Read the book: «Clash», page 5

Font:

Lee brachte den Ball zurück, holte unsere Tüte und ich ging mit Hell zurück zum Bus. An Bord sah ich, das Noah vor seinem offenen Laptop in der Nische saß und mich zu sich winkte.

„Es sah aus, als hättest du da draußen Spaß gehabt.“

Ich setzte mich ihm gegenüber und holte tief Luft. „Das stimmt.“

„Gut.“ Noah sah erleichtert aus. „Leistest du uns jetzt also öfter Gesellschaft?“

„Das würde mir sehr gefallen“, sagte ich, aber meine Stimme war zaghaft.

Und mit diesem simplen Zugeständnis begann eine Freundschaft.

„Siehst du das Haar hier?“ Hell zeigte auf ein lockiges Haar an seinem Unterarm. Ich lehnte mich näher und betrachtete es. Er nahm es zwischen die Finger und zog daran. Es war außergewöhnlich lang. „Ich nenne es den Goldjungen. Er ist so was wie ein Nationalheiligtum.“

„Das verstehe ich.“ Ich lehnte mich wieder zurück und versuchte, über diese alberne Unterhaltung nicht zu grinsen. „Es ist wunderschön.“

Der Bus war schon lange unterwegs und kurz nachdem es dunkel geworden war, krochen die Jungs wie die Nachteulen, die sie waren, aus ihren Betten. Und aus Gründen, die ich nicht benennen konnte, waren sie gesprächig.

„Mein Gesicht war ganz aufgedunsen und bald waren meine Augen so zugeschwollen, dass ich nichts mehr gesehen habe. Ich sah aus wie Buddha“, sagte Lee. „Und von da an war klar, dass ich auf Krustentiere allergisch bin.“

Er beendete seine Aussage mit einem Grinsen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich hatte das Gefühl, ich wusste, was hier los war und alles deutete auf Noah hin. Ich war nicht aufgebracht darüber, dass er eingegriffen hatte. Ehrlich gesagt, war ich das Gegenteil davon. Ich begann eine andere Seite an diesen Männern kennenzulernen und je mehr ich erfuhr, desto weniger gruselig waren sie mir. Ihre Geschichten zeigten, dass sie menschlich und fehlerbehaftet waren, genau wie der Rest der Menschheit. Und sowie das offensichtlich wurde, konnte ich nicht mehr aufhören zu lächeln.

Noah erzählte gerade recht lebhaft eine Geschichte. „Und ich sagte, im Leben nicht.“ Er stöhnte und fuhr mit der Hand über das Gesicht. „Aber am Ende war es nicht einmal mein Auto.“ Er fing an zu lachen. „Ich hatte es auf der anderen Seite des Parkplatzes abgestellt. Ich war nur zu besoffen, dass ich das vergessen hatte.“

Ich weiß nicht, was ich von Connor erwartet hatte, aber es war nah dran an dem, was ich hörte. „Ich sag ja nur. Sex klingt, wie wenn man in Flip-Flops durch den Regen rennt.“

Er sah mich total unschuldig an. Ich stellte mir kurz vor, wie sich das anhörte und mir wurde leicht übel. Igitt. Er grinste und ich merkte, dass ich es laut gesagt hatte.

Ich lehnte mich nach vorn und hörte mir jede noch so dumme kleine Kleinigkeit an, die sie mit mir teilten.

„Ich hab es seither sicher schon zehnmal gewaschen“, sagte Hell feierlich. „Es stinkt immer noch nach Kotze.“

Mehr Geschichten wurden erzählt.

„Als ich wieder zu mir kam, war ich im Krankenhaus und mein Arm in Gips und am Kinn hatte ich eine Platzwunde.“ Lee zeigte auf die Narbe an seinem Kinn. „Siehst du?“

Ich sah es. Die Geschichten schienen kein Ende zu nehmen.

„Keiner hatte auch nur angedeutet, dass es ein elektrischer Zaun war.“ Noahs Lippen waren dünn und er schüttelte den Kopf.

