Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse

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2.1.3 Funktionen

Parallel zur strukturanalytischen Betrachtung der Persönlichkeit hat sich BERNE mit vielfältigen Erscheinungen des menschlichen Selbstausdrucks und der Kommunikation zwischen Menschen beschäftigt. Da er diese Erscheinungen als Funktionen der Persönlichkeit ansah, sprach er bei ihrer Beschreibung von funktionalen Ich-Zuständen. Der angenommene Zusammenhang zwischen Ich-Zuständen und Funktionen kann jedoch selten konsequent hergestellt werden. Für die meisten Betrachtungen ist es auch weder notwendig noch sinnvoll, diesen Zusammenhang herzustellen. Daher ist es eher verwirrend, wenn bei der Betrachtung von Funktionen der Begriff ›funktionaler Ich-Zustand‹ verwendet wird. Stattdessen sollte man besser einfach von Funktionen sprechen und die Frage nach den Bezügen zu Ich-Zuständen nur bei spezifischem Bedarf stellen.

2.1.4 Die Person in realen Lebenssituationen

BERNE legte bei seinem Persönlichkeitsmodell Wert auf eine Eigenart, die sich vom psychoanalytischen Persönlichkeitsmodell unterschied und in der er große Vorteile sah. Man sollte sich in der Analyse des menschlichen Verhaltens letztlich immer konkrete Personen in konkreten Situationen vorstellen können. Auch wenn man sich mit Vergangenheit beschäftigte, sollte man sich den Klienten in den jeweiligen Lebensaltern und Lebenssituationen und insbesondere das Zusammenspiel zwischen dem Klienten und den früheren Bezugspersonen vorstellen können. Durch intuitives Erfassen solcher Szenen sollten die Spielregeln für gegenwärtige Situationen, die aus diesen früheren Szenen stammen, erfasst und die damit verbundenen Fragestellungen verstanden werden können.

2.1.5 Störungen der Organisation einer Persönlichkeit

Wenn eine Person sich nicht angemessen auf gegenwärtige und künftige Realität bezieht und bei der Lebensgestaltung problematischen Lebensentwürfen folgt, kann dies als Störung in der Organisation der Persönlichkeit betrachtet werden. Strukturell gesehen kann dies damit zusammenhängen, dass erstens Ich-Zustände innerhalb der Persönlichkeit nicht angemessen ausdifferenziert sind. Zweitens können Ich-Zustände nicht angemessen aufeinander bezogen bzw. integriert sein.

2.1.5.1 Trübung

Als Beispiel für TA-Konzepte, mit denen Störungen der Ausdifferenzierung beschrieben werden, soll hier das Konzept der Trübung herausgegriffen werden. Eine Trübung ist als eine chronische Einmischung eines Ich-Zustandes in einen anderen definiert. Dies geschieht in der Regel, ohne dass sich die Person dessen bewusst ist. Man kann sich z.B. vorstellen, dass sich in das gefühlsmäßige Empfinden eines Ich-Zustandes aus dem neopsychischen System chronisch Gefühle, die aus der Kindheit der Person stammen oder von anderen Menschen übernommen wurden, einmischen. In diesem Fall geraten Wirklichkeitsbezüge und Erlebniswelten unbemerkt durcheinander, was zu erheblichen Orientierungsschwierigkeiten in der Gegenwart führen kann. In die berechtigte Vorsicht eines Unternehmers, Investitionen abzusichern, können sich kindliche Versagensängste oder übernommene Panikgefühle der Eltern aus Zeiten der Weltwirtschaftskrise mischen. Als Therapie im Sinne des Gegenwartsbezuges bietet sich dann die Enttrübung an. Die Einmischungen werden identifiziert und herausdifferenziert. Es bleiben die zu der gegenwärtigen Fragestellung passenden Gefühle. Um neuen Lebenssituationen begegnen und neue Rollen lernen zu können, ist es darüber hinaus oft erforderlich, Altes neu zu ordnen und Neues zu entwickeln. Enttrübungen und Entwirrungen sind Hilfen, eine ›differenzierte Persönlichkeit‹ zu entwickeln.

