Read the book: «Seewölfe - Piraten der Weltmeere 500»
Impressum
© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,
Pabel ebook, Rastatt.
eISBN: 978-3-95439-908-6
Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de
Fred McMason
Überrumpelt!
Schneller sein als der Gegner – das war ihre Devise
Die spanische Galeone „Viento Este“ hatte Goldbarren geladen, aber die Ladung würde Spanien nie erreichen. Gleiches galt für Kapitän und Crew, die von zwölf goldgierigen Halunken unter dem Steuermann Julio Acosta – also den eigenen Kameraden – niedergemetzelt wurden, nachdem man die schiffbrüchige Galeone verlassen und die Küste von Florida erreicht hatte. Jetzt war der Weg für Julio Acosta und seine Kerle frei, sich das Gold der „Viento Este“ unter den Nagel zu reißen. Sie brauchten nur ein neues Schiff, um zurücksegeln zu können. Mit einer weiteren Mordtat schafften sie auch das. Doch als sie das Wrack erreichten, waren die Laderäume leer. Julio Acosta kochte vor Wut über – bis der sprechende Papagei auftauchte und ihm eine Spur zeigte …
Die Hauptpersonen des Romans:
Julio Acosta – der ehemalige Steuermann läßt andere die heißen Kastanien aus dem Feuer holen.
Hongo – der Name bedeutet soviel wie „Giftpilz“, und das besagt alles über den Kerl.
Old O’Flynn – hat wieder mehrere Gründe, um Rumflaschen mit Luft zu füllen.
Der Kutscher – hat nach gründlichem Nachdenken wieder einmal eine gute Idee.
Edwin Carberry – der Profos setzt diese Idee in die Tat um, erweitert sie aber, was böse Folgen für Hongo hat.
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
1.
7. Juli 1595 – Cat-Cays-Inseln.
Sie saßen in der Grotte und beobachteten durch einen schmalen Spalt im Eingang, was sich draußen auf der Insel tat.
Sie, das waren Old O’Flynn, die Zwillinge, der Kutscher, Edwin Carberry, Stenmark, Martin Correa und die beiden Dänen Nils Larsen und Sven Nyberg. Zwei Tiere waren dabei, die Wolfshündin Plymmie und der krakeelende Papagei Sir John, der jetzt allerdings vorsichtshalber in eine Kiste gesperrt worden war.
Sir John hatten sie ihre augenblickliche Lage zu verdanken, denn der Papagei war einfach losgeflogen, um eine fremde Galeone zu „erkunden“, die sich der Insel genähert hatte.
Diese Galeone, die „San Jacinto“, hatte es allerdings in sich. Sie war mit einem Haufen wüster Kerle erschienen, um das Gold der auf den vorgelagerten Riffen gestrandeten anderen Galeone abzubergen.
Das Gold war nicht mehr da. Die Männer vom Bund der Korsaren hatten es bereits abgeräumt und saßen jetzt buchstäblich auf einer Schiffsladung Goldbarren, die sie in mühsamer und harter Knochenarbeit in die Grotte geschafft hatten.
Die von den Zwillingen Hasard und Philip entdeckte Grotte war das ideale Versteck. Sie lag in der Steilwand einer kleinen, nach Westen hin geöffneten Bucht etwa vier Yards hoch über einem schmalen Sandstrand. Die Öffnung dieser Grotte hatte etwa Türgröße, die Höhle selbst verbreiterte sich nach hinten. So war auch gleichzeitig für eine Menge Stauraum gesorgt. Früher einmal hatten in dieser Grotte Seevögel genistet.
Diese Grotte bot aber noch weitere Vorteile. Sie konnte wegen ihrer Höhe ausgezeichnet verteidigt werden, und man konnte sie praktisch, nur von unten besteigen. Das ging allerdings nicht ohne Leiter oder längere Tampen.