Das waren alles Geschichten von kleinen Jungs, keinen erwachsenen Männern. Ich versuchte es zu unterdrücken, aber es gelang mir nicht. Ich legte die Hand vor den Mund, um mein Lachen aufzuhalten. Leider gelang mir das nicht und ich musste nur noch mehr lachen.

Connor sah mich unentwegt an und lächelte über meine hemmungslose Fröhlichkeit. Auf einmal versiegte sein Lächeln und er nickte mit dem Kinn zu mir. „Was ist mit dir?“

Meine Fröhlichkeit schwand. „Mit mir?“

„Ja. Dir.“ Seine Augen verengten sich und er leckte sich über die Lippen. „Was ist deine Story?“

Hatte ich überhaupt eine? Wenn, dann war da nicht viel. Man konnte sie definitiv nicht mit einer von ihren vergleichen. Aber die erwartungsvollen Blicke der vier Männer sagten mir, dass ich an der Reihe war, zu erzählen.

„Ich schätze, ich war ein ganz normales Kind. Ich wuchs in Bakersfield auf, mit meiner Mom. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Meine Mutter beharrte darauf, dass sie ihn geliebt hätte, aber später hat mir meine Nanna verraten, dass er verheiratet gewesen war und sie war seine Geliebte. Also, ja.“ Sie hörten mir gebannt zu. „Mom wurde krank, als ich sieben Jahre alt war. Sie starb bald darauf, also zog ich zu meiner Nanna. Ich ging auf die Marshall High und machte meinen Abschluss ein Jahr früher. Gleich darauf ging ich aufs College und machte dort meinen Bachelor.“ Oder auch zwei. „Ich verließ das College.“ Mit Auszeichnung. „Dann suchte ich nach einem Job, aber meine Nanna wurde auf einmal sehr vergesslich, und ein paar Wochen später stellten wir fest, wie schlimm es eigentlich war. Ich bekam einen Anruf von der Polizei.“ Schlimmster Tag meines Lebens. „Sie konnten mir nicht viel sagen, nur dass ich sie abholen kommen sollte. Dort angekommen war sie desorientiert und dachte, ich wäre meine Mutter. Sie nannte mich June. Als ich sie fragte, warum sie nicht nach Hause gekommen war, erklärte sie, dass sie sich nicht mehr an den Heimweg erinnert hatte.“ Ich räusperte mich. „Ich suchte nicht mehr länger nach Arbeit, sondern entschied mich dafür, für sie zu sorgen. Das war vor drei Jahren.“

„Das ist echt Scheiße, Kleine“, sagte Lee.

„Echt“, sagte Hell. „Was fehlt ihr denn?“

„Sie hat Demenz.“ Es war nicht leicht, darüber zu sprechen. „Sie lebt jetzt in einem Pflegeheim. Im St. Judes. Dort ist es schön.“ Ein kostspieliger Ort, den ich mir ohne diesen Job nicht leisten könnte. „An manchen Tagen erinnert sie sich an alles, an manchen nicht. Meistens erinnert sie sich gar nicht mehr an mich.“ Was mir das Herz brach. „Leider braucht sie ununterbrochene Pflege von geschultem Personal. Das kann ich ihr nicht geben.“ Ich war mir nicht sicher, warum das so verteidigend klang.

„Natürlich nicht“, sagte Noah. „Das wäre von jedem sehr viel verlangt. Ganz besonders für jemanden in deinem Alter.“

Connor setzte sich aufrecht. „Wie alt ist sie?“

„Sehr alt. Als meine Mutter geboren wurde, war sie schon über vierzig.“ Ich lächelte leise. „Meine Mom war ihr Wunderkind.“ Ich hatte genug von dieser Unterhaltung und fragte: „Darf ich ein Foto von euch machen?“

„Klar“, sagte Noah sofort.

Es wäre das erste Foto auf meinem Smartphone, das ich vom Label bekommen hatte. Sie posierten für mich und ich machte eine Aufnahme. Ich sah sie mir an. „Cool“, sagte ich.

„Das landet jetzt sofort auf deinen Social-Media-Kanälen, stimmt’s?“, fragte Connor kühl.

