Algarveflimmern

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Algarveflimmern
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Birte Pröttel

Algarveflimmern

Eine himmlische Liebe

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Inhaltsverzeichnis

Titel

INHALTSVERZEICHNIS

Über die Autorin Birte Pröttel:

1 Von Vollmond, Träumen und anderen Wünschen – Oder: Genieße den Moment, bevor er zur Erinnerung wird

2 Von Kleiderbergen und Schuhfestischisten – Oder Drei Dinge braucht die Frau: Schuhe, Schuhe, Schuhe

3 Vom Shoppen und Schlange stehen - Oder Wer seine Träume verwirklichen will, muss erst mal aufwachen

4 Von Nestflüchtern und Nesthockern - Oder von der Leichtigkeit Väter um die Finger zu wickeln

5 Von Palmen und Rüsselkäfern oder Erinnerungen Oder Gefühle sind nur was für ganz Mutige

6 Von Blitzen und Küssen oder Lächle und sei froh, es kann schlimmer kommen

7 Von Moritz und Dominospielern Oder: Wenn der Wind der Erneuerung weht, dann bauen die einen Menschen Mauern und die anderen Windmühlen

8 Von Kajal, Kochshows und andere Kalamitäten Oder: Auf jeden Topf passt ein Deckel. Bis dahin gibt’s Frischhaltebeutel

9 Von Bettgeflüster, Stellungskämpfen und einer Erscheinung Oder Es ist immer leichter das letzte Wort zu haben, als den ersten Schritt zu tun

10 Von Rangordnungen und Leitkühen Oder Man muss immer mit Leuten rechnen, auf die man nicht zählen kann

11 Von Klugscheißern, Sangria und Mülltonnen Oder Kunst kann man nicht einfach unter den Teppich kehren

12 Von Liebe und anderen Vulkanausbrüchen Oder : Nicht jeder Hügel hält, was er verspricht.

13 Von blutrünstigen Insekten, antiken Möbeln und bitterem Reis – Oder von alten Filmen

14 Von Schlafwandlern und anderen Überraschungen Oder: Wer schläft sündigt nicht

15 Von Schwiegermüttern und friedlichen Ferientagen Oder warum ist Campari so rot?

16 Von Hitzewellen und wenn Wolken sprechen könnten Oder wie man einen kühlen Kopf behalten kann

17 Von Sommerflimmern und Trantüten Oder: Auf Ebbe folgt die Flut

18 Von Autobahnen, Raststätten und Begrüßungsbier Oder wie man Zahnlücken mit Bier schließt

Von Echsenbeinen, die man essen kann Oder die beste Zeit einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren

20 Von Landplagen, Langeweile und Flirtversuchen Oder: Wer nur mit dem Herzen gut sieht, ist blind

21 Vom Glück, sich treiben zu lassen Oder: vom heiligen Bimbam zum heiligen Lingam

22 Von Obst und Gemüse Oder: Es kommt immer darauf an, wem man hinterherläuft

3 Wenn es wie bei Muttern schmeckt Oder: Auch Flip-Flops können erotisch sein

24 Wer sich entspannt ist noch lang nicht tot Oder: zehn Ehemänner sind einige zu viel

25 Vom Musikgeschmack im Wandel der Zeit Oder: nicht jedes Geschenk macht glücklich

26 Vom Pinselquälen Oder: Wie man sich das Leben schön malt

27 Vom Berggipfel der Steinmännchen Oder: Auch saurer Wein macht lustig

28 Vom Erben Oder: Besitz belastet

29 Von Wunderwasser Oder: Wasser ist nicht nur zum Waschen da

30 Von Knoblauchbrötchen Oder: Wie man sich das Leben schwer macht

31 Von einer Ohrfeige, die wie eine Bombe einschlägt Oder: Wenn Väter sich Sorgen machen

32 Vom Vermeiden der Erbschaftssteuer Oder: Ohne Traummann macht erben keinen Spaß

33 Von schönen Müttern Oder: Probleme mit Hormonen

34 Von Seitensprüngen Oder: Manchmal helfen Tränen auch nicht weiter

35 Von Omas und Goethes klugen Sprüchen Oder: Warum kriegt man rote Ohren?

36 Von Selbstfindung Oder: Ich weiß etwas, was du nicht weißt

37 Von lähmender Melancholie Oder: Ich möchte was, was du nicht willst

38 Von einem Meer aus Tränen Oder wie man sich die Welt malt

39 Von Einsamkeit, wenn man nicht allein ist Oder: ohne Freundinnen geht nichts

40 Von einer schwerwiegenden Verabredung Oder: Papa ist nicht sein Papa

41 Von Beruf und Berufung Oder: Wie man Gefühle weckt

42 Vom Vollmond Oder: Gute Vorbereitung ist das halbe Fest

43 Von der Wirkung des Champagners Oder: Ein Schlückchen am Vormittag kann niemals schaden

44 Von Geburtstagsfeiern bei Vollmond Oder: Vom nassen Grab im Atlantik

45 Von Geburtstagsgeschenken Oder: Nicht alle Wünsche lassen sich erfüllen

46 Von Tiagos Geschenk Oder: Gedichte können glücklich machen

47 Von der Hütte in der Serra Oder: Glück kann glücklich machen

48 Anfang oder Ende, wer weiß es schon?

Pauls leckere Rezepte:

Carapaus alimado

Fisch im Backofen à la portuguese

Caldeirada, Fischeintopf

Paulas Thunfisch mariniert

Pauls Sangria Rezepte

Rote Sangria

Impressum neobooks

INHALTSVERZEICHNIS

Neufassung des Romans „Vollmond und Sangria“

Birte Pröttel

Algarve

Flimmern

Eine himmlische

Liebe

Roman

Über das Buch:

Die Abiturientin Olivia stellt es sich romantisch vor, nur mit Freund und Eltern ganz allein in der Quinta ihren 18. Geburtstag zu feiern.So trifft sie sich mit Mutter, Vater, Oma und Freund, ihrer ersten großen Liebe Moritz im Ferienhaus an der Algarve. Doch dort verliebt sie unsterblich sich in den jungen Priester Tiago. Er widersteht zwar den Flirtversuchen von Olivia, aber ... er hat ein Geheimnis und nutzt sein Zölibat als Schutzschild ...

 

"Nicht erst seit den 'Dornenvögeln' ist die Ehelosigkeit junger Priester für viele Menschen ein rätselhaftes Phänomen. Unbeteiligte können sich kaum vorstellen, dass ein junger Mann freiwillig auf die Freuden der Liebe verzichtet ... so geht in diesem Roman um die Frage: Was passiert, wenn sich ein junges Mädchen in einen 'unerreichbaren' Priester verliebt?"

Über die Autorin Birte Pröttel:

Geboren in Stettin, aufgewachsen in Süddeutschland. Abitur in Offenburg, anschließende Ausbildung zur Redakteurin. Sie heiratet Dr. Dieter Pröttel, TV-Show- und Film- Regisseur. Drei Söhne.

Bis zur Geburt des ersten Kindes Redakteurin bei „Burda Moden“. Anschließend freie Autorin mit zahlreichen Veröffentlichungen. Eingeschlossen ca. 30 Bücher. Darunter „Auf die Fünfzig, fertig los!“, „Wie frau einen Mann bekommt, behält und überlebt“, „Ein Zwilling kommt selten allein“, „Mutter“, „Hurra, wir haben ein Katze“, „Eigener Herd“, „Golf für Spätberufene und Seiteneinsteiger“*, „Hurra, wir sind Zwillinge!“, „Auf den Hund gekommen“, „Hau ab! Flüchtlingskind!“ und viele mehr.

Film- und TV-Drehbücher für z.B. „Mama mia, nur keine Panik“, „Herz ist Trumpf“ u.a.

Handarbeits-, Bastel- und Werkbücher wie „Handarbeitslexikon“, „Makramee“, „Stoff- und Kuscheltiere“, „Jeden Tag ein bisschen mehr Weihnachten“, „Stricken mit der Strickmaschine“ u.v.a. Drehbücher für einen Strickkurs für Kinder (12. Folgen) und einen Nähkurs (10 Folgen).

1 Von Vollmond, Träumen und anderen Wünschen – Oder: Genieße den Moment, bevor er zur Erinnerung wird

„War es wirklich nötig, dass du Moritz zu uns in den Urlaub eingeladen hast?“

Ich holte tief Luft: „Mamaaa!“ entsetzt sah ich sie an, als wäre sie irgendwie nicht ganz dicht.

„Mama, wir wollen in Portugal meinen Geburtstag feiern. Okay? Und den feire ich nicht ohne Moritz, die Liebe meines Lebens!“

Mama machte eine wegwerfende Handbewegung: „ Pah, es werden noch viele Lieben deines Lebens folgen!“

Dafür hätte ich sie ermorden können. Mütter haben keine Ahnung! Was wissen sie schon von echter Liebe?

