Read the book: «Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt», page 7

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DUKE OF PORTLAND

Der 1857 als William Cavendish-Bentinck geborene Züchter und spätere 6. Duke of Portland hatte von der Vollblutzucht kaum Ahnung, doch später gute Berater und auch das notwendige Quentchen Glück. „Die Pferde“ waren aber auch nie weit weg gewesen, denn sein Großonkel, der Vater von Lord George Bentinck, der der Nachfolger von Sir Charles Bunbury als der einflußreichste „Rennmann“ jener Zeit war, war der Besitzer von Tiresias, der als Soothsayer-Sohn das Derby 1819 gewann. Gegen den spät angreifenden Sultan (Selim), dessen Reiter nicht überliefert wurde, reichte es am Ende noch zu einem Kopfsieg, doch musste der starke Endkampfreiter W. Clift alles Können in die Waagschale werfen. Im Gestüt war der unterlegene Sultan, 4 x 4 auf Herod, Eclipse und Highflyer ingezogen, Sieger in 14 Rennen, sehr erfolgreich, während sein Bezwinger, dessen Vater nach Rußland exportiert, in der Zucht brauchbar war. Sultan führte von 1832 bis 1837 die Hengstliste an, und von seinen fünf Siegern, die sich in den 2000 Guineas durchsetzten, gewann der in sechs Rennen ungeschlagene Bay Middleton 1836 auch das Derby für den Earl of Jersey. Und Sultan Sohn Glencoe wurde Vater der großen Zuchtstute Pocahontas. Später wurde sultan auch in Amerika noch erfolgreich.

Und Lord Bentinck zog und besaß als Earl of Chesterfield die 1837 geborene, in 12 Rennen ungeschlagene Priam-Tochter Crucifix, die bei der großartigen Meld (1952; Alycidon), Siegerin der 1000 Guineas, Oaks, Coronation Stakes und des St. Ledger, als 12. Mutter im Pedigree zu finden ist. Crucifix gewann selbst die 2000 Guineas, Oaks und das St. Ledger, obwohl ihre Gestalt eher sehr negativ beschrieben wird. Sie soll gewaltige Schnelligkeit besessen haben und fohlte den Derby- und St. Legersieger von 1848, den Touchstone-Sohn Surplice. Diesen hatte sein Züchter, der so gern ein Derby gewinnen wollte, jedoch verkauft, als er 1846 entschied, sich ganz auf die Politik zu konzentrieren. Während des damaligen Goodwood-Meetings wurde das Geschäft besiegelt, und die gesamten „Rennsport-Interessen“ des Lords wechselten für 100.000 Pfund an Mr. Mostyn (später Lord Mostyn). Aber auch dieser verkaufte den „ganz und gar unattraktiven Surplice“ weiter, sodass am Derbytag Lord Clifden der lachende Dritte war. Im Gestüt war dieser Derbysieger jedoch kein Erfolg.

Im Gegensatz zu jenem stand dem 6. Duke of Portland im Juli 1883 das Glück jedoch zur Seite, als der Bestand des verstorbenen Prinzen Batthyany in Newmarket versteigert wurde. Das angedachte Pferd, für das der damals noch junge Mann 4.500 Guineas ausgeben wollte, war außer Reichweite, denn es kostete 500 Guineas mehr. Doch danach kam ein Zweijähriger, auf den ihn Trainer Mathew Dawson bereits aufmerksam gemacht hatte. Dieser Galopin-Sohn hieß St. Simon und wurde ihm für 1.600 Guineas zugeschlagen. Dass der Hengst, damals „fett wie ein Bulle“ und, hinsichtlich seines „schwachen“ Pedigrees, viel zu teuer gewesen sein soll, wurde unterschiedlich interpretiert. Glaubhaft könnte jedoch sein, dass der aus dem Stall von John Dawson, Mathews Bruder, kommende Zweijährige keine Bieter finden sollte, weil sein Trainer das Können des Pferdes längst erkannt hatte und selbst eifrig bot. Diese Vermutung verstärkte sich, als kurz später der von Lord Portland äußerst respektierte Trainer Robert Pack für St. Simon 2.000 Guineas bot. Spätestens dann war dem Lord jedoch klar, dass die Neuerwerbung zu Mathew Dawson ins Training geht und künftig von Fred Archer geritten wird. Klassische Nennungen besaß der Hengst, außer in den 2000 Guineas, nicht, und diese eine war durch den Tod des vorherigen Besitzers auch noch hinfällig. Der Rest der Story ist bekannt: St. Simon blieb in zehn Rennen ungeschlagen, gewann sie alle mit großer Leichtigkeit – darunter den Ascot Gold Cup überlegen mit 20 Längen – obwohl er sehr guten Gegner bis zu 20 Kilo vorgeben musste.

