Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch

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From the series: Orbis Romanicus #12
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3.5 Zwischenresümee

Wie das Kapitel 3 dieser Arbeit verdeutlicht hat, wird die Variation, die Sprachen hinsichtlich der linearen Abfolge von Wörtern im Satz aufweisen, in der Linguistik durch unterschiedliche Faktoren zu erklären versucht. Sprachtypologisch orientierte Arbeiten unterscheiden einerseits zwischen pragmatisch und syntaktisch basierten Sprachen – wie etwa den SV-Sprachen – und nehmen andererseits an, dass jene Sprachen, die über eine freie, pragmatisch geleitete Wortstellung verfügen, keine hierarchische Satzstruktur aufweisen. Generativisten hingegen gehen von einer gleichen tiefenstrukturellen Konfiguration aller Sprachen aus. Oberflächensyntaktisch zu beobachtende Positionsveränderungen von Konstituenten implizieren dementsprechend immer Bewegungen auf tieferer Ebene. (cf. Mereu 2009, 78–79) Mittlerweile hat sich auch in generativen Arbeiten die Feststellung durchgesetzt, dass Bewegungen nicht ausschließlich durch die Syntax selbst getriggert werden: „Nicht alle overten Bewegungen hängen von syntaktischen Merkmalen ab, sondern sie können auch durch pragmatische Gegebenheiten und prosodische Präferenzen bedingt sein.“ (Haßler 2005, 64) Diese Ansicht impliziert zunächst die Notwendigkeit einer Trennung der einzelnen sprachlichen Ebenen.1 (cf. ibid.)

Für die Anhänger der Funktionalen Satzperspektive (FSP) wiederum, die sich vor allem auf Erkenntnisse aus sprachvergleichenden Arbeiten stützen, gehen semantische und informationsstrukturelle Aspekte den oberflächlichen Realisierungen der Syntax und der Prosodie voraus:

In the case of FSP, its historical preoccupation with Czech and other Slavic languages, and with contrastive studies of the grammars of these languages and English has given rise to the insight that the relation between underlying deep semantic structure (including information structure and a basic underlying ordering of sentence elements in accordance with their presumed ‚natural‘ communicative dynamism) and surface semantic/syntactic structure not only may differ from language to language, but also that there is a direction to the relation: the levels of description are ordered from deep meaning to surface syntax and sound, the former seen as essentially determining the latter. (Bolkestein 1993, 347)

Auch die Versuche, die Akzentuierung in Sätzen vorherzusehen, sind unterschiedlichen Zugängen zuzuordnen (cf. Hartmann/Winkler 2013, 5):

1 syntaxbasierte Theorien

2 semantisch-pragmatisch basierte Theorien

3 diskursorientierte Theorien

Als ein top down-Zugang innerhalb der syntaktisch basierten Theorien ist der Ansatz der nuclear stress rule zu nennen, der auf Chomsky und Halle (1968) zurückgeht und dem zufolge die größte prosodische Prominenz auf das sich am weitesten rechts befindende lexikalische Element fällt. Das bottom up-Äquivalent dieses syntaktischen Zugangs besteht in der Annahme von Fokusprojektionsregeln, die den informationsstrukturellen Status von Elementen ausgehend von der Akzentuierung vorauszusagen versuchen. Zu den semantisch-pragmatischen Theorien können die Ansätze von Bolinger (1972) und Zimmermann (2008) gezählt werden, die die Akzentuierung von der Vorhersehbarkeit eines Elements abhängig machen. Diskursorientierte Ansätze schließlich leiten die Akzentsetzung vom informationsstrukturellen Status von Referenten bei den Gesprächsteilnehmern ab. (cf. Hartmann/Winkler 2013, 5)