Am ersten Januar habe ich die neuen Filo Fax Seiten in mein braunes Ringbuch montiert. Als ich auf das Datum meines Geburtstags blätterte, entdeckte ich, dass da ein kleiner Ring gedruckt war. Vollmond! Bei Vollmond schalten alle auf sentimental. Ich auch.

Da kam mir die Idee: den achtzehnten feire ich in Portugal vollromantisch unter diesem dicken runden Knutsch-Ballon, mit meinem süßen Moritz und - na ja - mit Papa und Mama, da sie das Unternehmen finanzieren sollen. Auf seine Sponsoren muss man bekanntlich Rücksicht nehmen. Ich mag sie auch total gerne. Sie stören selten.

Doch jetzt störte Mama sich an Moritz! Was war in sie gefahren? Sie steht doch auf ihn!

Endlich Ferien. Die letzten vor meinem Abi, die letzten Sommerferien! Wir wollten uns in der Algarve treffen. Mama und ich würden fliegen, Papa fuhr mit dem Auto und Moritz tourte per Interrail. Er musste ein paar Fotos für seine Diplomarbeit machen. Ich fieberte meinem achtzehnten Geburtstag und meinem Moritz entgegen. Total verknallt in ihn und konnte ich es kaum erwarten, bis wir endlich... Seine Küsse...Und überhaupt...

2 Von Kleiderbergen und Schuhfestischisten – Oder Drei Dinge braucht die Frau: Schuhe, Schuhe, Schuhe

Wenn jemand den ultimativen Zirkus beim Koffer packen macht, dann ist es Mama. Meine Tasche war längst prall gefüllt im Flur. Sie konnte sich nicht entscheiden.

„Ich habe nichts anzuziehen!“ jammerte sie vor dem überquellenden Kleiderschrank. Dann packte sie die "must have" immer wieder ein und aus. Ihre kastanienbraunen Haare standen wirr in alle Richtungen. Sie probierte die Sachen an und drehte sich vor dem großen Spiegel hin und her. Mittlerweile türmte sich ein himalajahoher Berg auf den Betten.

„Ist das alles für die Kleiderspende? Oder was machst du mit diesen vielen Fummeln?“

„Passt alles noch prima, muss nur probieren, was mitkommt oder hier bleibt.“

„Du weißt doch aus deinen heiligen Frauenzeitschriften, dass man alles, was man zwei Jahre nicht an hatte, wegwerfen oder in die Kleidersammlung geben soll.“

Das war Mamas Thema:

„Kleiderspende, nie im Leben! Man weiß, was mit den Kleiderspenden passiert. In Afrika werden die Sachen verkauft. Dann tragen die Eingeborenen C&A und Dior. Ihre schönen, farbenfrohen Volkstrachten kaufen Touristen als Souvenirs.“

Hauptgrund für den Kleiderberg: Mama kann sich nicht von ihren Schätzen trennen. Manche haben ja auch richtig viel gekostet. Insgeheim hoffte sie, dass ich ihre teuren Fetzen irgendwann mal tragen würde. Ich denke nicht im Traum daran, nicht mal bei einem Kostümfest mit 90iger Jahre Motto.

Sie stand hilflos mit hängenden Armen vor dem Klamotten Haufen und dem immer noch prall vollem Schrank. Die Kleider wirkten eher bedrohlich, als einladend. Und hinter Mama sperrte der knallrote Rimova-Koffer sein Maul auf.

„Heb nur alles gut auf, dann haben deine Enkel tolle Faschingskostüme!“

Mama holte aus und schlug mit einem weißen Fetzen lächelnd nach mir:

„Da hast du deine Enkel!“

„Soll ich die Pille weglassen in den Ferien?“

„Untersteh dich! Ich hüte keine Bälger! Auch deine nicht und auch wenn sie so süß sind, wie du es warst!“

„Dann beeil dich und pack deine Plünnen endlich ein. Du brauchst die Hälfte davon. Wetten ?“ Mit der Fußspitze schubste ich den Koffer in ihre Richtung.

