Read the book: «Seewölfe Paket 27», page 19

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7.

So war es. Der Waldschrat, bärtig und trotz der Hitze mit einer Pelzmütze auf dem massigen Schädel, nickte mehrere Male, schulterte dann eine Muskete und marschierte los – nordwärts, auf das Mangrovendickicht zu.

Ob der Kerl auf die Jagd geschickt worden war oder nach Norden hin Ausguck halten sollte, war unerheblich. Aber wenn er die Bucht erreichte, würde er die beiden Schaluppen entdecken.

Hasard zog die Pistole aus dem Gürtel, Don Juan und Dan ebenfalls. Hasard nickte ihnen stumm zu und drang mit ihnen etwas nach Süden vor, dorthin, wo der Kerl vermutlich das Mangrovendickicht erreichen würde. Sie verteilten sich und gingen zwischen den Stelzenwurzeln der Mangroven in Deckung.

Der Waldschrat brach wie ein massiger Elch in das Dickicht ein und bolzte sich eine Schneise. Wo er sich nicht hindurchdrängen konnte, setzte er einen Schiffshauer ein, daß die Fetzen flogen.

Er passierte die Deckung Don Juans.

Der glitt hinter ihm hoch und donnerte ihm den Pistolengriff auf die Pelzmütze. Aus dem Ding stieg eine Staubwolke auf. Der Waldschrat grunzte, drehte sich um und starrte den schlanken großen Spanier an, als sei der selbst ein Schrat, einer mit Ochsenhörnern und funkenschnaubenden Nasenlöchern. Den Hieb mit der Pistole hatte er weggesteckt, als sei das ein freundlicher Stups gewesen.

„Chottverdomme“, murmelte er, ließ den Schiffshauer fallen, packte die Muskete mit beiden Händen unten am Lauf, schwang sie zurück und setzte zu einem Hieb an wie mit der Axt.

Da hatten inzwischen Hasard und Dan O’Flynn Zeit genug gehabt, ihrerseits zu reagieren. Dan O’Flynn befand sich hinter dem Kerl rechts in unmittelbarer Nähe der herumschwingenden Muskete. Er packte den Kolben und entriß dem Waldschrat die Waffe.

Hasard war links hinter dem Kerl aufgetaucht, der ihm in dem Moment den breiten Rücken zudrehte, als sich Dan die Muskete bereits geschnappt hatte.

Der Seewolf klopfte dem Waldschrat den Pistolengriff nicht auf die Pelzmütze, sondern an die Schläfe. Sekunden später hieb er ihm den Pistolenlauf ins Genick.

Der Waldschrat stand still, sagte „Uaahh!“, hatte plötzlich glasige Augen und sackte in sich zusammen.

Carberry und Al Conroy tauchten auf. Don Juan wischte sich den Schweiß von der Stirn und schob die Pistole wieder unter den Gurt.

„Mann“, murmelte er, „ist das ein Brocken. Der muß einen Schädel aus Eisen haben.“

„Du hättest die Pelzmütze einkalkulieren müssen“, sagte Hasard. „Wahrscheinlich ist die doppelt und dreifach abgefüttert.“

Carberry hatte sich die Pelzmütze schon gegriffen und betrachtete sie grinsend.

„Die wär was für unseren Polaraffen, den Wikinger“, sagte er. „Ob wir sie ihm als Geschenk mitbringen? Ich meine, als Ersatz für seinen verdammten Helm. Dann hätten es seine Polarläuse darunter auch wärmer.“

„Rede keinen Unsinn, Ed“, sagte Hasard streng. „Hier wird nichts geklaut. Setz ihm das Ding wieder auf, vielleicht sind tatsächlich Läuse oder Flöhe drin. Fesselt und knebelt den Kerl. Wir nehmen ihn mit an Bord.“

Carberry knallte dem Waldschrat den Pelzhut wieder auf den Schädel, und eine zweite Staubwolke stieg auf. Der Profos hustete und wedelte mit der Hand.