Von oben hatten potentielle Angreifer schon gar keine Chance, die Höhle zu stürmen, weil sich die Steilwand über die Öffnung nach vorn neigte. Wer sich von oben abseilen wollte, würde erst einmal frei in der Luft baumeln und völlig hilflos sein.
Jetzt, seit die Schnapphähne mit der Galeone vor der Küste lagen, hatten die Männer den Höhleneingang mit Felsbrocken verkeilt.
Die Kerle waren auf der Suche nach dem Gold und vermuteten es auf dieser kleinen Insel, weil Sir John hierher zurückgeflogen war.
Sie hatten die Insel in einer Jolle umtörnt und nach den Kerlen gesucht, von denen sie annahmen, sie seien im Besitz der vielen Goldbarren.
Die Höhle hatten sie nicht gefunden, dafür aber die gut getarnte und versteckte Jolle der „Empress“, und das hatte sie schlagartig alarmiert.
Kurz darauf waren die Kerle mit der Jolle zur „San Jacinto“ zurückgekehrt und hatten sich auf der Kuhl versammelt. Dann hatten die Seewölfe von ihrem Versteck aus zugesehen, wie der Kapitän oder Anführer der Schnapphähne einen Mann erschossen hatte – mit äußerster Kaltblütigkeit, weil der Mann gegen den Kapitän gemotzt hatte.
Das alles war erst eine knappe halbe Stunde her.
Der Kapitän hatte sich durchgesetzt. Die Kerle kuschten wieder.
Jetzt wurde eine zweite Jolle zu Wasser gelassen und mit acht Kerlen bemannt. Mit insgesamt sechzehn Mann pullte der Anführer zur Küste hinüber.
Carberry hatte sich an den Fels gelehnt und blickte durch das Spektiv zur „San Jacinto“ hinüber, die außerhalb der Riffzone ankerte.
Beide Jollen hatten sich bereits gelöst und wurden auf den Strand zugepullt.
„Wenn das wirklich der Kapitän ist“, meinte er, „dann ist er jedenfalls ein äußerst mieser und brutaler Halunke. Knallt den Mann einfach nieder und grinst noch dreckig dabei. Dem würde ich am liebsten die Faust in den Hals rammen.“
Der Kutscher blickte ebenfalls durch den Spalt zwischen den Felsbrocken.
„Die Kerle sind ebenfalls die reinsten Galgenvögel“, sagte er, „die sehen alle ganz so aus, als sei die Henkersschlinge der passende Halsschmuck für sie. Denen steht die Gier nach Gold wie eingemeißelt in den unrasierten Visagen.“
In der Grotte war es warm, aber angenehm warm und nicht zum Ersticken, wie sie anfangs befürchtet hatten.
„Wirklich feine Vögel“, meinte auch der Profos nach einem weiteren Blick.
„So fein wie deine lausige Saatkrähe“, tönte aus dem Hintergrund Old O’Flynn. Der Alte war sauer auf den Papagei, dem sie ihre augenblickliche Situation zu verdanken hatten. Das „Mistvieh“ hatte die Kerle schließlich hierhergelockt, weil es seine Neugier wieder einmal nicht bezähmen konnte.
„Hast du eben lausige Saatkrähe gesagt?“ fragte Carberry. „Oder habe ich mich da verhört?“
„Ich bleibe bei der lausigen Saatkrähe“, erwiderte Old O’Flynn erbost. „Ohne den Geierarsch wären wir jetzt nicht in dieser beschissenen Lage. Da pullen fünfzig Kerle auf uns zu, und wir können sehen, wo wir bleiben.“
„Es sind nicht fünfzig, sondern sechzehn“, sagte Carberry. „Und für das Verhalten von Sir John habe ich mich entschuldigt. Ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern.“
„Hättest trotzdem besser auf ihn aufpassen sollen.“
„Verdammt noch mal!“ rief Carberry unterdrückt. „Du hast ja mit dem ganzen Scheiß angefangen, aber das hast du inzwischen wohl vergessen. Wo ist denn dein Schiff, auf das du so gut aufgepaßt hast? Abgehauen ist der Mistkahn, weil du zu dämlich warst, um …“
Der Kutscher berührte den aufgebrachten Profos sachte an der linken Schulter. Es sah ganz danach aus, als würde sich zwischen den beiden Dauerstreitern wieder mal ein heftiger Disput entwickeln. Aber den hatten sie im Moment nicht nötig. Es gab andere und wichtigere Dinge, nämlich die Realitäten, denen sie ins Auge sehen mußten.
