Wilde Triebe | Erotische Geschichten

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From the series: Erotik Geschichten
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Einsamer Hof

Nie werde ich sie mögen, diese elende Schlepperei. Holz stapeln ist noch nie mein Favorit gewesen. Andererseits würde ich auf nichts in der Welt auf den damit befeuerten Kamin verzichten wollen. Ächzend ziehe ich die nächsten Scheite vom Stapel und versuche, sie so zu schichten, wie Tom es mir damals beigebracht hat. Manchmal habe ich noch seine Stimme im Ohr, die zärtlich mit mir schimpft, wenn mein Turm zusammenbricht.

Wir hatten den Hof damals spontan bei einer Zwangsversteigerung erstanden. Eigentlich wollten wir uns nur anschauen, wie so eine Auktion abläuft, doch als »Mountain Park« angepriesen wurde, setzte bei uns beiden die Vernunft völlig aus. Ohne uns informiert oder ernsthaft Gedanken gemacht zu haben, boten wir mit. Erst als der Hammer fiel, kehrte die Realität in unsere Köpfe zurück. Was hatten wir getan?

Es waren harte Jahre, in denen wir mehr Ausgaben als Einnahmen hatten, unsere Ersparnisse waren schneller aufgebraucht als berechnet. Trotzdem hielten wir immer an unserem Traum fest, ein Scheitern kam nicht in Frage. Irgendwann hatten wir tatsächlich den Punkt erreicht, an dem wir Gewinn erwirtschafteten, und der Betrieb lief. Wir wurden bekannter, boten gezielt Touren für Bergsteiger an und bald hatten wir Monate im Voraus ausgebuchte Plätze. Endlich war alles so, wie wir es uns erträumt hatten, all der Einsatz hatte sich gelohnt.

Doch dann, eines Morgens, riss mich die Realität in einen tiefen Abgrund …

Tom war bei Morgengrauen mit einer Truppe Amateure unterwegs gewesen. Er hatte die Strecke zu dem Zeitpunkt schon hunderte Male gemacht. Ich kann mir bis heute nicht erklären, ob er nachlässig gewesen war oder was genau passiert ist. Doch als der Rettungshubschrauber über unseren Hof in Richtung Berg geflogen war, hatte ich bereits ein mieses Gefühl gehabt. Als man ihn fand, war er bereits seit drei Stunden tot, der Notarzt konnte nichts mehr für ihn tun.

Zuerst wollte ich alles verkaufen, nur weg von dem Ort, mit dem ich nun eine solch grauenhafte Erinnerung teilte. Jeder Zentimeter hier erinnerte mich an meine große Liebe. Doch genau aus diesem Grund blieb ich. Wir hatten das hier aufgebaut und es steckte so viel Herzblut von Tom überall. Das herzugeben, wäre Verrat gewesen, und hätte meine Trauer nicht gelindert.

Nun kämpfe ich allein um meine Existenz und bin oft zu müde, um mir klarzumachen, dass es finanziell sinnvoller wäre, alles zu verkaufen. Die Erinnerungen trage ich schließlich in mir, egal wo ich lebe. Doch der Alltag fordert zu viel von mir, als dass ich dafür Zeit habe. Vielleicht erreiche ich irgendwann den Punkt, an dem ich darüber nachdenken muss, einfach, weil ich nicht zeitgleich die Ranch bewirtschaften und die Gäste beschäftigen kann. Der Hof trägt sich schon länger nicht mehr selbst, doch noch bin ich in der Phase, es zu ignorieren, obwohl ich unterbewusst genau weiß, es wird der Tag kommen, an dem ich erneut Abschied nehmen muss. Vor allem, da Tom der Bergsteiger mit der jahrelangen Erfahrung gewesen war. Ich konnte zwar die kleineren Touren mitmachen, aber gar leiten und die Verantwortung für andere tragen, niemals.

Nachdenklich, wie so oft in letzter Zeit, schultere ich die letzten Stücke Holz und arbeite stoisch weiter. Auf dem Weg zum Geräteschuppen nehme ich in meiner Nase feinen Rauch wahr. Er kommt aus einer Ecke, aus der er nicht kommen dürfte und vor allem, eine Gefahr darstellt. Ich unterbreche meinen Weg und folge dem feinen Qualm. Erschrocken, dass der Geruch aus dem Heuschober kommt, beschleunige ich meine Schritte. Was ich sehe, ist ein fremder Mann, der seelenruhig zwischen den Heuballen liegt und eine Zigarette raucht.

