Weihnachtsmärchen

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drängten, um zu hören, was sie so wenig verstanden, erhel ten



sich, und al e wurden glücklicher durch dieses Mannes Tod. Das



einzige von diesem Ereignis hervorgerufene Gefühl, das ihm der



Geist zeigen konnte, war also eins der Freude.



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»Laß mich ein zärtliches, bei einem Todesfall empfundenes



Gefühl sehen«, bat Scrooge, »oder mir wird dies dunkle Zimmer,



das wir soeben verlassen haben, immer vor Augen bleiben.«



Nun führte ihn der Geist durch mehrere Straßen, die er oft



gegangen war; und indem s ie vorüberschwebten, hoffte Scrooge



sich hier und da zu erblicken, aber nirgends war er zu sehen. Sie



traten in Bob Cratchits Haus, dessen Wohnung sie schon früher



besucht hatten, und fanden dort die Mutter mit den Kindern um



das Feuer sitzen.



Alles war ruhig, alles war still, sehr still. Die lärmenden kleinen



Cratchits saßen stumm, wie steinerne Bilder, in einer Ecke und



sahen auf Peter, der ein Buch vor sich hatte. Mutter und Töchter



nähten. Aber auch sie waren stil , sehr still.



»Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte.«



»Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte.«



Wo hatte Scrooge diese Worte gehört? Der Knabe mußte sie



gelesen haben, als er und der Geist über die Schwel e traten.



Warum fuhr der Leser nicht fort?



Die Mutter legte ihre Arbeit auf den Tisch und führte die Hand



gegen die Augen.



»Die Farbe tut mir weh«, sagte sie.



Die Farbe? Ach, der arme Tiny Tim!



»Es geht jetzt wieder besser«, sagte Cratchits Frau.



»Die Farbe tut mir weh bei Licht, und ich möchte nicht, daß



Vater, wenn er heimkommt, meine roten Augen sieht. Es muß



bald Zeit sein.«



»Fast schon vorüber«, erwiderte Peter, das Buch schließend.



»Aber ich glaube, Mutter, er geht jetzt etwas langsamer als



früher.«



Sie waren wieder sehr still. Endlich sagte sie mit einer ruhigen,



heiteren Stimme, die nur ein einziges Mal zitterte:



»Ich weiß, daß er mit - ich weiß, daß er mit Tiny Tim auf der



Schulter sehr schnel ging.«



»Ich auch«, rief Peter. »Oft.«



»Ich auch«, rief Peter. »Oft.«



»Ich auch«, stimmten die andern ein.



»Aber er war sehr leicht zu tragen«, fing sie wieder an, den Blick



fest auf ihre Arbeit gerichtet, »und der Vater liebte ihn so, daß es



keine Last für ihn war -



keine Last. Doch horch: da kommt der Vater.«



Sie eilten ihm entgegen und Bob mit dem Schal - der arme Kerl



hatte ihn nötig



- trat herein. Sein Tee stand bereit, und sie drängten sich al e



herbei, und jeder wol te ihn am meisten bedienen. Dann



kletterten die beiden kleinen Cratchits auf seine Knie, und jedes



Kind legte eine kleine Wange an die seine, als wol ten sie sagen:



»Gräm dich nicht, lieber Vater, sei nicht traurig.«



Bob war sehr heiter und sprach sehr munter mit der ganzen



Familie. Er besah die Arbeit auf dem Tisch und lobte den Fleiß



und den Eifer seiner Frau und Töchter. Sie würden lange vor



Sonntag fertig sein, meinte er.



»Sonntag!« wiederholte die Frau. »Du warst also heute dort,



Robert?«



»Ja, meine Liebe«, antwortete Bob. »Ich wol te, du hättest auch



hingehen können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen,



hingehen können. Es würde dein Herz erfreut haben, zu sehen,



wie grün es dort ist. Aber 61



du wirst es oft sehen. Ich versprach ihm, sonntags hinzugehen.



Mein liebes, liebes Kind!«meinte Bob. »Mein liebes Kind!«



Er brach auf einmal zusammen. Er konnte nicht anders. Hätte er



anders gekonnt, so wären er und sein Kind einander wohl



weniger nahe gewesen.