„Die sollte mal gewaschen werden“, murmelte er.

Sie mußten den Waldschrat zu viert an Bord schleppen, wo sie ihn mittschiffs an Deck packten und zusätzlich mit Leinen an Klampen vertäuten. Sicher war sicher, denn der Kerl mußte über die Kraft mehrerer Ochsen verfügen, wie der gebaut war.

Hasard spähte noch einmal zum Lagerplatz der Mijnheers. Dort war nichts bemerkt worden. Sie errichteten gerade ein viertes Zelt. Über der Feuerstelle hing an einem Dreibeingestell ein mächtiger Eisenkessel. Weiteres Feuerholz wurde gehackt. Alle Kerle befanden sich an Land. Der stiernackige Kerl mit dem Hackklotzkinn war mit zehn Axtmännern zu den Muskatnußbäumen gestiefelt und tönte dort herum.

Hasard kehrte an Bord zurück und gab knapp seine Anweisungen. Es war soweit. Bei dem ablandigen Wind konnten sie noch in der Bucht die Segel setzen und hintereinander auslaufen. An Backbord und Steuerbord der beiden Schaluppen waren jeweils drei Drehbassen auf den Schanzkleidern montiert. Auf beiden Seiten waren sie feuerbereit. Ferner stand auf beiden Schaluppen noch einmal je eine Drehbasse vorn und achtern, ebenfalls bereits geladen und klar zum Schuß.

Als die beiden Schaluppen auf Kurs lagen, südwärts, Abstand zur Küste etwa vierzig Yards, waren nur ihre beiden Rudergänger und jeweils ein Mann zur Bedienung der Schoten zu sehen – auf der vorderen Schaluppe Hasard und Carberry, auf der folgenden Schaluppe Don Juan und Al Conroy. Es wirkte, als seien auf jeder Schaluppe nur zwei Mann an Bord, denn die anderen Mannen lagen in der Deckung des Schanzkleides auf der Steuerbordseite.

Die Segel waren auf halben Wind getrimmt, die beiden Einmaster liefen gute Fahrt über Backbordbug und näherten sich rasch ihrem Ziel.

Tatsächlich wurden sie ziemlich spät gesichtet. Verwunderte Rufe ertönten an Land – zunächst keineswegs alarmierend, denn da segelten ja „nur“ zwei Schiffchen heran, besetzt mit je zwei Kerlen, die dumm zu glotzen schienen, offenbar überrascht von dem, was sich ihren Blicken darbot.

Doch das änderte sich jäh, als der schwarzhaarige Riese an der Pinne der vorderen Schaluppe einen knappen Befehl rief. Plötzlich fuhren am Steuerbordschanzkleid vier Gestalten noch – dort, wo die Drehbassen in den Halterungen steckten. Und schon schwenkten sie die Läufe, zielten kurz, es krachte, und drei weißrote Blitze rasten aus den Mündungen.

Die Mijnheers standen starr und stumm.

Die Ladungen der drei Drehbassen hieben krachend und berstend in die auf den Strand geschobenen Schaluppen. Holzfetzen wirbelten durch die Luft. Bei einer Schaluppe waren Heck und Ruder zertrümmert. Zwei Kerle brüllten und wankten, getroffen von irgendwelchen herumfliegenden Holzsplittern.

Jetzt brüllten sie alle wie die Stiere. Einige hatten sich zu Boden geworfen. Der stiernackige Kerl mit dem Hackklotzkinn stürmte axtschwingend von den Muskatnußbäumen zum Strand, die anderen zehn Kerle hinter ihm her.

Als sie die Feuerstelle mit dem Kessel passierten, wurde die achtere Drehbasse der vorderen Schaluppe abgefeuert. An ihr stand ein fürchterlicher Kerl mit zernarbtem wilden Gesicht, jener, der vorher die Schoten bedient hatte. Sein Schuß hieb mit seltsamem Laut in den brodelnden Kessel, schmetterte ihn vom Dreibein und verteilte heiße Suppe. Da wurde gejault. Qualm stieg von der Feuerstelle auf.