»Bist du verrückt, hier drin Feuer zu machen?! Das Heu reagiert wie Zunder! Willst du alles niederbrennen?«, rufe ich.

Erschrocken springt er auf, lässt die Selbstgedrehte fallen und tritt sie umgehend aus.

»Es tut mir leid. Das hab ich nicht gewusst …« Er hält die Hände abwehrend nach vorn, als hätte er Angst, dass ich ihn angreifen würde.

»Wie kommst du hier rein? Und vor allem: Was willst du hier?« Mein Blick ist sicher unfreundlicher als nötig, aber so bin ich die letzten Monate in dieser von Männern dominierten Gegend besser klargekommen. Ist man zu freundlich, wird man nur belächelt und nicht ernst genommen.

»Ich habe letzte Nacht einen Unterschlupf gesucht. Das Zelt ist gerissen und bei dem Regen brauchte ich ein Dach über dem Kopf. Es war nachts, da wollte ich nicht klingeln und fragen, sondern bin einfach hineingegangen.«

Ich schnaube. »Das nennt man Hausfriedensbruch. Ich hoffe, du hast nichts geklaut oder beschädigt. Sieh zu, dass du weiterkommst.«

Der Mann steht zögerlich vor mir und macht einen unschlüssigen Eindruck. Offensichtlich will er nicht hier weg, vielleicht kann er nirgendwo hin.

»Brauchst du vielleicht jemanden, der hier arbeitet?«, fragt er. »Ich bin pleite und habe keinen Job.«

»Warum sollte ich einen Fremden beschäftigen, von dem ich nur weiß, dass er nachts ungefragt auf mein Grundstück kommt?«

»Zufall. Dass ich hier bin, ist reiner Zufall. Ich wandere ziellos seit Wochen durch diese Wälder. Die Scheune stand offen und letzte Nacht war es, wie gesagt, nass und kalt.«

Er sieht nicht aus wie ein Dieb. Mein Bauchgefühl bleibt seltsam ruhig und gibt keinerlei Warnung heraus.

»Was kannst du denn?«, will ich wissen.

»Alles, was du von mir verlangst.« Er macht einen Schritt auf mich zu. »Sämtliche körperlichen Aktivitäten kann ich leisten.«

Das wird mir dann doch zu forsch und ich mache zwei Schritte zurück, behalte ihn aber im Blick.

Ich schüttele schließlich den Kopf. »Nein, tut mir leid, aber ich kann niemanden bezahlen. Finanziell ist es mir nicht möglich, dich einzustellen. Auch wenn ich dringend jemanden bräuchte.« Unklar, wieso ich das überhaupt erwähne, drehe ich mich um und will gehen.

»Warte mal! Ich packe auch mit an, wenn ich dafür bei dir wohnen kann und etwas zu essen bekomme. Das ist mehr als ich die letzten Wochen hatte. Geld bedeutet mir nichts.«

Ich bleibe stehen und fixiere ihn genau. Das Angebot ist fast zu gut, um wahr zu sein. Aktuell ist Hauptsaison und Nachfrage besteht genug. Wenn ich einen Helfer habe, kann ich Gruppen annehmen und wieder etwas Gewinn machen.

Er scheint zu spüren, dass er auf dem richtigen Weg ist und setzt nach: »Wenn ich dir lästig werde, wirfst du mich einfach wieder raus, du bist der Boss.«

Ich habe im wahrsten Sinne nicht viel zu verlieren. Selbst wenn er versucht, mich zu betrügen, am Ende kann ich fast nur gewinnen. Was will er schon stehlen, die windschiefen Wände der Scheune oder gar den rostigen Traktor? Bargeld gibt es hier keines und der Schmuck ist schon seit letztem Jahr versetzt.

»Okay, wir lassen es auf einen Versuch ankommen. Aber nur, weil ich aktuell dringend Hilfe brauche, nicht, weil ich dir vertrauen würde. Du kannst im Gästehaus bleiben, dort ist auch eine kleine Küche. In dem großen Schrank im Flur ist Kleidung vom Vorbesitzer des Hofes. Vielleicht passt dir ja etwas davon.«

Er macht einen Schritt auf mich zu und hält mir seine rechte Hand hin. »Ich danke dir, du wirst es nicht bereuen. Mein Name ist Patrick.«

Seine Augen blicken in die meinen und es ist mir nicht möglich, die Verbindung zu lösen.