Ein Ansatz, der eine Art Vermittlerposition zwischen den verschiedenen Theorien einnimmt, ist jener von Fanselow (2006, 2007, 2008). In Anlehnung an Chomsky (1981) spricht sich der Autor gegen die Annahme einer direkten Relation zwischen der Informationsstruktur und der Syntax aus. Er vertritt die Position einer indirekten Verbindung der beiden Ebenen, und zwar über die Prosodie, die als Schnittstelle fungiert. So nimmt Fanselow an, dass die Information, dass eine Kategorie akzentuiert wird (und dadurch Fokus werden kann), über die Syntax läuft. (cf. Fanselow 2008, 398) Während also in einem Modell, das von einer direkten Interaktion der beiden Ebenen ausgeht, informationsstrukturelle Kategorien wie Topik und Fokus konkreten syntaktischen features entsprechen, ändern in Modellen, die von indirekten Einflüssen ausgehen, Konstituenten ihre Position, um Akzent zu bekommen2 oder um anderen Konstituenten dies zu ermöglichen.3 „[T]his movement will affect the information structure potential, given the strong link between prosody and information structure.“ (Fanselow 2008, 399) Dieser Ansicht ist auch Zubizarreta (1998), die ein direktes Zusammenspiel zwischen der Prosodie und der Syntax annimmt. In ihrem (generativen) Modell werden syntaktische Bewegungen durch die Notwendigkeit getriggert, prosodisch zulässige Elemente zu erzeugen.4

Anders formuliert heißt das: Um ein Element aus funktional-pragmatischen Gründen etwa als Fokus zu markieren, muss der Sprecher dafür Sorge tragen, dass es akzentuiert wird. Damit letzteres erfolgen kann, muss er das betreffende Element (in vielen Sprachen) an einer gewissen Position im Satz realisieren, was wiederum Veränderungen der syntaktisch unmarkierten Abfolge zur Folge haben kann. Vereinfacht ausgedrückt kann somit die Informationsstruktur als Auslöser und Zweck gesehen werden, die Prosodie und die Syntax als Mittel zum Zweck. Ähnliche Annahmen finden sich – samt ihren methodischen Konsequenzen – auch in rezenten Publikationen zu den Kategorien Fokus und Hintergrund in den romanischen Sprachen:

[T]here are arguments for assuming that at least some kinds of syntactic movement in Romance languages are driven by prosodic properties rather than the other way round. […] Given this, the design of grammatical theory must allow for bidirectionality in the syntax-phonology interface. (Dufter/Jacob 2009, 10)

Ein grundsätzlicher Konsens herrscht heute in der Ansicht, dass die wichtigste Aufgabe der Informationsstruktur darin besteht, für den Hörer eine möglichst problemlose Dekodierung zu erzielen: „[T]he central function of information structure lies in the optimization of the processing of information coded in a linguistic utterance in light of the specific discourse needs of the interlocutors at the time of the utterance.“ (Zimmermann/Onea 2011, 1652) Aus kognitiver Perspektive kann der Begriff der Informationsstruktur folglich definiert werden als

[…] that cognitive domain that mediates between the modules of linguistic competence in the narrow sense, such as syntax, phonology, and morphology, and other cognitive faculties which serve the central purpose of the fixation of belief by way of information update, pragmatic reasoning, and general inference processes. (Zimmermann/Féry 2010, 1)

Der Grund für die in den vorhergehenden Kapiteln immer wieder beobachteten problematischen Aspekte informationsstruktureller Analysen wird vor allem im Zusammenspiel von kommunikativen und formalen Aspekten von Sprache gesehen. (cf. Lambrecht 1994, 1) Sasse (1982) erklärt die problematische Beziehung zwischen Form und Funktion, die sich nicht zuletzt in den zum Teil sehr heterogenen Definitionen zentraler pragmatischer Begriffe wie Topik und Fokus manifestiert5, mithilfe von zwei konkurrierenden Prinzipien:

Es besteht […] sowohl eine Tendenz zur Favorisierung von Ausdrucksmitteln, die mehrere Funktionen (z.B. wie […] semantische und pragmatische) gleichzeitig erfüllen (Ökonomieprinzip im Dienst einer optimalen Enkodierung), als auch eine Tendenz zu einer 1:1-Entsprechung von Form und Funktion (Transparenzprinzip im Dienst einer optimalen Dekodierung). (Sasse 1982, 267)

