankens voll bewußt war. Und wirklich ist die Bahn genau so gebaut worden, wie er ihre Lage damals vorgezeichnet hat; selbst nach seinem Tod wurde nichts Wesentliches daran geändert.

Die Strecke steigt jetzt erst nach weitem Umweg durch Eiger und Mönch zur Jungfrau hinauf. Dadurch wird bewirkt, daß jede Haltestelle einen ganz neuen und überraschenden Blick eröffnet, daß die Aussicht in angenehmer Steigerung stets an Großartigkeit zunimmt.

Am 19. September 1898 wurde die erste Haltestelle „Eigergletscher“ eingeweiht. Erst vier Jahre nach Guyer-Zellers Tod war der nächste Bahnhof „Eigerwand“ erreicht. 1905 folgte die Haltestelle „Eismeer“ und 1912 war das „Jungfraujoch“ erstiegen. Die Fortsetzung ist noch nicht begonnen. Es besteht die Absicht, die eigentliche Bahn nicht unmittelbar auf den Gipfel hinaufzuführen, sondern sie unter diesem enden zu lassen und für das letzte Stück einen senkrechten Aufzug vorzusehen.

Die Jungfraubahn entspringt auf der Kleinen Scheidegg, wo sie sich an die von Lauterbrunnen und Grindelwald herkommende Wengern-Alp-Bahn anschließt. Sie ist eine Zahnradbahn mit elektrischem Antrieb. Bis zur Haltestelle „Eigergletscher“ fährt sie auf offenem Gleis. Von da ab steigt sie in geschlossenem, in den Fels gesprengten Tunnel empor. Die Haltestellen sind Durchschläge des Tunnels durch den Fels, Fenster gewissermaßen, die in den Bergwänden eröffnet wurden. Auf dem Bahnhof „Eismeer“ befindet sich ein großes, modern eingerichtetes Hotel, das mit elektrischer Küche und elektrischer Heizung alle Bequemlichkeiten bietet. Das Entzücken, welches die Ausblicke von den Haltestellen der Jungfraubahn den Reisenden gewähren, ist unvergleichlich; keine andere Bahnstrecke auf der Erde vermag auch nur ähnliche Naturgenüsse zu bieten.

27. Der Einsame

Wenn der gute Onkel um die Weihnachtszeit das Fritzchen fragt, was es am liebsten geschenkt haben möchte, dann ist eine häufige Antwort: „Eine Eisenbahn!“ Das Kind will damit durchaus nicht sagen, daß es eine große Bahnanlage mit Geleisen, Hochbauten und Signalen wünscht, sondern es meint bescheidentlich nur einen Zug. Zug und Eisenbahn sind für den Begriff des Kinds und auch der meisten Erwachsenen dasselbe. Das Fritzchen ruft: „Dort fährt eine Eisenbahn!“, aber auch der Vater sagt: „Morgen fahre ich mit der Eisenbahn!“, während er doch dabei im Sinne hat, daß er in den Zug steigen wird.

Diese Benennung eines Teils mit dem Namen des Ganzen, dieses totum pro parte, hat hier einen tiefen innerlichen Sinn. Alle Eisenbahnanlagen sind ja nur geschaffen, damit die Züge befördert werden können. Die häufige Anwendung der erwähnten Redeform aber hat ihre Ursache in der alles beherrschenden prachtvollen Erscheinung der dahinstürmenden langen Züge. Bis vor wenigen Jahren haben sie auch ausschließlich die Beförderung besorgt. Seit kurzer Zeit aber sieht man häufiger und häufiger an Stelle der hinter der Lokomotive zusammengeschlossenen Wagengemeinschaft ein einsames Fahrzeug über die Schienen rollen, durch dessen Fenster Gesichter von Reisenden blicken. Man fährt heute nicht mehr ausschließlich mit der „Eisenbahn“ im kindlichen Sinn, die immer vielfältiger werdenden Verkehrsansprüche haben einen neuartigen Bewohner der Welt auf Schienen entstehen lassen.

Den Verkehrsansprüchen der Jetztzeit genügt es nicht mehr, wenn selbst auf einer verkehrsärmeren Strecke nur drei- bis viermal am Tag Beförderungsgelegenheit gegeben ist. Die Eisenbahnverwaltungen aber, die doch ein wirtschaftliches Ergebnis aus ihrem Betrieb erzielen müssen, können Züge zumeist nur dann laufen lassen, wenn auf einigermaßen genügende Besetzung zu rechnen ist. Vor jedem Zug liegt ja eine Lokomotive, und diese arbeitet äußerst unwirtschaftlich, wenn ihre Zugkraft nur zum Teil ausgenutzt wird. Man hat zur Ausfüllung größerer Verkehrspausen leichte Züge mit verhältnismäßig schwachen Lokomotiven eingeführt, ohne jedoch zu einem geldlich befriedigenden Ergebnis gekommen zu sein. Um die hier sehr erwünschte, gründliche Abhilfe zu schaffen, mußte eine noch leichtere kleinere Verkehrseinheit geschaffen werden. Sie ist in dem Triebwagen gefunden worden.