Unbewusst fange ich an, ihn genauer zu betrachten. Es ist nicht so, dass er mich an meinen verstorbenen Mann erinnert, auch wenn die Männer zweifelsfrei einige Gemeinsamkeiten haben. Das ungestüme Wesen und doch zugleich eine wortlose Verbindlichkeit, auf die ich mich immer verlassen konnte. Auch hatten mich an meinem Mann die muskulösen Arme fasziniert. Bei Patrick sind die Muskeln anders verteilt. Sein ganzer Körper erzählt von einer entbehrungsreichen Zeit, in der offensichtlich wenig Nahrung und hohe körperliche Anstrengung dafür gesorgt haben, dass seine Muskeln die Aufgabe übernehmen, für die sie von der Natur auch gemacht sind.

»Freut mich, ich bin Elena. Wenn du dich eingerichtet und etwas gegessen hast, komm zu mir an das Haupttor. Dort sind mehrere Zäune kaputt. Hinter der kleinen blauen Tür im Haus findest du passendes Werkzeug.«

Er streckt sich und es sieht fast so aus, als wenn sein Körper damit eingeschaltet wird. Wie ein stahlharter Roboter läuft er aufrecht und bereit auf sein Ziel zu, nicht ohne mich dabei mit dem Unterarm zu streifen. Ob es Absicht ist? Ich mache mir darüber keine Gedanken – dank seinem vorherigen Angebot, dass ich alles von ihm haben kann. Wie lange ist es her, dass ein Mann mich berührt hat? Viel zu lange. Das merke ich in dem Moment, wo der Hautkontakt entsteht.

Ich bleibe vor der Scheune stehen und schaue ihm nach. Wenn ich schon hier bin, kann ich auch direkt die Ziegen füttern, die im Gatter nebendran stehen. Für sie ist der Heuvorrat gedacht, denn im nahenden Winter gibt der Boden nicht genug Nahrung her. Der selbstgemachte Ziegenkäse ist bei den Bergleuten immer heiß begehrt, wenn sie hier zu Gast sind.

***

Über den Tag bin ich gut beschäftigt und vergesse ganz, dass ich einen unbekannten Besucher habe. Doch gelegentlich finde ich erledigte Arbeit vor und brauche einige Sekunden, bis mir einfällt, dass ich nicht mehr allein bin. Anscheinend sieht Patrick, wo Bedarf ist, und packt selbstständig an. Eine sehr günstige Eigenschaft.

Bis zum Nachmittag ist er fleißig und nimmt sich vor allem die Sachen, die körperlich anstrengend sind, vor. In mir flammt Dankbarkeit auf, denn manches war mir tatsächlich zu schwer und mir fehlte eine starke Hand, die ich hätte bitten können.

***

Als der Tag sich dem Ende neigt, bereite ich meinen beliebten Eintopf zu. Es lohnt sich, eine größere Menge anzusetzen, denn bereits am nächsten Tag erwarte ich eine Reisegruppe. Kaum ist das Essen fertig, tritt Patrick in meine Küche und wartet schnüffelnd in der Tür. Der Geruch hat ihn hergelockt, typisch Mann. Ich bitte ihn herein und gemeinsam setzen wir uns an den großen Esstisch. Beim Essen unterhalten wir uns über Gott und die Welt. Patrick ist erstaunlich belesen und hat viele lustige Geschichten zu erzählen. Als er gähnt, erkenne ich auch meine eigene Müdigkeit.

 

»Ich zeig dir, wo du heute Nacht schlafen kannst«, sage ich. »Auch wenn du einen guten Eindruck machst, du bist ein Fremder und ich muss vorsichtig sein. Daher lasse ich dich vorerst nicht ins Haus.«

»Das machst du auch völlig richtig, dafür habe ich vollstes Verständnis.«

Misstrauische Menschen könnten nun denken, er will mich in Sicherheit wiegen. Doch ich bin zu kaputt, um darüber nachzudenken, was er anstellen könnte. Im Grunde gibt es keine Garantie für irgendwas. Auch ein gut ausgewählter Angestellter, den ich fürstlich bezahle, kann mich bestehlen oder nachts erwürgen.