Aus dem Schrank wehte ein Duft von Mamas Lieblingsparfüm „Miss Dior“. Das süße Seidenhemd von Jil Sander, war wirklich noch gut und schön und vor allem, es passte! Sie drehte sich zu mir um:

„In diesem Hemdchen hatte ich mit Papa herrliche Tage in Alanya an der türkischen Riviera. Damals warst du noch klein.“

Das Hemd war demnach fast so alt wie ich. Egal. Nachdenklich legte Mama es auf die Kleider-Zugspitze. Das weiße Kleid mit dem Neckholder, ein schickes Bogner Teil, hatte Bernd gefallen. An seine Küsse auf ihre gebräunten Schultern erinnerte sie sich lächelnd.

„Solche Teile sind wieder top aktuell. Alles kommt wieder in Mode. Man muss nur lang genug warten.“ Dann beugte sie sich über eine schwarze Papier-Tasche mit goldenem Dolce Gabbana Aufdruck und zog eine elegante, schwarze Jacke raus:

„Das ist aber nicht aus der Altkleidersammlung?“ feixte ich und nahm die schicke Tüte hoch.

„Ach du! Schau mal, dieses wunderbare Stück habe ich letzte Woche extra für den Urlaub und deinen Geburtstag gekauft!“

Sie schlüpfte in das hauchdünne Jäckchen. Meine Mutter weiß, wie sie sich stylt. Das muss man ihr lassen. Es ist nicht einfach für mich, mit einer Mutter zu leben, neben der man sich wie ein graues Mäuschen vorkommt. In meine Augen ist sie „Marken geil“. Nur was einen bekannten Namen hat, findet sie gut.

Früher orientierte man sich an irgendwelchen moralischen Werten. Heute bestimmen sogenannte Stil-Ikonen und oder Paris Hilton was „man“ anzieht und welche Marken hip sind. Leserinnen der Hochglanzblättchen folgen brav wie dumme Schäfchen. Mama ist auch so eine, die Trends mitmacht. Am liebsten bevor die große Masse ähnlichen Sachen bei H&M oder C&A ergattern kann.

Aus der Tiefe des Kleiderschranks angelte sie noch ein fein säuberlich in eine Plastiktüte verpacktes Stoffstückchen, eine schwarze, langärmelige Bluse mit nackten Schultern. Großartig!

„Dein Vater war immer ganz wild darauf, meine Schultern zu küssen oder zu berühren!“ Ob Bernd heute noch darauf reagieren würde?? Urzeiten waren diese Zärtlichkeiten her.

„Echt jetzt? Komm, träum nicht, pack den Koffer endlich fertig.“

„Hm.“

„Vergiss nicht, wir sind nur wir vier und es gibt keine großartige Dinner Party. Du brauchst weniger als die Hälfte von dem, was du einpackst.“

„Meine Erfahrung lehrt: man muss immer für alle Eventualitäten gerüstet sein.“

„Ja, Frau Lehrerin! Dann pack auch den fetten Pelzmantel ein. Man kann nie wissen! Wetten, dass du fast nicht von den Fummeln anziehen wirst?“

„Ist doch egal, Papa hat die Koffer im Auto, wir müssen sie nicht schleppen!“ Und dann sah sie mich lange zärtlich an:

„Irgendwie freue ich mich ja doch auf den Urlaub!“

Mal sehen, was dieser Urlaub bringen würde...

Papa klapperte kribbelig mit den Autoschlüsseln, er drängte, wollte los. Denn er brauchte einige Tage länger als wir und wollte uns doch in Lissabon abholen.

„Jetzt diskutiert doch nicht über die Rettung der Welt an Hand von Kleiderspenden, macht einfach mal zu.“

Unbeachtet hatte Papa uns wohl schon eine Weile zugehört. Die Edellimousine war gepackt und es fehlten nur noch unsere Sachen.

„Nu, macht schon!“ Papa klopfte nervös wie Jogi beim Endspiel auf dem Bettgestell rum.

„Die Koffer stinken!“

„Da werden deine Klamotten eben den Duft unseres denkmalgeschützten Hauses annehmen. Und die Leute, die das erschnuppern, glauben, du bist eine ehrwürdige Schlossherrin.“ Grinste ich sie an.

„Ich fahr jetzt, mit oder ohne stinkende Koffer. Ihr könnt sie ja am Airport aufgeben!“ Papa machte Druck.

„He, warte!“ schrie Mama und brach dann den Weltrekord im Kofferpacken. „Die Sachen können ja im Süden durchlüften!“

Unser Haus ist tatsächlich über zweihundert Jahre alt und der Keller, in dem die Koffer das Jahr über verstaut sind, ist modrig mit seinem offenen Lehmboden. Deshalb ist eben auch zu viel Zeug im Kleiderschrank. Alles durcheinander: Winter- und Sommersachen. Naja, ich kann verstehen, dass Mama das besondere „Keller-Parfüm“ nicht ausstehen kann.