Der Kutscher war in extremen Situationen die Ruhe selbst, was er immer wieder unter Beweis gestellt hatte. Er griff auch meist schlichtend ein und schaffte es tatsächlich, die Kampfhähne wieder zu beruhigen. Der Kutscher hatte eben gute Nerven.
„Es muß ja nicht unbedingt sein, daß ihr jetzt streitet“, mahnte er. „Wir haben zur Zeit wesentlich andere Sorgen. Da pullen sechzehn bis an die Zähne bewaffnete Kerle heran, die keine Skrupel haben, jemanden umzubringen. Angesichts dieser goldgierigen Schnapphähne wäre es doch wohl angebrachter, ein wenig über unsere keineswegs rosige Lage nachzudenken.“
„Was gibt’s da noch zu denken?“ knurrte Carberry. „Entweder die Bastarde entdecken uns, oder sie finden uns nicht. Hast du vielleicht noch eine andere Lösung anzubieten, Kutscher?“
„O ja, mein Lieber. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir uns jetzt verhalten, wenn die Kerle auf der Insel gelandet sind. Ergreifen wir die Initiative und greifen sie blitzartig an, oder verhalten wir uns einfach mucksmäuschenstill und rühren uns nicht?“
„Hm“, murmelte der Profos nur.
„Eine gute Entscheidung.“ Die Ironie im Tonfall des Kutschers war überdeutlich herauszuhören. „Wenn wir auf die Kerle einen Feuerüberfall veranstalten, verraten wir uns. Dann sind auch gleichzeitig die anderen Schnapphähne auf der Galeone gewarnt. Verhalten wir uns jedoch absolut still und ruhig, dann besteht durchaus die Möglichkeit, daß sie die Höhle gar nicht entdecken oder sie zumindest nicht beachten, denn immerhin liegt sie gut vier Yards hoch über dem Boden.“
Edwin Carberry lenkte wieder ein.
„Du meinst, die Kerle vermuten nicht, daß jemand in der Höhle hockt?“
„Ja, das meine ich, eben wegen der Unzugänglichkeit der Grotte und ihrer Höhe.“
„Andererseits“, sagte Carberry, „haben wir Waffen, Pulver und Kugeln genug, um den Bastarden kräftig einzuheizen. Wir haben Pistolen, Musketen, Tromblons und Blunderbusse.“
„Ist mir hinlänglich bekannt“, entgegnete der Kutscher. „Aber wir werden nicht alle Kerle auf einmal erwischen, weil der Eingang zur Grotte stark eingeengt ist. Was nutzt es uns, wenn wir zehn von den Kerlen zum Teufel schicken. Dann können sich die restlichen sechs immer noch in Sicherheit bringen und zur Galeone gelangen. Dort werden sie dann weiter beraten, wie sie vorgehen.“
Martin Correa, Stenmark und die beiden Dänen nickten.
„Was der Kutscher sagt, klingt gut und vernünftig“, meinte Nils. „Es ist besser, sich ruhig zu verhalten. Stimmen wir doch einfach darüber ab.“
„Ich stimme jedenfalls gegen den Profos“, sagte Old O’Flynn verbiestert. „Und das grundsätzlich aus Prinzip. Ich bin dafür, daß wir uns nicht rühren, sobald die Aasgeierbande anrückt.“
Auch Stenmark und die Zwillinge waren dafür. Schließlich war auch der Profos überzeugt und einverstanden.
„Gib doch zu, daß der Gedankengang des Kutschers vernünftig ist“, ereiferte sich Old O’Flynn schon wieder.
