Das Wetter ist doch das Letzte

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Das Wetter ist doch das Letzte
Font:Smaller АаLarger Aa

Stegemann

Das Wetter ist doch das Letzte

150 taz-Wahrheit-Texte


Corinna Stegemann

Das Wetter ist doch das Letzte

150 taz-Wahrheit-Texte


Für Wolfgang

© 2013 Oktober Verlag, Münster

Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des

Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

www.oktoberverlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Britta Gerloff

Umschlag: Thorsten Hartmann

Illustrationen: ©Tom

Autorenfoto: Wolfgang Weber

Herstellung: Monsenstein und Vannerdat

ISBN: 978-3-941895-90-4

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Inhalt

Superhelden

Gruseliges

Tierisches

Abenteuerliches

Außerirdisches

Berufliches

Dingliches

Ungegenständliches

Kriminologisches

Liebliches

Religiöses

Auf Seefahrt

Aus dem Wilden Westen

Aus Wissenschaft und Technik

Dies und Das

Superhelden

Das Wetter: Schleifenman

Das jährliche Treffen der Superhelden und ihrer Erzfeinde war bisher erfreulich ereignislos und friedlich verlaufen. Man stand gepflegt beisammen, schlürfte Prosecco und tauschte dabei angeregt den neuesten Klatsch aus. Doch plötzlich kam es zu einem Tumult, denn Schleifenman war auf dem Treffen aufgetaucht, dicht gefolgt von Schleifen-Wieder-Aufziehman. »Nimm dies!«, rief Schleifenman seinem Erzfeind zu und band eine große Schleife in die Vorhangschnur des Festsaales. Schleifen-Wieder-Aufziehman brüllte los wie ein verwundetes Tier, und unter lautem Wutgeheul zog er die Schleife wieder auf. So ging es stundenlang weiter. »Wer hat die denn eingeladen?«, raunte Batman dem Joker zu, doch der zuckte nur mit den Schultern.

Das Wetter: Der Rächer

Der große unbekannte Rächer mit der Narbe legte sich die Augenmaske an, warf sich den schwarzen Umhang um, vergaß auch nicht Säbel, Pistole und Peitsche, schwang sich auf sein dunkles Ross und preschte in die Nacht hinaus auf der Suche nach Opfern, die es zu rächen galt. Er preschte viele Stunden, durch Regen, Sturm und Gewitter. Doch nirgendwo fand sich ein ausgeraubter Mensch, eine beleidigte Dame oder ein gestürzter König zum Rächen. Offensichtlich waren alle Schurken und Schufte bei diesem Sauwetter daheim geblieben. Der große unbekannte Rächer mit der Narbe beschloss, es ihnen gleichzutun und künftig nur noch bei schönem Wetter rächen zu gehen.

Das Wetter: Eberhard Hood

Eberhard Hood hatte stets etwas neidisch auf seinen älteren Bruder Robin geblickt, weil der ein Held war. Eberhard Hood war Verkäufer in einem großen Textilkaufhaus und verbrachte seine Tage damit, ungeschickten Herren die seidenen Krawatten zu binden, zu denen er, Eberhard, den Herren gerade geraten hatte. Einmal aber bekam Eberhard Hood auch Gelegenheit zu einer Heldentat: Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie ein Kollege einem ahnungslosen Kunden ein unpassendes Hemd zu einem neuen Anzug aufschwatzen wollte. Mit dem lauten Schrei »Nein!!!« warf er sich dazwischen und konnte so das Schlimmste verhindern. Und von dieser Heldentat erzählte Eberhard Hood für den Rest seines Lebens immer wieder.

