Dominique Lorenz
WER HAT ANGST VORM WEISSEN MANN
Eine Komödie
Bühnenfassung nach dem gleichnamigen Drehbuch
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3 D | 4 H
Personen
FRANZ MAISACHER, 60, mehrfach ausgezeichneter Metzgermeister. Witwer, Tyrann, Rassist.
ALPHA KITENGE, 32, aus dem Kongo. Asylbewerber im laufenden Aufnahmeverfahren.
ZITA MAISACHER, 36, Franz Maisachers Tochter, Metzgermeisterin, hat die Metzgerei nach dem frühen Tod ihrer Mutter Herta mit ihrem Vater zusammen geführt. Ihr Sohn Claudio ist auf Ibiza.
ANTON MAISACHER, 34, Franz‘ Sohn, Lieblingskind seiner verstorbenen Mutter, hat, nachdem es mit der Karriere als Profifußballer nicht geklappt hat, versäumt etwas Gescheites zu lernen, hält sich mit „Gschäftln“ über Wasser.
MIREILLE MAISACHER, 33, Antons attraktive Frau, arbeitet halbtags bei einer Zeitschrift in der Anzeigenabteilung und träumt von einem glamouröseren Leben.
Ein Schauspieler spielt:
DR.HELMUT KIRSCHNER, 65, Franz‘ bester Freund, ehemaliger Notar.
LUDWIG HACKL, 40, Physiotherapeut bei München 1860, Zitas Verehrer.
Alphas Mitbewohner FARIM in der Asylbewerberunterkunft. HERR KONRADI im Arbeitsamt. Ein POLIZIST. Herr RUPPRECHT von der Gewerbeaufsicht.
Eine Schauspielerin spielt:
FRAU HARTMEISER (60), Kundin. FRAU SIMMERLING (55), Kundin. TANTE MITZI (60), Schwester der verstorbenen Herta. Alphas BETREUERIN (40) von der Caritas. Die BEAMTIN KUGLER (45) im Arbeitsamt. Eine RICHTERIN (50).
Ein offenes Bühnenbild, die verschiedenen Räume angedeutet: Der Arbeitsraum der Metzgerei, Wurstverarbeitungsgerät. Der Verkaufsraum, Stehtische, eine Wursttheke. Eine Treppe nach oben zum Zimmer von Franz, dort Bett, Schrank, Fernseher, Tisch, darüber eine große Lampe. Auf der Vorderbühne wechselnde Räume: Alphas Zimmer in der Asylbewerberunterkunft. Das Arbeitsamt. Ein Park. Helmuts Wohnung. Gefängnis. Gericht.
Mit großem Dank an Wolfgang Murnberger für alle Anregungen und Ideen.
Und ebenfalls herzlichen Dank an den BR, Claudia Simionescu, Anja Föringer und die film gmbh.
Bitte an einen Toten bei seinem Begräbnis:
Sei glücklich im Reich der Unsichtbaren.
Schicke uns Regen zur Winterszeit.
Schenke uns reiche Ernten.
Der Wind möge von Westen, von Osten,
von Norden oder von Süden kommen,
er möge uns immer ein günstiger Wind sein.
Ihr jungen Leute, schaufelt das Grab richtig mit Erde zu
und keinem bösen Medizinmann,
keiner Hyäne, keinem wilden Tier
soll es gelingen, den Leichnam auszuscharren!
Aus dem Sudan
1. Bild
Ein großer Wurstkutter läuft. Wurstverarbeitungsgeräte, Metallschränke, ein Arbeitstisch. Vorn rechts eine Theke mit Wurstwaren. Stehtische. Franz humpelt durch den Zuschauerraum auf die Bühne zu, er hat Mühe mit der Krücke. Er zieht das rechte Bein nach, der rechte Arm hängt runter. Zita trägt seinen Koffer.
ZITA
Du, Papa, i wollt…i muss dir was sagn.
FRANZ
Hm.
ZITA
Es is nur…weil. I hab…es geht um…ah…
FRANZ
Jetzt red halt.
ZITA
Wegen der Aushilf im Gschäft. I schaff die ganze Arbeit ned allein und –
FRANZ
Mir brauchen kei Aushilf! I hab an Enkel, der is 18 Jahr alt! Warum hilft der dir ned, wenn i ausfall?
ZITA
Der Claudio is Vegetarier. Du kannst doch ned von am Vegetarier erwarten, dass er Weißwürst und Leberkäs macht.