Das Spannungsverhältnis, das sich aus den beiden Prinzipien ergibt, kann anhand des (Haupt-)Akzents illustriert werden, dem allgemein die primäre Funktion zugeschrieben wird, Fokus zu markieren. Aufgrund der Einschränkung, dass der Akzent in den hier behandelten Sprachen nicht immer die genaue(n) Fokuskonstituente(n) markiert, sondern auf den Fokusexponenten fällt, der seinen Skopus über eine, aber auch mehrere Konstituenten projizieren kann, sowie aufgrund von Spezialfällen (wie dem second occurrence focus oder fokussensitiven Partikeln), kann zwischen Fokus und grammatischer Markierung keine strikte 1:1-Korrespondenz angenommen werden. (cf. Zimmermann/Onea 2011, 1658–1659) Da es noch weitere entscheidende Faktoren für die Akzentuierung gibt, ist eine Unterspezifiziertheit von Fokus (sowie von den informationsstrukturellen Kategorien im Allgemeinen) auf der Ebene der Prosodie festzustellen. (cf. Zimmermann/Onea 2011, 1659–1660) Sieht man jedoch von diesen Fällen ab, kann – wie Kapitel 3.2 gezeigt hat – zumindest für die bislang berücksichtigten Sprachen Englisch und Deutsch eine durchaus zuverlässige Beziehung zwischen der informationsstrukturellen Kategorie des Fokus und dem (nuklearen) Pitch-Akzent als dessen grammatisches Korrelat angenommen werden.6

Ebenfalls allgemein akzeptiert ist die Ansicht, dass die Informationsstruktur als universal relevante Dimension von Sprache gesehen werden kann, während ihre Manifestationen aus sprachvergleichender Perspektive variieren. (cf. Zimmermann/Féry 2010, 1) Diese Variation bei der Markierung von informationsstrukturellen Kategorien erfordert zweifelsohne einzelsprachliche Analysen zur Interaktion zwischen den jeweiligen Dimensionen.7 (cf. Ferraresi/Lühr 2010, 1)

Für einen sprachvergleichenden Ansatz, der in Kapitel 4 für das Französische, Spanische und Italienische verfolgt wird, gibt es laut Büring (2010) nun zwei Möglichkeiten. Entweder geht man davon aus, dass eine sprachenübergreifende Theorie nicht sinnvoll ist und gibt sich damit zufrieden, dass Sprachen unterschiedliche (prosodische, syntaktische oder morphologische) Verfahren zur Markierung von informationsstrukturellen Kategorien auswählen, oder man nimmt einen „common analytical apparatus“ (Büring 2010, 177) an, der eine sprachenübergreifende Analyse erfassen kann.8

 

In den Kapiteln 2 und 3 wurde ein allgemeiner Überblick zur Informationsstruktur und ihren Schnittstellen mit der Syntax und der Prosodie gegeben. Sprachenspezifische Charakteristika wurden dabei nur vereinzelt und unsystematisch berücksichtigt. Eine genauere Analyse der romanischen Sprachen wird im folgenden Kapitel vorgenommen.

Um die in der weiteren Folge dieser Arbeit auch empirisch untersuchten Topik- und Fokus-Fronting-Strukturen adäquat analysieren zu können, wird im folgenden Kapitel 4.1 zunächst der Frage nachgegangen, welche grundsätzlichen syntaktischen, informationsstrukturellen und prosodischen Muster für die als neutral oder unmarkiert bezeichnete Abfolge in den romanischen Sprachen angenommen werden. Ziel ist ein grober Überblick über die jeweilige Schnittstelle zwischen Informationsstruktur, Syntax und Prosodie. Die Kapitel 4.2 und 4.3 widmen sich anschließend den wichtigsten Eigenschaften der Topik- bzw. der Fokus-Fronting-Struktur.