Wir gehen zusammen in die Scheune, in der ich ihn am Morgen gefunden habe. Sein Rucksack und ein paar Kleinigkeiten liegen immer noch an der gleichen Stelle. Während ich ein Bett im Gästehaus überziehe, steht er plötzlich sehr dicht hinter mir und berührt meinen Arm, genauso wie heute früh. Und wieder bekomme ich Gänsehaut. Ich kann nicht verhindern, dass es passiert, und auch nicht, dass er es sieht. Ich fühle mich unsicher und bevor ich entscheiden kann, was ich tun soll, spüre ich seine Lippen in meinem Nacken. Seine Hände sind vorsichtig auf meinen Hüftknochen.

Bevor ich es als angenehm empfinden kann, mache ich einen Schwung zur Seite und hebe meinen Arm zum Schlag. Mein Atem geht schneller, der ganze Körper wird von Adrenalin durchflutet und steht auf Alarm. Ich kann mich wehren, wenn es nötig ist, doch ich will nicht wahrhaben, dass mein Bauchgefühl mich getäuscht haben soll. Er ist kein gewalttätiger Typ, ein ernsthafter Angriff kann das hier nicht sein.

Patrick reagiert genauso erschrocken wie ich und zieht sich sofort zurück. In seinem Blick sehe ich Panik und das beruhigt mich umgehend.

»Mein Fehler«, sagt er schnell. »Ich habe da wohl etwas falsch interpretiert, tut mir leid. Es kommt nicht wieder vor, versprochen!« Er bleibt auf Abstand.

Anstatt etwas zu sagen, verlasse ich den Raum. Ihn vom Hof zu werfen, bringe ich nicht fertig, denn ich brauche ihn. Zumindest für die nächsten Tage, sonst bin ich pleite. Also gehe ich zügig in die Sicherheit des Haupthauses, schließe gut ab und rede mir ein, dass es ein Versehen war.

***

Am nächsten Morgen ist er bereits aktiv, als ich aufstehe. Ich sehe ihn auf dem Dach eines Schuppens die morschen Bretter auswechseln. Ich frühstücke in Ruhe und beginne dann meine eigene Tagesroutine.

Er grüßt mich höflich, bleibt aber auf dem Dach und verhält sich ruhig. Ein unausgesprochenes Zeichen für eine friedliche Zusammenarbeit.

***

Die Tage vergehen und Patrick bleibt anständig. Keine Spur mehr von Annäherung, Flirten oder gar ernsthaftem Interesse. Auf der einen Seite macht es die Arbeit mit ihm einfacher, doch etwas in mir ist auch enttäuscht und schimpft mit mir. Wieso hast du es nicht zugelassen? Die Auswahl guter Kerle in der Wildnis ist gering und du bist lang genug allein gewesen. Widersprüchlich wie wir Frauen manchmal sind, reagiert auch mein Innenleben. Die Anmache war dreist und zu früh, doch gleichzeitig fühle ich mich geschmeichelt und mochte den Moment, als es geschah.

***

Immer wieder erhalte ich Post von der Bank. Es wird Zeit, das zu klären, also setze ich mich auf meine Veranda und telefoniere mit dem Berater. Wir diskutieren nicht zum ersten Mal über meine finanzielle Lage. Doch nun ist es eng. Wenn ich mein Konzept nicht überdenke, werde ich die Kredite nicht mehr tilgen können. Es weiter zu verzögern, wird nicht funktionieren, ich muss handeln. Ein Mitbewerber hatte mir schon vor Wochen angeboten, mir die Kletterausrüstung abzukaufen. Doch dann fehlt mir die Grundlage fürs Geschäft und ich befürchte, das Gästehaus bleibt danach leer.

Wir gehen mehrere Ideen durch, unter anderem die Idee eines Teilverkaufs oder die Vermietung einzelner Teile. Doch ich will keine Pächter, die hier mitreden und möglicherweise alles auf links drehen. Ein Ergebnis erzielen wir nicht, trotzdem macht er mir klar, dass ich nur noch bis zum Ende des nächsten Monats Zeit habe, danach wird der Geldhahn zugedreht.

Seufzend lege ich auf und erblicke im Augenwinkel meinen Helfer. Ob er alles mitgehört hat? Wenn ja, ist es nicht mehr zu ändern und vielleicht gut so. Dann ist auch ihm wirklich klar, dass hier keine Bezahlung zu erwarten ist. Allerdings tut mir das mehr weh als ihm. Gern hätte ich jemanden fest angestellt, um alles stemmen zu können.