Dieser vereinigt in einem einzigen Fahrzeug Antriebsmaschine und Räume für die Reisenden. So läßt sich ein niedriges Gesamtgewicht erzielen, die tote Last, die auf jeden einzelnen Platz kommt, ist gering, die Bedienung kann durch einen einzigen Mann vorgenommen werden, der Lokomotivführer, Heizer und Schaffner zugleich ist. Während jeder Zug an der Endstelle umständlich kehren muß, indem zum mindesten die Lokomotive von einem Zugende an das andere umsetzt, können die Triebwagen ohne weiteres ihre Fahrtrichtung wenden. Sie vermögen auch auf solchen Bahnhöfen zu kehren, die keine genügenden Einrichtungen für Verschiebebewegungen von Zügen haben. So ist der Triebwagen das schmiegsamste aller Beförderungsmittel; die äußerst günstigen Betriebseigenschaften, welche ihm innewohnen, lassen seine Bedeutung mehr und mehr wachsen.

Auf den preußischen Staatsbahnen gab es im Jahre 1907 erst fünf Triebwagen, die zur Erprobung ihrer Leistungsfähigkeit erbaut waren. Im Jahre 1910 waren bereits 100 dieser Fahrzeuge im Betrieb; heute laufen in Preußen 367 Triebwagen, auf allen deutschen Bahnen 470. Sie dienen dazu, größere Pausen im Zugverkehr auszufüllen, sie bringen von Nebenlinien Fahrgäste zu den Schnellzügen der Hauptstrecke und verbessern die Anschlüsse auf den Hauptstrecken selbst. Ihr Antrieb erfolgt durch Dampf, durch Elektrizität und hier und da auch durch Gas- oder Ölmotoren. Das Neueste ist die Verbindung von Gas-Krafterzeuger und elektrischen Antriebsmaschinen auf Einem Fahrzeug.

Die Kesselanlagen der Dampftriebwagen unterscheiden sich grundsätzlich von denen der Lokomotiven. Kommt es doch hier darauf an, äußerst billig zu arbeiten und mit der Bedienung der gesamten Dampfanlage durch Einen Mann auszukommen. Man richtet die Feuerung möglichst so ein, daß sie sich selbsttätig beschickt, indem etwa der Brennstoff in einem auf dem Dach liegenden Bunker untergebracht ist, von wo er, durch besondere Vorkehrungen geregelt, nach Bedarf dem Rost zurutscht. Der Kessel ist sehr klein, er birgt fast gar keinen Vorrat an Wasser; dieses wird ihm vielmehr ständig zugeführt. Meist enthält der Kessel nur gerade so viel Dampf, wie die Maschine in jedem Augenblick gebraucht. Sehr rasches Anheizen ist auf diese Weise möglich, so daß der Triebwagen stets sofort in Betrieb gesetzt werden kann und die Vorbereitungszeiten fortfallen. Sehr günstig wirken die Anwendung hoher Überhitzungsgrade und außergewöhnlicher Dampfspannungen, die bis zu 35 Atmosphären hinaufgehen.

Häufig ist ein Führerstand nur auf Einer Stirnseite des Dampfwagens vorgesehen, nämlich dort wo der Kessel liegt. Dann aber ragt der Stand nach beiden Seiten über die Wagenbreite hinaus, damit der Führer auch bei Rückwärtsfahrt die Strecke überschauen kann und ein Wenden des Triebwagens auch in diesem Fall unnötig wird. Andere Dampfwagen haben zwei Führerstände, wobei dann von der einen Seite Zugstangen zu den eigentlichen Maschinengriffen hinübergeleitet werden müssen. In solchem Fall wird man meist noch einen besonderen Heizer vorsehen müssen, da der Kessel nicht gut ganz ohne Aufsicht gelassen werden kann.

Die weitaus größte Zahl der heute in Deutschland verkehrenden Triebwagen wird durch elektrische Speicherbatterien (Akkumulatoren) angetrieben. Obgleich diese Antriebsart bei den Straßenbahnen versagt hat und sich bei Kraftwagen nur in sehr mäßigen Grenzen bewährt, hat sie sich für Eisenbahn-Triebwagen als recht günstig erwiesen. Der Grund ist, daß hier eine erschütterungsarme Fahrbahn vorhanden ist, und sachgemäße Wartung und Aufsicht in jedem Augenblick zur Verfügung stehen. Es kommt die Aufstellungsart der Speicherkasten hinzu, die hier günstiger sein kann als bei den Straßenbahnen.

