Wohin die Flüsse fliessen

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John C. Frémont/Charles Preuss: Zwei Männer im Westen

Zeigt der voranstehende Text, dass die Eroberung des Westens inzwischen Teil eines amerikanischen Glaubensbekenntnisses geworden war, dass es im Osten der USA nicht wenige Menschen gab, die es als eine den Amerikanern von Gott oder der Vorsehung zugedachte Aufgabe betrachteten, ihre Lebensart und ihre sozialen und politischen Grundsätze über den ganzen Kontinent hin und schließlich in alle Welt auszubreiten, so schildern die nachstehenden Abschnitte aus zwei Tagebüchern die Wirklichkeit des Westens und die Empfindungen zweier entschlossener Männer angesichts der übermächtigen Naturerscheinungen. Am 2. Mai 1842 verabschiedete sich der 29jährige Unterleutnant John Charles Frémont von seiner hübschen 17jährigen Frau in Washington und brach auf – zunächst mit der Eisenbahn, dem Kanalboot und der Postkutsche – zur Erforschung des Westens. Auf einem Dampfboot zwischen St. Louis und Independence traf Frémont den Mountain-Man Kit Carson und warb ihn als Scout an. Frémonts Expedition folgte dem Kansas, Big Blue und den North-Platte-Flüssen, um einen Wagen weg nach Oregon zu erkunden. Diese Route wurde bereits von Wagen bis Fort Laramie benutzt. Die zweite Frémont-Expedition 1843--44 nahm die Reststrecke der Oregon-Trails kartographisch auf. Sie diente zum Teil aber auch der Spionage, zur Vorbereitung des Krieges mit Mexiko, bei dessen Ende die USA ihr Territorium bis zum Rio Grande und zum Gila-River vorschoben. Frémonts Bericht wurde zu der populärsten Beschreibung des Westens. Dafür sorgte nicht zuletzt auch sein Schwiegervater, Senator Benson aus Missouri, einer der leidenschaftlichsten Anwälte der Ausweitung der USA nach Westen. Auf seiner Expedition wurde Frémont von dem aus Deutschland stammenden Kartographen Charles Preuss begleitet. Wie aus dem Tagebuch des letzteren hervorgeht, hat dieser offenbar ein recht kritisches Verhältnis zu seinem Expeditionsleiter gehabt.

John C. Frémont

Die Großen Ebenen

22. Juni 1842

Bei dem großen Baum, an dem wir zu Mittag Rast machen wollten, fanden wir kein Wasser. Der Kleine Creek war völlig trocken und auf dem angrenzenden sandigen Gelände sahen wir die ersten Kakteen. Wir hielten uns hier kurz mit der Suche nach Wasser auf. Nach einem strengen Tagesmarsch von 28 Meilen kampierten wir gegen 5 Uhr nachmittags am Little Blue, wo sich bei unserer Ankunft Szenen abspielten, wie man sie sonst wohl nur in der arabischen Wüste erlebt. Kaum waren wir angekommen, da stürzten sich Männer und Pferde in den Strom und badeten und tranken.

