Read the book: «Dracula»

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Bram Stoker

Dracula

Vollständige Deutsche Fassung

Bram Stoker

Dracula

Vollständige Deutsche Fassung

(Dracula)

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021

Übersetzung: Heinz Widtmann

Fußnoten und Übersetzung: Jürgen Schulze

EV: M. Altmann, Leipzig, 1926

6. Auflage, ISBN 978-3-954180-08-0

www.null-papier.de/dracula


null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Edi­to­ri­sche An­mer­kung

Le­ben und Werk

VORWORT

ERSTES KAPITEL

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

ZWEITES KAPITEL

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

DRITTES KAPITEL

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

VIERTES KAPITEL

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

FÜNFTES KAPITEL

Brief von Frl. Mina Mur­ray an Frl. Lucy Wes­ten­raa.

Brief von Frl. Lucy Wes­ten­raa an Frl. Mina Mur­ray

Brief von Frl. Lucy Wes­ten­raa an Frl. Mina Mur­ray

Dr. Se­wards Dia­ri­um

Brief von Quin­cey Mor­ris an Herrn Ar­thur Holm­wood.

Te­le­gramm von Ar­thur Holm­wood an Quin­cey P. Mor­ris.

SECHSTES KAPITEL

Mina Mur­rays Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Mina Mur­rays Ta­ge­buch

SIEBENTES KAPITEL

Aus­schnitt aus dem »Dai­ly­graph« vom 8. Au­gust.

Log­buch der »De­me­ter«

Mina Mur­rays Ta­ge­buch

ACHTES KAPITEL

Mina Mur­rays Ta­ge­buch

Brief. Sa­mu­el F. Bil­ling­ton & Sohn, Sach­wal­ter, Whit­by, an Her­ren Car­ter, Pa­ter­son & Co., Lon­don

Brief. Her­ren Car­ter, Pa­ter­son & Co., Lon­don, an Her­ren Bil­ling­ton & Co., Whit­by

Mina Mur­rays Ta­ge­buch

Brief. Schwes­ter Aga­the, Jo­seph- und Ma­ri­en-Ho­spi­tal, Bu­da­pest, an Fräu­lein Mina Mur­ray

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

NEUNTES KAPITEL

Brief. Mina Har­ker an Lucy Wes­ten­raa

Brief. Lucy Wes­ten­raa an Mina Har­ker

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Lucy Wes­ten­raas Ta­ge­buch

Brief. Ar­thur Holm­wood an Dr. Se­ward

Te­le­gramm. Ar­thur Holm­wood an Dr. Se­ward

Brief von Dr. Se­ward an Ar­thur Holm­wood

Brief. Abra­ham Van Hel­sing, Dr. med., Dr. phil., Dr. lit. etc., an Dr. Se­ward.

Brief. Dr. Se­ward an Herrn Ar­thur Holm­wood

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Te­le­gramm. Dr. Se­ward, Lon­don, an Van Hel­sing, Ams­ter­dam

Te­le­gramm Dr. Se­ward, Lon­don, an Van Hel­sing, Ams­ter­dam

Te­le­gramm. Dr. Se­ward, Lon­don, an Van Hel­sing, Ams­ter­dam

ZEHNTES KAPITEL

Brief. Dr. Se­ward an Ar­thur Holm­wood

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Lucy Wes­ten­raas Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

ELFTES KAPITEL

Lucy Wes­ten­raas Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Lucy Wes­ten­raas Ta­ge­buch

»The Pall Mall Ga­zet­te«, 18. Sep­tem­ber.

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Te­le­gramm. Van Hel­sing, Ant­wer­pen, an Se­ward, Car­fax.

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Me­mo­ran­dum, hin­ter­las­sen von Lucy Wes­ten­raa.

ZWÖLFTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch.

Brief. Mina Har­ker an Lucy Wes­ten­raa.

Be­richt von Pa­trick Hen­nes­sey, Dr. med., Mit­glied der K. Ärzt­li­chen Ge­sell­schaft, k. Rat etc. etc., an John Se­ward, Dr. med

Brief. Mina Har­ker an Lucy Wes­ten­raa

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

DREIZEHNTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch.

Mina Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

»The West­mins­ter Ga­zet­te« 25. Sep­tem­ber. Das Ge­heim­nis von Hams­tead.

»The West­mins­ter Ga­zet­te«. 25. Sep­tem­ber. Ex­trablatt

VIERZEHNTES KAPITEL

Mina Harkers Ta­ge­buch.