FRANZ
Warum ned. Dann kummt er vielleicht wieder aufn Gschmack.
ZITA
Der Alpha is –
FRANZ
Alpha? So heißt ma doch ned bei uns. Wen hast´n du mir in mei Gschäft nei gestellt?
ZITA
Er is sehr fleißig und was du noch wissen solltest –
FRANZ
I will überhaupt nix mehr wissen.
Franz ist am Bühnenrand angekommen, schaut rauf zu seiner Metzgerei, lächelt.
ZITA
Da simma. Willkommen daheim, Papa.
Franz geht auf eine kleine, steile Treppe zu.
ZITA
Komm, i helf da.
FRANZ
Finger weg. Des geht scho.
Franz hievt sein lebloses Bein auf die erste Stufe.
ZITA
Kumm, Papa, geh ma außen rum, des is leichter.
FRANZ
Na! I geh durch mei Gschäft.
Verbissen kämpft sich Franz die Treppe hoch. Zita kommt ihm nach. Die Türglocke.
ZITA
Da simma…
Franz
(glücklich) Ja.
Zita
Komm, mir gehen in d´Wohnung nauf.
Franz geht auf den Wurstkutter zu, in dem Moment taucht Alpha hinter einem Schrank auf, Werkzeug in der Hand. Franz schreit auf.
FRANZ
Des is a Neger. In meiner Metzgerei.
Zita
Papa, des…des is da Alpha. Die Aushilf, von der ich dir grad –
Alpha geht auf Franz zu.
ALPHA
Gute Morge.
FRANZ
Was macht der da herin?
ZITA
(zu Alpha) Es tut ma leid, Alpha. I hab doch gsagt, dass´d di im Hintergrund halten sollst! (zu Franz) I brauch jemand, der mir des Fleisch tragt.
FRANZ
A Neger in meiner Metzgerei? Ham´s dir ins Hirn einigschissen?
ZITA
Hör jetzt auf, Papa! Mir wär a lieber, dass dir des ned passiert wär! Des is wirklich a gute Übergangslösung.
FRANZ
Mir brauchen kei Übergangslösung! I bin wieder da!
Zita
Jetzt bring i di erst amal rauf.
FRANZ
Gar nix bringst du mi!
ZITA
Reg di ned so auf, Papa! Bitte! Sonst kriegst glei no an Schlag!
FRANZ
A Wunder wärs ned.
Franz stützt sich auf seine Krücke, schnappt nach Luft.
ZITA
Um Gottes Willen, Papa. Ruh di erst amal aus.
Zita schiebt Franz zur Treppe, sie gehen rauf.
FRANZ
Kaum bin i weg, draht die durch. A Bimbo da herin. Madl, du bist ja nimma gscheit…
Alpha schaut ihnen fassungslos nach. Zita kommt wieder runter. Alpha zeigt ihr, dass sich die Schranktür wieder öffnen und schließen lässt. Auf dem Kasten liegt ein Wörterbuch und ein Heft, in das Alpha gelernte Wörter schreibt.
ALPHA
Geht wieder… (er schaut in sein Heft)…das Scharnier.
ZITA
Und des Brät? Wie lang lafft des jetzt? (sie schaut auf die Uhr) Herrgott! Des Brät wird kurz! I find´s ja guad, dass du ois reparierst, aber i brauch a Hilfe für´d Metzgerei!
ALPHA
Ah! Okay, okay! Sorry!
Alpha stellt den Kutter aus, öffnet ihn, schüttet die Masse in den Wurstbefüller. Zita befestigt den Darm am Ausgang der Maschine. Alpha beginnt vorsichtig die Kurbel am Wurstbefüller zu drehen, die Wurstmasse drückt sich langsam in den Darm. Alpha macht ein angeekeltes Gesicht. Zita sieht das.
ZITA
Jetzt stellst di ned so an! Des is ned giftig! Mach´s wie ich´s dir zeigt hab!
Zita beginnt, einzelne Würste abzubinden. Alpha kurbelt schneller.
ALPHA
Alles gut? Problem wegen (deutet auf seine Haut) Farbe?
ZITA
(nickt betreten) Für mein Papa is einer aus am anderen Viertel scho a Ausländer.
ALPHA
Bitte, Zita! Ich arbeiten! Wir machen zusamme.
ZITA
Komm, jetzt mach amal weiter.
2. Bild
Franz sitzt auf seinem Bett, hat einen gerahmten Stehaltar von seiner verstorbenen Frau Herta auf dem Schoß. Er öffnet den Rahmen, holt einen dicken Packen 500-Euro-Scheine raus.