Wir befanden uns nun im Gebiet der Pawnee, die häufig Reisegesellschaften auf ihrem Weg zum Gebirge überfallen und ihnen die Pferde wegzunehmen pflegen. Wenn sie stark genug sind, plündern sie und tun den Weißen die unterschiedlichsten Arten von Beleidigungen an. Deswegen wurde zum ersten mal jetzt eine Nachtwache aufgestellt. Unsere Route am nächsten Morgen führte uns das Tal hinauf. Es wurde begrenzt von Hügeln mit sanften Abhängen, die ungewöhnlich grün und schön aussahen. Der Fluss war an die fünfzig Fuß breit und drei oder vier Fuß tief. Am Ufer standen Schwarzpappel- und Weidenbäume, häufig sah man auch Eichenwäldchen, in denen Scharen wilder Truthühner hausten. Überhaupt gab es in dieser Gegend Wild im Überfluss. Häufig sahen wir Elche auf den Hügeln, Antilopen kreuzten unseren Weg, und oft brach ein Reh aus einem Gebüsch. Der Weg am Nachmittag führte über die oberen Prärien, mehrere Meilen vom Fluss entfernt, und wir bezogen bei Sonnenuntergang an einem der kleinen Nebenflüsse Lager, wo viel Zinnkraut unseren müden Tieren als gutes Futter diente. Wir waren an diesem Tag 31 Meilen vorangekommen. Von Westen zog eine schwarze Wolkenwand auf, und zwischen 9 und 10 Uhr nachts brach ein Gewitter los, dem heftige Windstöße vorausgingen. Der Regen fiel in solchen Bächen, dass es schwierig war, gegen den Wind zu stehen und dabei zu atmen, ständig rollte der Donner, und der ganze Himmel erzitterte von Blitzen. Es war stockdunkel gewesen, aber die Blitze zerrissen die Dunkelheit mit blendendem Licht. Carson hatte von zehn bis Mitternacht Wache, und ihm waren zwei unserer jungen Reisegefährten beigegeben, die Herren Brant und R. Benton. Es war ihre erste Nacht auf Wache, und eine solche Einführung war nicht gerade dazu angetan, sie mit den angenehmen Seiten der Expedition vertraut zu machen. Mehrere Dinge kamen zusammen, die dazu führten, dass sie sich recht unbehaglich fühlten: Geschichten über verzweifelte und blutrünstige Indianerkämpfe liefen im Lager um, und unser Standort war schlecht gewählt. Wir waren auf allen Seiten von mit Bäumen bestandenen Senken umgeben, und da wir auf einer Fläche von mehreren hundert Fuß lagerten, waren die einzelnen Wachposten weit voneinander entfernt. Hin und wieder konnte ich Randolph hören, der – von irgendeinem Geräusch in der Dunkelheit aufgeschreckt – den Befehlshabenden bei der Wache rief, um ihn auf etwas aufmerksam zu machen. Aber sie standen es durch und übernahmen später regelmäßig ihre Wachen. Am nächsten Morgen erlebten wir einen falschen Alarm, wie er in diesen Gegenden immer wieder vorkommt. Als wir das Tal hinaufzogen, zeigte sich irgend etwas auf dem gegenüberliegenden Hügel, verschwand aber wieder, ehe ein Glas zur Hand war und wir es genauer in Augenschein nehmen konnten. Ein Mann, der sich in einiger Entfernung hinter dem Zug befunden hatte, kam angejagt und brüllte: Indianer, Indianer! Er war nahe genug gewesen, um sie zu zählen, jedenfalls behauptete er das und hatte 27 ausgemacht. Ich ließ sofort anhalten. Die Waffen wurden hervorgeholt und schussfertig gemacht. Kit Carson warf sich auf eines der Pferde, die bei Jagden geritten werden, überquerte den Fluss und ritt die Prärien auf der anderen Seite ab, um sich Klarheit über die Operationen der Indianer zu verschaffen.

Auf einem schönen Pferd, ohne Sattel, barhäuptig, war Kit beim Ritt über die Prärie ein Bild von einem Reiter. Er brauchte nicht lange, um festzustellen, dass die 27 Krieger in Wirklichkeit sechs Elche gewesen waren, denen es in den Sinn gekommen war, neugierig unsere Karawane zu betrachten, und die nun davontrabten, so schnell sie konnten. Dies war unser erster Alarm und die Aufregung war eine erfreuliche Abwechslung in der Monotonie des Tages.

Charles Preuss

Das elende Leben auf der Prärie

6. Juni 1842

Lager abgebrochen und 15 Meilen den Kansas-River hinaufgezogen. Wütend über diesen kindischen Frémont. In der Nacht fiel eine Menge Regen, die mich zwang aufzustehen. Alles nass.