***

Am Ende der Woche vertraue ich ihm und seinen Fähigkeiten mehr. Er ist handwerklich sehr begabt und ich muss nie sagen, wo etwas gemacht werden muss. Schnell hat er sich eingelebt und weiß selbst, wo er anpacken muss. Ohne Erklärung findet er das passende Werkzeug und ist abends pünktlich zum Essen in meiner Küche. Danach verschwindet er höflich im Gästehaus. Ab und zu versuche ich, ihn anzulächeln, als Zeichen meines Vertrauens und in der Hoffnung, dass er noch eine Annäherung versucht. Doch außer einem Zucken seiner Mundwinkel bekomme ich nichts. Schade, ich habe meine Chance wohl vertan. Also beobachte ich ihn gelegentlich und verliere mich in Tagträumen.

***

An einem Mittwochnachmittag stehen wir wieder nebeneinander. Gemeinsam sortieren wir in der Scheune verknotete Kletterseile und die Situation ist wieder dieselbe wie eine Woche zuvor. Das Kribbeln auf meinen Unterarmen signalisiert mir, dass er sich wieder nähert und wir beide fühlen, dass es diesmal in Ordnung ist.

Ich stehe mit dem Rücken zu ihm und diesmal bleibe ich ruhig, als ich seinen Atem auf meinen Nackenhärchen spüre. Vorsichtig und zart wie eine Frage berühren seine Lippen meine Haut. Als ich mich zu ihm umdrehe, folgt ein Kuss. Der Bereich für Erotik wird in meinem Körper aktiviert, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Längst verstaubte Ecken für Sinnlichkeit und Lust werden wieder zum Leben erweckt. Der zweite Kuss erklärt mir, dass es ernst gemeint ist. Wir befinden uns nicht in einem Probelauf. Das hier ist die Realität und unsere Körper wissen, wozu sie gemacht sind.

Wir lassen uns gemeinsam zu Boden sinken und das frische Heu raschelt unter unserem Gewicht. Das Knistern der brechenden Halme gibt den einzigartigen Geruch frei, den ich so sehr mit diesem Ort verbinde. Ich spüre, wie das Heu um mich herum unsere Körperwärme speichert und ein natürliches Wohlfühlerlebnis bildet. Hektisch zerren wir die Kleidung von uns, als wenn wir befürchten, der andere könnte einen Rückzieher machen. Bevor ich mir Gedanken machen kann, was ich hier tue, und ob es richtig ist, geschieht es einfach. Sein Schwanz ist bereits hart, als er sich das erste Mal an mich presst, und meine Schenkel öffnen sich für ihn wie von Zauberhand, ohne langes Vorspiel, ohne vorsichtige Zärtlichkeiten. Seine Art, in mich einzudringen, ist nichts Außergewöhnliches, aber er ist mir näher als jeder andere. Die Natur erwacht und zeigt mir, wozu es Hormone gibt. Wir sind zwei gierige Teenager, die endlich ihr erstes Mal hinter sich bringen wollen. Unbeholfene Hände fassen den noch fremden Körper an und sind doch irgendwie im Weg. Die Natur sagt uns, wie es läuft, verlernen kann man es nicht. Bei den ersten Stößen stöhnen wir beide voller Erleichterung auf, als breche etwas lange Unterdrücktes endlich heraus. Eine seelische Befreiung durchflutet den ganzen Körper. Es ist nur eine kurze Vereinigung, doch sie ruft in mir mehr Erinnerungen und Gefühle hervor als erwartet. So fühlt es sich also an, wenn man es mit einem Mann treibt, all das hatte ich so lange verdrängt und vergessen. Wie konnte ich nur jemals davon ausgehen, für immer darauf verzichten zu können? Meine Lust wird neu erweckt, nie wieder würde ich sie so lange ignorieren. Es war eine Befreiung aus meinem Innersten. Ich sehe ihm direkt in die Augen und alles, was ich ihm sagen will, kann ich in ein Wort fassen: »Danke!«

Er lächelt, umarmt mich fest und lässt erst los, als ich mich bewege.

***

Meine Nacht verbringe ich in meinem eigenen Bett, allein, um mich zu sammeln und all die Emotionen in mir ordnen zu können. Bei ihm zu bleiben, wäre einfach zu viel gewesen.