2.1.5.2 Beschreibung von Störungen der Integration

Die innere Organisation bedarf auch bei ausdifferenzierten Ich-Zuständen einer Steuerung. Hierbei können Störungen der Integration beschrieben werden. Während z.B. das Erwachsenen-Ich eine anstehende Geschäftsbesprechung realistisch zu beurteilen und vorzubereiten versucht, können an das Vorhaben Hoffnungen für das eigene Wertgefühl, Wünsche, Visionen, aber auch Abneigung gegen die anstehenden Anstrengungen geknüpft werden. Daneben kann etwa die innere Mutter »ewig besorgt um das gute Benehmen des Sohnes« mahnen, und der innere 15-Jährige daraufhin ängstlich oder rebellisch reagieren. Alle diese Strebungen mögen sich gleichzeitig oder abwechselnd im Erleben und Verhalten der Person zum Ausdruck bringen. Mit Hilfe der Strukturanalyse können diese Vorgänge studiert und daraufhin befragt werden, welche Ich-Zustände in welcher Weise beteiligt sind. Man kann dann für die Beteiligung der Teilpersönlichkeiten, ihre Beziehung untereinander und die integrierende Steuerung dieser Vorgänge Strategien entwerfen. Dies gelingt im Alltag meist durch natürliche Lernvorgänge oder bewusste Lernstrategien der Betroffenen. Manchmal ist professionelle Hilfe von außen zweckmäßig. Für das erwähnte Beispiel können verschiedene Ich-Zustände im Rollenspiel personifiziert werden. Auf diese Weise können frühere Lebenssituationen und der heutige Bezug zu ihnen, aber auch verschiedene aktuelle Strebungen in einer Person in Szene gesetzt werden. Solche Maßnahmen können hilfreich sein, eine »integrierte Persönlichkeit« zu entwickeln.

2.1.6 Persönlichkeitsgewohnheiten

Aus der Perspektive der Person gibt es eine Reihe weiterer TA-Konzepte, die nicht direkt mit strukturanalytischen Überlegungen einhergehen müssen. Beispielsweise gibt es Beschreibungen von gewohnheitsmäßigen Erlebens- und Verhaltensweisen (Rackets), die als gelernte Eigenarten der persönlichen Organisation eines Menschen angesehen werden. Daher studiert man, ob sich hier nicht bestimmte Denkmuster, Verhaltensmuster oder Gefühle beobachten lassen, die wiederholt – oft unbemerkt gewohnheitsmäßig – gelebt werden. Man tut dies, weil solche Muster aus der Sicht der Mitmenschen oft als nicht zur Situation passend, als nicht nachvollziehbar oder als unerfreulich erlebt werden.

Für den volkstümlichen amerikanischen Ausdruck Racket gibt es verschiedene Übersetzungen, die etwas mit verschiedenen Definitionen dieses Begriffs zu tun haben. Ich greife je ein Verständnis von ENGLISH und BERNE heraus. Nach ENGLISH sind Rackets Ersatzgefühle. Hier wird ein gezeigtes Gefühl unter dem Gesichtspunkt studiert, ob es situativ passt oder ob es nicht gewohnheitsmäßig statt eines anderen, hier passenderen Gefühles aktiviert wird. Zum Beispiel könnte jemand in seiner Familie gelernt haben sich gewohnheitsmäßig depressiv zu fühlen, anstatt etwa Schmerz, Empörung oder vielleicht auch Tatendrang zu empfinden und zu zeigen. Wenn man unter diesem Gesichtspunkt auf Gefühle schaut, ergeben sich daraus Operationen, die daraufhin zielen, dem Klienten die Gefühle, die durch das Ersatzgefühl gewohnheitsmäßig ersetzt werden, wieder zur Situation passend zugänglich zu machen. Analog zu Ersatz-Gefühlen könnte man auch von Ersatz-Einstellungen oder Ersatz-Verhaltensweisen sprechen.

In einer von BERNES Definitionen werden Rackets mit Erfahrungen gleichgesetzt, die angestrebt werden, um damit bevorzugte Lebenseinstellungen zu bestätigen, oder um damit Rechtfertigungen für bestimmte Einstellungen und Verhaltensweisen bereitzustellen. Zum Beispiel könnte ein Ehemann und Vater sich wiederholt Ausgrenzungserlebnisse in der Familie verschaffen und damit seine Idee, dass Männer ›einsame Wölfe‹ sind, bestätigen und um darüber hinaus berufliches Überengagement bei Verkümmerung der privaten Beziehungen zu rechtfertigen. Dementsprechend interessiert dann bei einer Racket-Analyse, welche Lebenseinstellungen durch welche Erlebens- und Verhaltensweisen bestätigt oder gerechtfertigt werden sollen und wie dies in der Person organisiert wird.