Welch ein Durcheinander in dieser Mannschaft, schmutziges Essen. Aber wie soll auch ein närrischer Leutnant mit einer solchen Aufgabe zurechtkommen. Dies ist mein erster Tag, den ich reitend verbringe. Glücklicherweise bekam ich ein sanftes Pferd. Dennoch wurde ich von der ungewohnten Anstrengung etwas steif.

12. Juni

Viel Regen in der Nacht. Schlief in einem schlechten Zelt. Ewig Grasland. Hin und wieder eine Baumgruppe. Frémont zieht diese Prärie jeder anderen Landschaft vor. Für mich ist das so, als ob jemand ein Buch mit leeren Seiten lieber hat als eine gute Geschichte. Der Ozean hat immer noch seine Stürme und Eisberge, die herrlichen Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge. Aber die Prärie? Zum Teufel mit diesem Leben. Wäre ich doch nur in Washington bei meinem alten Mädchen.

Jagte einen Wolf, die Männer versuchten ihn zu erschießen, verfehlten aber.

19. Juni

Kein Sonntag für uns. Ich habe nicht einmal mehr ein sauberes Hemd zum Anziehen. Zum Teufe! mit der Wascherei. Fingen eine große Schildkröte, die heute Abend eine Suppe geben soll. Sofern unser Koch, dieser Spitzbub, so etwas kochen kann.

Unser großes Chronometer ist schlafen gegangen. Dahin kommt es immer, wenn das Ei klüger sein will als die Henne. Bisher kann ich nicht behaupten, dass ich eine sehr hohe Meinung von Frémonts astronomischen Manipulationen bekommen hätte. Wir haben auch mit dem Botanisieren angefangen. Ich wünschte, ich hätte einen Drink.

25. Juni

Hatte eine bemerkenswert schlechte Nacht. Erst ein Gewitter mit sturzbachartigem Regen, der unser elendes Zelt durchweichte. Dann wurde es so warm, dass sich die Mosquitos benahmen, als seien sie vom Teufel besessen. Tatsächlich habe ich auch nicht eine Minute die Augen zugetan.

Heute morgen gegen 10 waren wir schon drei Stunden unterwegs, da kommt plötzlich der törichte Brant angeritten und behauptet, er habe auf der anderen Seite des Flusses Indianer gesehen. Wir hielten, und unsere beiden Scharfschützen gingen sich umsehen, während wir unsere Pistolen und Gewehre für den Ernstfall bereitmachten. Nach einer halben Stunde stellte sich heraus, dass Mr. Brant nicht Indianer, sondern Elche gesehen hatte. Nachdem wir ihn gehörig ausgelacht hatten, zogen wir bei sengender Hitze (94 Grad Fahrenheit = 34 Grad Celsius) weiter.

2. August

Gestern Nachmittag und heute morgen hat Frémont seinen Daguerreotype aufgebaut, um die Felsen zu fotografieren, er hat auf diese Art fünf Platten verdorben. Nichts war darauf zu erkennen. So geht das oft mit diesen Amerikanern. Sie wissen alles, sie können alles, aber wenn es dann zur Probe aufs Exempel kommt, versagen sie kläglich. Letzte Nacht wurden ein paar Pferde unruhig. Als wir mit Laternen hingingen, hieß es, die Indianer seien in der Nähe.

Frémont vertat den Morgen mit seiner Maschine. Nachdem wir ungefähr zehn Meilen geritten waren und unser Lager aufgeschlagen hatten, sehen wir in dem Gebirge uns gegenüber, ungefähr sechs Meilen entfernt, Rauch aufsteigen. Diesmal sind es bestimmt Indianer. Wir müssen also wieder auf der Hut sein. Wahrscheinlich werden wir keine Ruhe kriegen, bis der Missouri vor uns auftaucht ...

