Wohin die Flüsse fliessen

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»Der Medizinmann hat sie von einem Zaubervogel abgeschnitten, und sie ist eine sehr gute Medizin gegen bösen Zauber!« Dann holte er aus dem Kasten noch ein Stück Kupfer hervor, erklärte, dies sei ein Zaubermitte! gegen Blitzschlag, und bot es großzügig Coronado als Geschenk an.

Die Spanier hörten sprachlos zu und der König zog immer mehr seltsam geformte Steine, Knochenstücke, Muschelschalen und kleine Beutel mit farbiger Erde aus dem Kasten und gab langwierige Erklärungen dazu. Als er zu Ende war, stand Coronado auf, bedankte sich bei dem König und verließ das Haus.

Er ging zu seinem Zelt und schickte nach dem »Türken«. Die spanischen Soldaten fanden ihn dabei, die Bevölkerung gegen die Fremden aufzuwiegeln.

»Schlagt sie tot«, rief er gerade, »ich will euch dann auch jedem ein Stück von dem vergoldeten Haus schenken, in dem der Häuptling der Fremden herumläuft.«

Die spanischen Soldaten rissen ihn mit sich fort. Kaum hatte der »Türke« Coronados Zelt betreten, da warf man ihm eine Schlinge aus Leder über den Hals, die zwei starke mexikanische Indianer langsam zuzogen. Der »Türke« starb einen qualvollen Tod.


Madoc oder die weißen Indianer

Prinz Madoc war der Sohn des letzten unabhängigen Fürsten von Wales, Owen Gwynned. Als Owen starb, begann zwischen seinen beiden Söhnen Hywell und Davyz eine blutige Fehde um die Thronfolge. Es gab aber noch einen dritten Sohn, und ihn ekelte es vor dem blutigen Streit unter Verwandten. Also entschloss er sich, Wales zu verlassen und irgendwo anders zu siedeln. Mit drei Schiffen voller Gefährten segelte er nach Westen und landete schließlich in der Neuen Welt. Amerika gefiel Madoc so gut, dass er eine Gruppe Kolonisten dort zurückließ, noch einmal nach Wales zurückkehrte und ein zweites Mal mit 3000 Auswanderern aufbrach. Diesmal befehligte er eine Flotte von zehn Schiffen.

Madocs Kolonie gedieh. Die Menschen waren rege, aber auch kriegerisch gesinnt. Bald breiteten sie sich aus und hielten nach neuem Land Ausschau. Voller Wild sollte es sein. Sie durchquerten den Kontinent. Sie gelangten bis nach Mexiko. Sie suchten Trails, bauten Befestigungen, befuhren den Mississippi und andere große Flüsse mit ihren kleinen Booten. Sie gaben ihre Sprache und ihre Religion an die Indianerstämme weiter, denen sie begegneten. Nicht alle Indianer waren den Fremden wohlgesinnt. Endlich schlossen sich mehrere Stämme zusammen und zogen gegen die weißen Männer ins Feld. Eine blutige Schlacht fand im Mittelwesten statt. Madocs Truppen wurden aufgerieben. Er selbst fand den Tod. Ohne Anführer verwilderten die Auswanderer in ihren Sitten mehr und mehr. Endlich war ihnen überhaupt nicht mehr bewusst, dass ihre Vorfahren aus Europa herübergekommen waren. Sie hatten sich in ihren Lebensgewohnheiten ganz und gar denen der Indianer angeglichen. Aber sie hatten weiße Haut, und sie sprachen immer noch ihre Muttersprache.

Jahrhunderte später reiste Pfarrer Morgan Jones von Virginia nach South Carolina und fiel unterwegs Indianern in die Hände. Sie gaben ihm zu verstehen, er möge sich zum Sterben bereit machen. Jones in seiner Todesfurcht verfiel in seine Muttersprache. Auf Walisisch beklagte er sein Schicksal und begann in dieser Sprache seine Gebete zu sprechen. Zu seinem Erstaunen antwortete einer der Indianer in seiner Muttersprache, und im Augenblick waren sich alle Krieger darin einig, dass man den Pfarrer am Leben lassen wolle. Jones blieb mehrere Monate bei diesem Stamm und versuchte, die Indianer durch Predigten, die er in Walisisch hielt, zum Christentum zu bekehren.