Brief. Van Hel­sing an Frau Har­ker

Te­le­gramm. Frau Har­ker an Van Hel­sing

Mina Harkers Ta­ge­buch

Brief. Van Hel­sing an Frau Har­ker

Brief. Frau Har­ker an Van Hel­sing

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

FÜNFZEHNTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

No­tiz von Van Hel­sing im Ber­ke­ley-Ho­tel im Hand­kof­fer zu­rück­ge­las­sen, für John Se­ward, Dr. med., be­stimmt

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

SECHZEHNTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

SIEBZEHNTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

ACHTZEHNTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

NEUNZEHNTES KAPITEL

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

ZWANZIGSTES KAPITEL

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Brief. Mit­chell Söh­ne & Can­dy an Lord Go­dal­ming

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Wie­der­ga­be ei­nes Ge­sprä­ches, von Van Hel­sing in Dr. Se­wards Pho­no­gra­fen ge­spro­chen

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

FÜNFUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Te­le­gramm. Ru­fus Smith, Lloyd, Lon­don, an Lord Go­dal­ming, zu Hän­den des k. Vi­ze­kon­suls, Var­na

Dr. Se­wards Ta­ge­buch.

Te­le­gramm. Ru­fus Smith. Lloyd, Lon­don, an Lord Go­dal­ming, zu Hän­den des k. Vi­ze­kon­suls, Var­na.

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

SECHSUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

Mina Harkers Denk­schrift

Mina Harkers Ta­ge­buch

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Mina Harkers Ta­ge­buch

SIEBENUNDZWANZIGSTES KAPITEL

Mina Harkers Ta­ge­buch

Abra­ham van Hel­sings Me­mo­ran­dum

Jo­na­than Harkers Ta­ge­buch

Dr. Se­wards Ta­ge­buch

Dr. Van Hel­sings Me­mo­ran­dum

Mina Harkers Ta­ge­buch

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Editorische Anmerkung

Die­ser Text ba­siert auf fol­gen­der Aus­ga­be:

Dra­cu­la : Ein Vam­pyr-Ro­man / Bram Sto­ker. Au­to­ris. Übers. aus d. Engl. von Heinz Widt­mann, 2. u. 3. Aufl., Leip­zig, 1926: M. Alt­mann

Er wur­de kom­plett über­ar­bei­tet, der neu­en deut­schen Recht­schrei­bung von 2006 an­ge­passt und mit er­klä­ren­den Fuß­no­ten ver­se­hen. Wo zweck­mä­ßig wur­den Wör­ter, Be­zeich­nun­gen und Be­grif­fe auch ei­ner ak­tu­el­le­ren Schrei­bung an­ge­passt.

J. Schul­ze, Ver­le­ger

Leben und Werk

A­bra­ham »Bram« Sto­ker (✳ 8.11.1847 bei Dub­lin; † 20.04.1912 in Lon­don) war ein iri­scher Schrift­stel­ler, der haupt­säch­lich durch sei­nen Ro­man Dra­cu­la be­kannt wur­de.

Bram Sto­ker wird als drit­tes von sie­ben Kin­dern ge­bo­ren. Die El­tern sind Abra­ham Sto­ker und Char­lot­te Ma­til­da Bla­ke Thorn­ley.

Bis zu sei­nem sieb­ten Le­bens­jahr lei­det Sto­ker un­ter ei­ner rät­sel­haf­ten Krank­heit, die ihn ans Bett ge­fes­selt hält. Er er­holt sich auf un­er­klär­li­che Wei­se. Sei­ner ei­ge­nen Aus­sa­ge nach, hat ihn die­se Er­fah­rung ein Le­ben lang be­ein­flusst.

1864 be­ginnt er ein Stu­di­um der Ge­schich­te, Li­te­ra­tur, Ma­the­ma­tik und Phy­sik am Tri­ni­ty Col­le­ge in Dub­lin. Er zeich­net sich als au­ßer­ge­wöhn­li­cher Ath­let und Stu­dent aus. An­schlie­ßend er­hält er eine Be­am­ten­stel­lung bei der Dien­stauf­sichts­be­hör­de der Jus­tiz­ver­wal­tung in Dub­lin Cast­le. Aber hier wird er nicht lan­ge glück­lich.

Er ar­bei­tet gleich­zei­tig als Jour­na­list und Thea­ter­kri­ti­ker und schreibt Ar­ti­kel für das Dub­lin Uni­ver­si­ty Ma­ga­zi­ne. 1872 wird sei­ne ers­te Kurz­ge­schich­te The Chry­stal Cup ver­öf­fent­licht. 1875 folgt die Kurz­ge­schich­te The chain of Des­ti­ny. 1876 ver­fasst er den Be­richt The Du­ties of Pret­ty Ses­si­ons in Ire­land.

Sein In­ter­es­se am Thea­ter und eine von ihm ver­fass­te po­si­ti­ve Re­zes­si­on führt zu ei­ner le­bens­lan­gen Freund­schaft mit dem Schau­spie­ler Hen­ry Ir­ving.

