GEOCACHING 2.5 - Der neue EUROPARK in Oberstdorf

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GEOCACHING 2.5 - Der neue EUROPARK in Oberstdorf
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Die SCHIBULSKY - TRILOGIE

Der pensionierte Hauptkommissar Robert Schibulsky aus Bielefeld weilt mehrere Wochen im Jahr in Oberstdorf. Seine Frau Kerstin, Erzieherin, hat hier eine Ferienwohnung nach dem Oberstdorfer Modell gekauft.

Elf Parteien teilen sich als Eigentümer eine Wohnung im MONTANA Haus in der Trettachstraße. Sie haben das Recht, diese Wohnung für einen Monat zu nutzen.

Zufällig wird Schibulsky immer wieder durch Bekannte und Verwandte, natürlich gegen seinen Willen, dazu angeleitet, Verbrechen in seinem Allgäuer Feriendomizil zu lösen.

So beweist er, dass ein Suizid des beliebten Kaplans der Gemeinde St. Johannes Baptist kaltblütiger Mord war.

Zudem kommt es in der Marktgemeinde Oberstdorf zu Konflikten, da der Erste Bürgermeister, Korbinian Einödhofer, verschlagen und beliebt, den Kur- und Sportort für Feriengäste immer attraktiver gestalten möchte. Demgegenüber steht der Verein der RECHTLER, der der Tradition verbunden im Tal möglichst alles so belassen möchte, wie es früher war.

Als Investoren auftreten, die aus unterschiedlichen Interessen einen attraktiven Freizeitpark im Umfeld des Ortes errichten wollen, kommt es zu mehreren Mordfällen in der Weihnachtszeit des Jahres 2014.

Auch die Erteilung der Konzession für die Bewirtung im neu aufzubauenden Museumsdorfs führt zu weiteren Missetaten. Neid und Habgier unter den Wirten des Ortes erzeugen weitere Opfer.

Zudem versucht eine Bande, die Gräfin Franziska zu Hohenstein um Millionen zu erpressen. Eine Entführung ihres Neffen Gregor-Maria führt Schibulsky nach Ostern nach Danzig in Polen. Zusammen mit einer Sicherheitsfirma versucht er, den jungen Verlobten seiner Enkelin Britta zu befreien.

Währenddessen wird in Oberstdorf die Grundsteinlegung für den neuen „EUROPARK“ vorbereitet. Allerdings zeigt sich langsam immer mehr Widerstand und Gegenwehr gegen das Projekt im friedlichen Oytal.

Wie die gesamte Trilogie ist die Konzeption und das Storyboard komplett in Eigenarbeit erstellt. Die Spielorte sind real, das ist erwünscht, damit du als Leser das Geschehen auch verorten kannst.

Dagegen sind die meisten Personen, mit einigen wenigen Ausnahmen bei allgemein bekannten Personen des öffentlichen Rechts fiktiv, also frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit der Realität wären zufällig.

Der EUROPARK in Oberstdorf
( - Intermezzo in Danzig - )
GEOCACHING 2.5

in

54,410762 / 18,562261
Danzig - Oliwa
Gedächtnisprotokoll
des pensionierten Hauptkommissars
Robert Schibulsky
- TEIL 3 –
.. und damit vorletzter Teil der „Schibulsky-Trilogie“
Autor: Dieter Krampe

© September 2017

gewidmet:

Kriminalhauptkommissar Frank Thiel

und

Professor Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne

(ARD-Tatort Münster)

Impressum Copyright: © August 2017

Dieter Krampe

www.DKB-allgaeukrimi.jimdo.com

Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

WAS BISHER GESCHAH …

Wenn du die ersten beiden Teil der GEOCACHING-Trilogie ganz gelesen hast, genügen dir die folgenden Schlagzeilen, um nahtlos an diesen dritten Teil – einem Intermezzo – anknüpfen zu können.

