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Billy Remie
Geliebter Unhold
Erben des Blutdrachen
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Was bisher geschah…
Prolog
Teil 1: Der böse Bube
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Teil 2: Ein Licht aus Gold
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Epilog
Impressum neobooks
Vorwort
Liebe Leser:innen,
vorab möchte ich kurz ein paar Worte sagen. Vielen Dank an diejenigen, die immer noch dabei sind, ich gebe mir Mühe, mich weiterzuentwickeln. Doch um weiterhin Spaß am Schreiben zu haben, schreibe ich natürlich das, was mir persönlich gefällt. Ich weiß, dass ich damit nicht jeden Geschmack treffe, aber ich möchte gerne weiterhin meine Geschichten schreiben, so wie ich sie mag. Das heißt, inhaltlich bleib ich dem treu, was ich bisher geschrieben habe, es wird weiterhin Kämpfe, Sex, Politik, Abschiede und langatmige Szenen geben – weil ich es eben einfach gerne schreibe und es für mich zu meiner Welt dazu gehört, genauso wie fragwürdige oder hassenswerte Protagonisten und ihre nicht immer sympathischen Wesensarten. (Verzeiht mir das, wirklich, ich versuche immer, mich zu bessern, aber ich schreibe am Ende das Buch, das ich gerne lesen würde) Und weil ich eben so viele Charaktere und Handlungsstränge habe, kann ich leider natürlich nicht in jedem Buch kapitelweise von jedem einzelnen Protagonisten erzählen, aber seid versichert, sie tauchen wieder auf, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
Ich möchte einfach so fair sein und es explizit erwähnen, für diejenigen, die sich an vielem davon stören, damit sich niemand darüber ärgert, wenn ich mich in gewissen Punkten nicht weiterentwickle, zumindest nicht im Moment, bzw nicht in dieser Buchreihe.
Da ich aber nun schon öfter gehört habe, dass viele meiner Leser den vorherigen Band noch mal queer lesen, um in den neuen einzufinden, habe ich mich mal an einem „Was bisher geschah“ versucht. Ich gestehe, dass ich das nicht gut kann, weswegen ich es bisher vermieden habe, weil ich mich nicht wohl dabei fühlte. (Ich kann mich schlecht kurzhalten und halte alles für relevant). Ich habe natürlich im Roman selbst alle wichtigen Ereignisse an den wichtigen Stellen in kurzen, knappen Sätzen immer wieder noch einmal „angerissen“, um die vergangenen Ereignisse im richtigen Moment aufzufrischen, dennoch habe ich im folgenden Kapitel versucht, alles Wichtige noch einmal zusammenzufassen. Wer das nicht braucht, springt gleich zum Prolog ;)
Vielen Dank für euer Verständnis,
nun viel Spaß beim Lesen (hoffentlich) und bleibt gesund!
Was bisher geschah…
Vor knapp acht Jahren geriet ein Götterportal in den Tiefen des Dschungels von Zadest außer Kontrolle und drohte, das Leben der gesamten sterblichen Welt auszusaugen. König Desiderius gab sein Leben im Kampf gegen eine fremde Göttin, die durch das Portal gekommen war, um alles Leben zu versklaven. Er starb nicht umsonst, denn nur so erlangte sein Sohn Sarsar die nötige Macht, um die freigesetzte Magie des Portals zu bannen.
Sarsar verteilte diese fremde Macht auf zehn Männer, um sie wegzuschließen. Sarsar, Derrick, Place, Korah, Doragon, Vaaks, Xaith, Riath, Kacey und Desith tragen seitdem ein Stück Göttlichkeit in sich, verschlossen in ihren Seelen und mit magischen Siegeln versehen, damit sie niemals ausbrechen kann. Doch allein der Hauch dieser Macht verändert sie.
Diese zehn Männer sind die Hüter eines Geheimnisses, das niemals in falsche Hände geraten darf, denn die göttliche Macht ist weiterhin am Leben und versucht, ihrem Gefängnis zu entkommen.