Der Hackklotzkerl hüpfte auf einem Bein herum und hielt sich das andere mit beiden Pranken fest – kochende Suppe kann ganz schön schmerzhaft sein. Er jaulte ebenfalls. Seine Axt war einem anderen Kerl auf die Zehen geflogen. Der tanzte auch herum und heulte den Himmel an.

Mit der Suppe war’s vorerst Essig. Außerdem hatte der Kessel zwei mächtige Löcher, wüst gezackt und kaum reparierbar. Da würde der Kesselflicker kaum noch Spaß dran haben und das Ding als Schrott bezeichnen.

Indessen stand jetzt die achtere Schaluppe querab vom Schauplatz. Und auf ihr wurden die Drehbassen in dem Moment abgefeuert, als sich ein paar der Kerle berappelt und zu den Musketen gegriffen hatten, um auf die Frechlinge zu schießen.

Bei den vier Schüssen war eine gehackte Ladung dabei – rostige Nägel und Splinte. Abgebrochene Feilen und sonstige Metallstücke. Diese Ladung streute und erfaßte jene Gruppe, die mit den Musketen hantierte. Da war Holland in Not.

Und bei den vier Schaluppen flogen erneut die Holzfetzen. Ein Mast neigte sich splitternd und knirschend, stürzte auf die Zelte und schlug sie platt. Kein ganz plattes, aber ein krummes Kreuz hatte einer der Kerle, der sich fluchend aus den Zelttrümmern wühlte. Wenn er dort ein Nickerchen gehalten hatte, dann war ihm das gründlich vermiest. Er taumelte gramgebeugt und krumm, sich das Kreuz reibend, über den Sand, prallte gegen den immer noch hüpfenden Häuptling, und der verbat sich das, indem er das Hüpfen einstellte und ihm das Hüpfbein in den Hintern trat.

Mit dem Kopf voran sauste der Gramgebeugte gegen den durchlöcherten Kessel, daß es nur so schepperte. Der auf diese Weise fortgekickte Kessel rollte ins Wasser. Dem Gramgebeugten blutete der Kopf, weil er mit dem gegen die zerfransten Zacken des Ausschußloches gestoßen war. Da herrschte keine Freude.

Nein, da war alles durcheinander, sozusagen chaotisch. Die Suppe war zum Teufel, der Kessel ebenso. Der Suppeninhalt samt Fleischbatzen verschmorte stinkend auf der Feuerglut, die Zelte bildeten samt Mast einen Wirrwarr von Stangen, Segeltuch und Spannleinen, und zumindest zwei. Schaluppen – die mastlose und jene, die kein Heck und Ruder mehr hatte – waren derart ruiniert, daß sie nicht benutzt werden konnten. Und es gab jede Menge Verletzte, solche mit Brandblasen und solche, die Splittern oder der gehackten Drehbassenladung im Wege gestanden hatten.

Das alles fand sich zusammen in einem wüsten Gebrüll von Wut, Zorn, Schmerz und Rachegelüsten, aber den letzteren konnte nicht genügt werden, weil zu spät reagiert wurde. Die beiden Schaluppen befanden sich bereits außerhalb der Musketenschußweite, und die Drehbassen an Bord der eigenen Schaluppen waren im Moment nicht einsatzbereit, kein Wunder bei der Wuhling.

Hasard drehte sich grinsend zu Don Juan auf der achteren Schaluppe um und reckte die Faust mit ausgestrecktem Daumen hoch. Don Juan zeigte die gleiche Gebärde. In seinem braungebrannten Gesicht blitzten die weißen Zähne. Jawohl, das war ein Hammer gewesen, und sein Schlag hatte voll gesessen. So schnell würden die Mijnheers nicht daran denken, Muskatnußbäume zu fällen. Sie hatten zur Zeit genug mit sich selbst zu tun. Die Frage lautete, wie schnell sie Gegenmaßnahmen ergriffen.