***

Am nächsten Morgen bin ich ausgeruht und fit wie lange nicht. Ich habe geschlafen wie ein Stein, das erste Mal seit langem. Keine Sorgen, die mich gequält haben, oder verspannte Muskeln. Nur die reine Entspannung.

Motiviert begrüße ich am Vormittag die angemeldeten Gäste. Die erwartete Reisegruppe besteht aus sechs kräftigen Kerlen, die zum ersten Mal hier sind. Sie haben sich als erfahrene Bergsteiger angekündigt, doch als sie eintreffen, erkenne ich sofort, dass keiner von ihnen je eine Wand erklettert haben kann. Statt Fitness sehe ich watschelnde Bierbäuche und sehr bunte, kurze Hosen.

»Willkommen, die Herren, ich habe Sie schon erwartet.« Ich bemühe mich erst mal um Freundlichkeit, vielleicht war die Info mit der Erfahrung ja ein Versehen.

»Ah, das Mädchen für alles, sehr schön!«, ruft einer begeistert. »Kannst mal unser Gepäck hochtragen, aber schön tief bücken beim Aufheben.«

Grölendes Gelächter gibt mir wenig Hoffnung auf falsche Angaben, eher auf ein sehr großes Ego.

»Sie irren. Ich bin die Eigentümerin und kein Dienstmädchen. Hier findet in der Regel Aktivurlaub statt, was bedeutet, dass die Gäste ihr Gepäck selbst tragen. Ebenso hoffe ich, dass Sie Ihr eigenes Gewicht, wie bei der Anmeldung angegeben, eine fünfzig Meter hohe Felswand hinaufziehen können.«

»Mädchen, wir sind hier, weil wir coole Fotos wie wir am Berg hängen von uns machen wollen, damit unsere Facebook-Freunde vor Neid platzen. Wie du das anstellst, ist uns völlig egal, wir haben dafür bezahlt, verstanden?«

Bevor ich einen Vortrag über Sicherheit und falsche Angaben halten kann, höre ich Schritte auf uns zukommen.

»Gibt es Probleme?«

Die dunkle Stimme hinter mir ist deutlich und ich bin unheimlich dankbar dafür, dass Patrick eingreift. Er hat inzwischen mehrfach bewiesen, wie sehr ich mich auf ihn verlassen kann. Der Wichtigtuer vor mir nimmt direkt eine andere Haltung an und versucht, seinen unsportlichen Körper zu straffen.

»Wir erwarten nur die Leistung, die wir gebucht haben, weiter nichts.«

»Kein Problem. Bitte teilen Sie uns nur vorher mit, an wen wir Ihre sterblichen Überreste übergeben können, nachdem Sie abgestürzt sind. Wie in der Beschreibung zu lesen ist, übernehmen wir keinerlei Haftung für Unfälle mit Todesfolge, die durch eigenes Verschulden zustande kommen.«

Der Mann zögert und dreht sich zu seinen Mitstreitern um. »Also verrecken wollt ich hier nicht.«

»Ich hab gleich gesagt, dass ist ne blöde Idee, Charly.«

»Du und dein dämliches Facebook!«

Anscheinend sind die anderen nicht auf seinem Standpunkt.

Bevor ein echter Streit ausbricht, greife ich ein. »Meine Herren, wenn es nur um spektakuläre Fotos geht, finden wir sicher eine Lösung. Dass Sie Ihre Fähigkeiten weit überschätzt oder gar absichtlich fehlerhaft angegeben haben, lasse ich einfach mal außen vor. Der Besuch in unserer Gegend ist auch ohne sportliche Figur lohnenswert.«

Man murmelt zustimmend und ich begleite den Stammtisch zum Gästehaus.

Drei Stunden später sitzen alle lachend und mit bestem Bergbier abgefüllt am großen Holztisch im Innenhof. So schnell kann sich die Stimmung wenden, sobald Alkohol dabei ist. Erleichtert verlasse ich die Männer und ziehe mich in mein Reich zurück.

Patrick sitzt vor der Tür und wartet. Er sieht müde aus.