Dieser Hengst, ein Produkt von rund 16 Generationen Vollblutzucht und ein Nachfahre des großen Eclipse, war gewissermaßen dessen Weiterentwicklung und Feinschliff, und seine Zuchterfolge krönten seine Rennbahnsiege. Nachdem er 1886 ins Gestüt gegangen war, stand er neunmal an der Spitze der Beschäler (siebenmal davon in Folge); bei den Mutterstuten führte er sechsmal die Liste ihrer Väter an; er zeugte zehn Sieger, die zusammen 17 klassische Rennen gewannen, und seinen 423 lebenden Fohlen standen später 571 gewonnene Rennen gegenüber. Amerikas großen Bold Ruler (Nasrullah), der ab 1963 acht Beschäler-Championate gewann und auch beim jüngsten Jahrgang fünfmal dominierte, wurde nur durch einen klassischen Sieger, den großartigen Fuchs und Triple Crown Winner Secretariat vertreten, der diesen Dreier 1973 feierte und bewies, dass sein Vater besonders gut mit Princequillos Töchtern funktionierte.

St. Simon und Ormonde galten im 19. Jahrhundert als die besten Pferde Englands, und beide waren größer (Widerrist) als lang. In der Zucht mit St. Simon ist anzunehmen, dass er viele gute Stuten deckte, denn damals galt, dass die besten Rennhengste auch die besten Rennstuten erhielten. Aber er war auch mit Stuten sehr erfolgreich, die auf der Rennbahn wenig gezeigt hatten. So fohlte die Toxophilite Tochter Quiver (1872) nach ihm nicht nur die Oaks und St. Ledger-Siegerin Memoir (1887) – obwohl ihre vorherigen sieben Fohlen, die andere Väter hatten, fast nichts konnten – sondern auch La Fleche (1889), zu deren 16 Siegen auch die 1000 Guineas, Oaks, Champion Stakes, das St. Ledger, Cambridgeshire und der Ascot Gold Cup zählten. Ein ähnliches Beispiel ist die Hampton-Tochter Perdita II (1881), die 5-jährig gewann und größtenteils in Verkaufsrennen unterwegs war. Ihre St.-Simon-Söhne, die der Prince of Wales, der spätere König Edward VII – Sohn der Queen Victoria und des Prinzen Albert von Sachsen-Coburg und Gotha – zu Sandringham Stud zog, hießen Florizel II (1891), Persimmon (1893) und Diamond Jubilee (1897). Dieser launische Bursche gewann in der Obhut von Trainer Richard Marsh die Dreifache Krone und wurde 1906 für 30.000 Pfund nach Argentinien verkauft, wo er von 1914 bis 1916 und 1921 an der Spitzer der Deckhengste stand. Floritzel siegte in elf Rennen (u. a. Ascot Gold Cup Vase, Goodwood- und Jockey Club Cup), war zweifacher Champion-Stallion und wurde Vater von Volodyovski, der 1901 für W. C. Whitney gegen Duke of Portlands William The Third das Epsom Derby gewann, im Gestüt jedoch als Versager galt. Persimmon gewann Derby, St. Ledger, Eclipse Stakes, zweimal den Ascot Gold Cup und zwei weitere Rennen. In der Zucht gelangen je vier Championate bei den Vererben und den Vätern von Mutterstuten. Zu seinen Nachkommen gehörte die Berühmtheit Sceptre (1800) die sich auch in den 1000, 2000 Guineas, Oaks, St. Ledger, Eclipse- Jockey Club- und Champion Stakes durchsetzte.