Doch Sarsar überlebte den Dschungel nicht, Riath ließ ihn im Turm von Zadest zurück, als dieser einstürzte. Niemand hatte gesehen, was Riath seinem Bruder angetan hatte. Er tat es aus Furcht, Sarsar könnte die Krone ihres Vaters erben, doch als Riath erfährt, dass sein Vater nur kurz zuvor für Sarsar sein Leben gelassen hatte, glaubt er, das Schicksal hätte ihn ob seiner Tat bestraft.
Wexmell Airynn, Desiderius` Gefährte, erbt die Krone Nohvas.
Sieben Jahre nach dem Schließen des Portals, taucht Sarsar aus dem Nichts wieder auf, doch er strandet in Zadest und geriet in die Versklavung der Frauenstämme, niemand weiß, dass er noch lebt und gefangen gehalten wird. Gleichzeitig entflammt in Carapuhr ein Bürgerkrieg, ein Ziegenhirte schwingt sich zum Propheten auf und greift nach der Krone des Nordens. Desiths Zwillingsschwester, die mit Vynsu – dem Erben Carapuhrs – vermählt war und ihm zwei Erben geschenkt hat, wird scheinbar Opfer eines Kutschüberfalls. Ihre Leiche besaß kein Gesicht. Um das Bündnis zwischen Desiths Vater – dem Kaiser von Elkanasai – und dem Großkönig von Carapuhr – Vynsus Onkel – zu wahren, verloben sich Desith und Vynsu. Doch was als Zweckehe gedacht, wurde schnell zu Respekt und schließlich zu Liebe. Gemeinsam decken sie in Carapuhr eine Verschwörung auf, dabei haben sie unerwartet fremdländische Hilfe von Riath und seinem Freund Marks, die nach Riaths Bruder Xaith suchen. Es schien zunächst so, als ob Xaith mit dem Krieg in Verbindung stünde.
Doch schließlich entdeckt Desith, dass der Bürgerkrieg und das Verschwinden seiner Schwester mit Riaths Anwesenheit zusammenhing, denn er war es, der diesen Ziegenhirten durch Magie Träume einpflanzte, die ihn zum Verräter machten und gegen den Großkönig intrigieren ließ, und Riath war es auch, der Desiths Zwillingschwester verführt und ihren Tod inszeniert hatte, bevor ihr bewusstwurde, dass es Riath nicht um sie, sondern nur darum gegangen war, Melecay zu schaden.
Desith findet schließlich seine doch noch lebende Schwester in einem Geburtenhaus, wo sie von Xaith vor Riath versteckt wurde. Sie gebar Drillinge, zwei der Kinder überlebten, sie selbst starb bei der Geburt. Eines der Kinder wurde von Xaith entführt, das andere versteckten Vynsu und Desith bei sich.
Es gelang Desith und Vynsu schließlich, den Aufstand in Carapuhr zu zerschlagen, allerdings entwischte ihnen Riath, der mit einem Schiff in Richtung Elkanasai floh…
Prolog
Wenn man jung ist, vergeht die Zeit viel zu langsam. Die Jahre ziehen sich wie kleine Ewigkeiten dahin und man kann den nächsten Geburtstag kaum erwarten, um groß und endlich ernst genommen zu werden. Ein Kind dachte nicht an verpasste Chancen, nicht an ungelebte Träume oder Verlust, es wollte schnell den Kinderschuhen entwachsen, um seinen eigenen Weg zu gehen.
Kinder dachten nicht über Sorgen, Kummer oder Zukunftsängste nach, sie sehnten sich nur nach Selbstbestimmung und vermeintliche Freiheit.
Die Ernüchterung kommt schnell genug und man wünschte sich zurück in ein Leben, als die Eltern noch den Zeitpunkt bestimmten, wann man zu essen und zu schlafen hatte. Und dass man vor dem zu Bettgehen noch einen Apfel essen sollte.
Am besten einen grünen. Das hatte sein Vater immer gesagt. Nimm einen grünen. Xaith M´Shier, Sohn des Blutdrachen – König Desiderius M`Shier –, mochte bis heute die grünen Äpfel lieber als die roten, und obwohl er mittlerweile ein junger Mann und sein Vater vor mehr als sieben Jahren aus dieser Welt gerissen worden war, aß er vor dem Schlafen einen grünen Apfel. Nun ja, sofern er denn einen im Gepäck dabeihatte und nicht gerade nach einer gerauchten Pfeife im Sitzen einschlief.