4 Zur Informationsstruktur-Syntax-Prosodie- Schnittstelle in den romanischen Sprachen
4.1 Zu den unmarkierten Mustern in den gesprochenen romanischen Sprachen

Unmarkierte Strukturen zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass sie im Vergleich zu markierten Mustern eine geringere strukturelle und kognitive Komplexität sowie eine höhere Frequenz aufweisen. (cf. Givón 1990, 947) Zur Ermittlung der kanonischen, sowohl in grammatisch-syntaktischer als auch in informationsstruktureller Hinsicht unmarkierten Wortfolge im Deklarativsatz einer Sprache werden meist potenzielle Antworten auf kontextungebundene Fragen wie Was ist passiert? oder Was gibt es Neues? herangezogen.

Aus einer diachronen Perspektive gibt es zur Frage nach der unmarkierten syntaktischen Wortstellung der romanischen Sprachen grundsätzlich zwei Standpunkte.1 Salvi (2004, 205) etwa gehört zu jenen, die annehmen, dass alle romanischen Sprachen im Laufe des Mittelalters eine Phase hatten, in der sie eine V2-Struktur aufwiesen. Gegen die Hypothese einer strengen V2-Struktur spricht sich Kaiser (2002) in seinem generativen Zugang aus. Der Autor rechtfertigt diese Ansicht durch die zu beobachtenden Unterschiede zwischen der (klassischen) V2-Struktur germanischer Sprachen (mit Ausnahme des Englischen) und der Verbstellung in den romanischen Sprachen. (cf. Kaiser 2002, 165) Für ihn gibt es keinen diachronen Zusammenhang zwischen den V2-Konstruktionen der modernen romanischen Sprachen in Interrogativsätzen und denen in Matrixsätzen der frühromanischen Sprachen, sodass heute nicht von „V2-Relikten“ gesprochen werden könne.2 (cf. Kaiser 2002, 165)

Aus heutiger synchroner Sicht ist keine der drei hier berücksichtigten romanischen Sprachen zu den V2-Sprachen zu zählen. Als unmarkierte Wortstellung gilt jeweils die Abfolge SVO.3 Für das Spanische und das Italienische kann jedoch gleichzeitig – vor allem in Sätzen mit unakkusativen Verben – auch die Abfolge VS wie in (1) unmarkiert sein.4 Streng genommen sind in der Konsequenz alle abweichenden Abfolgen, auch aufgrund ihrer im Vergleich zur Basiswortfolge in der Regel niedrigeren Frequenz, als kontextabhängig bzw. als syntaktisch und/oder informationsstrukturell markiert zu analysieren.5


(1) sp. Ha llegado Juan. / it. È venuto Gianni.

Auch auf der Ebene der Informationsstruktur ergeben sich durch die Fragen Was ist passiert? / Was gibt es Neues? Einschränkungen der potenziellen Abfolgen. Was den Informationsstatus der Konstituenten betrifft, kommen für Giurgea und Remberger (2012) als unmarkierte Deklarativsätze in erster Linie Äußerungen in Frage, die ausschließlich aus neuen, d.h. aus nicht bereits durch einen Vordiskurs gegebenen oder aus dem Kontext ableitbaren Elementen bestehen.6 Ausgeschlossen werden müssen folglich Sätze mit deiktischen Pronomen. (cf. Giurgea/Remberger 2012, 58) Als passenden Beispielsatz führen die Autoren Satz (2) an.


(2) it. È morto Fellini. (Giurgea/Remberger 2012, 59)

Neben dem Verb stellt hier auch das einzige Argument aufgrund seiner erstmaligen sprachlichen Realisierung und der Nicht-Ableitbarkeit aus dem Kontext für den Sprecher neue Information auf der Bewusstseinsebene dar. Auf der Wissensebene der Gesprächspartner handelt es sich bei der Nominalphrase vermutlich um identifizierbare Information.7

In Sätzen mit mehrwertigen Verben hingegen ist die strikte Einhaltung des Kriteriums der Neuheit sämtlicher Konstituenten im Sinne von Giurgea und Remberger bereits schwieriger. In Satz (3), der von den Autoren ebenfalls als adäquate Äußerung in einem out of the blue-Kontext gesehen wird, ist das Subjekt wiederum nicht vorerwähnt und damit neu auf der Bewusstseinsebene des Hörers.