Ein Schöpfungslied der Navajos

Ihr sagt, da waren keine Menschen.

Rauch breitete sich über der Erde aus.

Ihr sagt, da waren keine Menschen,

nur Rauch.

Der erste Mensch, so sagen sie, trat aus dem Rauch hervor.

Er brachte mit sich verschiedene Kleider und kostbare Dinge.

So sagen sie.

Rauch hing ausgebreitet über der Erde.

Er brachte mit sich weißen Mais und gelben Mais.

So sagen sie.

Rauch hing überall.

Er brachte mit sich die verschiedenen Tiere und die Dinge, die wachsen.

So sagen sie.

Rauch war da, ausgebreitet.

Die erste Frau war die erste, die hervortrat.

So sagen sie.

Sie brachte mit sich verschiedene kostbare Dinge und Kleider.

So sagen sie.

Rauch hing da.

Sie brachte mit sich den gelben Mais und den mehrfarbigen Mais.

So sagen sie.

Rauch hing ausgebreitet.

Sie brachte mit sich die verschiedenen Tiere und die Dinge, die da wachsen. So sagen sie.

Rauch hing überall, so sagen sie.

Da gab es noch keine Menschen.

Rauch war ausgebreitet überall.

Es gab noch keine Menschen.

Nur über allem hing Rauch.

Ehe der weiße Mann kam

Ein Weißer wollte von einem Indianer wissen, wie Amerika genannt worden sei, ehe der Weiße Mann es entdeckte. »Es wird wohl ein schwieriges Wort sein«, fügte er hinzu, »bitte, sprechen Sie es langsam und deutlich aus, damit ich es mir notieren kann.«

Der Indianer schüttelte den Kopf. »Es ist ganz einfach«, antwortete er, »wir nannten es unser!«

Roter Saynday trifft weißen Saynday

Eine Wintergeschichte der Kiowa

Die Kiowa-Indianer lebten im südwestlichen Oklahoma. Saynday ist einer jener Trickster-Helden, die in vielen indianischen Mythen auftauchen. Alice Marriott, die die Sommer- und Wintergeschichten Mitte der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts bei den Kiowa gesammelt hat, meint von der Gestalt des Saynday: »Noch am ehesten lässt sich Saynday in der europäisch-amerikanischen Literatur mit Till Eulenspiegel oder mit Merlin vergleichen ... wie viele Saynday-Geschichten es in der Welt der Büffel gibt, wage ich gar nicht zu schätzen. Es mögen hundert sein, vielleicht aber auch tausend ...«

Saynday kam daher, und wie er so seines Weges ging, sah er einen weißen Mann. Der weiße Mann trug einen 20-Gallonen-Stetson-Hut, eine Wildlederweste mit allerlei Schnickschnack daran. Er hatte Wildlederhandschuhe mit langen Fransen an, seine Hosen waren aus Wildkatzenfell, und an den Beinen trug er ein Paar Cowboystiefel. Er ritt ein gutes Pferd mit weißer Mähne und weißem Schwanz, von der Rasse, die man Palomino nennt. Und der weiße Mann und sein Pferd wussten, dass sie eine gute Figur machten.

Saynday blieb stehen und musterte sie genau.

»Ja«, sagte er bei sich, »ein solches Pferd und solche Kleider hätte ich auch gern.« Also ging er auf den weißen Mann mit dem schönen Palomino-Pferd und den eleganten Kleider zu und fragte: »Wie heißt du?«

»Saynday««, sagte der weiße Mann.

»Saynday? Nein, das kann nicht sein. Saynday, das bin ich. Saynday, das ist ein Indianername.«

»Ich bin der weiße Saynday.«

»Wirklich«, sagte der rote Saynday, »nun, ich bin der Saynday der Indianer.« – »Tja«, sagte der andere, »wenn das so ist ... von dir habe ich schon viel gehört. Aber ich habe mir dich ganz anders vorgestellt. Du siehst nicht wie jemand aus, der den Leuten ständig etwas zu reden gibt.«

Er musterte den Indianer-Saynday, der nur ein Paar alte Mokassins und ein schäbiges Gewand trug und darin recht komisch aussah.