Er verließ die Stube und ging die Treppe hinauf in ein Zimmer,



das hel erleuchtet und weihnachtsmäßig aufgeputzt war. Ein Stuhl



stand dicht neben dem Kind und man sah, daß vor kurzem



jemand dagewesen war. Der arme Bob setzte sich nieder, und



als er ein wenig nachgedacht und sich gefaßt hatte, küßte er das



kleine kalte Gesicht. Er war versöhnt mit dem Geschehenen und



ging wieder hinunter ganz heiter.



Sie setzten sich um das Feuer und unterhielten s ich; die



Mädchen und Mutter arbeiteten fort. Bob erzählte ihnen von



Scrooges Neffen und seiner außerordentlichen Freundlichkeit,



obwohl er ihn kaum ein einziges Mal gesehen habe. Er habe ihn



heute auf der Straße getroffen, und als er bemerkt, daß er ein



wenig niedergeschlagen aussähe, habe er ihn gefragt, was ihn



bekümmere.



»Hierauf«, sagte Bob, »erzählte ich es ihm, denn er ist der



freundlichste junge Herr, den ich kenne. ›Ich bedaure Sie



herzlich, Mr. Cratchit,‹ sagte er, ›und auch Ihre gute Frau.‹ -



herzlich, Mr. Cratchit,‹ sagte er, ›und auch Ihre gute Frau.‹ -



Übrigens, wie er das wissen kann, möchte ich wissen.«



»Was sol er wissen, mein Lieber.«



»Nun, daß du eine gute Frau bist«, antwortete Bob.



»Jedermann weiß das«, meinte Peter.



»Sehr gut bemerkt, mein Junge«, rief Bob. »Ich hoffe, es ist so.



›Herzlich bedaure ich Ihre gute Frau‹, sagte er. ›Wenn ich Ihnen



auf irgendeine Weise behilflich sein kann‹, setzte er hinzu, indem



er mir seine Karte gab, ›hier ist meine Adresse. Kommen Sie nur



zu mir.‹ Nun ist es nicht gerade darum«, sprach Bob, »weil er



etwas für uns tun könnte, sondern mehr wegen seiner herzlichen



Weise, daß ich mich darüber so freute. Es schien wirklich, als



habe er unsern Tiny Tim gekannt und fühle mit uns.«



»Er ist gewiß eine gute Seele«, sagte Mrs. Cratchit.



»Du würdest das noch eher erkennen, meine Liebe«, antwortete



Bob, »wenn du ihn sähest und mit ihm sprächest. Es sol te mich



nicht wundern, wenn er Peter eine bessere Stelle verschaffte.



Denkt an meine Worte.«



»Nun höre nur, Peter«, sagte Mrs. Cratchit.



»Und dann«, rief eines der Mädchen, »wird sich Peter nach einer



Frau umsehen.«



Frau umsehen.«



»Ach, sei still«, antwortete Peter lachend.



»Nun, das kann schon kommen«, sagte Bob, »doch bis dahin hat



er noch eine Menge Zeit. Aber wie und wann wir uns auch



voneinander trennen sollten, so bin ich doch überzeugt, daß



keiner von uns den armen Tiny Tim vergessen wird oder diese



erste Trennung, die wir erfuhren.«



»Niemals, Vater«, riefen alle.



»Und ich weiß«, sagte Bob, »ich weiß, meine Lieben, wenn wir



daran denken, wie geduldig und wie sanft er war, obgleich er nur



ein kleines Kind war, werden 62



wir uns nicht so leicht zanken und den guten Tiny Tim vergessen,



indem wir's tun.«



»Nein, niemals, Vater«, riefen wieder alle.



»Ich bin sehr glücklich«, sagte Bob, »sehr glücklich.«



Mrs. Cratchit küßte ihn, seine Töchter küßten ihn, die beiden



kleinen Cratchits küßten ihn, und Peter und er drückten sich die



Hand. Seele Tiny Tims, du warst ein Hauch von Gott.



»Geist«, sprach Scrooge, »etwas sagt mir, daß wir uns bald



trennen werden.