Schlagzeilen: Oberstdorf-Morden Weihnachten 2013

02.12. „Selbstmord“ des Kaplans Marc Teuffel

25.12. Ermordung des Vorsitzenden des Vereins der

Oberstdorfer RECHTLER Xaver Steingasser

30.12. GEOCACHING-Rallye in Oberstdorf /

Ermordung des Nico Winterscheid

01.01. Fund der Leiche des Nico Winterscheid im

Speichersee an der Nebelhornbahn

02.01. Entführung der Gräfin Franziska zu Hohenstein

03.01. Tod des Entführers „Bobo“ Babayigit beim Fluchtversuch in Oberjoch

21.01. MRSA-Befall bei Schibulskys Hüftoperation

14.02. Ermordung des Hoteliersohnes Maximilian Gruber mit einem Armbrustpfeil am „Illersprung“

17.02. Schibulskys Enkelin Britta wird vor einen Münchener S-Bahn-Zug gestoßen

19.02. Veröffentlichung des neuen Planes zu Errichtung eines neuen Freizeitparks im Oytal

17.04. Entführung der Geschäftsführerin Carola Biedermann („Renommee-Consulting“) in Lindau

19.04. Fund der Leiche der Geschäftsführerin im Großen Alpsee bei Immenstadt

22.04. Fund der Leiche der Gastwirtin Maria Buchwieser, erhängt im „Berghof Kornau“

22.04. Entführung des Neffen der Gräfin zu Hohenstein aus seiner Wohnung in München-Grünwald

24.04. Mordversuch an der Ärztin Dr. Bettina Ziebach in Oberstdorf / Festnahme und Tod des Wirts Herbert Wasilijevs bei der Kripo in Kempten

24.04. Schibulsky verfolgt der Spur der Entführer nach Danzig

Vermutlich hattest du allerdings nicht das große Vergnügen, die ersten beiden Teile von „GEOCACHING – Tödliche Weihnacht in Oberdorf“ bzw. „GEOCACHING 2.0 – Der neue Freizeitpark in Oberstdorf“ zu lesen. Daher sei dir diese Lektüre dieser hochintelligenten Allgäu-Krimis nochmals wärmstens ans Herz gelegt.

Um dich aber in das Geschehen einzuführen, biete ich dir hier eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse:

VORGESCHICHTE
GEOCACHING – Tödliche Weihnacht in Oberstdorf

Während des Weihnachtsaufenthaltes in meiner kleinen Ferienwohnung in Oberstdorf wurde ich von meinem alten Freund Toni Endras gebeten, den angeblichen Selbstmord des Kaplans der katholischen Pfarrkirche St. Johannes Baptist zu untersuchen. Dabei konnte ich rasch nachweisen, dass es sich bei Marc Teuffels Ableben hundertprozentig um einen kaltblütigen Mord gehandelt hatte.

Der Kaplan war unglücklicherweise den Machenschaften einer Unternehmergruppe auf die Spur gekommen, die zusammen mit dem Ersten Bürgermeister der Marktgemeinde und dem Gemeinderat einen großen Freizeit- und Vergnügungspark oberhalb der Erdinger Arena plante.

Da die Mordkommission in Kempten nicht sorgfältig ermittelt hatte, wurde ich von der zuständigen Staatsanwältin Dr. Angela Marx überredet, bei der Aufklärung des Mordes an Kaplan Teuffel mitzuhelfen. Am zweiten Weihnachtstag wurde zudem die Leiche des Vorsitzenden des Vereins der RECHTLER, Xaver Steingasser, in der Nähe der Ziegelbachhütte gefunden, mit einer Sense am Mast des Höllwieslifts aufgespießt. Diesem Verein gehörte das Gelände, auf dem der neue Erlebnispark des Chemiekonzerns CHAT Medical Germany aus Berlin und des Internethandels EUROMIX Technology aus Lindau entstehen sollte.

Auf Grund von DNA-Analysen und dem Abgleich mit der DAD (DNA-Analyse-Datei) konnte der 24-jährige mehrfach vorbestrafter Syrer „Bobo“ Babayigit als Tatverdächtiger festgestellt werden, der in enger Verbindung zum 23-jährigen Juniorchef des EUROMIX Konzerns, Nico Winterscheid, stand. Beide kannten sich aus ihrer Hauptschulzeit in Bielefeld und hatten zusammen mit ihren Mitschülerinnen durch eine falsche Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs inklusive ihrer Falschaussagen ihrem damaligen Klassenlehrer Herrn Schweins die Entlassung aus dem Schuldienst eingebrockt.