»Na ja«, sagte der rote Saynday, »ich bin eben der alte gute Onkel Saynday. Saynday der Indianer. Ich bin der Mann, der immer daherkommt ...«

»Gut«, sagte der weiße Saynday, »besonders großartig siehst du aber nicht aus.« – »Wohl wahr«, sagte der rote Saynday, »aber ich finde, du hast die schönsten Kleider, die ich je gesehen habe.«

»Ach weißt du, das ist nur mein Anzug für alle Tage«, sagte der weiße Saynday, »ich habe ihn mir aus dem Montgomery-Versandhaus schicken lassen.«

»Er steht dir gut«, sagte der rote Saynday, »und ein gutes Pferd hast du auch.« Der weiße Mann sagte nichts. Er wusste wohl, dass es das beste Pferd in seinem Stall war. »Man hat mir gesagt«, fing er an, »du spieltest den Leuten immer Streiche.«

»Das ist richtig«, antwortete der rote Saynday, »bisher habe ich noch fast jeden hereingelegt.«

»Kommt es denn nie vor, dass dir ein Streich misslingt?« erkundigte sich der weiße Saynday.

»Nun ja, hin und wieder schon ... aber nicht sehr oft. Ich fange es immer ziemlich schlau an.«

»Das sagt man«, meinte der weiße Saynday, »und eben deswegen wollte ich dir schon immer einmal begegnen. Ich möchte nämlich behaupten, dass du mich nicht hereinlegen kannst.«

»Vielleicht hast du recht, vielleicht ich.«

»Weich jetzt nicht aus ...«, sagte der weiße Saynday, »ich wette, es gelingt dir nie und nimmer, einen Mann wie mich hereinzulegen.«

»Hier auf der Stelle würde es mir nicht gelingen«, antwortete der rote Saynday, »du weißt ja, wie es bei uns Indianern so geht. Wir müssen unsere Zaubermedizin zur Hand haben. Auch ich benutze für meine Streiche eine solche Medizin, ich habe sie gerade nicht bei mir, sonst würde mir jeder Streich gelingen.«

 

»Du prahlst nur«, sagte der weiße Saynday, »ich wette, du besitzt überhaupt keine Zaubermedizin. Alles Schwindel und fauler Zauber. Du versuchst jetzt nur, dich herauszureden, weil du erkannt hast, dass deine billigen Tricks bei mir nicht verfangen.«

»Nein, nein«, antwortete der rote Saynday, »es ist schon so, ohne meine Medizin bin ich machtlos.«

»Wo hast du denn diese wunderbaren Sachen?«

»Zu Haus!«

»Und wo bist du zu Haus?«

»Dort drüben«, sagte der rote Saynday und deutete mit dem Kopf unbestimmt in eine Richtung.

»Ist es weit?«

»Nicht sehr weit«, sagte der rote Saynday, »aber doch schon ein ganzes Stück.« – »Wie weit?« fragte der weiße Saynday ungeduldig.

»Ich sagte ja ... ein ganzes Stück ... jedenfalls zu weit, um zu laufen.«

»Warum reitest du nicht?« – »Sehr einfach ... ich besitze kein Pferd«, sagte der rote Saynday, »wo soll ein armer Indianer ein Pferd hernehmen?«

»Du könntest dir eines kaufen!«

»Wo soll ein armer Indianer Geld hernehmen?«

»Also schön, ich mache dir einen Vorschlag«, sagte der weiße Saynday, »ich habe mir nun einmal in den Kopf gesetzt, dir bei einem deiner Streiche zuzuschauen. Ich bin bereit, dir mein Pferd zu leihen, damit du zu deiner Hütte reiten und rasch deine Zaubermedizinen holen kannst.«