»Danke, dass du eingegriffen hast. Manche Gäste sind wirklich nur schwer zu ertragen.«

»Kein Problem, dafür bin ich ja auch da.«

»Kann ich was für dich tun? Du kippst ja gleich um vor Müdigkeit.«

»Ich bin harte Arbeit gewohnt, aber trotzdem plagt mich Muskelkater. Du hast nicht zufällig ein heißes Bad anzubieten?«

Lächelnd nehme ich ihn bei der Hand und bringe ihn in mein privates Badezimmer. Dort steht mittig im Raum eine bronzene Wanne, die nur darauf wartet, benutzt zu werden. Er seufzt bereits beim Anblick dankbar.

Während ich das Wasser einlaufen lasse, wirft er alle Kleidung von sich. Der Wasserhahn läuft rauschend, das Badesalz verströmt einen wohligen Duft nach frisch geernteten Kräutern. Wir küssen uns langsam und streicheln einander. Bevor er mir das Shirt über den Kopf ziehen kann, schiebe ich ihn in die Wanne. Er lässt sich langsam sinken und die Augen fallen ihm zu. Ich stelle mich hinter seinen Kopf, greife einen großen Schwamm und bearbeite seinen kompletten Oberkörper mit kreisenden Bewegungen.

 

Im Anschluss massiere ich mit beiden Händen seine Schultern und löse jede Verspannung aus ihm heraus. Der Vorteil meiner harten Arbeit auf dem Hof sind starke Hände. Jede noch so schlimm verhärtete Muskelfaser ist nicht vor mir sicher. Tiefe Seufzer wechseln sich ab mit weinerlichen Schmerzenslauten. Grinsend lausche ich seiner Reaktion. Es ist schön zu sehen, dass ich mein Talent für wohlige Fürsorge noch immer habe.

Auch solche Momente fördern Intimität und Vertrauen, es muss nicht immer die sexuelle Vereinigung sein. Ich verwöhne ihn gern und freue mich, dass er es genießt. Ich möchte so viel geben. Warum habe ich das so viele Jahre geleugnet? Allein stark sein zu können, ist gut, aber gemeinsam vorwärts zu gehen und miteinander etwas zu tun, ist so viel schöner. Als das Wasser abkühlt, steigt er hinaus, trocknet sich ab und fragt lächelnd: »Darf ich dein Schlafzimmer sehen?«

Wir legen uns nebeneinander auf das große Bett und schauen nach oben. In der Decke ist ein großes Glasfenster, das uns direkte Sicht auf den Himmel ermöglicht. Wir blicken beide nach oben und beobachten, wie der Regen direkt auf uns fällt, ohne uns zu erreichen.

»Lust auf ein Heiß-und-Kalt-Spielchen?«, frage ich und ernte nur einen verwunderten Blick.

Ich zeige ihm, was ich damit meine, indem ich aus der Küche Eiswürfel und heißen Glühwein hole. Mein verstorbener Mann hatte es mir damals gezeigt und ich möchte es wieder aufleben lassen. Es ist kein Verrat an ihm, vielmehr ein Auffrischen der Erinnerung daran. In mir weiß ich, dass er gewollt hätte, dass ein anderer seinen Platz an meiner Seite einnimmt.

Ich stelle die kleine Schüssel mit dem Eis in meine Nähe und senke meinen Kopf zwischen seine Schenkel. Er beobachtet mich interessiert, als ich einen kleinen Schluck Glühwein in meinem Mund verteile. Ich warte, bis sich meine Zunge genug erwärmt hat und nehme sein Glied zwischen die Lippen. Ein wohliger Laut kommt aus seiner Kehle, es gefällt ihm. Idealerweise hat er die Augen nun geschlossen und sieht nicht, wie ich vom Wein auf den Eiswürfel wechsle. Auch hier warte ich kurz, bis meine Mundhöhle die Temperatur übernommen hat und mache dann mit meiner oralen Arbeit weiter. Erschrocken, aber doch angeregt, fasst er mit beiden Händen nach meinen Haaren. Er legt sie nur dort ab, als wenn er in letzter Sekunde beschlossen hat, mich doch nicht fortreißen zu wollen.

Ich wiederhole den Wechsel mehrfach. Als ich beim vierten Eiswürfel ankomme, ist deutlich, dass es keinen weiteren Wein geben wird. Sein Erlösungsschrei, als er kommt, erinnert an ein wildes Tier im tiefsten Wald, das sich gegen einen starken Gegner verteidigen muss.