Offensichtlich führte „Bobo“ Babayigit für seinen „Chef“ Nico Winterscheid wichtige Aufträge aus, die sogar auch vor Mord nicht zurückschreckten, wie die zwei Opfer der tödlichen Weihnacht in Oberstdorf bewiesen..

Zum Jahreswechsel wurde während einer GEOCACHING Rallye im Dorf dann auch der Juniorchef selbst erschossen und tot aus dem Speichersee an der Mittelstation der Nebelhornbahn gezogen. Da die Kugel, die die Stirn und den ganzen Schädel durchschlagen hatte, nicht gefunden werden konnte, fehlte der letzte Beweis, dass sein Kumpel Bobo auch für diesen Mord verantwortlich zeichnete.

Verdächtig war für mich allerdings auch das plötzliche Auftauchen des Ex-Klassenlehrers aus Bielefeld, der jetzt mit neuer Identität als Björn Ringhut die Geocaching-Veranstaltung in Oberstdorf managte und als Sicherheitsmann der CHAT die Silvesterwoche in einem Wohn-Arbeits-Bus auf einem Campingplatz in der Nähe des Kurortes verbrachte.

Die sofort eingeleitete Fahndung nach dem tatverdächtigen Syrer brachte zunächst keinen Erfolg. Im Gegenteil. Der Junge entführte zu allem Überfluss auch noch die Witwe des ehemaligen Porsche-Chefs Franziska Gräfin zu Hohenstein und wollte mit seinem Komplizen zwei Millionen Euro Lösegeld erpressen.

Nach der Geldübergabe floh Bobo mit seiner schwarzen Kawasaki, fuhr mich vor dem Hotel Sarotti über den Haufen, nahm meine Enkelin Britta als Geisel und raste in Richtung Oberjoch, um über das Tannheimer Tal in Österreich unterzutauchen.

In Oberjoch wurde er allerdings von zwei GSG 9-Beamten erschossen – so zumindest das öffentliche Kommuniqué. Inoffiziell gestand mir allerdings Björn Ringhut, dass er Bobo erschossen hat und somit das Leben meiner Enkelin rettete. Eine Tat, für die ich ihm ewig dankbar sein werde.

Als Andenken an meinen Detektiv-Auftritt erlitt ich einen glatten Oberschenkelhalsbruch, der heuer meinen Urlaubsaufenthalt in Oberstdorf um zwei Wochen verkürzte, den ich dafür im Krankenhaus in meiner Heimatstadt Bielefeld verbrachte.

Dem Versprechen gegenüber meiner Frau Kerstin, mich nun endlich zur Ruhe zu setzen und alle Kriminalfälle auf dieser Erde Kriminalfälle sein zu lassen, die meiner Mitwirkung nicht mehr bedurften, wurde ich allerdings schon sehr bald wieder untreu.

 

GEOCACHING 2.0 – Der neue Freizeitpark in Oberstdorf

In Oberstdorf wurde derweil der Sohn des Hoteliers der „Dolde“ in der Nacht des 14. Februars 2014 zum ortsnahen „Illersprung“, dem Zusammenfluss von Trettach, Stillach und Breitach, gelockt und mit einer Armbrust erschossen.

Mich quälte inzwischen der Befall von MRSA-Bakterien, die ich nach der erforderlichen Hüftoperation erlitt. Aber keine der Behandlungen in Bielefeld bzw. München brachte eine Heilung. Daher entschloss ich mich, in meine Wahlheimat in meine Ferienwohnung nach Oberstdorf zu fahren und mich um meinen verunglückten Sohn Frederik in der REHA zu kümmern. Hier hatte eine mysteriöse Heilpraktikerin auf wundersame Weise mit altmodischen Methoden die vollkommene Heilung meines MRSA-Befalls vollbracht.