Sto­ker hei­ra­tet 1878 Flo­rence Bal­com­be, die auch von Os­car Wil­de um­wor­ben wird. Die klei­ne Fa­mi­lie zieht nach Chel­sea in Lon­don, wo er als Ma­na­ger von Ir­vings Ly­ce­um Thea­tre ar­bei­tet. Durch die Ar­beit für Ir­ving fin­det er Zu­gang zur Lon­do­ner Ge­sell­schaft, wo er un­ter an­de­rem auf den Ma­ler Ja­mes McNeill Whist­ler und den Au­to­ren der Sher­lock-Hol­mes-Ge­schich­ten Sir Ar­thur Co­nan Doy­le trifft. Sto­ker wird Ir­vings Se­kre­tär und be­reist mit ihm die Welt. Da­ne­ben ar­bei­tet er als Buch­au­tor. Sil­ves­ter 1879 wird sein Sohn Ir­ving Noel ge­bo­ren.

1881 er­scheint Un­der The Sun­set, Sto­kers ers­tes Buch, eine Samm­lung von acht Kin­der­mär­chen.

1890 er­scheint der ers­te Ro­man The Snak’s Pass. Im glei­chen Jahr trifft Sto­ker bei ei­ner ok­kul­ten Sit­zung den un­ga­ri­schen Pro­fes­sor Ar­mi­ni­us Vám­béry, der ihm von der Le­gen­de des ru­mä­ni­schen Fürs­ten Vlad III. Dră­cu­lea er­zählt. Man ist sich heu­te größ­ten­teils ei­nig, dass Sto­ker dar­aus die Fi­gur des Vam­pirs Dra­cu­la ent­wi­ckel­te. In den nächs­ten Jah­ren ist er mit der Re­cher­che zu his­to­ri­schen und kul­tu­rel­len De­tails sei­ner Ge­schich­te be­schäf­tigt. Sie­ben Jah­re ar­bei­tet Sto­ker an dem Buch, bis es am 18. Mai 1897 er­scheint.

Bis zu sei­nem Tod ver­öf­fent­licht Sto­ker noch wei­te­re Kurz­ge­schich­ten und Ro­ma­ne, die aber heu­te größ­ten­teils in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten sind.

Be­kannt ist und bleibt er für Dra­cu­la. Lei­der er­lebt Sto­ker den welt­wei­ten Er­folg sei­nes Bu­ches nicht mehr. Er stirbt 1912 in be­schei­de­nen Ver­hält­nis­sen in Lon­don. Die ge­naue To­des­ur­sa­che ist nicht be­kannt.

Zu Ehren des Au­tors ver­leiht die Ve­rei­ni­gung der ame­ri­ka­ni­schen Hor­ror­schrift­stel­ler seit 1987 jähr­lich in ver­schie­de­nen Ka­te­go­ri­en den Bram Sto­ker Award. Er­hal­ten ha­ben ihn un­ter an­de­rem Ste­phen King, Cli­ve Bar­ker, Dean Koontz und Joy­ce Ca­rol Oa­tes.

Graf Dra­cu­la ist der be­rühm­tes­te Vam­pir der Li­te­ra­tur­ge­schich­te. Ins kol­lek­ti­ve Ge­dächt­nis ge­lang­te er vor al­lem auch durch zahl­rei­che Ver­fil­mun­gen des Stof­fes. Schon Chri­sto­pher Lee, Bela Lu­go­si, Klaus Kin­ski und Gary Old­man ha­ben Dra­cu­la Ge­stalt ver­lie­hen.

Dra­cu­la steht am An­fang ei­ner gan­zen Rei­he von Ge­schich­ten über Vam­pi­re, die in der Ro­man­tik und spä­ter im 19. Jahr­hun­dert zu ei­nem be­lieb­ten The­ma der Li­te­ra­tur wur­den.

Zur Zeit der Ro­man­vor­la­ge, Ende des 19. Jahr­hun­derts, ist Sie­ben­bür­gen (eng. Tran­syl­va­nia) ein Teil der k.u.k. Mon­ar­chie Ös­ter­reich-Un­garn und liegt im Kö­nig­reich Un­garn. Heu­te zählt die­ses Ge­biet zu Ru­mä­ni­en.

Der Ro­man ist in Form von Ta­ge­buchein­trä­gen, Te­le­gram­men und nei­der­ge­schrie­be­nen Ton­band­mit­schnit­ten sehr ge­schickt und auf­wen­dig kon­stru­iert. Sto­ker ge­lingt da­mit der zu sei­ner Zeit sehr mo­der­ne Kunst­griff, die Pro­tago­nis­ten durch das Le­sen der Kor­re­spon­denz und der Ta­ge­bü­cher in die Ge­dan­ken der an­de­ren Per­so­nen vor­drin­gen zu las­sen. Der Le­ser wird so­mit gleich­zei­tig zu ei­nem un­sicht­ba­ren Mit­wis­ser.