Ich lachte und stupste sie auf den Koffer.

Sie plumpste auf die Plastikschale.

„He, was soll das?“

„Wollte nur mal sehen, ob das Ding zugeht.“

Mühsam schnappten die Schlösser ein. Mama verdrehte die Zahlen und strahlte: „Fertig!“

„Super, auf geht’s!“

Mama tauchte ins Schuhregal ab. Ihre Leidenschaft Schuhe!

„Warte Bernd, der Koffer ist fertig, kannst ihn mitnehmen, jetzt noch die Schuhe!“

„Es geht keine Stecknadel mehr ins Auto!“

Sie triumphierte: „Okay, dann nehm ich eben keine Schuhe mit! Kaufe mir in Portugal neue, eine ganze Kollektion. Die haben da die flottesten, angesagtesten Modelle, schön, preiswert und gut.“

Inzwischen sollte man sich an die großen Füße der Nordländerinnen gewöhnt haben, meinte sie. Schuhe Größe 4o. Als sie das erste Mal an der Algarve war und Schuhe in dieser Größe haben wollte, kamen alle Verkäuferinnen angerannt, kicherten und zeigten auf ihre Füße. Sooo große Füße!

Meine Freundin Lilly ist ebenso voll verrückt auf Schuhe. Sie gibt dafür ihr ganzes Taschengeld aus. Auch das, was ihre Oma sich vom Mund abspart und ihr heimlich zusteckt. Lilly kriegt sich im Schuhladen kaum ein. Sie stößt zalandoreife Schreie aus wie die Teenagertussis in amerikanischen Filmen, wenn ihnen ein Diamant an den Finger gesteckt wird. Nun sind Schuhe ja beileibe keine Diamanten, aber anscheinend geben sie der Mehrheit der Frauen ein Diamanten-Gefühl. Die meisten Weiber lieben und besitzen viel mehr Schuhe, als Männer sich auch nur ausdenken können. Warum das so ist? Ich kapier das nicht. Mir tun die meisten Schuhe schon weh, wenn ich sie nur sehe.

„Schuhe verändern dein Leben. Frag Cinderella!“ sagte Lilly und überredet mich, solche wolkenkratzerhohen Schuhe zu kaufen und zu tragen. Ich bin ja eher mini und da mogelt man ein bisschen Größe dazu. AAuf Partys kicke ich sie dann regelmäßig in die Ecke und wehe, wenn man hinterher wieder reinschlüpfen will! Dann heißt es barfuß nach Hause... Und irgendwann bin ich mit den Dingern umgeknickt und hatte eine Bänderzerrung! Zalando sei Dank!

Ich bin Schuhfetischistin der anderen Art, ich liebe es bequem: Espas, Timberlands oder Flip-Flops.

„Du siehst echt aus wie ein Bauerntrampel!“ meckert Mama.

Ich weiß nicht, was sie gegen Bauern hat. Ist das schon rassistisch oder so? Meine Crocs hasst sie besonders und findet sie prollig. Mir reichen meine drei bis vier Paar Schuhe vollkommen. Sie garantieren mir unter anderem Blasenfreiheit und Hühneraugen kenn ich nur vom Hühnerhof. Mit den Timberlands zu meinem Häkelkleidchen und der ultracoolen Lederjacke fühle ich mich echt megagut. Mama findet das unmöglich. Vielleicht mag ich dieses Styling deshalb so besonders.

 

Mama jammerte „Ohne die kann ich nicht in den Urlaub!“ und hielt giftgrüne Stilettos in die Höhe. Das wollte Papa nicht verantworten und nahm gnädig noch einen Stoffbeutel voller Schuhe mit. Die Drohung, an der Algarve alles neu zu kaufen, hatte gewirkt.

3 Vom Shoppen und Schlange stehen - Oder Wer seine Träume verwirklichen will, muss erst mal aufwachen

Mama fliegt nicht gerne und daher ist sie auch nicht oft in den Ladenstraßen am Flughafen unterwegs. Als sie die Auslagen in den Stores entdeckte, flippte sie total aus. Ich ließ mich vom Kauffieber anstecken, wir shoppten nach Herzenslust bis die Visa Card glühte. Papa war schon Galaxienweit entfernt und konnte kein Veto einlegen.