Die Mordserie im Allgäu riss allerdings nicht ab. Aus dem Großen Alpsee bei Immenstadt wurde die Leiche der vermissten Geschäftsführerin der Lindauer „Renommee-Consulting“ gefischt, die mit der Vergabe der Bewirtungslizenz für den neu geplanten Freizeitpark im Oytal beauftragt war. Kurz danach wurde die als nächste ausgewählte Wirtin des „Berghofs Kornau“ erhängt in Kornau gefunden.

Die Gräfin Franziska zu Hohenstein hatte sich nach ihrer Entführung in ihre Villa „Lindenhof“ in Lindau verbarrikadiert. Dennoch fand der von ihr engagierte Sicherheitschef Björn Ringhut aus Berlin eine versteckte Überwachungskamera mitten in ihrer Villa, die nicht von ihm installiert worden war.

Erneute Entführungswarnungen wurden herunter gespielt, bis tatsächlich der Neffe der Gräfin, der Geliebte meiner Enkelin Britta, aus seiner Villa in München-Grünwald verschwand.

Björn Ringhut und seine neue Assistentin Maya Rohwedder nahmen die Spur des Entführten auf. Auch ich musste Britta versprechen, ihren Verlobten heil zurückzubringen. Deshalb machte ich mich sogleich auf den Weg, einer Spur der Entführer zu folgen. Wir vermuteten den gekidnappten Gregor-Maria zu Hohenstein im fernen polnischen Gdansk.

In Demut und Reue Robert Schibulsky

Kapitel 1 - Danzig, Krantor 24.04. 19:00

Robert Schibulsky streift langsam durch die Ulica Długa, die Langgasse. Da er die letzten Sonnenstrahlen dieses schönen Abends noch ein wenig genießen möchte, ist er etwas früher zum Treffpunkt mit Björn Ringhut und dessen Assistentin Maya Rohwedder von seinem Hotel aufgebrochen.

Die Lufthansa-Maschine LH 1644 war pünktlich um 16:08 Uhr auf dem Lech-Wałęsa-Flughafen in Danzig gelandet. Wegen seines schmalen Portemonnaies ist Robert mit dem Bus 110 gefahren und hat sofort in das „SCANDIC Gdansk“ gegenüber des Hauptbahnhofs eingecheckt.

Der Pensionär ist nun von dem malerischen Stadtbild der alten deutschen Stadt so angetan, dass er kurzfristig den Grund seiner spontanen Reise vergisst. Er muss unverzüglich den Standort des entführten Freundes seiner Enkelin Britta finden, und ist auf dem Weg zum Treffpunkt mit Björn Ringhut, der bereits entscheidende Fakten hier in Polen herausgefunden hat.

Schibulsky nimmt unverzüglich sein LG-Smartphone zur Hand und schießt zum ersten Mal damit Fotos. Das Goldene Tor, die Marienkirche, das Rechtstädtische Rathaus, der Neptunbrunnen, der leider aktuell in Restaurierung befindliche Artushof, das Grüne Tor.

Robert erreicht hinter diesem Grünen Tor die Mottlau, den Nebenfluss der Weichsel, die dann nach einer großen Schleife an der Westerplatte in die Ostsee mündet, dem Schauplatz, an dem der Zweite Weltkrieg mit dem Beschuss durch das deutsche Marinekadetten-Schiff „Schleswig-Holstein“ am 1. September 1939 begann.

Er wendet sich nach Norden und erkennt in zirka dreihundert Metern Entfernung das dunkelbraune Krantor, das Brama Żuraw, den ausgemachten Treffpunkt mit den GEOCACHING-Styling-Leuten.


Er schaut auf die Uhr: 18:45 Uhr. Es ist noch etwas zu früh, und er schlendert die Fußgängerpassage am Mottlau-Ufer entlang, betrachtet die Auslagen in den Geschäften und die Gäste vor den verschiedenen Restaurants. Witzig findet er den kleinen Schaukasten, in dem „Original Danziger Goldwasser“ feilgeboten wird. Dieser Gewürzlikör mit 40 % Alkohol und feinsten Goldplättchen wurde seit 1598 von der niederländischen Firma „Der Lachs“ hergestellt. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird das Original allerdings nur noch in Nörten-Hardenberg produziert, einem kleinen Ort in Norddeutschland.