„Oh, äh …“ Ich sah ihn an. „So etwas habe ich nicht.“

Hell runzelte ungläubig dir Stirn. „Was? Wieso?“

Mir war klar, dass das ziemlich außergewöhnlich war.

„Wie bleibst du denn mit deinen Freunden in Kontakt?“, fragte Lee und klang total verdutzt.

Welche Freunde? Die folgende Stille war schneidend und mein Magen zog sich wieder zusammen. Mein Lächeln verschwand und in meinen Ohren baute sich Druck auf. Ich wurde langsam rot. Dann biss ich mir auf die Lippe. Hart. Ich hatte das nicht laut sagen wollen. Es war zu viel. Die Stille wurde fast unerträglich.

„Na dann.“ Ich stand auf, räusperte mich und hielt das Telefon hoch. „Vielen Dank noch mal dafür.“ Ich wich den Blicken aus, die ich auf mir spürte, und wünschte ihnen freundlich eine gute Nacht.

Du lieber Himmel. Da hatte ich mich ja komplett bloßgestellt. Ich fühlte mich emotional entblößt und kletterte in mein Bett. Nachdem ich den Vorhang geschlossen hatte, legte ich mich hin und warf mir ein Kissen aufs Gesicht. Vielleicht half das, mein großes, dummes Mundwerk zu schließen.

Kapitel 6
Me And My Friends

Emily

Es war Tag zwei im Bus und größtenteils war es ziemlich ereignislos. Es war auch das erste Mal, dass ich einen laut schmetternden Furz hörte, woraufhin vier erwachsene Männer loslachten wie blöd. Das war definitiv was Neues. Die Jungs machten alle ihr eigenes Ding. Sie schliefen, hörten Musik, lasen, spielten auf ihren Instrumenten und mir war irgendwie langweilig. Ich wünschte mir, ich hätte mich besser vorbereitet. Ich hatte nur drei Bücher dabei, weil ich gedacht hatte, ich hätte nicht genug Zeit zum Lesen. Reisen war öde.

Lee kam den Gang entlang und spielte auf seiner Nintendo Switch. Als er sich neben mich setzte, hielt er mir das Teil entgegen.

„Lust auf einen Kampf?“

Ich schob die Brille hoch und betrachtete den roten und blauen Apparat. „Einen Kampf?“

„Yep.“ Er zog einen Controller heraus und warf ihn mir zu.

Ich fing ihn auf und lächelte vorsichtig. „Okay. Aber ich weiß nicht, was ich machen muss.“

Lee grinste mich an. „Ich zeig es dir.“ Er stellte den Bildschirm auf den Tisch vor uns und startete das Spiel. „Schau dir an, wie ein Profi das macht, Kleine.“

Ich beobachtete und schenkte dem Spiel meine ganze Aufmerksamkeit. Schnell erkannte ich um was es darin ging. Ziel war es, alles zu eliminieren. Lee sammelte Waffen ein und irgendwelche Schilde und schoss auf alles, was ihm ins Blickfeld kam. Das sah nicht so schwer aus.

Als er fertig war, fragte er: „Bereit?“

„Ich glaube schon.“ Ich setzte mich aufrecht hin und nahm den Controller genauso in die Hand, wie Lee. In dem Moment, in dem ich einen Fuß an Land setzte, wurde ich erschossen und war tot.

„Was? Wie?“ Ich war entmutigt.

„So ist das Spiel eben, Emmy. Versuchs noch mal.“

Ich versuchte es. Ich landete, rannte ganz kurz und wurde brutal vernichtet.

„Oh Gott, ich bin furchtbar schlecht.“ Ich gab Lee den Controller zurück. „Ich will das nicht mehr. Das ist zu schwer.“

Lee schnalzte mit der Zunge und drückte mir den Controller wieder in die Hand. „Übung, Emmy-San. Es wird leichter. Ehrlich.“

Seufzend machte ich mich bereit. Ich war nicht der schnell aufgebende Typ. Das Spiel würde mich nicht schlagen. Ich würde es probieren, bis die Finger wund waren.