Auch der vom Duke of Portland gezogene William The Third (1898), der letzte Klassevollblüter seiner Zucht, war ein St.-Simon-Sohn. Im Derby, so sein Trainer John Porter, „unglücklich geschlagen“, gewann er die Ascot Gold- und Doncaster Cups, insgesamt zehn von 14 Starts, und führte 1922 die Liste der Zuchtstuten-Väter an. Gezeugt hatte St. Simon diesen mit 16 Jahren. Die letzten zwölf seines Lebens – er starb 1908 mit 27 Jahren – galt er für Portland als bester Hengst der Welt und erhielt auch ausgewählte Stuten. Dennoch war das Ergebnis nicht so gut wie in den zehn Jahren davor, als er oft „zweifelhafte“ Partnerinnen erhielt. Ein Phänomen, das mit der Blutdichte zusammenhängen dürfte, denn der Duke hatte neben ihm auch noch Donovan (Derby- und St. Ledger-Sieger), den er 1886 selbst aus der Mowerina (Scottish Chief) gezogen hatte, aufgestellt, und dieser hatte mit Galopin den gleichen Vater wie St. Simon. Und deswegen kaufte der Duke of Portland wohl auch den großen Neuseeländer Carbine als Outcross-Hengst, der in seiner Heimat und in Australien 33 Rennen gewann, darunter auch den Melbourne Cup. In der Zucht hinterließ dieser wunderbare Renner aber nur einen einzigen direkten Trumpf, Spearmint, den Vater von Plucky Liege, den Sir Tatton Sykes aus einer Stockwell-Urenkelin zog. Insgesamt findet sich jedoch Carbines Blut in den Pedigree-Linien von Pferden wie Phar Lap, Star Kingdom, Nearco, Northern Dancer oder War Admiral.

In den 1880er und 1890er Jahren hatte Lord Portland jedoch aussergewöhnliche Zuchterfolge, und es begann mit dem Kauf der in Dänemark gezogenen Scottish Chief Tochter Mowerina (1876), die als Jährling importiert wurde. Diese Stute, deren Mutter von Stockwell aus einer Vollschwester des Triple Crown Siegers West Australian stammte, hatte Lord Falmouth als seine erste Wahl bezeichnet, würde er eine Zuchtstute kaufen wollen. Und diese Stute brachte ihm die Champion-Zweijährige Modwena (1883; Galopin); den Derby- und St. Ledger-Sieger Donovan (1886; Galopin); die ein Jahr jüngere St. Simon-Tochter Semolina, die zweijährig 13 Rennen und, 12 Monate später, die 1000 Guineas gewann. Auch Raeburn (1890; St. Simon) gehörte zu jenen Fohlen. Dieser Hengst gewann fünf Rennen, darunter das Lancashire Plate, und in den 2000 Guineas und dem Derby endete er jeweils als Dritter.

Zwischen 1800 und 1886, als St. Simon als Deckhengst noch nicht zur Verfügung stand, und der Lord als „outside breeder“ agierte und keine eigenen Hengste beschäftigte, erhielt er auch den von Hampton stammenden Derbysieger Ayrshire (1885), der 11 von 16 Starts und, neben dem Derby, auch die 2000 Guineas gewann. In den 1890er Jahren wurde der Duke of Portland jedoch zum „home breeder“ und hielt fünf Deckhengste. Und sein bester, St. Simon, sollte, neben den bisher genannten Produkten, auch noch drei weitere Klassepferde hinzufügen: Mrs. Butterwick (1890) gewann die Oaks, die ein Jahr jüngere Dreijährigen-Championesse Amiable heftete neben drei weiteren Siegen auch die 1000 Guineas und Oaks an ihre Farben, und bevor der schon erwähnte William The Third den Schlusspunkt setzte, fügte La Roche 1900 noch die Oaks hinzu und war die Championstute ihres Jahrgangs.


Trainer Mathew Dawson 1820-1898 (Foto: Courtesy of Keeneland Library)

Mit Mathew Dawson hatte der Duke aber auch einen erstklassigen Trainer, der mit diesem Job 1840 in Schottland begann, 1857 ins englische Lambourn wechselte, und sein Domizil neun Jahre später nach Newmarket verlegte, wo er in kürzester Zeit auf einen hochkarätigen Besitzerstamm verweisen konnte. Dawson, dessen Vater und zwei Brüder den gleichen Beruf ausübten, war einer der ersten seines Standes, der einen „öffentlichen“ Stall betrieb, statt für einen der Reichen als Privattrainer zu arbeiten, kam, bevor er 1898 verstarb, auf 28 klassische Siege: Je fünf 1000 und 2000 Guineas und Epsom Oaks; sechs Derbys und sieben St. Ledgers.

Als jedoch St. Simon dem Ende nahe war, ging es abwärts, und 1903 war der „große Run“ der Zucht Portlands vorüber. Vullier formulierte das einmal in etwa so: Wenn es ein Epoche gibt, in der die beste Qualität der Zucht auf nur zwei Hengsten beruht und man den Eindruck bekommt, als wären die übrigen Hengstlinien verkümmert, dann erscheinen nicht selten ein oder zwei hochkarätige Pferde, die diese dominante Kreuzung nicht besitzen und jene verdrängen. Als Beispiele führt er dazu an: Stockwell (1849) und Newminster (1848); anschließend Galopin (1872) und sein Sohn St. Simon (1881); dann Cyllene (1895) und sein Sohn Polymelus (1902), und danach The Tetrarch (1911) und Hury On (1913).