2.1.7 Transaktionen aus der Perspektive der Person

Auch aus der Perspektive der Person kann der Selbstausdruck eines Menschen, sein Kommunikationsverhalten und seine Lebensgestaltung anhand von Transaktionen untersucht werden. Allerdings werden die äußeren Transaktionen hier genauso wie die inneren mit dem Wirklichkeitserleben und der inneren Organisation der Person in Beziehung gesetzt. Die äußere Welt wird lediglich als Bühne angesehen, auf der sich die innere Organisation zum Ausdruck bringt. Dies unterscheidet sich von der Betrachtung derselben Transaktionen aus der Perspektive von Beziehungen.

2.2 Die Perspektive der Beziehungen

Ein weiterer Bereich transaktionsanalytischer Konzeptbildung ist die Beziehungsgestaltung. Einzelne Situationen oder Lebensgestaltungen von Menschen werden aus dem Blickwinkel betrachtet, wie sie als Ausdruck von oder als Beiträge zu Beziehungen angesehen werden können. Weiter unten ist diesbezüglich von Begegnung die Rede, wenn konkrete Beziehungsinszenierungen von prinzipiell möglichen Beziehungsvarianten unterschieden werden.

2.2.1 Transaktionen und professionelle Beziehungen

Die Arbeit von Transaktionsanalytikern schließt normalerweise die Gestaltung einer therapeutischen, beraterischen oder pädagogischen Beziehung ein. Schon deshalb ist die Gestaltung von Beziehungen mittels Transaktionen von besonderem Interesse.

Für professionelle Zwecke wird die Kommunikation (inklusive der nonverbalen) zwischen den Beteiligten daraufhin analysiert, welche Botschaften durch die Transaktionen übermittelt werden, und wie sich diese Botschaften bzw. die Transaktionen aufeinander beziehen. Man geht hierbei davon aus, dass die in den Beziehungen entstehenden Wirklichkeiten durch Transaktionen hervorgerufen werden. Hierzu sucht man in den Transaktionen Belege für die Beiträge und Weichenstellungen der Beteiligten. Umgekehrt wird aus dieser Sichtweise die Idee abgeleitet, dass durch gezielte Situations- und Beziehungsgestaltung von Seiten des Transaktionsanalytikers hilfreiche Alternativen hervorgerufen werden können.

 

Konkret wird z.B. studiert, welche Reaktionen ein Berater auf eine bestimmte Klientenäußerung zeigt, und ob er sich dieser Reaktion bewusst ist. Bemerkt er z.B. einen drohenden Unterton und seine verunsicherte Reaktion darauf? Dann wird nach Belegen für Ideen gefragt, die der Berater bezüglich des Erlebens und des Verhaltens des Klienten im Umgang mit Lebensfragen und Beziehungen entwickelt. Was lässt den Berater annehmen, dass der Klient voll uneingestandener Aggressionen steckt? Umgekehrt wird der Berater befragt, welche Vorstellungen er davon hat, was er in der Beratungsbeziehung tut, und ob er sich über die Botschaften, die in seinen spontanen Reaktionen wie auch seinen bewussten Aktionen zum Ausdruck kommen, im Klaren ist. Merkt der Berater, dass seine kühnen Deutungen der Abwehr eigener Verunsicherung dienen und vom Klienten als Verletzung erlebt werden? Darüber hinaus wird geprüft, ob die Aktionen in einzelnen Botschaften und Transaktionsketten die beabsichtigte Beziehungs- und Beratungsstrategie konkret verwirklichen. Führt die gegenwärtige Beratungskommunikation zum erklärten Ziel, dem Klienten zu mehr Offenheit und Vertrauen in Beziehungen zu verhelfen? Idealer Weise müssten sich Transaktionsanalytiker bei jeder einzelnen Transaktion Rechenschaft ablegen können, inwiefern darin qualifizierte professionelle Beziehungsgestaltung zum Ausdruck kommt.