(3) it. Un gatto ha rovesciato il vaso. (Giurgea/Remberger 2012, 63)

Der Gebrauch des unbestimmten Artikels verweist darauf, dass der konkrete Referent der initialen Konstituente für den Hörer nicht identifizierbar ist, sehr wohl aber das Konzept „Katze“.8 Das Objekt ist zwar ebenfalls nicht vorerwähnt, kann aber – im Gegensatz zum Subjekt – nicht nur als identifizierbar9, sondern auch als inferierbar10 analysiert werden. Gleiches gilt für Satz (4), in dem der Referent von el niño je nach Kontext variieren kann.11


(4) sp. Está llorando el niño. (Giurgea/Remberger 2012, 62)

Giurgea und Remberger weisen selbst darauf hin, dass auch die Fragen Was ist passiert? und Was gibt es Neues? nicht völlig kontextungebunden sind, sondern dass mit ihnen stets eine zeitliche und räumliche Einbettung (‚Was ist gerade/eben hier/dann/dort passiert?‘) gegeben ist, die durch ein implizites stage topic kodiert wird. (cf. Giurgea/Remberger 2012, 59) Wenn nun Konstituenten wie il vaso und el niño in (3) bzw. (4) als adäquate Elemente in out of the blue-Äußerungen angesehen werden, stellt sich die Frage, warum – zumindest für die gesprochene Sprache – nicht auch deiktische Pronomen, die ebenfalls zu den situationell inferierbaren Elementen gezählt werden können, in die Kategorie potenzieller Konstituenten aufgenommen werden sollten.

Nach Wehr (2000) müssen zumindest das Subjekt und das Prädikat12 neu (im Sinne von nicht vorerwähnt) sein. Die Präsenz von Objekt- und Possessivpronomen hingegen ist für die Autorin zulässig, wenn ihre Referenten, wie beispielsweise mich in der Antwort in (5), diskursalt – in diesem Fall durch das zuvor versprachlichte du – sind. (cf. Wehr 2000, 251)


(5) dt. (Was hast du denn?) – Ein Hund hat mich gebissen. (Wehr 2000, 251)

Abgesehen von der Tatsache, dass das zentrale Kriterium bei out of the blue-Kontexten gerade das Fehlen eines konkreten Vordiskurses, d.h. die Nicht-Nennung referierender Konstituenten ist13, muss hinterfragt werden, warum die Autorin dann nicht auch Subjektpronomen zu den potenziellen Elementen in all new-Sätzen zählt, da diese doch – wie etwa das Pronomen in (6) – gleichermaßen vorerwähnt sein können.


(6) dt. (Was hast du denn?) – Ich bin müde.

Um diesen in der gesprochenen Sprache hochfrequenten Satztyp nicht a priori von den unmarkierten Abfolgen auszuschließen14, sollten die in jeder „natürlichen“ Gesprächssituation kontextuell inferierbaren Personalpronomen der ersten und zweiten Person als mögliche Konstituenten in all new-Sätzen berücksichtigt werden.15 In Nullsubjektsprachen hätte dies die Konsequenz, dass die (vergleichbar hochfrequente) Abfolge VO als unmarkiert gelten würde.16

Auf der Ebene der Topik-Kommentar-Gliederung kommen für die romanischen Sprachen grundsätzlich zwei mögliche unmarkierte Abfolgen in Frage. Hier kann eine Äußerung einerseits die Abfolge Topik-Kommentar aufweisen, andererseits kann sie aber auch einem thetischen Satz entsprechen und infolgedessen nur aus einem Kommentar bestehen. Eventive Sätze, die – wie bereits in Kapitel 2.3 erläutert – ebenfalls zu den Anti-Topik-Sätzen zu zählen sind, dienen laut Féry (2010a, 3) dazu, ein Ereignis unzergliedert einzuführen. Demnach ist die grundsätzliche Frage angebracht, ob nicht ausschließlich dieser Satztyp als unmarkierte Antwort auf die Frage Was ist passiert? angenommen werden muss oder ob Sprecher auch hier die Wahl zwischen einer thetischen und einer binär strukturierten Äußerung haben.