Für einen kurzen Moment erwog Hasard, auf Gegenkurs zu gehen und den Drehbassenbeschuß zu wiederholen. Aber da würden die Kerle bestimmt mit Musketen antworten, aus irgendwelchen Deckungen heraus, und da wurde es dann riskant für die Arwenacks. Nein, es war besser, bei der festgelegten Taktik zu bleiben und erst einmal abzuwarten, ob ihnen die Kerle folgten.

Er ließ halsen und segelte wieder nach Norden hoch, um bei einer Verfolgung über dem Gegner zu liegen. Don Juan hängte sich an.

Bei den Mijnheers herrschte Betrieb. Sie waren mit ihren vier Schaluppen beschäftigt, offenbar um festzustellen, welche noch einsatzfähig waren. An Bord der Arwenacks waren die Drehbassen bereits wieder nachgeladen und feuerbereit.

„Gut gemacht, Freunde!“ lobte Hasard. „Und wem ist der Schuß ins Heck der einen Schaluppe gelungen? Das müßte mit Rum belohnt werden.“

Die beiden Jung-Killigrews grinsten bis zu den Ohren.

„Philip und mir!“ tönte Jung-Hasard und wischte sich eine Haarsträhne aus den Augen, schielte zum Profos und fügte hinzu: „Aber der Schuß in den Suppenkessel war ganz große Klasse und müßte genauso belohnt werden, Señor Capitán.“

Da strahlte der Profos, dem es immer ganz warm ums Herz wurde, wenn es gerecht zuging, und er rechnete es den beiden Bürschchen hoch an, sehr sehr hoch, daß sie den Kapitän auf seinen Treffer verwiesen. Tatsächlich hatte er den Mijnheers die Suppe verhageln wollen und auf den Kessel gezielt. Ja, und außerdem wußten diese beiden ausgekochten Jung-Wölfe sehr genau, wie gern ihr Profos einen kleinen Rum gluckerte, der aber ruhig nicht so klein zu sein brauchte, daß er bereits im Mund verdunstete.

„Äähh“, sagte Vater Hasard, ein bißchen überrumpelt, faßte sich aber schnell und sagte: „Ihr habt alle gut geschossen, also gibt’s auch Rum für alle. Haben wir welchen an Bord, Ed?“

„Haben wir, Sir, haben wir!“ Und schon sauste der Profos in die kleine Pantry.

Daß er dort schon einen zur Brust nehmen würde, um zu „prüfen“, ob die Buddel auch keine „Kuhjauche“ oder Schlimmeres enthielt, das war Hasard klar. Aber er täuschte sich. Denn der Profos schoß mit der gleichen Geschwindigkeit aus der Pantry, die Buddel in der Rechten, und in dieser Buddel fehlte keine Fingerbreite. Sie war randvoll bis zum Korken.

Sehr wohl hatte der Profos die Überraschung seines Kapitäns und dessen prüfenden Blick auf die Buddel bemerkt und gedeutet.

Und so dröhnte er denn: „Sir, dir gebührt der erste Schluck der Prüfung, ob dieser Rum auch keine Kuhjauche ist, von Kakerlakenpisse ganz abgesehen!“

Da hatte der Profos seinen Kapitän ganz schön durchschaut und seinen diesbezüglichen Gedankengang nachvollzogen, sogar bis auf den Ausdruck „Kuhjauche“!

Oh, dieses Schlitzohr von Profos! Und wie er grinste. Aber dieses Grinsen gefror, und da wandte auch Hasard den Blick zu jener Stelle, zu der Carberry starrte.

Ach ja! Der Waldschrat!

Der war wieder in die Gegenwart zurückgekehrt, hatte einen Blick drauf, der glühender Holzkohle nicht unähnlich war, und bäumte sich auf.

Knacks!