Ich weiß es, aber ich weiß nicht wie. Sag mir, wer war es, den



wir auf dem Totenbett sahen?«



Der Geist der zukünftigen Weihnacht führte ihn wie zuvor - doch



zu verschiedener Zeit, wie es ihm vorkam, und überhaupt schien



in den letzten abwechselnden Gesichtern keine Zeitfolge



stattzufinden - an die Zusammenkunftsorte der Geschäftsleute,



aber er sah sich selber nicht. Der Geist hielt sich nirgends auf,



sondern schwebte immer weiter, wie nach dem Ort zu, wo



Scrooge die gewünschte Lösung des Rätsels finden würde, bis



ihn dieser bat, einen Augenblick zu verweilen.



»Ja, dieser Hof, durch den wir jetzt eilen«, sagte Scrooge, »war



einst mein Geschäft und war es lange Jahre hindurch. Ich



erkenne das Haus. Laß mich sehen, was ich in den kommenden



Tagen sein werde.«



Der Geist stand still; die Hand zeigte anderswohin.



»Das Haus ist dort«, rief Scrooge. »Warum zeigst du



anderswohin?«



Der unerbittliche Finger nahm keine andere Richtung an.



Scrooge eilte nach dem Fenster seines Kontors und schaute



hinein. Es war noch ein Kontor, aber nicht das seinige. Die



Möbel waren nicht dieselben, und die Gestalt in dem Stuhl war



nicht die seine. Die Erscheinung zeigte nach derselben Richtung



nicht die seine. Die Erscheinung zeigte nach derselben Richtung



wie vorher.



Er trat wieder zu ihr hin und nachsinnend, warum und wohin sie



gingen, begleitete er sie, bis sie eine eiserne Pforte erreichten. Er



stand still, um sich vor dem Eintreten umzusehen.



Es war ein Kirchhof. Hier also lag der Unglückliche unter der



Erde, dessen Namen er noch erfahren sol te. Der Ort war seiner



würdig. Rings von hohen Häusern umgeben, überwuchert von



Unkraut, entsprossen dem Tod, nicht dem Leben der



Vegetation, vollgepfropft von zu vielen Leichen, genährt von



übersättigtem Genuß.



Der Geist stand inmitten der Gräber still und deutete auf eins



hinab. Scrooge näherte sich ihm bebend. Die Erscheinung war

 



noch ganz so wie früher, aber ihm war es immer, als sähe er eine



neue Bedeutung in der düsteren Gestalt.



»Ehe ich mich dem Stein nähere, den du mir zeigst«, sagte



Scrooge,



»beantworte mir eine Frage. Sind dies die Schatten der Dinge,



die sein werden, oder nur deren, die sein können ?«



Immer noch wies der Geist auf das Grab hin, vor dem sie



standen.



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»Die Wege des Menschen tragen ihr Ziel in sich«, murmelte



Scrooge. »Aber schlägt er einen andern Weg ein, so ändert sich



das Ziel. Sag, ist es so mit dem, was du mir zeigen wirst?«



Der Geist blieb so unbeweglich wie immer.



Scrooge näherte sich schlotternd dem Grabe, und wie er der



Richtung des Fingers folgte, las er auf dem Stein seinen eigenen



Namen.



EBENEZER SCROOGE



»Bin ich es, der auf jenem Bett lag?« rief er, in die Knie sinkend.



Der Finger zeigte von dem Grabe fort auf ihn und wieder zurück.



»Nein, Geist, o nein!«



Der Finger wies unveränderlich dorthin.



»Geist«, rief Scrooge, sich fest an sein Gewand klammernd, »ich



bin nicht mehr der Mensch, der ich ehedem war. Ich will ein



anderer Mensch werden, als ich vor diesen Tagen gewesen bin.



Warum zeigst du mir dies, wenn al e Hoffnung geschwunden



ist?«



Zum ersten Male schien des Geistes Hand zu zittern.



»Guter Geist«, fuhr er fort, »dein eigenes Herz legt bittend für



mich ein Wort ein und bedauert mich. Sag mir, daß ich durch ein



verändertes Leben die Schattenbilder, die du mir gezeigt hast,



ändern kann!«



Die gütige Hand zitterte.