Bei den ersten Triebwagen mit Elektrizitätsspeichern standen die Kasten mit den stromgebenden Zellen wie bei den Straßenbahnen unter den Sitzbänken. Hier waren sie schlecht zugänglich, während des Ladens füllten sie die Abteilräume mit schlecht riechenden Gasen an. Auf den Vorschlag Wittfelds ist gründliche Abhilfe dadurch geschaffen, daß die Speicherbatterien jetzt in besonderen, den Stirnseiten der Wagen vorgelagerten Räumen untergebracht werden. So entstand die eigentümliche Form des heutigen elektrischen Triebwagens, die sich mehr und mehr Platz erobert. Als besonders wirtschaftlich hat sich die Anwendung großer Speicherbatterien herausgestellt. Der von ihnen angetriebene Wagen mußte entsprechend der Leistungsfähigkeit der Motoren ziemlich lang ausfallen. Um ihm eine genügende Schmiegsamkeit in den Gleiskrümmungen zu wahren, wird er meist in der Mitte durchgeteilt. Es bildete sich der Doppel-Triebwagen mit Kurzkupplung zwischen den beiden Teilen heraus. Sie stellen zusammen eine Einheit dar, ihre Trennung kann nur in der Werkstatt vorgenommen werden.

Die Speicherbatterien bestehen aus einzelnen Zellen, die in säurefest ausgefütterte Holzkasten eingesetzt sind. Es befindet sich verdünnte Schwefelsäure darin, in die besonders durchgebildete Bleiplatten eintauchen. Wenn den Zellen genügend lange Zeit Strom von außen zugeführt ist, sind sie nachher imstande, Strom abzugeben und damit die unter dem Wagen angebrachten Motoren anzutreiben.

Hieraus geht hervor, daß die Triebwagen dieser Art von Ladestellen abhängig sind. Meist sind sie nur befähigt, mit einer einzigen Ladung 100 Kilometer zurückzulegen; sie dürfen sich also niemals weiter als 50 Kilometer von ihrer Ladestelle entfernen, damit sie auch wieder zu dieser zurückkehren können. Neuerdings gibt es auch Speichertriebwagen mit einer Fahrfähigkeit von 180 Kilometern. Die Stundengeschwindigkeit beträgt höchstens 60 Kilometer.

Diese Abhängigkeit der elektrischen Triebwagen mit Speichern von ihren Ladestellen hat alsbald den Wunsch entstehen lassen, Fahrzeuge zu schaffen, denen die großen Vorzüge des elektrischen Antriebs erhalten bleiben, die aber dennoch volle Freizügigkeit auf den Geleisen besitzen. Man hat dieses Ziel auf einem recht seltsamen Umweg erreicht: man baut nämlich einen Stromerzeuger in den Triebwagen ein. Es werden hierzu ausschließlich Benzin-, Benzol- oder Diesel-Motoren benutzt, die alle bereits als selbständige Bewegungsmaschinen in reichlicher Anwendung sind. Hier dienen sie nur dazu, eine Dynamo-Maschine anzutreiben, die ihrerseits Strom in die Elektromotoren unter dem Wagen schickt.

Dieser eigentümliche Umweg ist notwendig, weil alle diese sogenannten Verbrennungsmotoren einen günstigen Wirkungsgrad nur bei einer bestimmten Umdrehungszahl haben. Der Antrieb von Eisenbahnfahrzeugen verlangt aber wechselnde Geschwindigkeiten, da beim Anfahren und in Steigungen eine erhöhte Kraftleistung von der Maschine verlangt wird, die nur durch Herabsetzung der Geschwindigkeit gewonnen werden kann. Es ist daher bei unmittelbarem Antrieb durch den Verbrennungsmotor, wie er hier und da vorkommt, die Zwischenschaltung einer veränderlichen Übersetzung zwischen Motorachse und angetriebener Wagenachse notwendig. Ferner muß die Drehrichtung der Triebwagenachsen umkehrbar sein. Der Verbrennungsmotor gewährt diese Möglichkeit ohne weiteres nicht. Es muß also ein besonderes Wendegetriebe vorgesehen sein.

Hinzu kommt, daß der Verbrennungsmotor nur anläuft, wenn er frei von Last ist. Demgemäß ist eine Kupplung vorzusehen, mit deren Hilfe der Motor während des Anlassens von den Treibachsen getrennt werden kann. Alle diese Vorkehrungen machen den unmittelbaren Antrieb von Eisenbahnfahrzeugen durch Verbrennungsmotoren äußerst verwickelt. Man hat bei uns von derartigen Einrichtungen abgesehen.