Mit einem häßlichen Laut brachen die Klampen aus dem Deck, als seien sie dort nicht verankert gewesen, sondern nur mit Spucke festgeklebt worden.

Und schon schnellte der Waldschrat hoch und stand auf den Planken, allerdings noch die Pranken vor dem Körper gefesselt. Diese Fesseln waren jetzt fällig, um gesprengt zu werden.

Aber da war Carberry an ihm dran. Die Rumbuddel hatte Hasard blitzschnell auffangen müssen. Und der Profos nahm Maß, ein wildes Grinsen auf dem vernarbten Gesicht, schwang die Rechte zurück, sagte „Uuhh!“, so daß ihn der Waldschrat verdutzt anstierte – und schon flog der Profoshammer von rechts unten hoch. Das war ein Huftritt. Die Faust aus Eisen traf die besondere Stelle am Kinn.

Bei dem Waldschrat mit dem granitharten Schädel war diese Stelle aus Glas. Er brach zusammen, als habe ihn eine der Äxte getroffen, mit denen sie die Muskatnußbäume umlegten. Das heißt, ihm flog der Kopf ins Genick, und so verharrte er Sekunden mit zitternden Schenkeln, bevor er zusammensackte.

„Schlage vor, Sir“, sagte Carberry und massierte sich die Handknöchel der Rechten, „wir binden diesen pelzbemützten Affenarsch mit Trossen an den Mast, damit Ruhe ist.“

„Und wenn er den Mast aus dem Kielschwein rupft?“ fragte Hasard, denn fast stand zu erwarten, daß dieser unheimliche Kraftmensch auch das fertigbrachte.

Carberry winkte ab. „Keine Sorge, Sir, der hat ein schwaches Kinn. Sobald er wieder blinkert und unleidig wird, haue ich ihm was auf dieselbe Stelle. Mit der Zeit merkt er dann, daß ihm Blinkern und Unleidigsein nichts einbringen, sondern nur wehtun. Dafür verbürge ich mich.“

„Dein Wort in das Ohr des Herrn“, sagte Hasard. „Du hast den ersten Schluck, Ed!“ Und er reichte dem Profos die Buddel.

Da sagte keiner was, als der Profos den Inhalt um ein ganzes Viertel verkürzte. Hatte er sich das nicht verdient? Dann ging die Buddel reihum. Und auch drüben auf der anderen Schaluppe befeuchteten Don Juan und seine Mannen die Kehlen.

An die zehn Kabellängen lagen jetzt die beiden Schaluppen nordöstlich des Landeplatzes der Holländer im Wind und warteten ab, was sich tat.

Carberry, Dan O’Flynn und Stenmark schleppten den Waldschrat zum Mast, wuchteten ihn hoch, und dann wurde der schwere Brocken verzurrt – mit kräftigen Ankerleinen, die sie um ihn und den Mast wickelten.

Im vergrößerten Maßstab glich das Ganze einem Talking, wie man ihn mit Kabelgarn auf ein Tauende setzte, damit es nicht aufdröselte. Carberry meinte in seiner sinnigen Art, jetzt gleiche der Kerl „’ner eingewickelten Mumie“, ein Vergleich, der gar nicht so verkehrt war. Jedenfalls steckte der Waldschrat nunmehr in einer Art Tauhülle und verschmolz auf innige Weise mit dem Mast.

Am Landeplatz der Mijnheers wurden zwei Schaluppen ins Wasser geschoben und von etwa je zehn Kerlen bemannt. Sie setzten Großsegel und Fock und hantierten an den Drehbassen. Die anderen Kerle an Land – zum Teil trugen sie Verbände – waren damit beschäftigt, aufzuräumen und die Zelte wieder aufzubauen.

Hasard nickte grimmig: die gaben noch nicht auf, und sie gingen zum Gegenangriff über, klarer Fall, sie waren spitz darauf, es den Burschen auf den beiden Einmastern heimzuzahlen. Und da stand ja schon mal fest, daß sie denen zahlenmäßig überlegen waren.