»Ich will Weihnachten in meinem Herzen ehren, ich will



versuchen, es zu feiern. Ich will in der Vergangenheit, in der



versuchen, es zu feiern. Ich will in der Vergangenheit, in der



Gegenwart und in der Zukunft leben. Die Geister von allen dreien



sollen in mir lebendig sein. Ich wil ihren Lehren mein Herz nicht



verschließen. O sage mir, daß ich die Schrift auf diesem Stein



tilgen kann!«



In seiner Angst ergriff Scrooge die gespenstige Hand. Sie



versuchte, sich von ihm loszumachen, aber er war stark in seinem



Flehen und hielt sie fest. Der Geist, noch stärker, stieß ihn



zurück.



Wie Scrooge die bebenden Hände zu einem letzten Flehen um



Änderung seines Schicksals in die Höhe hielt, sah er die



Erscheinung sich verändern. Sie wurde kleiner und kleiner und



schwand zu einem Bettpfosten zusammen.



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Fünfte Strophe



Das Ende



Ja, und es war sein eigener Bettpfosten. Es war sein Bett und



sein Zimmer.



Und was das Glücklichste und Beste war: die Zukunft gehörte



ihm, um s ich zu bessern.



»Ich will in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der



»Ich will in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der



Zukunft leben«, wiederholte Scrooge, als er aus dem Bett



kletterte. »Die Geister von allen dreien sollen in mir lebendig sein.



Oh, Jacob Marley! Der Himmel sei dafür gepriesen und die



Weihnachtszeit! Ich sage es auf meinen Knien, alter Jacob, auf



meinen Knien.«



Er war von seinen guten Vorsätzen so durchflammt und außer



sich, daß seine bebende Stimme auf seinen Ruf kaum antworten



wol te. Während seines Ringens mit dem Geist hatte er bitterlich



geweint, und sein Ges icht war noch naß von den Tränen.



»Sie sind nicht herabgerissen«, rief Scrooge, eine der



Bettgardinen an die Brust drückend, »sie sind nicht



herabgerissen. Sie sind da, ich bin da, die Schatten der Dinge,



die da kommen, können vertrieben werden. Ja, ich weiß es, ich



weiß es gewiß.«



Während dieser ganzen Zeit beschäftigten sich seine Hände mit



den Kleidungsstücken: er zog sie verkehrt an, zerriß sie, verlegte



sie und machte damit allerhand tolle Sprünge.



»Ich weiß nicht, was ich tue«, rief Scrooge in einem Atem



weinend und lachend und mit seinen Strümpfen einen wahren



Laokoon aus sich machend. -



»Ich bin leicht wie eine Feder, selig wie ein Engel, vergnügt wie



ein Schulknabe, schwindlig wie ein Trunkener. Fröhliche



Weihnachten allen Menschen! Ein glückliches Neujahr der



Weihnachten allen Menschen! Ein glückliches Neujahr der



ganzen Welt! Hal o! Hussa! Hurra!«



Er war in das Wohnzimmer gesprungen und blieb jetzt drin ganz



außer Atem stehen.



»Da ist die Schüssel, in der der Haferschleim war!« rief Scrooge,



indem er um den Kamin herumhüpfte. »Da ist die Tür, durch die



Jacob Marleys Geist hereinkam, da ist die Ecke, wo der Geist



der diesjährigen Weihnacht saß, da ist das Fenster, wo ich die



ruhelosen Geister sah! Es ist alles richtig, es ist alles wahr, es ist



al es geschehen. Hahahaha!«



Für einen Mann, der so lange Jahre aus der Gewohnheit war,



mußte man es wirklich ein vortreffliches Lachen nennen, ein



herrliches Lachen. Es war der Vater einer langen, langen Reihe



herrlicher Lachsalven!



»Ich weiß nicht, den Wievielten wir heute haben«, rief Scrooge.



»Ich weiß nicht, wie lange ich unter den Geistern gewesen bin.



Ich weiß gar nichts. Ich bin wie ein neugeborenes Kind. Es



schadet nichts. Ist mir einerlei. Ich will lieber ein Kind sein.