»Sehr freundlich von dir«, antwortete der rote Saynday, »aber das geht nicht. Ich würde mir ja gern dieses schöne Pferd von dir ausleihen, aber es wäre nicht recht, wenn ein armer Indianer ein so edles Tier reiten würde.«

»Ach was. Es ist ein Rodeo-Pferd. Von mir aus darfst du es reiten ... wenn du dich im Sattel halten kannst.«

»Gut«, sagte der rote Saynday, und es klang so, als habe er immer noch gewisse Zweifel, »ich kann es ja mal versuchen.« Der weiße Saynday stieg ab, und der rote Saynday schwang sich in den Sattel. Das schöne Palomino-Pferd trug einen Sattel mit Silberplatten und silberne Steigbügel, und am Sattel hingen zwei Pistolen, deren Griffe mit Silber und Elfenbein eingelegt waren. Auch das Zaumzeug war prächtig. »Dieses feine Zaumzeug ...«, sagte der rote Saynday bewundernd, »willst du es nicht besser abnehmen, ehe ich das Pferd reite?«

Der weiße Saynday wurde ungeduldig.

»Weshalb solche Umstände! Dazu müsstest du erst noch einmal absteigen. Nein, nein, wir haben schon genug Zeit vertan. Reite endlich los und hole deine Zaubermedizinen. Wenn du ohne sie zurückkommst, glaube ich kein Wort mehr von dem, was man sich über deine Streiche erzählt.«

»Nun gut«, sagte der rote Saynday, und er stieß dem Pferd die Knie in die Flanken. Da tat das schöne Palomino-Pferd einen Luftsprung und bäumte sich auf, als sitze eine Tarantel unter dem Sattel.

»Da haben wir's«, rief der rote Saynday, »das habe ich befürchtet! Es lässt keinen Fremden reiten. Vergessen wir die Zaubermedizin. Daraus wird nichts.

»Bei mir geht das Tier ganz ruhig«, sagte der weiße Saynday.

»Freilich …, an dich ist es gewöhnt. Es ist an deine Kleider gewöhnt, an deinen Hut und an deine Stiefel. Ich trage keine Kleider, von Hut und Stiefel gar nicht zu reden, deshalb scheut es bei mir.«

»Vielleicht liegt es daran. Ja, das könnte sein«, sagte der weiße Saynday, »hier, nimm meine Kleider. Zieh sie an. Dann wird das Pferd nichts merken.«

»Ich weiß nicht«, sagte der rote Saynday, »soll ich wirklich ...? Ich meine, ich könnte dir deine schönen Kleider verderben. Nein, vielleicht ist das doch kein so guter Einfall.«

Der weiße Saynday wurde immer ungeduldiger.

»Soll ich den ganzen Tag hier herumsitzen und darauf warten, dass du jemandem einen Streich spielst? Wenn du meinst, du kannst mir einen deiner Tricks vorführen – gut! Wenn nicht, sag es bitte gleich. Ich habe nämlich viel zu tun.«

»Ich glaube schon, dass ich dir einen meiner Tricks vorführen kann«, sagte der rote Saynday, »... wenn ich nur erst meine Zaubermedizin zur Hand habe.« – »Also dann …, worauf warten wir noch. Du ziehst jetzt meine Kleider an, nimmst mein Pferd und holst deine Medizin, so schnell du kannst.«

»Mir soll's recht sein«, sagte der rote Saynday.

Sie ließen das schöne Palomino-Pferd mit schleifenden Zügeln grasen und der weiße Saynday zog seine Kleider aus, die der rote Saynday anlegte, während er in dessen alte Fetzen stieg. Der rote Saynday setzte sich den Hut des weißen Saynday auf, zog dessen Hosen und Stiefel an, dann auch noch dessen Hemd und dessen Weste. Er ließ sich alles geben, was der weiße Mann besaß.

Als er dann gestiefelt und gespornt dastand, sah er wirklich recht stattlich aus. Noch einmal fragte er:

»Ist es dir auch wirklich recht so?«

»Aber ja doch«, antwortete der weiße Saynday, »ganz gewiss.«

Also ging der rote Saynday hinüber zu dem schönen Palomino-Pferd, nahm den Zügel auf und stieg in den Sattel, und als er oben saß, ließ er das Pferd angalloppieren und ritt gegen den Mount Scott hin davon.