Hasard winkte Don Juan zu, die vereinbarte Position einzunehmen – etwas achterlicher als dwars an Steuerbord von Hasards Schaluppe. Beide Schiffe bildeten also eine Staffel, das heißt, sie liefen in schräger Linie hintereinander – eine Gefechtsformation, die es ihnen unter Umständen erlaubte, den Gegner in die Zange zu nehmen. Dieser Gegner segelte ihnen zur Zeit in Kiellinie hinterher.

Auf allen vier Schaluppen standen die Segel bei nördlichem Kurs und halbem Wind voll und bei und waren so getrimmt, daß sie bei diesem Kurs ihre schnellstmögliche Geschwindigkeit liefen.

Hasard gewann den Eindruck, daß die Gegner nicht aufholten, sondern im Gegenteil etwas zurückfielen. Sollten die beiden Einmaster der Mijnheers tatsächlich langsamer sein, dann war das für die Arwenacks ein Vorteil, der ihre zahlenmäßige Unterlegenheit wieder aufhob, ja, es lag bei ihnen, den Handlungsablauf zu bestimmen. Das war wirklich ein entscheidender Vorteil.

Die Aktivitäten an Bord seiner Schaluppe hatte Hasard darauf abgestimmt, daß Carberry, Stenmark und Dan O’Flynn für die Arbeit an den Drehbassen zuständig waren, während die beiden Junioren Großschot und Fockschot bedienten und somit für die Segelmanöver zur Verfügung stehen mußten.

Er schaute zu Don Juan hinüber und hob dämpfend die Hand, um anzudeuten, daß die Fahrt verlangsamt werden solle.

Drüben bei Don Juan trat Al Conroy an die achtere Drehbasse und richtete sie ein. Auch das war vereinbart. Der Waffen- und Stückmeister der Arwenacks sollte – wann und wie immer auch möglich – den Gegner mit Weitschüssen nerven. Wenn er Treffer erzielte, um so besser.

Noch befanden sich die beiden Gegner-Schaluppen außerhalb der Kernschußweite von Drehbassen. Aber Hasard wußte, daß Al Conroy die Pulvermenge in der herausnehmbaren Kammer des Hinterladers höher bemessen hatte als sonst üblich. Das war riskant, aber Al Conroy war nicht der Mann, der des Guten zuviel tat. Er bemaß die Pulvermenge so, daß nicht die Gefahr eines Auseinanderfliegens der Kammer oder des Verschlußstücks bestand.

Al Conroy peilte zur vorderen Gegner-Schaluppe, visierte, kippte den Lauf an und führte die Lunte ans Zündloch der Pulverkammer.

Bumm!

Man konnte mit bloßem Augen die gekrümmte Flugbahn der Kugel verfolgen. Sie stieg leicht an bis zu ihrem Scheitelpunkt und senkte sich wieder, einen feinen Rauchschweif hinter sich herziehend. Die Mijnheers stierten. Dem Rudergänger auf der vorderen Schaluppe war das heransausende Ding nicht geheuer. Er fiel aber nicht nach Steuerbord ab, um die schmale Silhouette zu bieten, sondern luvte nach Backbord an und präsentierte damit die Steuerbordseite.

Sein Kapitän – es war der stiernackige Hackklotzmensch – brüllte ihm etwas zu, was man durchaus mit „Idiot!“ übersetzen konnte.

Die Kugel krachte unterhalb des Schanzkleides etwa in Höhe des Mastes in die Bordwand der Steuerbordseite. Dort verschwand sie im Schiffsinneren, und man hörte es rumpeln, als sei etwas umgestoßen worden.

Die Kerle fluchten wie die Fuhrknechte. Der Kapitän sprang selbst ans Ruder und zeigte einmal mehr, daß er zur Gilde der Wüteriche gehörte, die immer gleich handgreiflich wurden. Der Rudergänger wurde mit einem Schlag abgeräumt und segelte über Deck, wo er einen zweiten Kerl umriß, bevor er selbst die Planken küßte.