Hallo! Hussa! Hurra!«



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Er wurde in seinen Freudenausbrüchen von dem Geläut der



Kirchenglocken unterbrochen, die ihm so fröhlich zu klingen



schienen, wie nie vorher. Bimbam, kling-klang, bim-bam. Nein,



schienen, wie nie vorher. Bimbam, kling-klang, bim-bam. Nein,



es war zu herrlich, zu herrlich!



Er lief zum Fenster, öffnete es und steckte den Kopf hinaus.



Kein Nebel: ein klarer, lustig-heller, frischfroher Morgen, eine



Kälte, die dem Blut einen Tanz vorpfiff, goldenes Sonnenlicht,



ein himmlischer Himmel, lieblich-erquickende Luft, fröhliche



Glocken. O wie herrlich, wie herrlich!



»Was ist denn heute für ein Tag?« rief Scrooge einem Knaben in



Sonntagskleidern zu, der unterm Fenster stand.



»Wie?« fragte der Knabe mit der al ergrößten Verwunderung.



»Was ist heut' für ein Tag, mein Junge?« fragte Scrooge.



»Heute?« antwortete der Knabe. »Nun, Christtag.«



»Es ist Christtag«, sagte Scrooge zu sich selber. »Ich habe ihn



also nicht versäumt. Die Geister haben alles in einer Nacht



erledigt. Sie können al es, was sie wol en. Natürlich, natürlich. -



Heda, mein Junge!«



»Was denn!« antwortete der Knabe.



»Kennst du des Geflügelhändlers Laden in der zweitnächsten



Straße an der Ecke?« fragte Scrooge.



»I, warum denn nicht?« antwortete der Junge.



»I, warum denn nicht?« antwortete der Junge.



»Ein gescheiter Junge«, nickte Scrooge. »Ein merkwürdiger



Junge! Weißt du nicht, ob der Preistruthahn, der dort hing,



verkauft ist? Nicht der kleine Preistruthahn, sondern der große.«



»Was, der so groß ist wie ich?« entgegnete der Junge.



»Was für ein lieber Junge!« lächelte Scrooge. »Es ist eine



Freude, mit ihm zu sprechen. Freilich wohl, mein Prachtjunge.«



»Der hängt noch dort«, antwortete der Junge.



»Ist's wahr?« sagte Scrooge. »Na, dann lauf und kaufe ihn.«



»Hat sich was«, spottete der Junge.



»Nein, nein«, sagte Scrooge, »es ist mein Ernst. Geh hin und



kaufe ihn und sag, sie sol en ihn hierher bringen, daß ich ihnen die



Adresse geben kann, wohin sie ihn tragen sollen. Komm mit dem



Träger wieder her, und ich gebe dir einen Shil ing. Kommst du



rascher als in fünf Minuten zurück, bekommst du eine halbe



Krone.«



Der Bengel verschwand wie ein Blitz.



»Ich will ihn Bob Cratchit schicken«, flüsterte Scrooge, sich die



Hände reibend und fast vor Lachen platzend. »Er soll nicht



wissen, wer ihn schickt. Er ist zweimal so groß wie Tiny Tim.



Einen Witz wie den hat's noch nie gegeben.«



Einen Witz wie den hat's noch nie gegeben.«



Als er die Adresse schrieb, zitterte seine Hand, aber er schrieb



so gut es ging und stieg die Treppe hinab, um die Haustür zu



öffnen und den Truthahn zu erwarten. Wie er dastand, fiel sein



Auge auf den Türklopfer.



»Ich werde ihn lieb haben, solange ich lebe«, rief Scrooge, ihn



streichelnd.



»Früher habe ich ihn kaum angesehen. Was er für ein ehrliches



Gesicht hat! Es ist ein wunderbarer Türklopfer! - Da ist der



Truthahn. Hal o! Hussa! Wie geht's?



Fröhliche Weihnachten!«



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Das war ein Truthahn! Er hätte nicht mehr lang lebendig auf



seinen Füßen stehen können. Sie wären - knix - zerbrochen wie



eine Stange Siegellack.