2.2.2 Transaktionen und Intuitionen über Beziehungen

BERNE ging davon aus, dass sich die Menschen intuitive Urteile darüber bilden, welche Arten von Beziehungen mit dem Gegenüber möglich sein können. Diese Einschätzungen bilden sich oft in den ersten Sekunden des Kontakts, ohne dass die Beurteilenden sagen könnten, wie sie zu diesen Urteilen kommen. Meist sind sie sich auch nicht im Klaren darüber, welche Einschätzung des anderen sie vorgenommen haben. An ihren Transaktionen erkennt man jedoch, dass sie auf irgendeiner Einschätzung der Beziehungsmöglichkeiten mit dem anderen beruhen; sie handeln, »als ob« sie den Inhalt ihrer Einschätzung kennen würden.

Ungeachtet der bewusst-gewollten Kommunikation zeigen innere oder äußere Reaktionen auf andere Menschen, dass man auf vielerlei kommunikative Auslöser reagiert. Diese hat man, ohne es zu wissen, in der einen oder anderen Weise bewertet. Wenn diese Reaktionen zu dem bewussten Inhalt der Kommunikation und der gewünschten Beziehungsgestaltung passen, findet dieser Vorgang keine weitere Beachtung. Er ist ein normaler Bestandteil der Beziehungssteuerung und hilft, sich schnell in komplexen Situationen zu orientieren. Er unterstützt Menschen auch darin, sich zu bevorzugten Beziehungen zusammenzufinden.

Intuition kann sich einerseits auf die Beziehungsinhalte richten, also darauf, welches Zusammenspiel möglich ist und wie sich diese Beziehung in Zukunft entwickeln könnte. Sie kann sich andererseits auch auf einen Stil im Umgang miteinander richten. Beide Einschätzungen führen zur Auswahl von Beziehungspartnern oder der Art von Beziehungen, die man mit potenziellen Partnern eingehen möchte. Außerdem bieten solche intuitiven Wahlen Chancen in der gegenseitigen Abstimmung und bei der gemeinsamen Entwicklung der Beziehungswirklichkeit.

Intuition kann im Dienste der Entwicklung positiver Beziehungswirklichkeiten stehen wie leider auch im Dienste der Wiederholung von unbefriedigenden oder gar destruktiven Beziehungen. Letzteres beschäftigt Transaktionsanalytiker beruflich häufiger. Dies führt manchmal dazu, dass die Normalität und die enormen Vorteile von Intuition und der unbemerkten Beziehungssteuerung aus dem Blickfeld geraten.

Häufig werden Transaktionsanalytiker dann tätig, wenn Menschen ihre Partnerwahl und Beziehungsgestaltung mit Hilfe intuitiver Steuerungsmöglichkeiten so betreiben, dass die Beziehungsergebnisse unbefriedigend sind. Dies wird oft erst nach einiger Zeit bemerkt, wenn die Folgen dieser problematischen Beziehungsgestaltung spürbar werden. Zum Beispiel können sich Partner zunehmend missbraucht fühlen, obwohl sie sich im besten Bemühen um gegenseitige Würdigung wähnten. Dann kann es lohnend sein, sich die transaktionale Entstehungsgeschichte einer bestimmten Beziehungssituation bewusst zu machen. Welche Annahmen über gegenseitige Wünsche steuern die Verhaltensweisen und was löst diese Annahmen aus oder bestärkt sie? Dies kann die Analyse intuitiver Beurteilungs- und Auswahlvorgänge der Beteiligten einschließen. Diese wiederum können intuitiv erfasst oder anhand der eigenen Reaktionen und Aktionen erschlossen werden. Der Berater selbst kann sich durch die Klienten irgendwie missbraucht fühlen, was er daran merkt, dass er immer ausführlicher betont, wozu er bereit ist und wozu nicht. Letzteres wird soziale Diagnose genannt. Um aus eigenen Reaktionen verantwortlich auf auslösende Signale anderer schließen zu können, ist allerdings ein Studium der eigenen Neigungen und Reaktionsmuster erforderlich, damit man nicht dem Klienten zuschreibt, was man selbst in die Beratung getragen hat.