Der his­to­ri­sche Vlad III., ge­nannt »Der Pfäh­ler«, war ein Ad­li­ger aus der Walachei, der im 15. Jahr­hun­dert leb­te. Sein Stamm­schloss ist heu­te al­ler­dings nicht be­kannt. Er trug den Bein­amen Dră­cu­lea (Ru­mä­nisch für »Sohn des Dra­chen«), was Sto­ker al­ler­dings fälsch­li­cher­wei­se mit »Sohn des Teu­fels« über­set­ze. Vlad war be­rüch­tigt für sei­ne Grau­sam­keit im Kampf ge­gen die Tür­ken und Un­garn. Sei­ne Fein­de ließ er bei le­ben­di­gem Leib auf Pfäh­le spie­ßen. Trotz sei­ner Grau­sam­keit ver­lor er letzt­lich den Krieg ge­gen die Tür­ken, nach­dem er mehr­mals vom Thron ge­sto­ßen wor­den war, zu­rück­kehr­te und im­mer wie­der die Sei­ten in der Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Un­garn und Os­ma­ni­schen Reich ge­wech­selt hat­te.

Um die­sen Mann rank­ten sich schon zu Leb­zei­ten zahl­rei­che Le­gen­den. Auch heu­te ge­hen die Mei­nun­gen über ihn aus­ein­an­der. So wird er ei­ner­seits als ei­ner der schlimms­ten Mas­sen­mör­der der Ge­schich­te be­zeich­net, an­de­rer­seits soll er nicht grau­sa­mer als zu sei­ner Zeit üb­lich ge­we­sen sein.

Sto­ker hat die Hand­lungs­or­te sei­nes Ro­mans selbst nie be­sucht. Er stell­te um­fang­rei­che Nach­for­schun­gen an und durch­fors­te­te Biblio­the­ken und Archi­ve, vor al­lem die des Bri­ti­schen Mu­se­ums. Sei­ne Re­cher­chen wa­ren so ge­nau, dass selbst die Zug­fahr­plä­ne, die im Ro­man ge­nannt wer­den, mit der Wirk­lich­keit über­ein­stimm­ten.

VORWORT

Wie die­se Blät­ter ent­stan­den sind, er­gibt sich aus de­ren Lek­tü­re. Al­les Über­flüs­si­ge ist aus­ge­las­sen wor­den, so­dass sie, un­ab­hän­gig von dem Glau­ben oder Nicht­glau­ben spä­te­rer Ge­schlech­ter, als ein­fa­che his­to­ri­sche Tat­sa­chen da­ste­hen. Sie sind durch­aus kei­ne Er­zäh­lun­gen ver­gan­ge­ner Din­ge, in de­nen das Ge­dächt­nis sich ir­ren kann, son­dern alle Be­rich­te sind so­fort nie­der­ge­schrie­ben und spie­geln den Stand­punkt und die Auf­fas­sung der be­tref­fen­den Schrei­ber treu wie­der.

ERSTES KAPITEL

Jonathan Harkers Tagebuch

(Ste­no­gramm)

Bistritz,1 3. Mai. Mün­chen ab am 1. Mai 8:35 abends. Wien am frü­hen Mor­gen des nächs­ten Ta­ges; soll­te ei­gent­lich 6:46 an­kom­men, der Zug hat­te aber eine Stun­de Ver­spä­tung. Bu­da­pest scheint eine herr­li­che Stadt zu sein, so­weit ich es aus dem Wag­gon und in der kur­z­en Zeit, die mir zu ei­nem Spa­zier­gang zur Ver­fü­gung stand, be­ur­tei­len konn­te. Ich fürch­te­te näm­lich, mich all­zu weit vom Bahn­ho­fe zu ent­fer­nen, da wir so spät an­ge­kom­men wa­ren und je­den­falls so pünkt­lich als mög­lich ab­fah­ren wür­den. Der Ein­druck war der, dass man den Oc­ci­dent ver­las­sen und den Ori­ent be­tre­ten hat­te; die west­lichs­te der präch­ti­gen Brücken über die Do­nau, die hier eine be­trächt­li­che Brei­te und Tie­fe auf­weist, ver­setz­te einen je­den­falls mit­ten in die Zeit der Tür­ken­herr­schaft.