Nach einem kurzen Stück wandte er sich noch einmal um und rief dem weißen Saynday zu:

»Wolltest du nicht sehen, wie ich die Leute hereinlege? Nun, jetzt hast du's gesehen. Auf Nimmerwiedersehen.«

Wie man miteinander redet

»Der vielleicht größte Unterschied zwischen Ost und West«, sagt der alte Schaffner, »liegt darin, wie man mit einem Fremden redet. Der Missouri ist die Trennungslinie im Hinblick auf das Miteinanderreden. In dem Augenblick, in dem die Passagiere östlich von Omaha und Council Bluffs gelangen, schweigen sie einander an. Fremde sind Fremde, und sie werden einander um so fremder, je näher man der Ostküste kommt.«


What Was Your Name in the States?

Ein ironisches Lied, dessen Text bezeichnend ist für die Atmosphäre des amerikanischen Westens. Dort war es Sitte, nie einen Fremden mit Fragen nach seiner Vergangenheit zu bedrängen. Es herrschte die Auffassung, es sei Raum genug für alle in dem neuen Land. Ein Mensch sollte nach dem beurteilt werden, wie er sich hier und jetzt gab. Seine Vergangenheit war gleichgültig.



What was your name in the States?

Was it Thompson or johnson or Bates?

Did you murder your wife and fly for your life?

Say, what was your name in the States?

Wie haben Sie in den Staaten geheißen?

Hießen Sie Thompson oder Johnson oder Bates?

Haben Sie ihre Frau ermordet und mussten Sie fliehen,

um am Leben zu bleiben?

Wie haben Sie sich in den Staaten genannt?

Westward-Ho!

1803 erwarben die USA für 15 Millionen das sogenannte Louisiana-Territorium von Frankreich. Der damalige Präsident der USA hatte sich nach Zweifeln und Zögern zu diesem Kauf entschlossen, um so den für den Handel der USA so wichtigen Hafen von New Orleans in die Hand zu bekommen.

Das gewaltige Gebiet erstreckte sich vom Missouri bis zum Red-River im Süden, im Osten war der Mississippi die Grenze, die genaue Westgrenze war praktisch unbekannt. Jefferson, der sich von jeher für den Westen interessiert hatte, sandte eine Anzahl von Entdeckern aus, um das neue Land erkunden und kartographisch vermessen zu lassen. Lewis und Clark zogen vom Missouri zum-Columbia River, Zebuion Pike, der den Oberlauf des Mississippi verfolgt hatte, stieß in die Colorado-Rockies vor. Weiter nach Süden hin wurden die Expeditionen Thomas Freemans, William Dunbars und George Hunters von den Spaniern aufgehalten und mussten umkehren. Die spanische Einflusssphäre im Südwesten reichte damals von Mexiko bis nach Oregon, von den Rocky Mountains bis zum Pazifik. Die Möglichkeit, in dem gewaltigen Louisiana-Territorium einen neuen Staat zu gründen, war Ziel einer geheimnisvollen Verschwörung des Aaron Burr, der schließlich festgenommen und des Hochverrats angeklagt wurde, als er mit einer Mannschaft von 60 Anhängern 1807 gegen New Orleans zog.

Wie unterschiedlich amerikanische Politiker in der Folgezeit das neuerworbene Land beurteilten, belegen die folgenden zwei Texte:

Rede des Senators

George McDuffie

am 25. Januar 1843 im Senat

Welches ist nun der Charakter dieses Landes? Nun, wenn ich recht verstehe, sind ungefähr 7000 Meilen auf dieser Seite der Rocky Mountains unbewohnbar. Gebirge, in denen kaum Regen fällt, sind unbewohnbar. Sie haben unfruchtbaren sandigen Boden. Auf der anderen Seite – wir wissen das von einem intelligenten Gentleman, der vom State Department in dieses Land geschickt wurde, gibt es drei aufeinanderfolgende Ketten, die sich bis zum Pazifik ausdehnen, Gebirge, die völlig unpassierbar sind, ausgenommen gewisse Stellen, an denen es Einschnitte oder Niederungen gibt, die zu erreichen man aber Umwege von mehr als hundert Meilen in Kauf nehmen muss. Nun, was wollen wir also in diesem Fall machen? Wer wird dahin gehen, entlang einer Linie von Militärposten, wer wird von dem einzigen Teil dieses Territoriums Besitz ergreifen, der bewohnbar ist – der Teil an der Küste, ein Streifen von weniger als hundert Meilen Breite, denn, wie ich schon ausgeführt habe, der Rest des Territoriums ist nahezu unzugänglich, er besteht aus Gebirgen oder Unterländern, bedeckt mit Steinen und vulkanischen Überresten, es regnet dort nie außer im Frühjahr, und selbst an der Küste fällt zwischen April und Oktober kein Regen; für den Rest des Jahres aber hört es dort wiederum nicht mehr auf zu regnen. Nun, meine Herren, wie soll man dort Landwirtschaft treiben? Für diesen Zweck würde ich für das ganze Territorium nicht eine Prise Schnupftabak geben. Ich wünschte bei Gott, es gehörte uns nicht. Ich wünschte, es stellte eine unüberwindliche Barriere dar, um uns gegen die Einfälle anderer zu schützen! Dies ist der Charakter dieses Landes. Und nun frage ich Sie: Wen sollen wir dorthin schicken?

William Gilpin

Manifest Destiny

Der überlegende und weise Mensch ist darauf bedacht, die Pläne der Vorsehung zu ergründen, im großen Buch der Natur zu lesen, den Willen des Schöpfers zu erahnen und zu begreifen, was davon zu verstehen ihm gegeben ist. Zwei Jahrhunderte ist unsere Rasse über diesen Kontinent dahingegangen. Von nichts sind wir auf 20 Millionen angewachsen. Von nichts sind wir auf dem Gebiet der Landwirtschaft, des Handels, der Zivilisation und an natürlicher Stärke in die erste Reihe der Nationen auf dieser Welt aufgerückt. Insofern haben wir unser Schicksal, unsere Bestimmung vollzogen und bei dieser Aufgabe etwas zuwege gebracht, was niemand bestreiten wird. Auf dieser Schwelle lesen wir die Zukunft. Die noch unvollendete Bestimmung des amerikanischen Volkes ist es, diesen Kontinent zu unterwerfen, über dieses riesige Gebiet dahinzustürmen, bis zum Pazifischen Ozean, die vielen hundert Millionen von Menschen dazu zu veranlassen, eine neue Ordnung des menschlichen Zusammenlebens aufzurichten, die Versklavten freizusetzen, die gebrechlichen Nationen gesunden zu lassen, Dunkel in Licht zu verwandeln, aufzuschrecken den Schlaf von Hunderten, Tausenden von Jahren, den alten Nationen eine neue Zivilisation zu vermitteln, die Bestimmung der menschlichen Rasse zu bestätigen, die Menschheit einem Höhepunkt entgegen zu führen, die Versteinerten anzustoßen, damit sie wieder lebendig werden, die Wissenschaft zu vervollkommnen, die Geschichte durch die Eroberung des Friedens zu krönen, einen neuen Ruhm für die Menschheit zu erwerben, die Welt in einer Völkerfamilie zusammenzuführen, die Bedrohung der Tyrannei Zuñichte zu machen, Nächstenliebe zu üben, den Fluch von der Menschheit zu nehmen, der die Verwirklichung der Humanität unmöglich macht, und diese Segnungen über die ganze Welt auszubreiten.

Eine göttliche Aufgabe, eine unsterbliche Mission. Lasst uns rasch den Weg angehen. Möge das Herz eines jeden Amerikaners erglühen vor Patriotismus. Möge ein jeder die erhabene Bestimmung dieses unseres geliebten Landes als Teil seines religiösen Glaubens begreifen und zu ihrer Verwirklichung beitragen.