Das Wetter: Der Säger

Herr Bannenberg arbeitet in der Kreditabteilung der Bürgerkasse und ist klein und schmächtig, hat eine Glatze, wulstige Lippen und eine dicke Brille und wird von allen hinter seinem Rücken nur »Bannenzwerg« genannt und verachtet. Er lebt unauffällig und zurückgezogen und isst nur Tütensuppen. Niemand ahnt, dass er sich jede Nacht einen Umhang umwirft und unter dem Superschurkennamen »Der Säger« im Stadtpark daran arbeitet, mit einer Laubsäge den Erdball in zwei Teile zu sägen. Das soll seine furchtbare Rache an den Mitmenschen werden. Aber noch hat »Der Säger« das große Werk nicht vollendet. Er ist einfach schrecklich langsam. Wenn er in dem Tempo weitersägt, dauert es noch 1.678.499 Jahre, bis er die Erde durchgesägt hat.

Gruseliges

Das Wetter: Der Fluch

Sir Eustaches Esterbylt lehnte sich in seinem schweren Ledersessel zurück und sah der fiesen Mumie, die ihn von Ägypten bis hierher in sein britisches Herrenzimmer verfolgt hatte, fest in die glasigen Augen. Sir Esterbylt hatte ihre Ruhe gestört und die Grabschätze gestohlen, und nun war die Mumie wütend. Sie war bei der IG Mumien angestellt und damit arbeitsvertraglich verpflichtet, Sir Esterbylt, den Schänder ihres Grabes, bis ans Ende der Welt zu verfolgen, um ihn zu verfluchen. Viel lieber wäre sie in Ägypten liegen geblieben, aber das wäre ihr todsicher als Arbeitsverweigerung ausgelegt worden. Sir Eustaches Esterbylt brach in schadenfrohes Gelächter aus. Er wusste genau, wie man Mumien verärgerte.

Das Wetter: Knochenmann empört

Lutz Knochenmann, das alte, verstaubte Skelett, wurde langsam ungeduldig. Schon seit über drei Stunden wartete es darauf, zum Casting für die Superfilmproduktion »Die erneute Rückkehr des Urenkels der Mumie, Teil 295« vorgelassen zu werden, doch noch saßen 13 andere Skelette und 17 Zombies vor ihm auf der Wartebank. Draußen brannte die Sonne auf das Wellblechdach des Casting-Studios, und die Zombies verströmten in der drückenden Hitze einen noch widerlicheren Gestank als normalerweise. Als Lutz Knochenmann sieben Stunden später endlich an der Reihe war, musste er entsetzt feststellen: Der Casting-Manager wollte Sex von ihm. Lutz Knochenmann verließ empört das Studio.

Das Wetter: Helmut gruselt sich

Mit grimmer Miene stand Helmut vor der Geisterbahn. Vier Euro hatte er bezahlt und sich kein bisschen gegruselt. Er beschloss, es gleich noch mal zu versuchen, bezahlte abermals vier Euro, setzte sich in das Wägelchen, und los ging es. Aber was für eine Enttäuschung: Schon wieder gruselte er sich nicht. Am Ende der Fahrt schlug er dem jungen Mann zum Mitreisen wütend mit der Faust auf die Nase. Sofort kamen fünf vierschrötige Kollegen des jungen Mannes herbei, schüttelten drohend ihre Fäuste und schwangen Keulen gegen Helmut. Huh, wie Helmut sich jetzt aber gruselte. Er nahm die Füße in die Hand und rannte fort. So sehr gegruselt hatte er sich noch nie. Die acht Euro hatten sich wirklich gelohnt.

Das Wetter: Gespenster

Die Gespenster der Burg setzten sich zusammen, um mal über alles zu reden und um eine Ordnung in ihr wirres Gespuke zu bringen. Da war beispielsweise der Kopflose, der sich irrsinnig darüber aufregte, dass sich die Weiße Frau immer genau zur selben Zeit am selben Ort aufhielt wie er. Das machte ihn rasend. Und die Klagende Nonne verlangte, dass die Rote Feuerkatze ihr bitte aus dem Weg zu gehen habe, denn die Klagende Nonne litt unter einer starken Katzenallergie. Der Grausame Ritter wiederum bemäkelte am Kopflosen, dass dieser zu oft in der Nische des Schweigenden Mönchs hockte und der Schweigende Mönch dann nicht wusste, wo er hin sollte. Der Schweigende Mönch schwieg zu der ganzen Angelegenheit.