Wir fuh­ren recht­zei­tig ab und ka­men nach Ein­bruch der Nacht nach Klau­sen­burg. Ich wohn­te im Ho­tel Roy­al. Zum Di­ner oder viel­mehr Sou­per aß ich ein Huhn, das mit ro­tem Pfef­fer zu­be­rei­tet war; sehr schmack­haft, aber durs­ter­re­gend (Anm. Re­zept für Mina ver­lan­gen). Auf mei­ne Fra­ge sag­te mir der Kell­ner, man nen­ne es »Pa­pri­ka­hendl!« und ich wür­de es, da es Na­tio­nal­ge­richt sei, über­all in den Kar­pa­ten be­kom­men. Mein bi­schen Deutsch kam mir hier sehr zu­stat­ten; ich wüss­te nicht, wie ich ohne es durch­ge­kom­men wäre.

Da ich in Lon­don noch et­was Zeit ge­habt hat­te, hat­te ich das Bri­ti­sche Mu­se­um be­sucht und dort un­ter den Bü­chern und Kar­ten über Trans­syl­va­ni­en eine Aus­wahl ge­trof­fen, da ich hoff­te, ei­ni­ge Vor­kennt­nis­se wür­den mir für den Ver­kehr mit den Ed­len des Lan­des je­den­falls von Nut­zen sein. Der Distrikt liegt im äu­ßers­ten Os­ten des Lan­des, da, wo sich die Gren­zen drei­er Staa­ten, Trans­syl­va­ni­en, Moldau und Bu­ko­wi­na, tref­fen, mit­ten in den Kar­pa­ten. Ei­nen ge­nau­en An­halt für die Lage des Schlos­ses Dra­cu­la konn­te ich je­doch nicht fin­den, da die Land­kar­ten je­ner Zeit mit de­nen un­se­rer Lan­des­ver­mes­sung nicht zu ver­glei­chen sind, aber ich fand, dass Bistritz, die Post­sta­ti­on für Dra­cu­la, ein ziem­lich be­kann­ter Platz ist. Ich will ei­ni­ge mei­ner No­ti­zen hier ein­tra­gen; sie sol­len mir als An­halt die­nen, wenn ich mit Mina über mei­ne Rei­sen plau­dern wer­de.

Die Be­völ­ke­rung Trans­syl­va­ni­ens setzt sich aus vier ver­schie­de­nen Na­tio­na­li­tä­ten zu­sam­men: die Sach­sen im Sü­den und, ge­mischt mit ih­nen, die Wal­la­chen, Nach­kom­men der Da­zi­er; die Magya­ren im Wes­ten und Sze­kels im Os­ten und Nor­den. Ich gehe zu den Letzt­ge­nann­ten, die von At­ti­la und den Hun­nen ab­stam­men sol­len. Das mag sich wohl so ver­hal­ten; denn als die Magya­ren im elf­ten Jahr­hun­dert das Land er­ober­ten, fan­den sie die Hun­nen dort an­säs­sig. Ich las, dass je­der nur er­denk­li­che Aber­glau­be dort un­ten in dem huf­ei­sen­för­mi­gen Zuge der Kar­pa­ten zu Hau­se sei, als sei dort das Zen­trum ei­nes Wir­bels aber­gläu­bi­scher Vor­stel­lun­gen. In die­ser Be­zie­hung wird mein Auf­ent­halt wohl viel des In­ter­essan­ten bie­ten (Anm. Ich muss den Gra­fen dar­über be­fra­gen).

Ich schlief nicht gut, ob­gleich mein Bett ziem­lich be­quem war, denn ich hat­te alle mög­li­chen ver­wor­re­nen Träu­me. Die gan­ze Nacht heul­te ein Hund un­ter mei­nem Fens­ter, wel­ches zu ihm in ir­gend ei­ner Be­zie­hung zu ste­hen schi­en; oder der Pa­pri­ka war schuld, ich hat­te al­les Was­ser in mei­ner Kar­af­fe aus­ge­trun­ken und war doch im­mer noch durs­tig. Ge­gen mor­gen schlief ich end­lich ein und er­wach­te erst auf hef­ti­ges Klop­fen an mei­ner Türe, wor­aus ich schlie­ße, dass ich sehr fest ge­schla­fen ha­ben muss. Zum Früh­stück aß ich wie­der­um Pa­pri­ka; eine Sup­pe von Mais­mehl, wel­ches sie »Ma­ma­li­ka«2 nen­nen, und Eier­ku­chen mit ei­nem Füll­sel von ge­hack­tem Fleisch, die »Im­ple­tata« (Anm. Auch hier­von das Re­zept ver­lan­gen). Ich muss­te sehr rasch früh­stücken, denn mein Zug ging kurz vor 8 Uhr, d.h. er soll­te zu die­ser Zeit ge­hen; als ich mich um 7:30 auf der Sta­ti­on ein­fand, muss­te ich fast eine Stun­de im Wa­gen sit­zen, bis end­lich die Ab­fahrt er­folg­te. Mir scheint es, als gin­gen die Züge umso un­pünkt­li­cher, je wei­ter man nach Os­ten kommt; wie mag es da erst in Chi­na sein?