Die Shoppingmeile im Flughafen ist zu verführerisch. Sowas kannten wir in unserer Kleinstadt nicht. Wir mussten natürlich alles ganz genau anschauen, betasten und erschnuppern. Gut, dass Papa nicht dabei war, der hätte uns Beine gemacht. Aber ohne ihn als Bremse hatten wir zu lange gebummelt, nur um festzustellen, dass die Sachen bei Douglas billiger sind. Da ich als Tochter unterwegs war, hatte ich auch nicht die Aufgabe auf die Uhr zu schauen, sowas machen traditionell die Eltern, oder?

Irgendwann hörte ich eine zerquetschte Lautsprecher Stimme:

„Die Passagiere Reimer werden dringend gebeten zu Ausgang 52 zu kommen, der Flug wird geschlossen!“

„Mama, hast du gehört? Wir sind aufgerufen!“

Mama probierte gerade ein mikroskopisch kleines Victorias Secret Teil, drehte sich hin und her vor dem Spiegel.

„Süß, nicht wahr?“

„Mama, wir müssen zum Gate!“ meine Stimme überschlug sich.

„Gleich, ich muss erst noch bezahlen!“

Die Verkäuferin packte in aller Ruhe das kleine Päckchen, als wäre es ein Brillantohrring von Tiffanys. Mich packte Panik!

Wir spurteten wie Usain Bolt zum Gate. Jetzt war Horror, wir hatten die Maschine nach Lissabon tatsächlich verpasst!

„Tut uns sehr leid, der Flug ist seit fünf Minuten geschlossen!“ bedauerte freundlich lächelnd die Dame am Schalter, während sie ihre Papiere zusammenpackte. Ich werde ihren schiefsitzenden Hut nie vergessen.

Wir haben dann aus der Not eine Tugend gemacht und unseren Frusst über den verpassten Flug mit tollen Einkäufen kompensiert. Im Airporthotel haben wir dann vom feinsten gespeist und im Kingsize Luxusbett geschlummert.

Am nächsten Tag bekamen wir einen Flug direkt nach Faro.

Mama trippelte hin und her, reckte den Hals, um zu sehen, wo wir uns am besten anstellen. Die vier Schlangen bei der Personenkontrolle waren gleichlang. Für welche sollten wir uns entscheiden? Hektik pur! Und heute waren wir schon wieder spät dran. Wir hatten nachts der Bar im Flughafenhotel einen intensiven und langen Besuch abgestattet. Nun mussten wir uns wieder beeilen.

„Immer komme ich an die langsamste Reihe!“

Kann man den Leuten die vor einem stehen ansehen, ob sie versierte Flieger sind? Männer, die ihre Geldbörse bereits in der Hand halten, den Gürtel ausgezogen und den Laptop aus der Tasche genommen haben, sind definitiv Vielflieger. Dazwischen trödeln Leute, die ewige Zeiten brauchen, um alles in den blauen Plastikkästen zu verstauen.

Mama wurde nervös wie eine Büchse Anglerwürmer.

„Man könnte auch früher losgehen. Dann ist es egal in welcher Schlange man steht!“

„Nein, mich trifft es immer. Ob an der Supermarktkasse oder hier!“

„Mama, wir stellen uns an verschiedenen Schlangen an und sehen, dann, wer zuerst durch ist. Klar?“

So machten wir unser kleines Wettrennen an der Personenkontrolle. Mama hektisch, ich total cool. Wenn wir den Flieger wieder verpassen, hat sie ja Schuld, was kümmerte es mich?

Zielsicher fand Mama die langsamste aller Schlangen. Wild gestikulierend zeigte sie auf den Mann vor sich, der umständlich seine Sachen in die Schale legte. Dann fing er auch noch an, Kleingeld aus den Hosentaschen zu fummeln.

„Genau, wie an der Supermarktkasse!“ zeterte sie zu mir rüber.

Ich grinste und schwupp war ich auch schon dran und durch. Und vor lauter Ärger über ihren Vordermann hat Mama vergessen, sich um ihre eigenen Sachen zu kümmern und nestelte nun ihrerseits umständlich das IPad aus der Tasche.

„He, Mama, hast du mal wieder Probleme mit „Murphys Law“?“

„Verarschen kann ich mich selber!“

„Mama, so was sagt man nicht!“

Es stimmt: bei Mama geht immer alles daneben, sogar Dinge, die bei anderen ganz normal funktionieren! So wie der berühmte Herr Murphy es prophezeit „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Egal ob Mama im Supermarkt oder bei der Personenkontrolle ansteht. Sie hat einfach kein Glück. Sagt sie. Ich glaube, das macht sie extra. Hat ja sonst nicht viel zum Meckern. Aber auch sie schaffte es durch die Kontrolle, sogar ohne dass der Piepser Alarm quiekte.