„Bereit?“

Ich konzentrierte mich und nickte. „Los.“

Lee startete das Spiel und als ich landete, gelang es mir zu einem kleinen Schuppen zu rennen, wo ich eine Waffe und einen Schild fand. Ich stieß einen glücklichen Laut aus. Aber als ich den Schuppen wieder verließ, war da ein Typ. Der mich erschoss. Mein Spieler fiel auf die Knie und ich gab ein schrilles „Nein!“ von mir. Der andere Typ erschoss mich noch mal und ich war tot.

„Das ist ein Alptraum.“ Ich wollte den verfluchten Controller an die Wand klatschen und atmete aus. „Warum haben die es alle auf mich abgesehen? Ich …“

Lees Schultern bebten.

„Was?“, fragte ich vorsichtig.

Lee hob den Controller hoch, bewegte den Umschalter und mir wurde alles klar. Ich schoss vom Sitz hoch, zeigte mit dem Finger auf ihn. „Du!“, rief ich laut.

Er brach in lautes, ungebändigtes Gelächter aus. Ich hätte es wissen müssen. Lee war der Typ, der auf mich geschossen hatte. Sein Lachen war ansteckend. Ich versuchte weiter böse zu gucken, aber es gelang mir nicht.

„Das war nicht sehr nett.“

Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Oh Himmel, das war zu gut.“ Endlich hatte er sich wieder im Griff. „Du machst echt Spaß, Kleine.“

Schmollend setzte ich mich wieder hin. „Ich wollte dein blödes Spiel sowieso nicht spielen“, brummte ich. Das brachte Lee erneut zum Lachen.

Mein Grinsen wurde zu einem Kichern. Das Kichern zu einem Lachen. Und das entwickelte sich zu einem Grunzen, sodass Lee sich fast in die Hosen machte. Je mehr er lachte, desto mehr grunzte ich. Es war ein ewiger Zyklus, bis Lee vom Sitz glitt und sich auf dem Boden rollte vor Lachen. Das war das Lustigste, was mir in meinem ganzen Leben passiert war. Ich grinste immer noch wie ein Idiot und trocknete mir die Lachtränen von den roten Wangen, während Lee sich mit dem T-Shirt übers Gesicht fuhr, als Noah durch den Gang rief: „Was zum Geier treibt ihr zwei denn da?“

„Nichts“, sagten wir wie aus einem Mund.

„Nicht, dass ich noch rüberkommen muss.“ Man konnte das Lächeln in Noahs Stimme hören.

Lee gab mir den Controller und wir spielten noch mal. Dieses Mal arbeiteten wir zusammen und als ich endlich das erste Mal jemanden erledigt hatte, sprang ich auf.

„Nimm das, PoBoi365“, schrie ich den furchtbar kleinen Monitor an.

Selbstverständlich wurde ich in genau diesem Moment eliminiert. Ich drehte mich zu Lee und er hob die Hände hoch.

„Ich war das nicht, ich schwöre.“

Ich schmollte und setzte mich wieder hin. „Ich hasse dieses Spiel.“ Warum war es dann nur so süchtig machend? Wer hätte das gedacht?

„Okay“, sagte Lee. „Jetzt darfst du auswählen. Was willst du spielen?“

Ich dachte kurz nach. „Die einzige Konsole, die ich jemals hatte, war eine NES. Ich besaß nicht viele Spiele. Am liebsten habe ich Super Mario 3 gespielt.“

„Das hab ich nicht hier drauf“, murmelte Lee und lächelte. „Aber ich kann es besorgen. Einen Moment.“

Er stand auf und ging zu seiner Koje. Nach einer kurzen Weile kam er mit einer kleinen schwarzen Konsole in der Hand zurück. Er klappte sie auf und reichte sie mir. „Das ist ein 3DS. Ich habe da alle Klassiker drauf.“

Ich schaltete sie an und sah sofort Super Mario 3. Ich hielt mir die Konsole an die Brust und seufzte. „Lee!“

Er setzte sich wieder neben mich und stieß mich mit der Schulter an. „Kannst du haben.“ Ich wollte protestieren, aber er hob die Hand. „Ich habe vier davon, Kleine.“

Ich runzelte die Stirn. „Wirklich?“

„Ja.“ Lee machte es sich bequem und legte den Kopf an meine Schulter. Ich grinste in mich hinein. „Und jetzt zeig mir, was du kannst.“

Ich klickte das Spiel an und als die Eröffnungssequenz losging, entwich mir ein: „Cool.“

Ich spürte wie Lee leise lachte. „Übrigens sagt kein Mensch mehr cool.“

„Sagt man das nicht mehr?“ Ich tat es.