Ein Beobachter kann von außen häufig schon aus den ersten Transaktionen Eigenarten der sich anbahnenden Beziehung, eventuell auch absehbare Beziehungskonflikte erkennen, während die Beteiligten sich dessen oft (noch) nicht bewusst sind. Die Aufmerksamkeit auf eine sich entfaltende Wirklichkeit im Initialstadium oder erste Anzeichen von Unstimmigkeiten zu lenken, ist ein großes Verdienst der TA.

2.2.3 Psychologische Spiele in Beziehungen

Transaktionsanalytiker schenken berufsbedingt solchen transaktionalen Abläufen, die nach einiger Zeit zu problematischen Beziehungsergebnissen führen, besondere Beachtung. Die Beteiligten erleben unbefriedigende Ergebnisse einer vorher für sie unauffälligen Kommunikation als überraschend und doch oft als vertraut. Solche Serien von Transaktionen werden psychologische Spiele genannt. Menschen neigen dazu, in Beziehungen immer wieder psychologische Spiele zu inszenieren. Gewohnte, wenn auch häufig problematische Wirklichkeiten werden durch immer wieder ähnliche, intuitiv gesteuerte Partnerwahlen und Beziehungsgestaltungen reinszeniert.

BERNE hat eine ganze Sammlung solcher typischen psychologischen Spiele zusammengetragen (BERNE 1970). Er formulierte Grundideen, auf denen einzelne Spiele möglicherweise beruhen und welche typischen Wirklichkeiten sie erzeugen. Aufgrund solcher Überlegungen eröffnen sich Möglichkeiten, Alternativstrategien zu entwickeln. Sofern psychologische Spiele in der Beziehung zu einem Transaktionsanalytiker initiiert werden, kann er diese entweder durch Alternativstrategien durchkreuzen und andere Beziehungswirklichkeiten etablieren. Oder er kann die gewohnten Beziehungsangebote des anderen und die ihnen zugrundeliegenden intuitiven Erwartungen und Beurteilungen zum Gegenstand einer Klärung machen. Die Transaktionsanalyse hat für solche Situationen ein ganzes Inventar von Kommunikationsmanövern entwickelt, die in der Praxis angewendet und in der Weiterbildung gelehrt werden.

Intuitionen können also richtig oder falsch sein, treffend oder fehlgewichtet bzw. fehlgeleitet. Sie stehen im Dienst einer beglückenden oder auch problematischen, ja sogar gefährlichen Lebensgestaltung. Eigene unbewusste Neigungen, transaktionale Einladungen oder Beiträge zu Spielen anderer können jedoch erkannt und verändert werden. Es ist möglich Intuition zu »reinigen« und zu entwickeln. Dadurch kann diese hochkomplexe und integrative Orientierungs- und Steuerungsfunktion wieder ganz in den Dienst schöpferischer und konstruktiver Beziehungsgestaltungen gestellt werden. Soweit Intuition professionelles Handeln steuert, muss sie kontext- und rollenspezifisch qualifiziert werden.

2.2.4 Ausbeutungs- und Symbioseaspekte von Beziehungen

Von ENGLISH (1976 und 1981) stammt das Konzept des Racketteering, des Ausbeutungsverhaltens in Beziehungen. Es werden z.B. Gefühlsäußerungen unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ob und wie sie dazu dienen, die Aufmerksamkeit, die Hilfsbereitschaft, die Hingabefähigkeit oder andere Talente des Gegenübers für sich unter Beschlag zu nehmen. Dies kann dann als ausbeuterisch betrachtet werden, wenn es nicht auf abgeklärten Beziehungsvereinbarungen beruht und daraus nicht für alle Beteiligten Nutzen entsteht. ENGLISH hat typische Beziehungsmuster zwischen der »übersicheren« Position und der »hilflosen« Position in solchen Beziehungen beschrieben.

Der Betrachtung des Ausbeutungsaspekts in Beziehungen ist das Konzept der dysfunktionalen Symbiosen (SCHIFF et al. 1975) bzw. entsprechender Haltungen ähnlich. Von einer dysfunktionalen Symbiose spricht man dann, wenn man bei der Betrachtung einer Beziehung zu dem Schluss kommt, dass Verantwortung oder Unbehagen (als Folge der Nichtübernahme von Verantwortung) zwischen den Beteiligten verschoben wird. Dies kann Lebensgestaltung und Entwicklung in der Beziehung behindern. Unter diesem Gesichtspunkt kann man dysfunktionale symbiotische Beziehungen auch definieren als Beziehungen, innerhalb derer die Beteiligten ihr persönliches Potenzial nicht zum Ausdruck bringen oder nicht entwickeln (SCHMID 1986c).