Die einen haben Schmetterlinge auf ihren himmelblauen Koffern, wie die Tussi vorhin in der Check-In Schlange. Ich hatte Schmetterlinge im Bauch. Und die rotierten wie die Düsenturbinen. Sie trieben das Flugzeug zu schnellerem Tempo an. Sie trieben mich zu meinem Moritz.

Endlich in der Maschine schlängelte Mama sich zwischen den Mitreisenden durch. Unmengen von Rucksäcken, Taschen, Beuteln und Plastiktüten hinderten sie nicht daran, zielstrebig ihren Platz anzusteuern. Meine hübsche Mama Martina sieht aus, wie eine naturgetreue Kopie von Nena. Schwarzhaarig, schmal und auf lässige Art elegant. Bereitwillig machten ihr die Leute Platz. Und dann spielte sie, raffiniert wie immer, ein Schulterleiden vor. Mit ein paar ihrer unwiderstehlichen Augenaufschläge lächelte sie den hübschen Flugbegleiter an:

„Können sie so lieb sein und meinen Kabinenkoffer ... Ich habe nämlich einen Tennisarm!“

Der nette Junge ächzte, als er Mamas Kabinenkoffer anhob.

„Der hat aber bestimmt mehr als acht Kilo!“ grinste er.

„Weiß ich nicht!“ entgegnete Mama mit Unschuldsmiene, „ ich wiege ihn nie.“

Mit einem gequälten Seitenblick hob er das Stück und brach damit bestimmt den Weltrekord im "schwere Koffer ins Gepäckfach stemmen", denn das Teil wog mehr als ein Flusspferd. Der freundliche Helfer sah aus, als wäre Dauergast in der Muckibude, aber er stöhnte auf und fiel fast nach hinten um, das ging aber nicht, weil die Kabinen eben eng sind

„Danke, danke, danke, sie sind ein Schatz!“ strahlte Mama ihn an. Er lächelte verkrampft, sicher hatte er jetzt „Rücken“. Den hielt er sich auch. Ich verkniff mir, ihn ebenfalls um Hilfe zu bitten, denn mein winziges Köfferchen war genauso schwer wie die Mülltonne eines Chinarestaurants.

Da kam mir Mamas „Nebenmann“ zur Hilfe. Beim Heben seiner Arme fiel ich fast in Ohnmacht. Das Anwenden von Deodorant hielt man wohl zu seiner Zeit bestimmt für schädlich, wenn nicht gar krebserregend. Haben die es nicht neulich in einer Fernsehsendung gesagt „und was im Fernsehen kommt, stimmt doch“ oder? Nun hatte ich Nasen-Krebs.

Mama schützte vorausriechend die empfindliche Nase mit ihrem neuen Dolce Gabbana Schal vor aggressiven Naturduft Attacken. Als besondere Dreingabe waren die Poren des hilfreichen Zeitgenossen von einer papageienbunten Tattoolandschaft verunstaltet. Seine Fahne hätte als Bionarkose bei Naturheilverfahren einen ganzen Krankensaal in Schlaf versetzt. Ich konnte dem Aroma nicht entkommen. Nach getaner Arbeit ließ er sich zufrieden in den Sitz neben Mama plumpsen. Das hatte eine weitere Duftwolke zur Folge. Seine nackten, mit blonden Stacheln übersäten Waden, steckten in mikrokurzen zerrissenen Designerjeans. Die Beine spreizte er lässig und dabei berührten seine Knie Mamas zarte Waden. Himmel hilf! Das fing ja schon gut an.

Mama tat das einzig Wahre: sie stellte sich tot. Und Tote haben bekanntlich keinen Geruchssinn. Wow, da hatte Mama Pech gehabt.

Mir ging es erheblich besser. Mir war das alles egal, ich war verliebt und schwebte auf Wolke sieben in zehntausend Metern Höhe über der Erde. Verliebt sein ist das Eine, Liebe das Andere. Und manchmal ist das Eine das Andere und umgekehrt. Die Liebe meines Lebens: Moritz. Dass man noch mehr lieben kann, das wusste ich da auf meiner Wolkenfahrt nicht…

Zwar knutschte und fummelte ein verliebtes Pärchen ununterbrochen neben mir. Sie duftete nach Patschuli und er benebelte mich mit Testosteron-Wolken. Nach dem Motto: Alles Bio! Da träumte ich dann eben wieder von meinem Moritz.