 

John C. Frémont

Die Rocky Mountains

Von Zeit zu Zeit kamen wir an Stellen, an denen eine Anzahl von Quellen aus dem Fels entsprangen, und bei 1.800 Fuß über den Seen erreichten wir die Schneegrenze.

Von da an mussten wir ununterbrochen klettern. Bisher trug ich ein Paar dicke Mokassins, jetzt zog ich ein leichtes, dünnes Paar an, das ich für diesen Zweck gekauft hatte. Ich erklomm eine Art von Gebirgskamm, der wie ein Stützpfeiler gegen die Wand stand und der durch Wind und Sonneneinstrahlung, aber auch wegen seiner Steilheit, fast völlig schneefrei war. Dort hinauf kam ich rasch voran. Unsere Vorsicht zu Anfang hatte mir Kräfte sparen helfen. Ich spürte nichts mehr von der gestrigen Krankheit. Nach ein paar Minuten erreichten wir eine Stelle, wo der Stützpfeiler überhing, und dort ging es mehrere hundert Fuß senkrecht hinunter.

Mich mit Händen und Füßen in den Spalten zwischen den Blöcken festhaltend, gelang es mir, dort vorbeizukommen, und als ich die Spitze erreichte, sah ich meine Gefährten in einem kleinen Tal unter mir. Ich stieg zu ihnen ab, und wir kletterten weiter, und nach kurzer Zeit erreichten wir die Höhe. Ich sprang auf dem Gipfel herum. Ein Schritt mehr, und ich wäre auf ein riesiges Schneefeld 500 Fuß unter mir abgestürzt. Am Rand des Feldes war ein steiler Abfall aus schierem Eis, danach fiel das Feld über etwa eine Meile hin weniger steil bis zum Fuß einer anderen niedrigeren Kette ab. Ich stand auf einem schmalen Grat, ungefähr drei Fuß breit, mit einer Inklination von ungefähr 20 Grad Nord und 51 Ost. Nachdem ich meine erste Neugier befriedigt hatte, stieg ich ab, und die anderen folgten. Ich sorgte dafür, dass immer nur einer über die unsichere und gefährliche Säule herabkam, bei der einen schon ein Hauch in den Abgrund wehen konnte. Wir stellten das Barometer auf dem Gipfel in den Schnee und befestigten einen Stecken in einer Spalte. Und so flatterte die Nationalfahne, wo noch nie eine Fahne zuvor geflattert haben mag.

Während des Aufstiegs am Morgen hatten wir, außer dem schon erwähnten spatzenähnlichen Vogel, kein Zeichen von Tierleben erblickt. Die Stille war fast erdrückend, und eine schreckliche Einsamkeit drängte sich dem Bewusstsein als die ausgeprägteste Eigenschaft dieses Ortes auf. Hier am Gipfel war die Stille absolut, ungebrochen von irgendeinem Geräusch, wir kamen uns vor, als seien wir über die Region, in der es Leben gibt, hinausgelangt, aber während ich auf einem Felsen saß, kam eine einsame Biene von einem Flug aus dem östlichen Tal daher und ließ sich auf dem Knie eines der Männer nieder.

Es war ein seltsamer Ort, der eisige Fels und der höchste Gipfel der Rocky Mountains, seltsam für jemanden, der Sonnenschein liebt und Blumen, und die Vorstellung gefiel uns, dass wir die einzigen waren, denen es gelungen war, diese Gebirgsbarriere zu überqueren – einsame Pioniere, die vom Vorankommen der Zivilisation kündeten.

Ich denke, hätten wir etwas nachgedacht, wir hätten die Biene ihren Flug fortsetzen lassen, aber so verfuhren wir nach dem Gesetz dieses Landes, wo sich alle belebte Natur im Kriegszustand zu befinden scheint. Wir fingen sie und steckten sie zwischen die Seiten eines großen Buches, unter die Blumen, die wir auf dem Hinweg gesammelt und zum Pressen dort verwahrt hatten.