Den gan­zen Tag bum­mel­te der Zug durch eine äu­ßerst reiz­vol­le Ge­gend. Manch­mal sa­hen wir klei­ne Sch­lös­ser und Tür­me auf stei­len Hü­geln, ganz wie man sie in al­ten Chro­ni­ken ab­ge­bil­det sieht; zu­wei­len pas­sier­ten wir Flüs­se und Bä­che, die, nach den brei­ten Ge­röll­strei­fen auf bei­den Sei­ten zu schlie­ßen, wohl häu­fig aus ih­ren Ufern tre­ten.

Auf je­der Sta­ti­on lun­ger­ten grö­ße­re oder klei­ne­re Grup­pen von Ein­ge­bo­re­nen in al­len mög­li­chen Trach­ten her­um. Ei­ni­ge von ih­nen gli­chen ganz den Bau­ern, wie ich sie zu Hau­se oder auf mei­ner Rei­se durch Deutsch­land und Frank­reich sah. Kur­ze Ja­cken, run­de Hüte und Ho­sen aus haus­ge­web­tem Tuch. An­de­re sa­hen wie­der sehr ma­le­risch aus. Die Frau­en mach­ten einen hüb­schen Ein­druck, je­doch nur in der Ent­fer­nung, denn sie wa­ren sehr plump um die Hüf­ten. Sie hat­ten alle wei­te Är­mel; die meis­ten von ih­nen tru­gen brei­te Gür­tel, von de­nen Strei­fen her­un­ter­flat­ter­ten, wie Bal­lett­klei­der, nur hat­ten sie un­ter die­sen ohne Zwei­fel Un­ter­rö­cke. Am selt­sams­ten sa­hen die Slo­wa­ken aus, bar­ba­ri­scher als alle an­de­ren, mit ih­ren mäch­ti­gen Cow­boy­hü­ten, wei­ten schmut­zig wei­ßen Plu­der­ho­sen und un­ge­heue­ren, schwe­ren, fast einen Fuß brei­ten Le­der­gür­teln, die über und über mit Mes­singnä­geln be­setzt wa­ren. Sie tru­gen hohe Stie­fel, in wel­che sie die Ho­sen ge­steckt hat­ten, und zeich­ne­ten sich durch lan­ges schwar­zes Haar und große schwar­ze Schnurr­bär­te aus. Sie ma­chen zwar einen ma­le­ri­schen, aber nicht sehr ver­trau­en­er­we­cken­den Ein­druck. Auf den Sta­tio­nen hock­ten sie bei­ein­an­der wie ori­en­ta­li­sche Räu­ber­ban­den, sind aber, wie mir ge­sagt wur­de, äu­ßerst harm­los und selbst­zu­frie­den.

Die Däm­me­rung war her­ein­ge­bro­chen, als wir in Bistritz, ei­ner al­ten, in­ter­essan­ten Stadt, an­ka­men. Sie liegt zweck­ent­spre­chend hart an der Gren­ze – von hier aus führt der Bor­gópass in die Bu­ko­wi­na3 – und hat­te dem­ge­mäß eine sehr stür­mi­sche Ver­gan­gen­heit, von der sie noch heu­te Spu­ren trägt. Vor fünf­zig Jah­ren hat­ten un­ge­heue­re Feu­ers­brüns­te dort ge­wü­tet, fünf­mal war sie ein Raub der Flam­men ge­wor­den. Gleich zu Be­ginn des 17. Jahr­hun­derts wur­de sie be­la­gert; sie ver­lor hier­bei 13 000 Ein­woh­ner, da au­ßer den Ge­fech­ten auch noch Hun­ger und Seu­chen viel Op­fer for­der­ten.

Graf Dra­cu­la hat­te mir ge­ra­ten, im Ho­tel Gol­de­ne Kro­ne zu über­nach­ten, ei­nem Haus nach al­tem Stil – zu mei­ner Freu­de, da ich so viel als mög­lich von dem se­hen woll­te, was das Land bie­tet. Ich wur­de of­fen­bar er­war­tet, denn als ich ein­trat, traf ich eine äl­te­re, gut­mü­tig aus­se­hen­de Frau in dem ge­wöhn­li­chen lan­des­üb­li­chen Ko­stüm. Wei­ßes Un­ter­kleid mit lan­ger dop­pel­ter, hin­ten und vor­ne her­un­ter­hän­gen­der Schür­ze aus bun­tem Tuch, die al­ler­dings zu knapp an­lag. Als ich nä­her trat, mach­te sie einen Knix und sag­te »Der Herr Eng­län­der?«