„Sag’ ich doch die ganze Zeit. Verdammt noch mal, geh jetzt endlich von der Kiste runter, Donegal. Du hockst wie ein Aasgeier darauf. Nicht mehr lange, und Sir John wird jämmerlich ersticken.“
„Ich bleibe auf der Kiste sitzen, sonst kriegt der Entenarsch es fertig und verrät uns ein zweites Mal. Der braucht nur einen seiner berüchtigten Flüche auszustoßen, wenn die Kerle in der Nähe sind. Zudem sind in der Kiste Löcher drin. Ihm passiert gar nichts.“
„Plymmie wird uns auch nicht verraten“, sagte Hasard junior voller Überzeugung. „Ein Wort zur richtigen Zeit, und sie hüllt sich in vornehmes Schweigen.“
„Ich wünschte, Sir John könnte auch vornehm schweigen“, sagte Old O’Flynn wieder, „aber der zieht es ja grundsätzlich vor, lieber unflätig zu krakeelen oder zu fluchen.“
Sie waren sich jetzt alle einig. Sobald die Kerle hier vorbeischlichen, würden sie keinen Mucks von sich geben.
„Sehr gut“, meinte der Kutscher. „Wir warten einfach ab, aber nur so lange, bis die Kerle tatsächlich Anstalten treffen, die Höhle zu untersuchen. Das können sie nicht ohne weiteres, denn dazu brauchen sie zumindest ein längeres Tau mit Enterhaken oder eine Jakobsleiter. Sie werden ganz sicher keine dabeihaben. Sollten sie aber Tauwerk oder Ähnliches holen, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihnen kräftig einzuheizen.“
„Das ist ein Wort“, sagte Carberry. „Du bist doch ein kluges Kerlchen, Kutscher, und Nerven hast du wie Ankertrossen. Immer einen kühlen Kopf bewahren, was, wie?“
„Aber immer“, versicherte der schmalbrüstige Mann mit der hohen Stirn. „Du solltest auch öfter mal daran denken und nicht immer so hitzig sein.“
Der Kutscher warf wieder einen Blick durch den Spalt. Die Kerle waren jetzt sehr deutlich zu erkennen. Die meisten hatten die typischen Galgenvogelvisagen und waren unrasiert. Das war ein bunt zusammengewürfelter Schwefelhaufen. Manche, trugen nur Fetzen am Körper. Einer hatte eine turbanähnliche Kopfbedeckung auf, die er sich offenbar aus einem alten, vormals grünen Unterrock zusammengedreht hatte.
Der größte Teil der Kerle war barfuß. Manche trugen nur eine Hose, die ihnen bis an die Knie reichte. Aber dafür waren sie bewaffnet, als wollten sie gleich in den Krieg ziehen.
„Da ist noch etwas“, sagte Stenmark nachdenklich. „Sollten wir entdeckt werden und gezwungen sein, das Feuer zu eröffnen, dann sollten wir auch die beiden Jollen durchlöchern. Damit nehmen wir ihnen die Möglichkeit, eine Verbindung zur Galeone herzustellen. Sie können nicht mehr zurück, aber Unterstützung durch die anderen Halunken werden sie dann ebenfalls nicht erhalten. Das müssen wir mit der größten Gründlichkeit besorgen.“
Martin Correa, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, stand von den Goldbarren auf und näherte sich ebenfalls dem verbarrikadierten Eingang der Höhle.
„Sie haben noch eine weitere, allerdings kleine Jolle an Bord“, sagte er. „Sten hat aber recht: Wenn wir die beiden Jollen zerschießen, kriegen die Kerle eine Menge Schwierigkeiten, denn ich glaube kaum, daß sie schwimmen werden. Bei den Riffen wimmelt es von Haien, die sehr angriffslustig sind. Mit der kleinen Jolle können sie nicht viele Kerle auf einmal befördern. Wir hätten sie dann einigermaßen im Griff und unter Kontrolle. Also müssen sie von der Verbindung abgeschnitten werden.“
Das fanden alle durchaus richtig, logisch und völlig in Ordnung.