Für Neumann-Holzschuh (1997, 83) sind kategorische Sätze mit einem out of the blue-Kontext unvereinbar: „Kategorische Äußerungen antworten nicht auf die Frage Was ist los? / Was ist geschehen?; sie sind aktantenbezogen, und die implizit oder explizit zugrundeliegende Frage ist Was tut/tat X?.“17 Auch Gutiérrez-Bravo (2008, 369) schließt die Existenz von Topiks für die unmarkierte Wortfolge aus.18 Anderer Meinung ist Bechert (1992, 9): „All-new utterances can (but need not) have a topic.“ Darin stimmt auch Wehr (2000, 256–257) überein. Bei den Äußerungen sei dementsprechend individuell zu prüfen, ob ein Topik vorhanden ist. Im Französischen sind ihr zufolge vor allem Sätze mit der Abfolge (il-)VS topiklos.19 Im Italienischen spricht für Salvi (1986, 42–43) die postverbale Realisierung des Subjekts in Sätzen wie (1) dafür, die Äußerungen – im Unterschied zu ihrem prädikativen Pendant mit der Abfolge SV – als eventiv zu analysieren. Die gleiche Ansicht wird für das Spanische vertreten. (cf. Hidalgo Downing 2003, 66)

Auf der Ebene der Fokus-Hintergrund-Gliederung schließlich ist nach dem Kriterium der Kontextungebundenheit als unmarkierter Satz eine all focus-Äußerung20 ohne Hintergrund anzunehmen.21 (cf. Gutiérrez-Bravo 2008, 369) Fälle von engem (Informations-)Fokus sind damit a priori aus dem Pool der unmarkierten Abfolgen gestrichen. Dass diese in authentischer gesprochener Sprache deutlich frequenter als all focus-Sätze sind, wird dabei vernachlässigt: „The maximal focus interpretation is probably not very common in everyday life, because people do not utter disconnected sentences out of context […].“ (Féry 1993, 29)

Als Zwischenfazit lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die neutrale Abfolge aus informationsstruktureller Sicht (en. informational word order) weniger Beschränkungen im Vergleich zur syntaktisch basierten Wortfolge aufweist. Denn während auf der Ebene der Syntax für die hier behandelten Sprachen eine unmarkierte Abfolge (S)VO bzw. auch VS (Spanisch, Italienisch) angenommen werden kann, sind durch die Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen informationsstrukturellen Dimensionen mehrere Abfolgen möglich:

 diskursiv neue (nicht vorerwähnte) Information, auch in Kombination mit kontextuell inferierbarer Information (Pronomen der 1. und 2. Person)

 thetischer/eventiver Satz oder Topik-Kommentar-Satz

 all focus-Satz

In diesem Zusammenhang kann die grundsätzliche Frage gestellt werden, inwieweit die Annahme von unmarkierten Sätzen in Form von Äußerungen in out of the blue-Kontexten für informationsstrukturelle Analysen von (authentischer) gesprochener Sprache tatsächlich einen Mehrwert bringt, ist doch für eine adäquate Analyse der Informationsstruktur, deren Mechanismen sich in der Regel erst jenseits der Satzebene manifestieren, die Berücksichtigung der konkreten Äußerungskontexte unverzichtbar. Um die Besonderheiten der in weiterer Folge genauer analysierten Topik- und Fokus-Fronting-Strukturen besser verstehen zu können, soll in den folgenden Unterkapiteln dennoch ein kurzer Überblick zu den bevorzugten syntaktischen, informationsstrukturellen und prosodischen Mustern der drei romanischen Sprachen im gesprochenen Deklarativsatz gegeben werden.22 Aus typologischen Gründen wird zunächst das Französische behandelt, woraufhin eine gemeinsame Darstellung der beiden Nullsubjektsprachen Spanisch und Italienisch erfolgt.

 
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