Das Barometer zeigte 18.293, das Thermometer 44 Grad Fahrenheit, wenn man bedenkt, dass sich der Gipfel an die 13.570 Fuß über dem Meeresspiegel erhebt, so wird man sagen können, dass dies der größte Höhenflug einer Biene war.

Charles Preuss

Nicht die Schweizer Alpen

5. August 1842

Frémont treibt sich im Gebirge herum und sammelt Steine, während wir mit dem Lunch auf ihn warten. Ich bin hungrig wie ein Wolf. Dieser Bursche weiß nichts über Mineralogie und Botanik. Und doch sammelt er jede Kleinigkeit, will sie später in Washington bestimmen lassen und wird in seinem Bericht damit angeben. Soll er sammeln soviel er will – wenn wir nur nicht mit dem Essen auf ihn warten müssen.

Heute sagte er, die Luft sei hier oben zu dünn. Deswegen habe es auch mit seiner Daguerreotypie nicht geklappt. Alter Junge, du hast keine Ahnung davon. Das ist es.

8. August

Wie gesagt, diese Rocky Mountains sind nicht die Schweizer Alpen. Aber es ist wahr, sie haben großartige, seltsam geformte Felsen. In ein paar Tagen werde ich in der Lage sein, mehr darüber zu sagen.

17. August

Es war schrecklich, über die Felsen und durch das Wasser zu klettern. Wir sind zwei-, dreimal sehr hoch gewesen, zwischendurch mussten wir immer wieder hinunter ins Tal, weil es von einem Gebirge zum anderen ging. Der Scout, Carson, lief zu rasch. Das führte zu einem Wortwechsel. Frémont, aufgeregt wie gewöhnlich, bestimmte einen jungen Mann dazu, die Führung zu übernehmen. Natürlich konnte er nicht als Scout dienen. Frémont bekam Kopfschmerzen. Er beschloss, den Berg am nächsten Morgen ausgeruht und mit kühlerem Blut zu ersteigen. Irgend jemand kam auf die Idee, über den Schnee zu gehen, der ganz weich war, und dann ging alles ganz gefahrlos. Der Scout – de Couteau – versuchte vorsichtig einen Schritt, und die anderen folgten seiner Spur. Wir erreichten bald den Gipfel. Am höchsten Punkt war es so eng, dass jeweils nur einer dort stehen konnte. Pistolen wurden abgefeuert, die Fahne entrollt, und wir riefen mehrmals »Hurra!« Dann wurde ein Barometer aufgestellt, und ich las zweimal ab. Einmal zeigte es 18.320, dann 18.293, die entsprechenden Daten beim Thermometer waren 45,3 und 44 Grad Fahrenheit, was bedeutet, dass es fast 10.000 Fuß gewesen sein müssen. Während des gesamten Ausfluges ließ mir Frémont nur wenige Minuten Zeit für meine Arbeit. Wenn wir in Washington die Karte zeichnen müssen, wird er seine unkluge Hast bereuen. Der nächste Morgen war der 16. August. Wir brachen vor Sonnenaufgang auf. Wir wollten an der Stelle frühstücken, an der die übrigen neun Männer mit dem Rest der Maultiere warteten. Unser Scout, Basil, verlor den Weg oder dachte, er könne einen besseren finden. Aus diesem Grund gerieten wir in ein wahres Labyrinth von Felsen und kleinen Seen, dass wir kaum noch wussten, wie herauskommen. An die zwanzigmal mussten wir absteigen und die Tiere mit Gewalt über die Felsen stoßen. Wir kletterten ihnen hinterdrein und ritten dann wieder ein Stück. Es war fast Mittag, als wir die Stelle erreichten, die nach Luftlinie nur zwei Meilen entfernt war. Aber statt dort Männer, Maultiere und ein Frühstück zu finden, hing da nur ein Zettel an einem Pfosten, auf dem Kit Carson uns mitteilte, er sei mit den anderen zum Basislager am See abgestiegen. Er hatte angenommen, dass wir auf einer kürzeren Route ebenfalls dorthin unterwegs seien. Frémont begann wieder zu wüten, wollte alle entlassen und auf der Stelle heim etc., etc. Natürlich bekam er davon wieder seine Kopfschmerzen.