Wenn es zwischen der Galeone und den Kerlen am Strand keine Verbindung mehr gab, dann waren sie abgeschnitten und somit hilflos.
„Dann ist ja alles klar“, sagte Carberry. „Wir mucksen uns nicht, und falls wir doch entdeckt werden, geben wir den Kerlen Zunder und durchlöchern ihre Jollen. Dann können wir sie uns schnappen, vorausgesetzt, es bleiben noch welche übrig.“
Die Zwillinge, Hasard und Philip, hockten dicht am Eingang und hörten der Diskussion zu. Sie hatten bisher geschwiegen, überlegten und dachten mit, was ihre Situation betraf.
„Darf ich mal etwas sagen?“ erkundigte sich Philip nach einer Weile bescheiden.
„Natürlich darfst du“, ermunterte ihn Old O’Flynn. „Immer raus damit, wenn du was zu sagen hast.“
„So klar scheint das alles doch nicht zu sein. Es gibt ja noch eine Jolle am Strand, und die gehört uns. Wenn wir die beiden anderen Jollen zerschießen, müssen wir auch unsere eigene Jolle zerschießen.“
Sein Bruder Hasard nickte beipflichtend.
„Das stimmt genau. Wenn wir es nicht tun, dann sind die Kerle immer noch im Besitz einer Jolle – und ausgerechnet unserer. Die werden sie dann mißbrauchen, womit die Verbindung vom Strand zum Schiff doch wiederhergestellt wäre.“
Der Kutscher sah die Zwillinge sehr nachdenklich an.
„Ihr könnt verdammt logisch denken“, sagte er anerkennend. „Natürlich habt ihr recht. Auch ich habe im Augenblick gar nicht an die Möglichkeit gedacht.“
Carberry sah ziemlich unglücklich aus. Er kratzte sich verdattert den Nacken und sagte laut und deutlich: „Donnerscheiß!“
„Das ist wenigstens klar und drastisch ausgedrückt“, meinte der Kutscher. „Es zeigt auch besonders kraß unsere derzeitige Situation. Wer zerstört schon freiwillig das eigene Schiffchen, das uns zumindest die Möglichkeit gibt, den umliegenden Inseln einen Besuch abzustatten? Wir sitzen dann völlig auf dem trockenen und sind nicht mehr in der Lage, die Insel zu verlassen.“
Leichtes Unbehagen kam bei diesem Gedankengang auf.
Der einzige unverbesserliche Optimist war wieder mal Old O’Flynn, der alte Hinter-die-Kimm-Späher. Er war jetzt ebenfalls aufgestanden, um einen Blick durch den Schlitz zu werfen.
„Na und?“ knurrte er. „Ich pfeife auf die Jolle. Wenn sie beim Teufel ist, baut Hesekiel mir eben eine neue. Die wird dann noch besser als die andere. Hesekiel muß sowieso eine neue ‚Empress‘ auf Stapel legen. Dann kann er gleich die erforderlichen Jollen ebenfalls in Angriff nehmen. Wenn es soweit ist, schießen wir den Kahn eben zusammen.“
„Und damit basta und paletti, was, wie?“ höhnte der Profos. „Daß Hesekiel so weit von uns entfernt ist wie der Mond, scheint dich dabei immer noch nicht zu stören. Du denkst nur an deinen Torfkahn und an sonst nichts.“
„Die anderen werden uns schon finden“, behauptete Old O’Flynn in sattsam bekannter Sturheit, was den Profos jedesmal auf die Palme trieb. „Das haben wir ja schon besprochen. Damit ist das Problem so gut wie erledigt.“
„Du und deine erledigten Probleme“, fauchte Carberry. „Ich schieße jedenfalls nicht auf unsere eigene Jolle, sonst hocken wir hier bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag herum. Oder willst du wieder mal auf einem Hai zum Stützpunkt zurückreiten?“
„Du schießt also nicht auf unsere Jolle?“ vergewisserte sich der Alte beiläufig.