Ich freute mich, in dem alten Herrenhaus an der Algarve bei Vollmond meinen Geburtstag zu feiern. Sternförmig reisten wir auf unser Ziel die „Quinta Velha“ zu. Wir, das waren Papa, Mama, Moritz und ich. Nur wir vier! Ganz allein!

Was wir nicht wussten: die Quinta war schon bevölkert, wie ein Ameisenhaufen.

Paul, der verkrachte Künstler, wohnte dort sowieso jahraus jahrein . Papa hatte kein Sterbenswörtchen darüber zu uns gesagt. Da Paul von seinen von der Kunstwelt verkannten Werken, nicht leben konnte, hütete er unsere Hütte.

Meine exzentrische Oma Paula war auch auf der Quinta gestrandet und breitete sich mit ihren bunten Tüchern und Hüten wie ein Schimmelpilz aus.

Mein Moritz kam von irgendwo von der Iberischen Halbinsel. Er hatte moderne Gebäude spanischer und portugiesischer Architekten für seine Diplomarbeit fotografiert und wartete auf mich.

Papa war noch nicht da, er ackerte mit dem Auto die 3000 Kilometer ab und behauptete, das würde ihm Spaß machen, wegen der Landschaft. Der Kofferraum platzte fast von den Unmengen Zeug: seiner Fotoausrüstung, einer alten Kaffeemaschine und einem museumsreifen Staubsauger Ungetüm. Weil er unser Gepäck auch mitgenommen hatte, konnten Mama und ich mit federleichtem -haha - Handgepäck reisen.

Wir ahnten auch nicht, dass Tiago, ein Freund von Paul, andauernd aufkreuzte. Tiago war ein junger Priester und mehr auf der Quinta als in seinem Pfarrhaus. Oma stöhnte, als sie ihn zum ersten Mal sah:

„Es ist ein Verbrechen, dass so ein Bild von einem Mann den Weibern dieser Welt verloren geht!“

Als ich ihn sah, fielen mir fast die Augen aus dem Kopf und fortan hatte ich nichts, wirklich nichts gegen göttlichen Beistand. Im Gegenteil. Aber das ist eine andere Geschichte. Oder eben die Geschichte.

Als wir Dussel den Flug verpasst hatten, jammerte Mama: „Das Neubuchen war sauteuer. Für das Geld hätten wir leicht einen Pauschalurlaub in einem Viersterne Hotel bekommen!“

Stattdessen hingen wir einen Tag später platt wie Flundern in der Maschine nach Faro. Und in Lissabon wartete Papa!

Wenige Stunden und Moritz würde mich mit seinen starken Armen rumschleudern, bis mir schwindelig wäre. Ich hielt es kaum aus vor Sehnsucht. Wir hatten drei Wochen nur per WhatsApp Kontakt gehabt. Er hatte seine Messages total süß mit Milliarden Emoticons verziert. Immer wieder guckte ich die Herzchen und Küsschen auf den Nachrichten an. Ich glaub, dabei schossen mir auch Herzchen und Sternchen aus den Augen wie in einem Comic. Nur noch drei Stunden aushalten. Dann...

Der Champagner, den Mama und ich genüsslich geschlürft hatten, zeigte Wirkung. Die Bauch-Schmetterlinge machten langsam schlapp und legten ein Päuschen ein. Lang genug, um von Moritz‘ weichen, warmen Händen zu träumen. Er hatte die schönsten Jungenhände, die ich kannte. Die Fingernägel waren nicht abgeknabbert wie bei 90 Prozent der männlichen Smartphone Bediener. Wie zärtlich seine Hände sein konnten! Wenn sie mich berührten, stellten sich meine Nackenhaare auf und eine Gänsehaut lief mir rauf und runter. Warum stellen sich eigentlich bei Hunden und Katzen auch die Rückenhaare auf?

Ach Moritz! Ich war jetzt fast 18 und Moritz mein erster richtiger Freund! Meine Freundinnen behaupteten, ich sei ein Spätzünder. Für mich waren Jungs bisher eine völlig rätselhafte Verirrung der Schöpfung. Mehr Kumpels als potentielle Liebhaber und irgendwie fand ich alle doof. Bis Moritz kam.