Galopin (1872; Vedette), einer der erfolgreichsten Deckhengste im 19. Jahrhundert und Vater von St. Simon, war ein Eckpfeiler in Portlands Gestüt (Foto: courtesy of Keeneland Library)

1916 hätte Portland fast erneut Glück gehabt, denn man bot ihm einen Jährling von Bayardo – Rosedrop an, doch der Duke folgte dem Aufruf seines Kanzlers, „freies Geld in Kriegsanleihen“, statt in Rennpferde zu investieren. Und der Jährling hieß später Gainsborough, gewann die Dreifache Krone Englands und wurde Vater von Hyperion!


Der Goldfuchs Doncaster (1870) der die Darley Arabian-Hengstlinie fortsetzte und Vater von Bend Or wurde (Foto: Public Domain)

DER DUKE OF WESTMINSTER

konnte kaufen, was immer er wollte. Der Preis spielte keine Rolle. Mit John Porter hatte er auch einen hervorragenden Trainer zur Hand, dessen Quartier in Newbury lag und noch heute als „Kinsclere“ aktiv ist. Siebzig Jahre nach dem Tod des Duke zog dort Mill Reef bei Ian Balding ein, und heute trainiert dessen Sohn Andrew 170 Vollblüter auf privatem Besitz, der als solcher zu den weltbesten Trainingsanlagen zählt.

Der Duke Hugh Lupus Grosvenor war der älteste Sohn von elf Kindern des Politikers Richard Grosvenor, bekam eine erstklassige Ausbildung, beherrschte mehrere Sprachen, und als sein Vater 1869 verstarb, beerbte ihn der Sohn als Marquess of Westminster und wurde 1874 zum Duke erhoben. Seine Zucht startete er mit dem 14.000-Pfund-Kauf und Stockwell-Sohn Doncaster (1870), dessen wichtigste Siege Epsom Derby, Goodwood- und Ascot Gold Cup waren. Als dieser Goldfuchs sein Derby als 45:1-Chance locker gewann, galt der deutsche Hochstapler, der die Farben des Grafen Johannes Renard trug, als Favorit. Dieser Stockwell-Enkel hatte kurz vorher zu Newmarket überlegen gewonnen, nahm nach 1.600 Metern auch kurz die Spitze, doch hatte er nach einer Rempelei zu Tattenham Corner wohl genug und endete unter 12 Startern als Viertletzter, während es auf Platz zwei und drei totes Rennen gab. Im St. Ledger wurde Doncaster von seiner sehr guten Stallgefährtin Marie Stuard, die im Gestüt enttäuschen sollte, in einem großen Finish um Kopflänge geschlagen. Vierjährig wechselte Doncaster nach dem Start-Ziel-Sieg im Ascot Gold Cup, in dem er 12 Monate vorher hinter Frankreichs Prix du Cadran-Sieger Boiard den Ehrenplatz belegt hatte, für 10.000 Pfund in den Besitz seines Trainer Robert Peck. Und dieser spannte ihn einen Tag später in den Alexandra Stakes über drei Meilen erneut an. Der eiserne Steher gewann unter 62 Kilo und verabschiedete sich damit gleichzeitig von der Rennbahn. Danach wurde der Hengst zum dritten Mal verkauft und kam in das Eaton Hall Stud des Duke of Westminster. Der letzte Handel war das aber auch noch nicht, denn 1884 wurde Doncaster für 5.000 Pfund nochmals an das ungarische Staatsgestüt Kisber verkauft, wo er sich 1892 in den Pferdehimmel verabschiedete.

Die 14.000 Pfund für den Hengst waren damals ein stattlicher Preis, doch Doncaster gründete die Phalaris- und Teddy-Hengstlinien, als auch die der Sprinter Gold Bridge (1929) und Panorama (1936). Zu Lord Derbys Phalaris (1913) führte der Weg von Doncaster über Bend Or, Bona Vista (1889), Cyllene (1895) und Polymelus (1902), während Teddys (1913) Vaterlinie den von Edmond Blanc gezogenen Franzosen über Bend Or, Ormonde, Orme (1889), Flying Fox (1896) und Ajax (1901) erreicht. Der „Abzweig“ der Sprinter erfolgt bei Orme und führt über Orby (1904) zu The Boss (1910), dessen Söhne Golden Boss (1920) bzw. Sir Cosmo (1926) die Verbindung zu Gold Bridge (1929) und Panorama (1936) herstellen.