Das Wetter: Gespenster (2)

Bald zeichnete sich ab, dass die Gespenster sich nicht einigen würden, und das Gespräch drohte in einen Streit auszuarten. Der Kopflose schüttelte drohend die Faust gegen den Grausamen Ritter, die Rote Feuerkatze fauchte die Klagende Nonne an, die Weiße Frau streckte dem Kopflosen beleidigt die Zunge heraus, und die Klagende Nonne trat nach der Roten Feuerkatze, verfehlte sie aber knapp. Der Schweigende Mönch betrachtete diese gespenstische Szenerie mit traurigem Schweigen. Auch die Wimmernden Unerlösten, die die besonnensten Gespenster der ganzen Burg waren, hatten sich bisher zurückgehalten. Aber nun ergriffen sie das Wort: »Freunde«, so wimmerten sie, »Freunde, haltet ein in eurem unseligen Tun.«

 

Das Wetter: Gespenster (3)

Gerade, als die Wimmernden Unerlösten ihr Wort an den Kopflosen, die Klagende Nonne, die Rote Feuerkatze, die Weiße Frau, den Grausamen Ritter und den Schweigenden Mönch richten wollten, da hetzten der Rauchende Burggeist mit seiner Pfeife und der Herrenhuter mit seinem großen Hut herein. Sie hatten über das mitternächtliche Kegelspiel mit Totenschädeln einfach die Zeit vergessen. »Zu spät, wie immer«, wimmerten die Wimmernden Unerlösten, und die Klagende Nonne klagte: »Und die Schwarze Frau ist auch noch nicht da.« Die Weiße Frau verzog ihr Gesicht und giftete zickig: »Die kann von mir aus ruhig wegbleiben!« Der Rauchende Burggeist und der Herrenhuter murmelten eine Entschuldigung.

Das Wetter: Gespenster (Ende)

Nun waren die Gespenster – bis auf die Schwarze Frau – komplett. Und schon ging die Streiterei wieder los. Es war ein Gezeter und Geheule, dass es den Dorfbewohnern die Haare zu Berge stehen ließ. Die Wimmernden Unerlösten wimmerten: »Freunde, Freunde, aber so geht es doch nicht.« Doch niemand beachtete sie. Der Kopflose prügelte sich mit dem Grausamen Ritter, die Klagende Nonne zankte mit der Weißen Frau, die Rote Feuerkatze kratzte den Herrenhuter und der Rauchende Burggeist zog die Rote Feuerkatze am Schwanz. So ging es die ganze Nacht und auch all die folgenden Nächte, die Gespenster passten einfach nicht zueinander, aber was sollten sie machen? Nur der Schweigende Mönch schwieg beharrlich.

Das Wetter: Der Labernde Mönch

Der Labernde Mönch war das gefürchtetste aller Gespenster, die sich je auf Schloss Schreckenstein herumgetrieben hatten. Allnächtlich tauchte er auf und fing an zu labern. Ununterbrochen, ohne Punkt und Komma laberte er den Schlossbewohnern die Ohren voll. Er erzählte den langweiligsten Mist, die ältesten Geschichten, die schrecklichsten Witze – und er ließ sich einfach nicht abschütteln. Manchmal folgte er den Schreckensteinern sogar aufs Klo, oder er stand am Fußende eines Bettes und laberte so nervtötend herum, dass an Schlaf nicht zu denken war. Wie gern hätten die Schlossbewohner den Schweigenden Mönch zurückgehabt, aber der hatte beim Auftauchen des Labernden Mönches flugs das Weite gesucht.