„Nein, das habe ich schon gesagt.“
„Dann laß es bleiben“, erwiderte der Alte grantig. „Aber ich werde schießen – und zwar auf meine Jolle, wobei ich das ‚meine‘ ganz besonders hervorheben möchte, Mister Carberry. Wenn mich nicht alles täuscht; bin immer noch ich der Kapitän, und ich …“
„O Gott, jetzt hängt er wieder den Kapitän raus, wenn er nicht mehr weiterweiß. Ein Kapitän ohne Schiff, ein Kapitän, der seinen Torfschlorren einfach im Stich läßt. Da lach’ ich aber wie der Satan persönlich.“
„Tust du immer“, versicherte der Alte. „Manchmal siehst du auch genauso aus wie jener.“
„Dann schieß doch auf deine Jolle, verdammt! Oder friß sie meinetwegen auf, du Kümmelarsch! Dir traue ich sowieso zu, daß du die Jolle Vierkant fressen kannst.“
„Ein O’Flynn kann alles.“
„Einen Scheiß kannst du – bestenfalls ein Schiffchen durch den Wind slippen lassen.“
„Und du läßt deinen Krakeeler entwischen, damit der Kotzreiher uns alle in die Pfanne haut.“
Der Kutscher räusperte sich wieder einmal. Dann schickte er einen stummen und entsagungsvollen Blick zur Höhlendecke.
„Mit euch beiden wird es nie anders sein“, sagte er. „Ihr beiden Streithähne würdet euch selbst im Angesicht der Hölle noch in den Haaren liegen, und das alles mehr oder minder wegen einer läppischen Kleinigkeit. Einer muß immer auf Biegen oder Brechen recht behalten, sonst fühlt ihr euch nicht wohl.“
„Gebe ich ja zu“, motzte Old O’Flynn, „aber nur, weil dieser Mister Carberry immer das Maul vorn haben muß.“
„Weil Mister O’Flynn immer die Schnauze zur unpassenden Zeit aufreißen muß“, konterte der Profos. „Aber das mit der Jolle ist mir jetzt fast egal. Sie ist ja das ganz persönliche Eigentum des Oberadmirals, der sich um die anderen den Teufel schert.“
„Lauter, bitte“, forderte der Kutscher, „sonst können die Kerle nicht hören, was wir besprechen, und das wäre doch ein Jammer, wenn sie uns nicht finden würden.“
Aus einer der Kisten klang ein gedämpftes Geräusch, das sich undeutlich und sehr weit entfernt wie „Affenärsche“ anhörte. Der Papagei Sir John zeterte in seiner Kiste los. Aber die unflätigen Worte waren kaum bis an den Eingang der Höhle zu vernehmen.
„Dieses Satansbiest dieses verdammte“, brabbelte Old O’Flynn. Eilig humpelte er durch die Höhle und nahm unter Carberrys mißbilligenden Blicken demonstrativ auf der Kiste Platz, die Sir John zur Zeit als unfreiwilliger Aufenthaltsort diente.
„Sie landen gleich“, verkündete Stenmark. „Wir sollten uns jetzt wirklich ruhig verhalten.“
„Tu ich doch die ganze Zeit“, brummte Old Donegal verärgert.
„Ich doch auch“, sagte der Profos. „Der Admiral kann bloß mal wieder seine Klappe nicht halten.“
Der Kutscher warf beiden einen undefinierbaren Blick zu.
Carberry wandte sich verlegen ab und blickte angelegentlich zur Höhlendecke, als könne er kein Wässerchen trüben.
Old O’Flynn hingegen starrte finster auf den Boden. Er sagte kein Wort mehr, aber seine Lippen bewegten sich lautlos. Insgeheim beschimpfte und beleidigte er die ganze Carberry-Sippschaft.
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