In der Zucht führte der Goldfuchs Doncaster die von Darley Arabian gegründete Hengstlinie – 13 Generationen zurück – erfolgreich weiter. Und Bend Or, der Doncasters erstem Jahrgang entstammte und sein bester Sohn war, blieb, anders als sein Vater, der in diesem Alter nie lief, als Zweijähriger in fünf Rennen unbesiegt. 1880 gewann er das Derby im letzten Galoppsprung gegen Robert The Devil mit Kopfvorsprung unter dem großen Fred Archer, der, praktisch „einarmig“ einen absoluten Meisterritt abgeliefert hatte, denn sein zweiter Arm war schrecklich zerbissen, und Bend Or, der unter Schienbeinen litt, gab im Endkampf sicherlich nicht alles freiwillig.

Vierjährig gewann Bend Or, der Lord Westminsters einflussreichster Beschäler wurde und zweimal die Liste der Zuchthengste erfolgreicher Mutterstuten anführte, drei seiner vier Starts. In den Champion Stakes bezwang er dabei den ein Jahr jüngeren, in Amerika gezogenen Epsom-Derbysieger Iroquis. Obwohl sein Vater ein eiserner Steher war, kamen Frühreife und Speed des Doncaster-Sohnes wohl über seine sieglose Mutter Rouge Rose, die von Thormanby (1857) abstammte.

Als Bend Or sein Derby gewonnen hatte, gab es hinsichtlich der Identität des Pferdes Fragen der Rennleitung, doch, so wurde überliefert, wurde die Aussage des Duke of Westminster von jener akzeptiert. Das Skelett des Hengstes fand nach seinem Tod im „Natural History Museum of London“ einen Platz, um es der Nachwelt zu erhalten. 2012 war jedoch in der Fachpresse zu lesen, dass eine durchgeführte Skelett-Analyse ergeben habe, dass das ausgestellte Skelett das des gleichaltrigen Hengstes Tadcaster ist, der ebenfalls von Doncaster stammte. Wahrscheinlich sind die beiden Pferde im Jährlingsalter zu Eaten Hall vertauscht worden, und das, was man Tadcaster zuschrieb (fünf Siege auf der Flachen und über Hürden), ist wohl in Wirklichkeit das Etikett von Bend Or. Es ist allerdings verständlich, dass man das Englische Gestütsbuch nach mehr als 130 Jahren nicht umschreiben will.

Diesen Eckpfeiler seiner Zucht behielt der Duke of Westminster bis zu seinem Tod, während er von Doncaster keine große Meinung hatte und ihn 14-jährig an das ungarische Staatsgestüt Kisber verkaufte. Bei Bend Or zeigte sich, dass er besonders gut mit Töchtern von Macaroni harmonierte und mit solchen auch seine besten Produkte – Ormonde und Kendal – lieferte. Ähnliche „Nicks“, zu denen Experten jedoch unterschiedliche Meinungen haben, zeigten sich auch bei Kreuzungen von Lexington mit Glencoe; Isonomy mit Hermit; Fairplay mit Rock Sand-Stuten oder Phalaris mit Chaucer-Töchtern.

Und Bend Ors mächtiger Sohn, der Triple Crown-Sieger Ormonde, entstammte ebenfalls dessen erstem Jahrgang, der 1882 gezeugt wurde. Dieser in 16 Rennen ungeschlagene Hengst war nach dem zwei Jahre älterem Rennbahn-Giganten St. Simmon ein ähnliches Kaliber, doch bekam er nach dem St. Ledger Atembeschwerden und war für die Zucht dadurch so gut wie nutzlos. Er war der Beste eines guten Jahrgangs, wurde 1889 für 12.000 Pfund nach Argentinien verkauft und wechselte für 30.000 Pfund 1892 in die USA. Zu seinen dortigen 16 Fohlen zählte ein guter Zweijähriger, der die „Futurity Stakes“ gewann, und auch in einigen Mutterstuten pulsierte das Blut dieses großartigen, auf der Rennbahn in 16 Rennen ungeschlagenen Pferdes.