Völlig eingeschneit

11. Februar 1844

Wir sind jetzt völlig eingeschneit. Der Schneesturm ist über uns hergefallen. Der Wind hat alle Spuren ausgelöscht, die wir mit unglaublichem Aufwand für unsere Pferde getreten hatten. Die Pferde liegen jetzt zwanzig Meilen zurück und sollen heute Abend eintreffen – oder genauer, man erwartet sie jetzt eigentlich nicht mehr. Wie sollten sie durchkommen? Im Augenblick kann niemand sagen, was geschehen wird. Es ist gewiss, dass wir Pferdefleisch essen müssen. Es würde mir nichts ausmachen, hätten wir wenigstens Salz. Der Salzmangel bringt mich noch um. Ich fühle mich schrecklich schwach und habe wenig Appetit.

4. März

Ich habe ein paar Zwiebeln ausgraben können. Es war eine schwere Arbeit, denn ich habe nur ein Taschenmesser, und sie sitzen tief zwischen den Felsen. Die Wetteraussichten sind schrecklich. Oh meine Liebste! Wenn du wüsstest, wie übel ich im Moment dran bin. Gerade eben habe ich mein Abendessen zusammengekratzt. Auf dem Weg hierhin fing ich ein paar Frösche. Ich riss ihnen die Beine aus und kaute die Schenkel.

27. März 1844

Es ist wahr, dieses Tal (San Joaquin in Kalifornien) ist ein Paradies. Gras, Blumen, Bäume, herrlich klare Flüsse, Tausende von Rehen, Elche, wilde Pferde, wunderbarer Lachs. Ich werde mich wahrscheinlich auf dem Grundstück von Captain Sutter ansiedeln.

Hier gibt es Tausende von Enten; Gänse stehen herum, als seien sie zahm. Die Indianer machen schöne Decken aus ihren Federn. Man kann einen fetten Ochsen töten, ohne auch nur um Erlaubnis fragen zu müssen. Es wird nur erwartet, dass man dem Eigentümer die Haut und den Talg überlässt. Und wie hier alles wächst! Die faulen Spanier kratzen, statt zu pflügen, den Boden nur etwas mit einer Hacke auf, und doch gedeiht alles prächtig. Trauben und Feigen in Hülle und Fülle.

Sutter hat mit dem Weinbau nach deutscher Art begonnen. Die Indianer sind so zahm und friedfertig, dass Sutter sie für alle Arten von Arbeiten benutzen kann. Der Lohn für 14 Tage Arbeit an einem Bewässerungsgraben in einem Weizenfeld besteht in einem Hemd. Natürlich gehen sie alle nackt, denn es herrscht ewiger Frühling. Wie kommt es nur, dass man über ein Land, welches solche Vorteile bietet, im Osten so wenig weiß? Vielleicht weil die Walfänger und Matrosen alles geheim halten, damit ihnen ihr vorteilhafter Handel mit Häuten und Talg nicht durch die Konkurrenz von einfallsreicheren Siedlern verdorben wird. Selbst jetzt weigern sie sich, von den wenigen Siedlern, die es hier gibt, Briefe mitzunehmen.

28. März

Wir haben viel Ärger mit den wilden Maultieren. Es ist schon neun Uhr am Vormittag. Dieser Fluss hier heißt Stanislaus, ein Nebenfluss des San Joaquin. Alle Flüsse führen Hochwasser wegen der Schneeschmelze. Wie angenehm, aus diesem herrlichen Frühling zu den weißen Mauern hinauf zu schauen, wo wir so litten. Eines ist gewiss: wenn ich in den Vereinigten Staaten nicht ohne große Anstrengungen meinen Lebensunterhalt verdiene, zieh' ich um. Wenn ich mit diesem Job fertig bin, reise ich über Vera Cruz in Mexico und Acapulco in die Bucht von San Franzisco und siedle mich dort an.