Der Morgen erhob sich über dem dichten Regenwald, goldene Streifen durchzogen das Rot am Horizont, der durch hellgrüne Blätter leuchtete.
Xaith hätte seine Freiheit, sein Leben, seine Unabhängigkeit gerne wieder eingetauscht, um Jahre zurück in die Vergangenheit zu reisen, damit er seinem damaligen Ich in die Augen sehen und sagen konnte: »Hör auf zu heulen, du Memme, in einem Jahrzehnt wirst du dir wünschen, dein einziges Problem wären Kinder, die dich hässlichen finden und Steine nach dir werfen, wenn deine Brüder nicht hinsehen. Denn man wird dir den Vater rauben – und damit all deinen Halt in der Welt.«
Aber genug der Melancholie, wie er so vortrefflich zu seinem eingebildeten, jüngeren Ich sagte: Hör auf zu heulen!
Wobei, geheult hatte er schon lange nicht mehr. Der Bengel hingegen schrie sich bereits die Lungen heraus, hatte etliche Vögel verscheucht und hungrige Raubtiere angelockt.
Es war wohl wieder an der Zeit, aufzustehen.
Xaith reckte sich, ließ den steifen Nacken knacksen und die Schultern rollen. Er hatte die Nacht mal wieder an einem Baum gelehnt verbracht, halb schlafend, halb meditierend. Nun ja, das, was man Nacht nennen konnte, wenn man mit jemanden reiste, der alle paar Stunden aufschreckte, Rotz und Wasser heulte, nach Essen verlangte und einem die Schultern vollkotzte. Oh und die vollgekackten Tücher nicht zu vergessen. Nein, die konnte er ganz bestimmt nicht vergessen. Selten hatte er je so etwas Schreckliches wie Neugeborenenkacke gesehen – und er hatte mal knietief in zusammengeflossenen, klebrigen Leichenteilen gestanden.
Er hörte hinter sich das Unterholz knistern. Wer auch immer sich dem winzigen Lager näherte, war nicht gerade ein Schleicher, eher ein Elefant. Äste knackten, Blätter raschelten, gedämpfte Schritte auf dem von Moos bewachsenen, nachgebenden Waldboden.
Xaith lauschte, wartete still darauf, dass derjenige näherkam. Noch näher. Komm schon, du kleine Ratte, noch näher!
Das Gebrüll des Säuglings ebbte nicht ab, vielleicht glaubte der Eindringling, man könnte ihn deshalb nicht hören. Die Schritte kamen zielstrebig auf sie zu.
Blitzschnell sprang Xaith auf, zog seinen Dolch aus der Scheide und huschte lautlos hinter den Schatten, der gerade aus dem Schutz des Unterholz trat und erschrocken einen Haufen getrockneter Äste zu Boden fallen ließ.
»Ich bin´s!«
Xaith atmete aus und nahm die gezogene Klinge von der schmalen Kehle des Jungen. »Dummkopf!«, schalt er ihn und gab ihm einen sanften Stoß ins Lager. »Ich hätte dich umbringen können.«
Der Junge – schlaksig, schwarzhaarig und etwa dreizehn Sommer alt – fiel auf die Knie und klaubte die Äste wieder auf. »Ich wollte dich nicht wecken, ich habe nur Feuerholz gesucht. Ich dachte, du wüsstest, dass ich es bin.«
»Ich nahm an, du schläfst noch.« Xaith schob den Dolch zurück in die Scheide an seinem Gürtel und trat demonstrativ gegen die zerwühlten Decken neben der Glut, die aussahen, als ob darunter noch ein schmächtiger Körper schlief. »Und du solltest dich trotzdem nicht wie eine Kutsche durch den Wald bewegen, du könntest Räuber herlocken.«
Der Junge blinzelte zu ihm auf. »Tut mir leid, ich passe besser auf.«
Xaith gab ein trockenes Schnauben von sich. Ja, klar… er passte besser auf. Er wollte nicht gemein sein, aber der Junge kannte sich mit dem Überleben außerhalb der Gossen einer Großstadt genauso gut aus wie ein Xaith mit Säuglingen.