FRANZ
Gut…brav…
Er legt das Geld zurück, schließt den Rahmen, stellt das Stehbild auf den Nachttisch, nickt seiner Herta zu.
FRANZ
Mei Herta (streichelt traurig das Bild)… Pack mas.
Er zieht die Hose aus, holt seinen Kittel und seine Arbeitshose aus dem Schrank und versucht mit einer Hand die Arbeitshose anzuziehen. Das linke Bein kann er einfädeln, aber das unbewegliche rechte Bein nicht. Franz versucht es im Liegen, fängt an zu schwitzen, wird wütend.
FRANZ
Herrgott, no amoi. I werd doch… (zerrt am Hosenbein)…jetzt kumm her, du Luder!
Franz versucht hüpfend das unbewegliche Bein durch die Hose zu manövrieren, fällt, knallt mit dem Kopf gegen das Bett.
FRANZ
A geh…
Franz versucht, wieder aufzustehen, gibt auf. Zita kommt ins Zimmer, stellt einen Topf mit Weißwürsten ab, kniet sich zu Franz.
ZITA
Papa? Papa? Mei, was machst denn!
FRANZ
I mach, was i immer gmacht hab und jetzt zieh i mi an. Hast was dagegen?
ZITA
Natürlich nicht…du blutest ja.
Zita hilft Franz aufs Bett, will seinen Puls fühlen. Franz zieht die Hand weg. Zita nimmt die Arbeitshose und den Kittel.
FRANZ
Stellt die so an schwarzen Gorilla ein! Hast du dacht, i hock da heroben und merk des ned?
ZITA
Papa, du musst di erst erholen. Du kannst so ned in Laden. Mir müssen schaun, dass die bei der Physiotherapie dei rechte Seite wieder hinkriegn. Und a Freundin von der Mireille hat a ganz a nette polnische Hilfe, die kann sich a bissl um dich kümmern.
FRANZ
I hab ned mei Leben lang für euch gearbeitet, dass mir jetzt so a polnische Trutschen den Hintern abwischt!
Er versucht vergeblich, ihr die Arbeitshose und den Kittel aus der Hand zu reißen.
ZITA
Jetzt hör amal auf mit dem Schmarrn! I mag di da heroben ned allein lassen.
FRANZ
I hab a Tochter! An Sohn! An Enkel! Wieso brauch i a Pflegerin? (Pause, atemlos) San die Weißwürscht jetzt besser worn? Hast genug Melisse nei?
ZITA
Ja, hab i! Aber sie schmecken ned wie deine! I weiß a ned –
Franz humpelt zum Tischerl, holt Würste aus dem Topf.
FRANZ
(verzweifelt) War´s Fleisch kalt genug? Hast genug Eis nei? Hast du alles genau so gmacht wie ich´s gesagt hab?
ZITA
Herrgott, ja! Papa, i weiß, dass des alles ned leicht is für dich. Für mi a ned.
Franz zuzelt eine Wurst aus.
ZITA
Was hab i falsch gmacht?
FRANZ
Ois. Wie soll der Neger Weißwürst machen? Als erstes schmeißt du den Neger wieder naus! Jetzt sofort! Sonst mach ich´s!
ZITA
Der Mann heißt Alpha und den nennst in Zukunft a so! (beruhigt sich) Papa, die Ärzte ham gsagt…es is ned sicher…ob du wieder…Für des Geld arbeitet mir sonst keiner, der Umsatz is a einbrochen. Die Studenten kommen nimma. Die Leut von der Müllabfuhr a ned. Sogar die Frau Simmerling geht jetzt immer in Supermarkt.
FRANZ
Kei Wunder bei dene Weißwürscht! I hab für meine Weißwürst über 40 mal Gold kriegt vom DLG! Aus der ganzen Stadt sans kommen –
ZITA
I weiß des, Papa! Aber i weiß ned, ob i wieder mit dir rechnen kann.
Franz ist erschüttert. Zita sieht das, streicht ihm die Haare aus dem Gesicht. Die kleine Platzwunde kommt zum Vorschein.
ZITA
Soll ma da was –
Franz schlägt ihre Hand weg. Zita starrt ihren Vater an, legt Tabletten auf den Tisch.
ZITA
I hab da die Tabletten gholt.
Zita steigt mit Franz‘ Arbeitskleidung die Treppe runter, bleibt einen Augenblick stehen, hält sich fest.