Freudig lächelnd schaue ich zu, wie er neben mir liegt und sich alle Anspannung in ihm löst. Sein Brustkorb hebt und senkt sich, als wäre er erst vor kurzem einen Marathon gelaufen. Es dauert mehrere Minuten, bis sich seine Atmung normalisiert, doch wirklich ansprechbar ist er immer noch nicht. Also lege ich mich wortlos neben ihn und warte ab.

Nach einer halben Stunde ist er wieder bei Sinnen und rollt sich über mich.

»Jetzt, wo ich weiß, wie es geht, werden wir testen, wie lange du durchhältst«, raunt er.

Ich weiß zwar nicht, wo Patrick die letzten Jahre überall war, aber in seinem Leben dürften genug Frauen gewesen sein, denn sein Erfahrungsschatz beschränkt sich offensichtlich nicht nur auf handwerkliche Tätigkeiten. Ich erlebe das Spiel, was ich so gut zu kennen glaubte, auf eine völlig neue Weise. Als ich meinen Höhepunkt fühle, öffnen sich mir völlig neue Welten. Es ist mit keinem Male zuvor vergleichbar. Jeder Mensch widmet sich beim Liebesspiel seinem Partner anders, mit einer anderen Art von Hingabe. Ich bemerke Wärme in meiner Herzgegend, dieser Mann tut mir gut. Einträchtig und voller Frieden liegen wir nebeneinander, je eine Hand auf dem Körper des anderen.

»Ich bewundere dich für dein Leben hier. Auch wenn ich nicht verstehe, wie du das alles finanziert bekommst, so völlig allein kannst du es doch unmöglich schaffen. Ich habe gesehen, was alles zu tun ist und das kann man niemals ohne Hilfe.«

Erst zögere ich, ihm nähere Infos zu geben, doch warum sollte ich mich ihm nicht öffnen? Vermutlich hat er mein Telefonat mit der Bank sowieso gehört. Meine Sorgen mit ihm zu teilen, ist ein weiterer Schritt zu mehr Verbundenheit.

»Ich muss das Angebot verändern«, sage ich schließlich. »Die Klettertouren kann ich nicht länger anbieten. In einigen Wochen ist hier alles zu und mit einem Verkaufsschild versehen. Ich könnte auf die Klettertouren verzichten, doch wovon soll ich dann leben, wenn das wegfällt? Wir sind mitten in der Pampa. Warum sollten die Touristen noch hierherkommen?« Ich spreche sowohl mit ihm als auch mit mir selbst. Meine Stimme wird brüchig, die Augen werden wässrig, es ist einfach zu viel Druck, der auf mir lastet und den ich völlig allein tragen muss.

Mitfühlend nimmt er mich fest in seine Arme und gibt mir das Gefühl von Sicherheit. Anscheinend hat er sich bereits Gedanken darüber gemacht, denn er bietet mir eine Alternative.

»Nutze doch einfach die Natur, die sich dir hier bietet. Es gibt nicht nur Berge. Erinnere dich an die aktuelle Truppe. Die wollten gar nicht klettern, sondern Bilder machen. Fotografie wird ein immer größeres Thema. Zudem gibt es reichlich ausgebrannte Städter, die einfach nichts tun wollen. Oder andere, die das erst wieder lernen müssen, weil sie vergessen haben, wie man abschaltet. Beide sind als Zielgruppe für dich attraktiv.«

»Du meinst, ich soll mehr auf Erholung setzen, statt auf Sport?«

Patrick nickt. »Genau, dann hast du auch keinerlei Konkurrenz. Im Wald gibt es einen natürlichen See und Wiesen voller Schmetterlinge. Hängematten zwischen die Bäume, Obst zum Selberernten und direkt essen.«

Unrecht hat er nicht, auch die Bergsteiger haben von der Atmosphäre hier geschwärmt – fernab von Stress und Stadt.

Doch auch das schaffe ich nur schwer allein. Mein Herz hängt nicht nur an diesem Ort, sondern ist auch wieder offen für mehr. Eine neue Liebe muss die Erinnerung an eine alte nicht löschen, es kommt lediglich etwas dazu. Ich fühle tief in meinem Inneren, dass sich aus uns etwas Wunderschönes bilden kann und ich spreche aus, was ich mir wünsche. »Möchtest du länger bleiben?«

Sein Kopf dreht sich in meine Richtung. Der Ausdruck in seinem Gesicht ist die Antwort, die ich mir erhofft habe.

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