Apropos. Er drehte sich nach dem greinenden Bündel um, das verzweifelter schrie, je länger sich niemand um es kümmerte.
»Ist ja gut.« Xaith beugte sich drüber und betrachtete das rotgeweinte Pausbackengesicht. Der kleine Fratz war seinem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten. Strohblond, grüne Augen, lange Wimpern, große Fresse. »Fang gar nicht erst damit«, warnte Xaith ihn und hob ihn aus seinen Decken. Das magische Kraftfeld, das er zum Schutz vor Raubkatzen und Schlangen um die Schlafstätte des Kleinen errichtet hatte, fiel mit seiner Berührung in sich zusammen. Die Energie kam zu ihm zurück, sodass er sich nicht mehr ganz so ausgelaugt fühlte.
Während der Junge sich um das Feuer kümmerte und Äste über dem Knie zerbrach, setzte Xaith sich mit dem Säugling unter einen Baum in die Nähe der Glut, hob einen Finger zum Mund und riss ihn mit einer seiner Luzianerfänge auf, bis ein dicker, roter Bluttropfen in der Morgensonne schimmerte. Dann schob er die Fingerkuppe in das Mäulchen des Säuglings. Sofort setzte der Reflex ein und der kleine Schreihals saugte unmenschlich stark das Blut aus Xaiths Finger, wie Milch aus einer Zitze.
Xaith spürte den Blick des Jungen auf sich. »Bist du sicher, dass das genügt? Braucht er keine Muttermilch?«
»Hast du denn Muttermilch in deinen kleinen Titten?«
Der Junge lief rot an, Zorn zuckte in seinen Mundwinken. »Nein!« Er warf einen Ast in die Glut, die langsam Feuer fing, und verschränkte die Arme vor der flachen Brust, sodass sein schmutziges, weißes Hemd Falten zog.
Sofort tat es Xaith leid. »Man siehts nicht, keine Sorge«, beschwichtigte er den Jungen, wobei er genervt klang, obwohl er es nicht wollte. Er war den Umgang mit anderen wirklich nicht gewohnt.
»Ich meine ja nur.« Der Junge ging nicht darauf ein, drehte ihm die Schulter zu und hockte sich neben das Feuer, um es anzufachen. »Kinder brauchen Muttermilch.«
»Er ist ein Luzianer, er kann allein durch Blut überleben.« Nun ja, zumindest in der Theorie.
»Hab ich noch nie von gehört.«
»Da wo du herkommst, hält man uns ja auch für Untote, was weißt du also über mein Volk?«
Ehrlich gesagt, wusste er selbst nicht, ob er das Richtige tat. Luzianer tranken eigentlich erst ab einen gewissen Alter Blut, Kinder brauchten es nicht. Aber er hatte keine Milch zur Hand, da er keine Ziege oder Kuh durch die Wildnis schleppen konnte. Blut würde den Bengel schon kräftigen, jedenfalls hatte es ihn bisher gesättigt und gesund gehalten.
Seine Erwiderung brachte den Jungen zum Verstummen, er zuckte mit den Achseln.
Siderius, einstmals Sida, stammte nicht aus einem der großen Königreiche, Xaith hatte den schmutzigen Jungen aufgelesen, oder besser gesagt, hatte Eri sich einfach an ihn gehängt und sich auch durch das rüpelhafteste Verhalten nicht mehr vertreiben lassen. Wie ein Straßenköter. Xaith war selbst schuld, er hätte ihm nichts zu essen geben sollen.
Nun reisten sie mehr oder weniger zusammen, nachdem Eri ihm zugegebener Maßen das ein oder andere Mal den Arsch gerettet hatte, indem er schlicht und ergreifend für ihn gesorgt hatte, als er nicht dazu in der Lage gewesen war. Xaith hatte dem Jungen auch einen angemesseneren Namen gegeben, weil dieser sich nicht überwinden konnte, sich selbst einen auszusuchen.
Er hatte gesagt: »Aber man gibt sich nicht selbst einen Namen.«
»Doch, vor allem, wenn man seinen nicht mag.«
»Das fühlt sich nicht richtig an«, war er stur geblieben, tiefbetrübt.