SCHIFF und ihre Mitarbeiter untersuchten dysfunktionale Symbiosen im Zusammenhang mit dem Versuch, psychotisches Verhalten zu verstehen und im Rahmen von psychotherapeutischen Beziehungen zu behandeln. In ihrem Kathexis-Institut wurden psychotische Patienten durch therapeutische Eltern-Kind-Beziehungen behandelt. Dabei wurden sogenannte passive Verhaltensweisen studiert, die dazu dienten, andere in dysfunktionalsymbiotische Beziehungen zu nötigen oder sie darin festzuhalten.

2.2.5 Beziehungen und das Strukturmodell der Persönlichkeit

Werden Beziehungen und die Transaktionen, über die sie gelebt werden, näher untersucht, kann es aufschlussreich sein zu fragen, welche Teilpersönlichkeit in welcher Weise daran beteiligt ist. Man untersucht dann, wer innerhalb der Personen als Absender von Botschaften, auf die andere Menschen reagieren, betrachtet werden könnte. In diesem Erklärungsrahmen kann man sich vielschichtige Beziehungen vorstellen, bei denen verschiedene Teilpersönlichkeiten auf verschiedene Arten miteinander Kontakt aufnehmen.

Bildlich gesprochen kann man sich eine ganze Beziehungskonferenz vorstellen, wenn zwei Personen miteinander sprechen. Zum Beispiel könnten zwei Erwachsene versuchen in angemessener Weise miteinander umzugehen, während jugendliche Kind-Ich-Zustände miteinander ums Besser-Können konkurrieren oder miteinander einen Flirt beginnen. Innere Väter, Mütter, Lehrer oder andere frühere Bezugspersonen könnten durch Meinungen, emotionale Reaktionen oder Handlungen zum Geschehen beitragen wollen. Die inneren Väter zweier Gesprächspartner könnten dabei auf eine rein formale Beziehung höchsten Wert legen, während die Mütter genüsslich eine Romanze fördern. Dies wiederum könnte bei den jugendlichen Persönlichkeitsanteilen beider Gesprächspartner irritierte Reaktionen hervorrufen.

Als Ausdrucksmittel stehen den Teilpersönlichkeiten das Ausdrucks- und Empfindungsvermögen ein- und derselben Person zur Verfügung. Deren Ausdrucksverhalten und Beiträge zur Beziehungsgestaltung kann man sich als zumindest vielschichtig vorstellen. Dies kann von den Personen selbst und ihren Partnern als irritierend erlebt werden. Insbesondere dann, wenn die Erwachsenen-Ich-Zustände der Beteiligten keinen entscheidenden Einfluss auf die Integration und Steuerung der Teil-Persönlichkeiten bei der Beziehungsgestaltung nehmen.

Einem Transaktionsanalytiker hilft eine geschulte Intuition, Vermutungen über solche Zusammenhänge anzustellen und sie zur Grundlage seiner diagnostischen Annahmen zu machen. Transaktionsanalytiker lernen solche Überlegungen in ihre Kommunikationsstrategien und Beziehungsgestaltungen mit einzubeziehen; was nicht heißt, dass sie ausdrücklich Gesprächsgegenstand werden müssen. Das explizite Wissen und der geschulte intuitive Umgang mit diesem Geschehen dient häufig hauptsächlich dazu, sich in professionellen Situationen möglichst wenig in störenden Kommunikationsbeziehungen zu verfangen. Statt dessen versucht man, den gegenwarts- und zukunftsbezogenen Wirklichkeitsbezug von Klienten sowohl in der Beziehungsgestaltung als auch in der inneren Organisation optimal zu fördern.

 

Bei aller Faszination solcher psychologischer Betrachtungen soll nicht vergessen werden, dass sie nur einen Teil der Möglichkeiten abdecken, Beziehungsaspekte und Transaktionen zu beschreiben.