Seite →: Der große Ormonde, mit Fred Archer im Sattel und Trainer John Porter (Foto nach einem Gemälde von Emil Adam; reproduced by permission of The Jockey Club UK)


Der große Ormonde, mit Fred Archer im Sattel und Trainer John Porter (Foto nach einem Gemälde von Emil Adam; reproduced by permission of The Jockey Club UK)

Bevor der Hengst, dessen Skelett in das Museum of Natural History in South Kensington, UK zurückkam, 1889 aus England abreiste, hatte er in seinem ersten Jahrgang den aus der Galopin-Tochter Angelica stammenden Sohn Orme (1889) hinterlassen, den Trainer John Porter als „sieben bis zehn Pfund“ niedriger einschätzte als seinen Vater. Damit musste Orme ein sehr gutes Rennpferd sein. Und das damals am besten gezogene Pferd der Welt bestätigte das auch mit 14 Siegen bei 18 Starts, obwohl man ihn mit Quecksilber vergiften wollte und ihn fast umbrachte. Dass sich der Ormonde-Sohn wieder erholte, war ein Wunder, die 2000 Guineas und das Derby, die er möglicherweise gewonnen hätte, musste er jedoch auslassen. Im gleichen Jahr gewann er die Eclipse-Stakes, und zwölf Monate später revanchierte er sich auch an der großen La Fleche für die Niederlage, die sie ihm im St. Ledger beigebracht hatte. Diese Stute, die Queen Victoria zog (Royal Stud, Hampton Court), wechselte für 5.500 Guineas in den Besitz von Baron Hirsch, gewann 16 von 22 Starts und belegte fünf Plätze. La Fleche, die eine der besten Stuten St. Simons war, gewann mit den 1000 Guineas, Oaks und St. Ledger drei klassiche Rennen, während Zeitzeugen berichten, dass ihre Niederlage im Derby, eine ¾-Länge gegen Sir Hugo (Wisdom), lediglich einem durchgedrehten Ritt ihres Jockeys zuzuschreiben war. Neben diesem Doppel heftete der Hengst auch Rennen wie die Middle Park-, Dewhurst-, Sussex-, Champion- und Rous Memorial Stakes an seine Farben.

1894 bezog Orme im Heimatgestüt eine Beschälerbox, stand zweimal an der Spitze der Deckhengste, und vererbte seine hohe Qualität auch an einige Söhne. Zu diesen zählten ganz besonders die Derbysieger Flying Fox (1896) und Orby (1904). Dessen Mutter Rhoda B (1895; Hanover), die R. „Boss“ Croker als Jährling in seiner Wahlheimat Amerika für 1.000 Dollar erworben hatte, kam zunächst nach England. Dort blieb dem gebürtigen Iren jedoch Newmarket durch den Jockey Club versagt, sodass der Politiker in seine Heimat zurückkehrte, und auch Orby auf Crokers irischem Besitz, Clencairn Stud, aufwuchs. Als Rennpferd wurde Orby das erste irische Pferd, das das Epsom Derby gewann. Er war auch gleichzeitig der dritte Sieger in amerikanischem Besitz. Als er sich anschließend im Irish Derby mit vier Längen gegen seinen Stallgefährten Georgetown im Kanter den zweiten Derbysieg holte, war die Bahn brechend voll, denn dieses Pferd wollten alle Iren sehen. In England hatte der Orme-Sohn 6.450 Pfund für seinen Erfolg kassiert, auf dem irischen Curragh nur 783 Pfund. Auch das zeigt, wie gewaltig sich Zucht und Sport danach auf der Grünen Insel entwickelt haben.

Orby zeugte auch einen Derbysieger und andere gute Pferde über mittlere Distanzen, doch ist er dafür bekannt, dass er einen großartigen Fliegerstamm gründete. Sein Derbysieger Grand Parade, wurde 1916 aus einer St. Simon-Enkelin gezogen, die, wie ihre Mutter nie lief und auch keine weiteren Nachkommen von Bedeutung hatte. Und Grand Parade war, nach Sir Bunburys Smolensko (Sorcerer) 106 Jahre früher, das zweite „dunkle“ Pferd, das zu Epsom gewann. 1919 hatte auch noch eine andere Bedeutung: Das Derby war nach dem Krieg nach Epsom zurückgekehrt, und der von Croker als Fohlen für 470 Guineas an Lord Glaneley verkaufte Derbysieger wurde auch deswegen von einem überfüllten Haus gewaltig gefeiert. Zu Ascot durfte sich Glaneley anschließend über sieben Sieger freuen, und einer davon war Grand Parade, der die St. Jame’s Palace Stakes gewann. Im Gestüt zeugte dieser Derbysieger jedoch wenig Gutes, und als sein bestes Produkt gilt Diophon (1921), der für den Aga Khan mit den 2000 Guineas dessen ersten klassischen Sieg sicherte.