Xaith hatte mit den Augen gerollt. »Gut, dann gebe ich dir eben einen Namen.«
»Warum du?«
»Weil du es selbst nicht kannst.«
Ob der Erinnerung daran, musste er kurz schmunzeln. Er spürte wieder, wie er angestarrt wurde.
»Was ist?«, fragte er unwirsch, wodurch sich der Straßenjunge nicht abschrecken ließ, er sah ihn weiterhin mit diesem besonderen, wissenden Blick an.
»Du hattest ihn gern, richtig?«
Was für ein nervtötender Klugscheißer. »Weiß nicht, wovon zu sprichst. Und jetzt bring lieber mal was zum Frühstück herbei, ich verhungere.«
Siderius sah ihn weiter ungerührt an. »Den Magier, zu dem du immer gingst, mit den besonderen blauen Augen und dem goldenen Haar.«
Manchmal hatte er trotz aller Dankbarkeit und zarter Zuneigung das Bedürfnis, Eri etwas ins Maul zu stopfen. »Essen. Sofort.«
Er bewegte sich nicht, starrte Xaith in die Augen. »Du hattest ihn gern.«
Es war keine Frage mehr.
Na toll, der Morgen fing ja schon wieder gut an.
»Tut nichts zur Sache.« Die Sonne wanderte und warf Schattenspiele durch die Baumkronen auf ihre Gesichter. Der Bengel war satt, nuckelte nur noch schläfrig an Xaiths Finger. »Nimm ihn.« Er hob das Kind, das sie in weiche Wolldecken gewickelt hatten, dem Jungen entgegen, der nicht anders konnte, als es ihm abzunehmen oder fallen zu lassen.
Immer, wenn er den Schreihals halten sollte, riss er ängstlich die Augen auf, weil er sich fürchtete, ihn zerbrechen zu können.
Was für ein Quatsch, Luzianer waren von Geburt an robust, sie hätten mit dem Bengel Ballwerfen spielen können und es wäre ihm gut gegangen. Sonst hätte er die Reise durch die Wildnis wohl kaum länger als eine Woche überstanden. Und sie hatten noch einen sehr langen Weg vor sich.
Teil 1: Der böse Bube
Lieber Kacey,
ich habe deinen Brief erhalten, habe ihn zwei Jahre mit mir herumgetragen, ihn hervorgeholt, ihn so oft auseinandergefaltet, gelesen und wieder zusammengefaltet, dass die Ränder des Pergaments alt und abgegriffen aussehen. Ich habe dich nicht vergessen, glaub mir, du warst immer in meinen Gedanken. Aber da liegt das Problem, eine ganze Weile war mein Verstand wie eine dichte Gewitterwolke, durch die keine Klarheit dringen konnte. Ich hatte keine Ahnung, was ich will, wer ich bin, wie es weitergeht. Was ich jetzt fühle.
In meiner Heimat haben sich die Ereignisse überschlagen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schnell aus Liebe Hass werden kann. Doch dazu berichte ich ein andermal ausführlicher.
Ich wollte dir aus einem völlig anderem Grund schreiben, ich habe oft nächtelang grübelnd an meinem Tisch gesessen und Zeilen angefangen, doch es kam nichts Sinnvolles dabei heraus. Ebenso wie jetzt. Vielleicht ist für das, was ich dir die ganze Zeit schreiben will, einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Mein Verstand sagt mir, dass es für derlei Angelegenheiten der falsche Moment ist, das falsches Jahr, vielleicht sogar das falsche Leben. Vielleicht schreibe ich dir nie das, was ich wirklich will.
Zuvorderst gelten diese Zeilen also eher einem Dienst der Pflicht. Ich möchte dich warnen, von Magiebegabten zu Magiebegabten. Wir sind alle in Gefahr, in Nohva erhob sich ein Kult, Die Blutreinen, und sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt von der Magie zu befreien. Ein Verräter schnitt mir die Kehle durch, versuchte mich zu töten. Ich bin noch sehr schwach, ich hätte nicht überleben dürfen, ich weiß nicht einmal, warum ich noch atme. Niemand weiß das. Meine Feinde verbreiten das Gerücht, ich sei ein Dämon.
Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet dir schreibe. Vielleicht steckt mehr dahinter als meine Sorge um dich, vielleicht möchte ich mir das Chaos einfach nur von der Seele schreiben. Doch dieses Gift, das Nohva heimsucht, wird sich ausbreiten, wenn wir nicht dagegen vorgehen. Ich habe Kinder brennen gesehen, nur aufgrund der Tatsache, dass sie Blumen wachsen ließen. Es ist ernst, die Stimmung ist gekippt. Und obwohl meine Magie wächst, bin ich nach dem Anschlag auf mein Leben noch immer zu schwach, um ein Schwert zu halten.
Warne so viele, wie du kannst, bereite deine Freunde in der Akademie auf die Unruhen vor. Es geht nicht um Throne, um Grenzen, um Reichtum oder Macht, sondern um die Freiheit und das Überleben aller Zauberkundigen. Ich will dafür kämpfen, das ist alles, was ich gerade weiß.
Unsere Existenz darf nicht ausgelöscht werden, wir dürfen keine Sklaven werden.
Wenn du wie ich der Meinung bist, dass wir uns wehren sollten, so schreib mir, ich werde einen Boten, dem ich vertraue, zwischen uns hin und her senden.
Spar dir Zeit und Tinte, solltest du meine Meinung nicht teilen.
Hochachtungsvoll und in Zärtlichkeit,
Kronprinz Riath M`Shier, Sohn des Blutdrachen, König Desiderius M`Shier, Erbe der Krone Nohvas.
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* Zweieinhalb Jahre nach König Desiderius` Tod verfasst und versendet.
Liebster Riath,
ich habe deine Briefe erhalten. Du hast Recht, ich habe nicht geantwortet, weil ich mir nicht sicher war, was ich denken soll und wem ich vertrauen kann. Dein Hass auf deine Feinde hat mich verunsichert. Und ich gebe zu, ich war noch sehr verletzt davon, dass du meinen ersten Brief so lange hast unbeantwortet lassen. Aber sei versichert, dass mich deine Zeilen oft zutiefst erschüttert und berührt haben.
Gleichwohl fürchte ich eine Entscheidung, die nicht rückgängig zu machen ist. Doch nun sitze ich hier und halte mich für einen Dummkopf, denn wie du befürchtet hast, hat sich das Gift ausgebreitet und sogar hier, im immer magischen Elkanasai, ist es in die Ohren einiger Bürger gedrungen, die nun glauben, sie allein sähen die Gefahr, die von der Magie ausgehe. In den Heilstätten weigern sich Bürger, ihre Gebrechen von einem Magier behandeln zu lassen, da das Gerücht umgeht, wir würden sie auf diese Weise mit Flüchen und Bannzaubern belegen, ihnen ihren Verstand verdrehen und sie zu Sklaven der Magie machen. Es ist vollkommen verrückt, das mit anzusehen. Ebenso wie bei Euch in Nohva, verliert die Obrigkeit an Autorität.
Ich würde lügen, würde ich behaupten, ich hätte keine Furcht. Es braut sich etwas Düsteres zusammen, ganz gewiss.
Es betrübt mich ebenso zu hören, dass du nach dem Anschlag noch immer außerstande bist, eine Stahlwaffe zu halten. Deshalb, und als Entschuldigung dafür, dass ich an deinen Absichten zweifelte, sende ich dir ein besonderes Schwert. Nur Mut, hebe es an, ich habe es eigenhändig verzaubert, es wird für dich leicht wie eine Feder sein. Und sollte dich einmal das Glück verlassen, so ist es imstande, die Zeit zu verlangsamen, damit du deinen Kopf retten kannst.
Möge dein Schakal Mak den Brief und das Schwert sicher zu dir tragen.
Ich erwarte, im Gegensatz zu dir, sehr wohl eine Antwort!
Sag mir, wie ich helfen kann.
Wir sind eins.
In aller Liebe und Zärtlichkeit,
dein Kacey.
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*Ein Jahr nach Erhalt des ersten Briefes verfasst und versendet