Das Wetter: Die Höllenhöhle

Grelle Flammen zuckten durch die Höllenhöhle, und die gellenden Schreie der gemarterten Sünder mischten sich mit dem grellen Kreischen der übrigen gefolterten Sünder. Pepi saß am Amboss und übte »Sündergliedmaßenzerschlagen«. Während alle seine Mitschüler draußen spielen, Seelen fangen und in Versuchung führen durften, musste Pepi hier hocken und üben. Er fand das sehr ungerecht. Nur weil er in »Sündergliedmaßenzerschlagen« ein einziges Mal eine Vier minus bekommen hatte. Pepi seufzte und blinzelte in den Limbus. Neidisch sah er zu, wie sein bester Schulkamerad Lutz gerade ein paar ungetaufte Kinder mit einem Stock piesackte. Allzu gern würde Pepi jetzt mit Lutz zusammen durch den Limbus toben und Spaß haben. Aber nein – er musste hier hocken und Nachhilfe nehmen. Trotzig stampfte Pepi mit seinem kleinen Pferdefuß auf und raufte sich die drei goldenen Haare. Nur gut, dass Pepis Eltern noch nichts von der Fünf in »Inmenschenfahren« und dem Eintrag ins Klassenbuch wegen »Verdammt guten Betragens« wussten. Das würde sicherlich auch noch einen gewaltigen Ärger geben ...

Das Wetter: Das Phantom

Die Sonne blinzelte nur noch über den Hügel, die Fledermäuse flatterten schon herum und das Phantom räkelte sich und gähnte herzhaft. Eine lange und anstrengende Nacht stand dem Phantom bevor. Es musste schattenhaft umherschleichen und stets darauf achten, dass es immer von mindestens zwei Leuten nur halb gesehen wurde, wenn es sich durch unsagbar schmale Fensterspalten quetschte, durch Schlüssellöcher schlüpfte oder unter Türritzen hindurchglitt, um belanglose Dinge zu stehlen. Heute wollte es sich den albernen Papyrus aus dem Haus des Wissenschaftlers, ein wertloses, kleines Ölbild aus dem Landesmuseum und ein langweiliges, altes Buch aus der Universitätsbibliothek holen. Alles Zeug, mit dem das Phantom gar nichts anfangen konnte, aber die Menschen würden die wildesten Theorien über die geheimnisvollen Absichten des Phantoms entwerfen – und das war der einzige Sinn dieser sinnlosen Aktionen. Eigentlich hatte das Phantom einst Tierpfleger werden wollen, doch sein Vater hatte darauf bestanden, dass es Phantom wurde.

Das Wetter: Am Abend

Langsam dämmerte es zur Nacht und im Kinderzimmer wurde es munter. Das dreiköpfige Monster unter dem Bett erwachte und räkelte sich ausgiebig, wobei es ein gruseliges Brummen von sich gab. Dadurch erwachten nun auch die Hexe im Schrank und der Schwarze Mann neben dem Spielekoffer. Die Hexe kicherte heiser ihr böses, krächzendes Kichern und drohte dem schwarzen Mann mit dem Besen. Der trat mit dem Fuß unter das Bett, um das dreiköpfige Monster zu treffen. Das Monster jedoch packte den Fuß des Schwarzen Mannes und versuchte ihn abzureißen. Als aber der kleine Tom zu Bett gebracht wurde, da verschwanden die bösen Gesellen gleich wieder, denn nichts fürchteten sie so sehr wie kleine Kinder.

Das Wetter: Das Grauen

Das Grauen lauerte hinter einer Häuserwand und wartete darauf, dass jemand vorbeikäme, den es erfassen könnte. Es kam aber keiner, und dem Grauen wurde es langsam etwas fad. Auf die Idee, hinter einer anderen Ecke in einer etwas belebteren Gegend zu lauern, anstatt hinter einer verfallenen Fabrikwand, die mit rostigem Stacheldraht abgesperrt war, diese kluge Idee kam dem Grauen nicht, denn es war nicht das Hellste. Seine Geschwister Todesangst und Entsetzen machten sich daher auch immer wieder über das Grauen lustig und hänselten und verspotteten es, bis es zu weinen begann. Nach sieben Stunden vergeblichen Wartens traten dem Grauen Tränen der Enttäuschung in die Augen, und es ging nach Hause.