John C. Frémont

Ein Land der Gegensätze

15. April 1844

Wir folgten noch ein Stück dem Lauf des Creeks talwärts, und unser Scout sagte uns, dass das Wasser sehr bald verschwinden werde, also wandten wir uns direkt nach Süden. Der Trail, auf dem wir uns bewegten, schien am östlichen Rand jenes Landstriches zu verlaufen, durch den man reisen konnte. Jenseits davon gab es kein Gras und kein Wasser mehr. Wir überquerten einen niedrigen Ausläufer des Gebirges, der den Creek begrenzte, und kamen in eine Art Ebene unterhalb dieser Vorberge hinunter. Links von uns lag die Wüste, sie war offenbar unbegrenzt. Ein heißer Nebel lag bei Tage über der Landschaft.und verlieh ihr ein weißes, gleißendes Aussehen; hier und da gab es ein paar dürr wirkende Buttes (isolierte Hügel), und einzelne schwarze Bergketten tauchten plötzlich auf. »Dort«, sagte unser Führer und wies mit der Hand darauf, »das sind die großen Llanos (die Mohave-Wüste). No hay agua, no hay zacate – nada – da gibt es weder Gras, noch Wasser – nichts. Jedes Tier, das sich dorthin verirrt, stirbt.«

Es war tatsächlich ein abstoßender Anblick. Kaum zu glauben, dass auf so kurze Entfernung in der Landschaft sich ein Wechsel von solcher Krassheit abzeichnete. Man hätte lange reisen können, bis man ein Tal mit mehr Pflanzen und Wäldern, mehr Vögeln und Tieren und mit mehr Quellen finden würde als das Tal von San Joaquin, das wir verlassen hatten. Aber nur ein paar Meilen Ritt, und nackte Wüste breitete sich vor uns aus, eine Gegend, vor der sich der kühnste Reisende voller Schrecken abwenden würde.

Unmittelbar vor uns, in einiger Entfernung nach Süden und sich in östlicher Richtung von den Gebirgen abspaltend, verlief eine Sierra, die an ihrem östlichen Ende (vielleicht 50 Meilen entfernt) einige schneebedeckte Gipfel aufwies, Berge, auf denen, wie uns unser Führer erklärte, der Schnee das ganze Jahr liegen blieb. Unser Reiterzug hatte ein seltsam-groteskes Aussehen, und es war unmöglich, nicht über unsere Zusammensetzung und unsere Situation in dieser fernen Einsamkeit nachzudenken. Zwei Grad vom Pazifischen Ozean entfernt, schon so weit nach Süden, wie Monterey liegt, immer noch weiter nach Süden abgedrängt auf der einen Seite durch die Wüste, auf der anderen Seite durch eine Gebirgskette, geführt von einem zivilisierten Indianer, begleitet von zwei anderen Indianern, die aus den wilden Stämmen auf der Sierra kamen, ein Chinook vom Columbia und wir Amerikaner, Franzosen, Deutsche – alle bewaffnet; vier oder fünf Sprachen, die man gleichzeitig hört, über hundert Pferde und Maultiere, alle halb wild; amerikanische, spanische und indianische Kleidung und Ausrüstungsgegenstände! Unser Marsch war eine Art Prozession. Scouts vorweg und an den Flanken, eine Vorhut und eine Nachhut, die Packtiere, Gepäck und das gehörnte Vieh in der Mitte, alles in allem zog sich dieser Treck über eine Viertelmeile hin. Auf diese Weise reisten wir, mehr als ob wir nach Asien gehörten als in die Vereinigten Staaten.