Duke of Westminsters Flying Fox, der das letzte Epsom Derby mit Flaggenstart gewann, wurde elfmal gesattel, siegte neunmal und belegte zwei Plätze. Seine Gewinnsumme betrug am Ende der Rennlaufbahn 40.096 Pfund, zu denen vor allem der Triumph in der „Dreifachen Krone“ Englands beigetragen hatte. Für den damaligen Weltrekordpreis 37.500 Guineas wurde er nach dem Tod seines Besitzers, der am Ende des Jahres 1899 verstarb, an den französischen Züchter Edmond Blanc verkauft, wo er als Zuchthengst hervorragend einschlug. Im ersten Jahr zeugte er an seinem besten Sohn Ajax den Vater von Teddy, der für die Größen Sir Gallahad III, Asterus, Orthello und Bull Dog verantwortlich war, aber auch in England die Oakssiegerin von 1930, Rose of England, hinterließ, deren Sohn und St. Ledger-Sieger Chulmligh in Argentinien erfolgreich wirkte. Und Bull Dog wurde Vater von Bull Lea, der neben einigen anderen Champions auch den Triple Crown-Sieger von 1948, Citation, zeugte, und zwischen 1947 bis 1953 fünf Hengst-Championate gewann, denen er als Mutterstuten-Vererber von 1958 bis 1961 vier weitere anfügte. Andere französische Züchter nützten Flying Fox nicht, denn Blancs Konditionen lauteten dafür „600 Guineas, und die Stute muss Frankreich vor dem Abfohltermin verlassen haben.“

Die 1896 geborene Mutter von Flying Fox, Vampire, hatte John Porter für 1.000 Guineas für seinen Besitzer ausgesucht, und sie entsprach auch voll und ganz ihrem Namen. Sie biss und schlug und tötete ihr erstes Fohlen. Weil jedoch John Porter sie gekauft hätte, gab der Duke seine Absichten, sie wieder zu veräußern, auf. Ihr zweites Fohlen war der Derbyzweite von 1898, Batt, danach kam Flying Fox. Für den Duke war er der letzte von vier Derbysiegern, für Trainer John Porter, der 1905 seine Trainertätigkeit beendete, der siebte. Zum Derby 1899 wurde auch überliefert, dass der große französische Schimmel Holocauste, hätte er unter Todd Sloan in der Geraden keinen Fesselbruch erlitten, der mögliche Sieger hätte sein können.

Der Duke of Westminster zog auch den Bend Or-Sohn Kendal (1883) aus einer Macaroni-Tochter, der 1897 die Deckhengstliste in England anführte, in den Besitz des argentinischen Haras Ojo De Agua überging und in Südamerika ein einflussreicher Hengst wurde. Im Todesjahr des Dukes von Westminster erblickte noch eine Stute das Licht der Welt, die als Vollschwester von Ormondes Mutter Lily Agnes im Jährlingsalter zur Auktion ging. Ersteigert wurde sie von einem Mr. Robert S. Sivier, der als gewaltiger Spieler und Besitzer bekannt war, und auch schon mehrfach zahlungsunfähig gewesen sein soll. In jenem Frühjahr hatten ihm jedoch ein paar Wetten rund 50.000 Pfund in die Taschen gespült, sodass er die Gebote auf die junge Stute namens Sceptre mit 5.000 Guineas eröffnete, und stets auf volle Tausend aufrundete, wenn ein Bieter um 100 Guineas erhöhte. Als das von 9.100 auf 10.000 geschah war die Stute verkauft und der bisherige Jährlings-Rekord von 6.000 Guineas erheblich übertroffen.

Sceptre, die ihr neuer Besitzer als „Amateur-Trainer“ vorbereitete, gewann vier der fünf Klassiks. Das diese phänomenale Champion-Stute, die 13 Rennen und 38.255 Pfund gewann und viel Arbeit brauchte, als 10:10-Favorit das Derby hinter dem irischen Sieger Ard Patrick als Vierte beendete, kreideten Fachleute ihrem Besitzer an, der sie angeblich nicht gut genug vorbereitet hatte, oder auch gar nicht gewinnen wollte. Der Derbysieger schlug sie zwar auch in den Eclipse Stakes, doch war Rock Sand, ein Sieger der „Dreifachen“ hinter ihr, und diesen bezwang sie auch erneut in den Jockey Club Stakes.