»Was, das ist ja fast unmöglich, den nach Camden Town zu



tragen!« sagte Scrooge. »Ihr müßt einen Wagen nehmen.«



Das Lachen, mit dem er dies sagte, und das Lachen, mit dem er



den Truthahn bezahlte, und das Lachen, mit dem er den Wagen



bezahlte, und das Lachen, mit dem er dem Jungen ein Trinkgeld



gab, wurde nur von dem Lachen übertroffen, mit dem er sich



gab, wurde nur von dem Lachen übertroffen, mit dem er sich



atemlos in seinen Stuhl niedersetzte und lachte, bis ihm die



Tränen die Backen herunterliefen.



Das Rasieren war keine Kleinigkeit, denn seine Hand zitterte



immer noch sehr, und Rasieren verlangt große Aufmerksamkeit,



auch wenn man nicht gerade währenddessen tanzt. Aber selbst



wenn er sich die Nasenspitze weggeschnitten hätte, würde er ein



Stückchen Pflaster darauf geklebt und sich damit zufrieden



gegeben haben.



Er zog seine besten Kleider an und trat endlich auf die Straße.



Die Leute strömten gerade aus ihren Häusern, wie er es gesehen



hatte, als er den Geist der diesjährigen Weihnacht begleitete; und



mit auf dem Rücken zusammengeschlagenen Händen durch die



Straßen gehend, blickte Scrooge jeden mit einem freundlichen



Lächeln an. Er sah so unwiderstehlich freundlich aus, daß drei



oder vier lustige Leute zu ihm sagten: »Guten Morgen, Sir,



fröhliche Weihnachten!«, und Scrooge sagte oft nachher, daß



von al en lieblichen Klängen, die er je gehört, dieser seinem Ohr



am lieblichsten geklungen hätte.



Er war nicht weit gegangen, als er denselben stattlichen Herrn auf



sich zukommen sah, der am Tage vorher in sein Kontor getreten



war, mit den Worten: »Scrooge und Marley, glaube ich.« Es gab



ihm förmlich einen Stich ins Herz, als er dachte, wie ihn wohl der



alte Herr beim Vorübergehen ansehen würde; aber er wußte,



welchen Weg er zu gehen hatte, und ging ihn.



»Lieber Herr«, rief Scrooge, schnel er laufend und den alten



Herrn an beiden Händen ergreifend. »Wie geht es Ihnen? Ich



hoffe, Sie hatten gestern einen guten Tag? Es war sehr freundlich



von Ihnen. Ich wünsche Ihnen fröhliche Weihnachten, Sir.«



»Mr. Scrooge?«



»Ja«, sagte Scrooge. »So ist mein Name und ich fürchte, er



klingt Ihnen nicht sehr angenehm. Erlauben Sie, daß ich Sie um



Verzeihung bitte! Und wol en Sie die Güte haben« hier flüsterte



ihm Scrooge etwas ins Ohr.



»Himmel!« rief der Herr, als ob ihm der Atem ausgeblieben



wäre. »Mein lieber Mr. Scrooge, ist das Ihr Ernst?«



»Wenn es Ihnen beliebt«, sagte Scrooge. »Keinen Penny



weniger. Es sind viele Rückstände dabei, ich versichere es Ihnen.



Wol en Sie die Güte haben?«



»Bester Herr«, sagte der andere, ihm die Hand schüttelnd. »Ich



weiß nicht, was ich zu einer solchen Freigebigkeit sagen sol .«



»Ich bitte, sagen Sie gar nichts dazu«, antwortete Scrooge.



»Besuchen Sie mich. - Wol en Sie mich besuchen?«

 



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»Herzlich gern«, rief der alte Herr. Und man sah, es war ihm



Ernst mit dieser Versicherung.



»Ich danke Ihnen sehr«, sagte Scrooge. »Ich bin Ihnen sehr



verbunden. Ich danke Ihnen tausendmal. Leben Sie recht wohl!«



Er ging in die Kirche, ging durch die Straßen, sah die Leute hin



und her laufen, klopfte Kindern die Wange, sprach mit Bettlern,



spähte hinab in die Küchen und lugte hinauf zu den Fenstern der



Häuser: und er fand, daß ihm alles das Vergnügen bereiten



könne. Er hätte es sich nie träumen lassen, daß ihn ein



Spaziergang oder sonst etwas so glücklich machen könnte.



Nachmittags lenkte er seine Schritte nach der Wohnung seines



Neffen.