»Ja«, sag­te ich, »Jo­na­than Har­ker.« Sie lä­chel­te und gab ei­nem ält­li­chen Mann in wei­ßen Hem­d­är­meln, der ihr bis zur Türe ge­folgt war, einen Auf­trag. Er ging, kam aber gleich dar­auf mit ei­nem Brie­fe in der Hand wie­der zu­rück:

Mein Freund! Will­kom­men in den Kar­pa­ten. Ich er­war­te Sie mit Un­ge­duld. Schla­fen Sie wohl für heu­te. Um drei Uhr mor­gens geht die Post­kut­sche nach der Bu­ko­wi­na, ein Platz ist für Sie re­ser­viert. Am Bor­gópass wird mein Wa­gen Sie er­war­ten und zu mir brin­gen. Ich hof­fe, dass Sie eine gute Rei­se von Lon­don bis hier­her hat­ten und dass Sie sich Ihres Auf­ent­halts in mei­ner herr­li­chen Hei­mat freu­en mö­gen.

Ihr Freund Dra­cu­la.

4. Mai. – Ich brach­te in Er­fah­rung, dass der Wirt einen Brief des Gra­fen er­hal­ten hat­te, der ihn be­auf­trag­te, den bes­ten Platz in der Post­kut­sche zu be­le­gen; als ich ihn über De­tails aus­fra­gen woll­te, wur­de er je­doch zu­rück­hal­tend und gab vor, mein Deutsch nicht zu ver­ste­hen. Das konn­te nur eine Aus­re­de sein, denn bis­her hat­te er es ver­stan­den; we­nigs­tens schi­en es so, denn auf alle mei­ne Fra­gen war mir stets eine ge­naue Ant­wort zu­teil­ge­wor­den. Er und sei­ne Frau, die alte Dame, die mich emp­fan­gen hat­te, sa­hen sich er­schro­cken an. Als ich ihn frag­te, ob er den Gra­fen Dra­cu­la ken­ne und mir et­was von des­sen Schloss er­zäh­len wol­le, be­kreu­zig­ten sich bei­de und bra­chen ein­fach das Ge­spräch ab, in­dem sie sag­ten, sie wüss­ten nichts da­von. Das Geld wäre in ei­nem Brie­fe ge­sandt wor­den, das wäre al­les. Es war nur mehr we­nig Zeit bis zur Abrei­se, so­dass ich nicht mehr fra­gen konn­te; üb­ri­gens war die Sa­che recht ge­heim­nis­voll und we­nig er­freu­lich für mich.

Kurz be­vor ich weg­ging, kam die alte Dame zu mir aufs Zim­mer und sag­te in hys­te­ri­schem Tone: »Müs­sen Sie denn hin­ge­hen, jun­ger Herr? Müs­sen Sie denn wirk­lich ge­hen?« Sie war der­ma­ßen er­regt, dass sie das we­ni­ge Deutsch, das sie konn­te, ver­ges­sen zu ha­ben schi­en, denn sie misch­te es mit Wor­ten ei­ner an­de­ren Spra­che, die ich ab­so­lut nicht ver­stand. Ich konn­te ihr nur so­weit fol­gen, um zu er­ken­nen, dass sie Fra­gen stell­te. Als ich ihr aber sag­te, dass ich ge­hen müs­se und dass wich­ti­ge Ge­schäf­te mich rie­fen, frag­te sie wie­der:

»Wis­sen Sie denn, was heu­te für ein Tag ist?« Ich ant­wor­te­te, es wäre der 4. Mai. Sie schüt­tel­te den Kopf und sag­te wie­der: »O ja, ich weiß, ich weiß; aber wis­sen Sie denn nicht, was für ein Tag heu­te ist?« Als ich ver­nein­te, fuhr sie fort:

»Es ist St. Ge­orgs­nacht; wis­sen Sie nicht, dass, wenn die Uhr heu­te Mit­ter­nacht schlägt, alle bö­sen Din­ge in der Welt frei­en Lauf ha­ben? Wis­sen Sie, wo­hin Sie ge­hen und zu wem Sie ge­hen?«