Ard Patrick war jedoch ein sehr gutes Pferd, das als Vierjähriger die Prince of Walses Stakes im Spaziergang absolvierte, und danach zu Sandon ein hervorragendes Feld in den Eclipse Stakes schlug. Mit Ard Patrick (bereits für 21.000 Pfund nach Deutschland verkauft, jedoch nochmals in Mr. Gubbins Farben laufend) und Sceptre waren die zwei besten Vierjährigen am Start, dazu der Dreijährige Rock Sand, Sieger in den 2000 Guineas und dem Derby. Sceptre lief ebenfalls in neuen Farben und wurde nun von Alec Taylor trainiert. In der Geraden gab Rock Sand als erster der drei Giganten nach, dann hatte Sceptre einen kleinen Vorteil, doch brachte Otto Madden Ard Patrick auf den letzten Metern mit einem Hals an ihr vorbei. Ard Patrick zeugte an Ariel den Hamburger Derbysieger von 1914, erfüllte die Hoffnungen im Gestüt jedoch nicht. Sceptres direkte Nachkommen gewannen ebenfalls keine großen Rennen, doch wurde ihr einziger Sohn Grosvenor (Cicero) ein recht guter Zuchthengst, und ihre von Cyllene stammende Tochter Maid of the Mist (1906) fohlte an Homaze (Sunstar) die Mutter von Buchan (1916), der zweimal die Eclipse-Stakes gewann, die Prince of Wales Stakes und den Doncaster Cup anfügte, Zweiter im Derby war und als Vater sehr guter Stuten bekannt wurde.

Insgesamt zog der Duke of Westminster, bis auf eine Ausnahme, seine besten Pferde aus Stuten, die auf der Rennbahn weniger aufgefallen waren. Diese Ausnahme war die 22-fache Siegerin Lily Agnes (1871; Macaroni), die Mutter von Ormonde; und außer Sceptre (Persimmon) waren sie alle „homebreds“, also Nachkommen von den eigenen Hengsten. Damals ging man mit seinen eigenen Stuten kaum zu fremden Hengsten, sondern kaufte eher geeignete Stuten hinzu, um seine eigenen Beschäler zu unterstützen. Doch wenn das Blut einer Herde zu stark konzentriert war, ging es in der Regel abwärts. Auch der Duke of Portland, der erst später zum „homebreeder wurde“ (seine Derbysieger Ayrshire und Donaven stammten von den „outside“ Beschälern Hampton und Galopin) musste feststellen, dass die Qualität des Gestüts nach dem großen Steher William The Third (St. Simon) weiter abnahm. Die Konzentration von St. Simons Blut in der Herde schien zu hoch zu sein, und der Ankauf des hervorragenden Australiers Carbine als Ourcross-Hengst funktionierte nicht. Auffällig auch, dass St. Simons wichtigste Söhne – Persimmon, St. Frusquin, Diamond Jubilee, Desmond, Rabelais, Florizel oder Chaucer – aus Stuten gezogen wurden, die nicht zu Portlands Welbeck Gestüt gehörten.

Ähnlich erging es auch Lord Rosebery, der seine drei Derbysieger Ladas, Sir Visto und Cicero „fremden“ Beschälern verdankte, doch als er sie im Gestüt extrem nutzte, ließ auch diese Zucht nach. Er hatte zwar noch drei Guineas-Sieger – Vaucluse (1000 Guineas), Ellangowan und Neil Gow, die die „2000“ gewannen, doch diese stammten ebenfalls von den „fremden“ Hengsten Dark Ronald, Lemberg und Marco.

Das Monopol der Züchter, die stets die besten Beschäler im eigenen Besitz hatten – auch die Amerikaner Withney, Keene, Belmont oder Madden zählten dazu – wurde jedoch aufgeweicht als es Mode wurde, Deckhengste mit bis zu 40 Anteilen zu syndikatisieren. Dadurch wurde es einem Züchter möglich, sich an mehreren Hengsten zu beteiligen und sie in die Planungen einzubeziehen. Größtenteils waren das aber auch wieder die großen Zuchten, die sich das leisten konnten. In England hatten aber auch „Außenseiter“ eine Chance, die im National Stud stehenden Spitzenhengste zu nutzen, denn die Anfragen nach ihnen wurden im Losverfahren entschieden, und dabei hatte auch der „kleine“ Züchter eine Chance.

Eines der letzten großen Pferde, das der Duke of Westminster zog, den Orme-Sohn Flying Fox, hätte es gar nicht gegeben, wäre es ausschließlich nach dem Willen dieses Engländers gegangen. Orme stammte aus einer Tochter von Galopin, der der Vater von Vampire war, und diese Inzucht soll dem Duke zu viel gewesen sein. Ob die hochgradig nervöse Vampire, einen anderen Hengst verweigerte oder wegen ihres Charakters unbedingt im eigenen Gestüt gedeckt werden sollte, ist nicht wirklich bekannt, doch deckte sie schließlich Orme, und damit war der künftige „Triple Crown Winner“ konzipiert.