Fürwahr, es herrschten rauhe Sitten bei den Mijnheers.

Zur Zeit war das Loch in der Bordwand nicht unbedingt lebensgefährlich, da es an die drei Handbreiten über der Wasserlinie lag. Aber wenn die Schaluppe stark nach Steuerbord krängte, würde die Sache schon anders aussehen, es sei denn, man schlug einen entsprechenden Rundkeil in das Loch und besserte so den Schaden aus.

Aber der Treffer hatte eine moralische Wirkung. Die Wut der Mijnheers stieg auf Siedehitze. Bisher hatten sie ständig Dresche bezogen und noch kein einziges Mal zurückgezahlt. Der Schuß des Gegners animierte sie, gleiches zu versuchen. Und auch ihnen war bekannt, daß man die gewöhnliche Schußweite mit mehr Pulver vergrößern kann.

Wut macht blind, sagt man. Und mit dieser Blindheit verloren sie das Maß für eine noch vertretbare Pulvermenge. Es handelte sich um die Bugdrehbasse der vorderen Schaluppe.

Ihre Pulverkammer explodierte mit einem infernalischen Krach, als sie von einem der Kerle gezündet wurde. Der ganze schwenkbare Hinterlader flog auseinander und schleuderte seine verschiedenen Teile nach allen Seiten. Wohlgemerkt, das waren Teile aus Eisen, nicht aus Watte. Dementsprechend war die Wirkung, nämlich verheerend. Sie hatten auch ziemlich gedrängt da vorne gestanden. Fünf Kerle riß es von den Füßen, zwei taumelten nach achtern.

Einer kippte außenbords, wurde jedoch von der hinterhersegelnden Schaluppe wieder aus dem Wasser gefischt. Das Großsegel hatte einen Riß, der sich Sekunden später ratschend erweiterte.

In die Wuhling hinein setzte Al Conroy seinen nächsten Schuß, und der schlug haargenau in die Wasserlinie auf der Steuerbordseite. Sicher, das war nun wirklich ein Zufallstreffer, aber wenn Al Conroy selbst bescheiden bemerkte, auch ein blindes Huhn finde manchmal ein Korn, dann war das stark untertrieben. Schließlich war auch sein erster Schuß ein Treffer gewesen.

Fast augenblicklich begann die Schaluppe Schlagseite nach Steuerbord zu zeigen. Und da acht Kerle nahezu auf Anhieb ausgefallen waren – zwei waren tot, die anderen mehr oder weniger verletzt –, geschah in der Panik überhaupt nichts, um den Wassereinbruch noch abzudämmen. Es herrschte Zustand, und als drei Kerle einfach außenbords sprangen und zu der anderen Schaluppe schwammen, gab’s kein Halten mehr, auch wenn sich der Kapitän die Kehle heiser brüllte. Die Mijnheers meldeten sich von Bord, aber nicht vorschriftsmäßig: sie drehten ihrem Kapitän lediglich die Kehrseite zu, bevor sie hüpften.

Nun ja, das Zudrehen der Kehrseite bedeutete bildlich gesprochen: Du kannst mich mal!

Der Hackklotz schüttelte drohend die Faust, aber das konnte auch dem Gegner gelten. Dann folgte er seinen Mannen, denn er hatte nicht die heldische Absicht, mit seinem Schiff unterzugehen.

Hasard und Don Juan lagen mit ihren Schaluppen längst wieder im Wind, um den Gang der Ereignisse abzuwarten. Sie konnten sehr gelassen abwarten, denn auch diese Runde war an sie gegangen.

Sie wahrten das fair play und griffen nicht an, während die Schiffbrüchigen aus dem Wasser geborgen wurden. Mit seiner Ritterlichkeit warf Philip Hasard Killigrew Perlen vor die Säue, aber er konnte nicht aus seiner Haut.