Das gotische Häckertor (Brama Straganiarska) mit seinen hellbraunen Ziegeln und den beiden achteckigen Abschlusstürmchen wurde 1481/1482 errichtet und bildet den Abschluss der Häckergasse zur Mottlau.

Robert Schibulsky wirft einen Blick durch den großen spitzen Torbogen und entdeckt dabei eine kleine unscheinbare Gedenktafel.


Er tritt näher an das gräuliche Schild heran. Ein breites Lächeln lockert das ernste Mienenspiel des pensionierten Hauptkommissars aus Bielefeld auf.

Er blickt noch einmal zum Krantor, ob er Björn Ringhut und Maya Rohwedder dort bereits ausmachen kann. Aber sie scheinen noch nicht vor Ort zu sein. Die Abendsonne lässt das Krantor friedlich erstrahlen.

Er holt seine Lesebrille aus der Westentasche und betrachtet nachdenklich die Gedenktafel. Was steht hier auf der Gedenktafel: Zbyszek Cybulski.

Tatsächlich, da steht sein Name. Nur in seltsamer, für ihn ungewohnter Schreibweise. Noch ganz in Gedanken versunken, vernimmt er plötzlich ein Klicken, ein Klicken aus mindestens fünfzig Metern Entfernung, ein Klicken, das er in seiner Dienstzeit als Hauptkommissar in Bielefeld bedauerlicherweise mehrmals gehört hatte.

Irgendwo hinter ihm wird gerade ein zerlegbares Gewehr zusammengesetzt. Robert dreht sich langsam um und schaut dabei zunächst unauffällig in den Himmel. Es sieht so aus, als verfolge er aufmerksam ein imaginäres Flugzeug. Dann senkt er blitzschnell den Blick. Auf der anderen Seite des Flusses blitzt neben dem Marinemuseum „Sołdek" im hellen Licht der letzten Sonnenstrahlen ein Gewehrlauf auf. Robert reagiert intuitiv und wirft sich augenblicklich auf die rechte Seite, gleichzeitig peitscht ein Schuss über die Wasserfläche.

Robert kracht mit voller Wucht mit seinem Schädel an die Innenkante des Backsteintorbogens. Schlagartig verdunkelt sich die Umgebung. Auch die Umweltgeräusche entfernen sich immer weiter. Alles wird rot, dann schwarz, alles verstummt. Grabesstille. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein.

* * * * *

Björn Ringhut springt athletisch aus dem Schatten des Krantors auf die Długie Pobrzeże, als der Knall der Gewehrkugel an sein Ohr gelangt. Gerade war der Sicherheitschef der CHAT Medical noch entspannt und wartet geduldig auf das Erscheinen seines Partners. Mit größter Zuversicht glaubt er an eine erfolgreiche Mission. Sie würden den entführten Gregor-Maria zu Hohenstein ausfindig machen und schnell wieder in seine Heimat zurückbringen. Und er wird eine unverschämt hohe Belohnung von der Gräfin im Allgäu einkassieren.

Jetzt wird ihm in einer Hundertstelsekunde klar, der Job wird schwerer, viel, viel schwerer. Denn wie es scheint, ist der Gegner gut gewappnet und im Bilde, dass ihm Verfolger auf den Fersen sind.

Genau auf der anderen Seite des Flusses erspähen seine Adleraugen eine Bewegung auf dem Schiff, das vor dem Schifffahrtsmuseum vor Anker liegt. Dort verschwindet ganz langsam gerade der Lauf eines Jagdgewehres hinter dem schwarzen Schornstein des Museumsschiffs „Sołdek“.