Er ging wohl ein dutzendmal an der Tür vorüber, ehe er den Mut



hatte anzuklopfen. Endlich faßte er sich ein Herz und klopfte.



»Ist dein Herr zu Hause, liebes Kind?« sagte Scrooge zu dem



Mädchen. Ein nettes Mädchen, wahrhaftig!



»Ja, Sir.«



»Wo ist er, liebes Kind?« sagte Scrooge.



»Er ist in dem Speisezimmer, Sir, mit Madame. Ich will Sie



hinaufführen, wenn Sie erlauben.«



»Danke, danke. Er kennt mich«, sagte Scrooge, mit der Hand



schon auf der Türklinke. »Ich will gleich eintreten, liebes Kind.«



Er machte die Tür leise auf und steckte den Kopf hinein. Sie



betrachteten gerade den Speisetisch (der mit großem Aufwand



gedeckt war); denn junge Hausfrauen sind immer sehr bedacht



darauf und sehen gern alles in hübschester Ordnung.



»Fred«, rief Scrooge.



Heiliger Himmel, wie seine Nichte erschrak! Scrooge hatte in



Heiliger Himmel, wie seine Nichte erschrak! Scrooge hatte in



dem Augenblick vergessen, daß sie mit dem Fußbänkchen in der



Ecke gesessen hatte, sonst hätte er es um keinen Preis getan.



»Potztausend!« rief Fred, »wer kommt da?«



»Ich bin's. Dein Onkel Scrooge. Ich komme zum Essen. Willst



du mich hereinlassen, Fred?«



Ihn hereinlassen! Es war nur gut, daß er ihm nicht den Arm



abriß. Er war in fünf Minuten wie zu Hause. Nichts konnte



herzlicher sein, als die Begrüßung 68



seines Neffen. Und auch seine Nichte empfing ihn nicht minder



herzlich. Auch Topper, als er kam. Auch die runde Schwester,



als sie kam. Und alle, wie sie nach der Reihe kamen.



Wundervolle Gesellschaft, wundervolle Spiele, wundervolle



Eintracht, wundervolle Glückseligkeit!



Aber am andern Morgen war Scrooge früh in seinem Kontor.



Oh, er war gar früh da. Zuerst dort zu sein und Bob Cratchit



beim Zuspätkommen zu erwischen! Das war's, worauf sein Sinn



stand. Und es gelang ihm wahrhaftig!



Die Uhr schlug neun. Kein Bob. Ein Viertel nach neun. Kein



Bob. Er kam volle achtzehn und eine halbe Minute zu spät.



Scrooge hatte seine Türe weit offen stehen lassen, damit er ihn in



das Verlies eintreten sähe.



Bobs Hut war vom Kopf, ehe er die Tür öffnete, auch der Schal



von seinem Hals. Im Nu saß er auf seinem Stuhl und jagte mit



der Feder über das Papier, als wol te er versuchen, neun Uhr



einzuholen.



»Heda«, rief Scrooge, so gut es ging seine gewohnte Stimme



nachahmend.



»Was sol das heißen, daß Sie so spät kommen?«



»Es tut mir sehr leid, Sir«, sagte Bob. »Ich habe mich verspätet.«



»So?« sagte Scrooge. »Ja. Das kommt mir auch so vor. Hier



herein, wenn's gefällig ist.«



»Es ist nur einmal im Jahr, Sir«, sagte Bob, aus dem Verlies



hereintretend. »Es sol nicht wieder vorkommen. Ich war ein



bißchen lustig gestern, Sir.«



»Nun, ich will Ihnen etwas sagen, Freundchen«, sagte Scrooge,



»ich kann das nicht länger mit ansehen. Und daher«, fuhr er fort,



von seinem Stuhl springend und Bob einen solchen Stoß vor die



Brust gebend, daß er wieder in das Verlies zurückstolperte, »und



daher will ich Ihr Salär erhöhen!«



Bob zitterte und trat dem Lineal etwas näher. Er hatte einen



kurzen Gedanken, Scrooge damit eins auf den Kopf zu geben,



ihn festzuhalten und die Leute im Hof um Beistand und um eine



ihn festzuhalten und die Leute im Hof um Beistand und um eine</