Sie war so ver­stört, dass ich den Ver­such mach­te sie zu trös­ten, aber ver­ge­bens. Schließ­lich warf sie sich auf die Knie und fleh­te mich an, nicht zu ge­hen, we­nigs­tens mei­ne Ab­fahrt um einen oder zwei Tage zu ver­schie­ben. Es war zu lä­cher­lich, das al­les, aber den­noch fühl­te ich mich un­be­hag­lich. Auf alle Fäl­le hat­te ich mei­nem Dienst nach­zu­kom­men und nichts durf­te mich da­von ab­hal­ten. Ich hob sie also auf, trock­ne­te ihre Trä­nen und sie gab mir dann ein Kru­zi­fix, das sie von ih­rem Hal­se ge­nom­men. Ich wuss­te nicht recht, was ich da­mit an­fan­gen soll­te, denn als eng­li­scher Christ hat­te ich ge­lernt, sol­che Din­ge als mehr oder min­der göt­zen­die­ne­risch an­zu­se­hen; ich brach­te es aber auch nicht übers Herz, das Ge­schenk der al­ten Frau, die es so gut mit mir mein­te und sich in ei­ner sol­chen Er­re­gung be­fand, zu­rück­zu­wei­sen. Ver­mut­lich sah sie mir die­se Zwei­fel am Ge­sicht an, denn sie leg­te mir den Ro­sen­kranz um den Hals und sag­te: »Um Ih­rer Mut­ter wil­len.« Dann ging sie aus dem Zim­mer. Ich schrei­be die­sen Teil mei­nes Ta­ge­bu­ches, wäh­rend ich auf die Post war­te, die sich ohne Zwei­fel ver­spä­tet hat. Der Ro­sen­kranz hing noch um mei­nen Hals. Ich weiß nicht, ist es der Aber­glau­be der al­ten Frau oder die ge­spens­ti­gen Tra­di­tio­nen der Ge­gend oder das Kru­zi­fix selbst, aber ich fühl­te mich nicht so zu­ver­sicht­lich als sonst. Wenn die­ses Buch Mina vor mir er­rei­chen soll­te, so möge es ihr mei­ne Ab­schieds­grü­ße brin­gen. Da kommt der Wa­gen!

5. Mai. – Das Schloss. – Die graue Mor­gen­däm­me­rung ist ver­gan­gen und die Son­ne steht schon weit über dem Ho­ri­zont, der von Bäu­men oder Hü­geln – ich kann es nicht er­ken­nen, da sich Na­hes und Fer­nes un­ter­schieds­los von ihm ab­hebt – wie aus­ge­zackt er­scheint. Ich bin nicht schläf­rig, und da ich doch nicht ge­weckt wer­de, so schrei­be ich na­tür­lich einst­wei­len, bis der Schlaf kommt. Es sind so vie­le selt­sa­me Din­ge, die ich da be­rich­ten muss, dass es dem, der die­se Auf­zeich­nun­gen liest, viel­leicht vor­kom­men wird, als hät­te ich vor mei­ner Abrei­se von Bistritz zu reich­lich di­niert. Da­rum füh­re ich hier mein Di­ner an. Ich aß einen sog. Räu­ber­bra­ten – Stücke von Speck, Zwie­beln und Rind­fleisch, ge­würzt mit Pa­pri­ka und an Stä­ben über dem Feu­er ge­bra­ten, in der ein­fa­chen Wei­se wie das Lon­do­ner »Kat­zen­fut­ter«. Der Wein war wei­ßer Me­diasch,4 der ein ei­gen­tüm­li­ches Ste­chen auf der Zun­ge er­zeugt, das aber nicht un­an­ge­nehm wirkt. Ich trank da­von zwei Glä­ser, sonst nichts.

Als ich mich zur Kut­sche be­gab, hat­te der Po­stil­lon sei­nen Sitz noch nicht ein­ge­nom­men und ich sah ihn mit der Wir­tin spre­chen. Das Ge­spräch schi­en sich um mich zu dre­hen, denn hier und da blick­ten sie zu mir her­über. Auch ei­ni­ge Leu­te, die auf der Bank vor dem Hau­se ge­ses­sen hat­ten – sie wird mit ei­nem Wort be­zeich­net, das man am bes­ten als »Wort­füh­rer« über­set­zen kann – nä­her­ten sich ih­nen und hör­ten zu; dann sa­hen sie auf mich, die meis­ten von ih­nen mit ei­nem Aus­druck des Mit­lei­des. Ich hör­te ei­ni­ge Wor­te sich im­mer wie­der­ho­len, selt­sa­me Wor­te – denn es wa­ren ver­schie­de­ne Na­tio­na­li­tä­ten un­ter der Men­ge ver­tre­ten. Ich zog ru­hig mein Po­ly­glott-Wör­ter­buch aus der Ta­sche und schlug nach. Ich muss sa­gen, es war nicht ge­ra­de an­ge­nehm für mich; denn da stand: »Or­dog = Sa­tan«, »Po­kol = Höl­le«, St­re­goi­ca = Hexe; »vro­lok« und »vl­kos­lak« be­deu­ten das­sel­be; das eine ist slo­wa­kisch, das an­de­re ser­bisch – näm­lich Wer­wolf oder Vam­pir. (Ich muss den Gra­fen über die­sen Aber­glau­ben be­fra­gen.)

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