Sofort wirft der Sicherheitschef seinen Kopf herum und blickt in Richtung Robert Schibulsky, den er gerade noch am Häckertor gesichtet hatte. „Warum bleibt der Ex-Hauptkommissar denn dort stehen?“, hat Ringhut sich gerade noch gefragt. Doch der liegt jetzt auf dem Asphalt, der Oberkörper dreht sich unter den Torbogen und bleibt regungslos auf dem Rücken liegen.

Ringhut greift unbewusst zu seinem Smartphone und drückt die eingegebene Telefonnummer. Maya Rohwedder ist sofort am Apparat. „Ja, Björn, ich bin ja gleich da. Ich hänge hier noch am „Brama Stągiewna“ im Stau. Aber ich bin bestimmt gleich bei euch am „Krantor“.“

„Stopp erst mal, Maya. Hier gibt es Probleme. Ich glaube, es wurde hier gerade auf Schibulsky geschossen. Der Schütze befindet sich noch am Marinemuseum. Auf der anderen Flussseite. Versuche ihm den Weg abzuschneiden! Ich muss mich jetzt um Schibulsky kümmern!“ Ringhuts Stimme überschlägt sich. Er vergisst, das Handy auszuschalten. Maya vernimmt daher eindeutig, dass ihr Chef nun mit schnellen Schritten läuft.

„Marinemuseum?“, fragt sich Maya, ohne eine Antwort von ihrem Spiegelbild im Rückspiegel des „VARIOmobils“ zu erwarten. Blitzschnell gibt sie in ihr Navi den gesuchten Ort ein. Eine sonore Männerstimme erklärt augenblicklich: „Sie erreichen ihr Fahrziel in dreihundertsechzig Metern.“

„Was für ein Glück!“, ruft Maya und kann kaum glauben, dass sie nur noch rechts in diese Straße einbiegen muss. Sie schert aus der Autoschlange aus, überholt zwei Pkw und biegt mit quietschenden Reifen in die „Szafarnia“- zu Deutsch „Speisekammer“ - ein. Sie rast am Pier des Sportboothafens entlang.

Kurz vor der Brücke zur kleinen Insel „Ołowianka“ („Bleihof“) steigt Maya in die Eisen. Die Räder ihres Trucks blockieren. Das Gefährt kommt gerade zehn Zentimeter vor der Wand des Hotels Üodewils zum Stehen.

Sie hat auf der anderen Seite neben dem Marinemuseum einen Mann erspäht, der mit Jogging-Kleidung und großer Sporttasche gerade in ein Motorboot springt, das neben der kleinen Personenfähre am Ufer liegt.

Der Mann ist mindestens zwei Meter groß, wiegt bestimmt zweieinhalb Zentner, ist aber bei aller Wucht äußerst beweglich und sportlich. Er wirft die Tasche in den Bug des offenen Konsolenboots der Marke „Quicksilver Active 505“. Er startet den Außenbootsmotor der ca. fünf Meter langen Yacht.

Maya Rohwedder springt aus dem Caravan, erkennt aber sofort, dass sie den Hünen nicht aufhalten kann. Daher springt sie zurück in den Wagen, greift sich das lange Blasrohr, das sie sich von einer Abenteuertour am Amazonas als Andenken mitgebracht hat und als einziger persönlicher Gegenstand der Informatik-Studentin eher das Ambiente des Business-Trucks zerstört hatte. Sie schiebt eine Klebstoffpatrone ein und drückt den Peilsender in die weiche Masse, den ihr Chef gerade erst gestern von einem Freund erhalten hatte. Zum Glück hängt alles griffbereit unter dem Armaturenbrett.

Als sie wieder auf die Straße zurückspringt, braust das Motorboot mit dem flüchtenden Mann gerade an ihr vorbei in Richtung „Brama Stągiewna“ („Milchkannentor“).

Maya reißt ihr Blasrohr nach oben, zielt hinter dem Boot her und bläst mit voller Kraft. Trotz des lauten Motorgeräusches kann sie das Ploppen hören, mit dem der Sender am Heck des „Quicksilvers“ auftrifft.

An eine Verfolgung des Bootes ist im Moment wegen des starken Verkehrs nicht zu denken. Aber die Hoffnung bleibt, den Peilsender später wieder auffinden zu können.