Schaltet man Dynamo-Maschine und Elektromotor zwischen Verbrennungsmaschine und Treibachsen, so gelangt man trotz des Umwegs zu einer weit einfacheren Vorrichtung. Der größere Kraftbedarf beim Anfahren und auf Steigungen kann aus einer Speicherbatterie befriedigt werden, die während des glatten Laufs über die ebene Strecke aufgeladen wird. Die Umkehrung der Bewegungsrichtung erfolgt durch einfaches Umlegen eines Schalthebels. Der Leeranlauf wird durch Abschalten der Dynamo-Maschine von den Leitungen bewirkt. Das Ergebnis ist ein in jeder Beziehung brauchbares und vollständig selbständiges Eisenbahnfahrzeug. Der Einsame ist in dieser Form ganz auf sich selbst gestellt, er vermag sein einsiedlerisches Leben in vollständiger Unabhängigkeit durchzuführen.

Obgleich die Verbrennungsmaschine in Form des Benzinmotors die besten Ergebnisse liefert, wie der Kraftwagenbau lehrt, wendet man auf den deutschen Eisenbahnen doch meist benzolelektrische Triebwagen an. Benzol wie Benzin sind flüssige Kohlenwasserstoffe, die leicht vergasen. Das Benzin wird aus Erdöl gewonnen, das Benzol aus Steinkohlen hergestellt. Erdöl findet man in Deutschland nicht, während der Kohlenreichtum unseres Vaterlands groß ist. Die Anwendung des Benzols macht die Eisenbahn-Triebwagen also unabhängig von der Einfuhr aus dem Ausland und zwingt nicht zum Abfließen größerer Geldsummen dorthin.

Neben seiner etwas ungünstigeren Ausnutzbarkeit im Verbrennungsraum der Maschinen hat das Benzol die weitere lästige Eigenschaft, daß es bereits bei 0 Grad zu erstarren beginnt, während Benzin weit höhere Kältegrade erträgt. Man hält darum während der kalten Jahreszeit zum Anlassen der Motoren immer einen kleinen Benzinvorrat bereit. Wenn der Motor läuft, wird der Benzolbehälter durch die heißen Abgase geheizt. Diese dienen gleichzeitig dazu, einen flammenerstickenden Mantel um den Brennstoffbehälter zu legen, damit die darin befindliche Flüssigkeit nicht entzündet werden kann. Oft sind auch besondere Abdeckungen durch eine Kohlensäure- oder Stickstoffschicht vorgesehen.

Die benzol-elektrischen Triebwagen ruhen auf zwei Drehgestellen, von denen das eine die Antriebs- und Stromerzeugungsmaschine, das andere die Elektromotoren trägt. Die Einschaltung des bereits erwähnten, kleinen Elektrizitätsspeichers gestattet eine ständig gleiche Beanspruchung der Verbrennungsmaschine. Deren Anlassen erfolgt mittels Druckluft, die ohnedies für die Bremse bereitet werden muß, oder durch Elektrizität, indem die Dynamo-Maschine an die Speicher geschaltet wird und für kurze Zeit als Motor läuft. Während der Wagen stillsteht, kann die Umdrehungszahl der Kraftmaschine auf die Hälfte hinuntergesetzt werden, wodurch die während dieser Zeit besonders merkbaren Erschütterungen sich mindern.

Wie beim Kraftwagen ist zur Kühlung der Zylinderwände Kühlwasser erforderlich. Es wird teils unter dem Wagenkasten, manchmal auch auf dem Dach in einem Behälter untergebracht, der vorn ein feines Rohrnetz trägt, damit eine möglichst große Wasserfläche mit der kalten Luft in Berührung kommt. Bevor das an den Zylinderwandungen erhitzte Wasser dem Kühler zufließt, durchläuft es im Winter Röhren unterhalb der Sitze in den Wagenabteilen, wobei es diese erwärmt, also als Heizung dient. Die wenig angenehm riechenden Abgase der Verbrennungsmaschinen, als welche auch Diesel-Motoren mit Schwerölspeisung in Anwendung sind, werden durch einen Schornstein über das Wagendach hinweggeführt.

Die Triebwagen bilden ein Verbindungsglied zwischen den dampfgetriebenen Eisenbahnzügen und einer neuen Antriebsart, die mehr und mehr Platz zu gewinnen sucht. Schon wenn man einen der Einsamen über die Schienen rollen sieht, wird man inne, daß die alte, prächtige Dampflokomotive nicht mehr Alleinherrscherin in der Welt auf Schienen ist. Aber auch bei der Förderung großer, schwerster Züge erwächst ihr ein immer kräftiger auftretender Wettbewerber. Der Anwendung der Elektrizität auf den Vollbahnen, einem Gebiet, das bereits in die Zukunft weist, sei der letzte Abschnitt dieser Betrachtungen über die Eisenbahntechnik der Gegenwart gewidmet.