Er sah mich an und schüttelte den Kopf. „Nein. Man sagt sick, oder …“

„Awesome“, rief Hell in Lees Denkpause.

„Bitchin“, fügte Noah hinzu

„Lit.“ Das war Connor.

Das war mir ein wenig peinlich. „Muss ich mir jetzt eins davon aussuchen?“ Meine Stimme war leise und wurde noch leiser, als ich mir auf die Lippe biss. „Kann ich darüber nachdenken?“

Lees Schultern zuckten so heftig und er gab mir einen Klaps auf den Oberschenkel, wobei mein ganzer Körper zusammenzuckte.

„Gottverdammt, Emmy.“ Er lachte laut auf und seufzte. „Ich mag dich.“

Mein Lächeln war unsicher. Meine Stimme noch viel unsicherer. „Ich mag dich auch.“ Sehr sogar.

Es war spaßig, vier kräftige Kerle in so einer kleinen Sitzecke zusammenhocken und Poker spielen zu sehen. Die Nische wurde von Testosteron geradezu überflutet. Ich lächelte in mich hinein, während ich sie über den Rand meines Buches hinweg beobachtete. Ich saß ihnen gegenüber auf dem Dreisitzer. Die Füße hatte ich mir untergeschoben und ich tat so, als würde ich lesen.

„Ihr habt doch keine Ahnung, Leute“, sagte Connor, während er die Karten mischte. „Zwillinge. Das ist es.“

Noah schüttelte den Kopf. „Zwei Pussys sind mir zu viel. Ich bin ein Eine-Frau-Typ.“

„Ich weiß nicht, Mann“, sagte Lee nachdenklich. „Ich würde der Sache eindeutig ein Go geben.“

Ich wurde rot und hielt mich an meinem Buch fest. Ich sollte nicht lauschen. Es war eine Privatunterhaltung.

„Hab ich schon alles ausprobiert“, gab Hell zu und nahm seine Karten auf. „Steh ich nicht drauf.“

„Was? Das ist aber schwach, Bro.“ Connor war entrüstet.

Dann sah er zu Noah. „Du willst mir also erzählen, dass du nichts mit zwei total nassen, jungen, engen Pussys anzufangen wüsstest?“

„Ich bin da vielleicht altmodisch“, sagte Noah und legte eine Karte ab. „Ein Schwanz braucht ein Loch. Ich bin nicht gierig.“

Connor grinste frech. „Gier ist mein zweiter Vorname.“

Von dem Moment mitgerissen, machte ich aus Versehen mit einem kleinen Laut auf mich aufmerksam. Sie sahen alle zu mir herüber, und ich wurde rot. Ich zog mir das Buch vor den Mund. „Ich hab nicht gelauscht“, sagte ich gegen die Buchseiten. Alle vier Augenpaare sahen mich amüsiert an und mein Nacken juckte. „Ich meine …“ Meine Stimme war leise. „Ich hab versucht nicht zu lauschen.“ Ich schluckte hart. „Entschuldigt.“ Ich versteckte mich hinter dem Buch und versuchte wieder zu lesen.

Connor nahm das Gespräch wieder auf. „Ich sags euch, als ich einmal diese kleine, scharfe Philippinerin klargemacht habe.“ Er knurrte tief in seinem Hals. „Also, das war mal eine enge Pussy.“

Hinter dem Buch schnaubte ich und verzog unfreiwillig das Gesicht. Dann Stille. Als ich hochsah, grinste Connor mich anzüglich an.

Oh. Hallo.

„Warum geigst du mir eigentlich nie die Meinung? Ich weiß, dass du es willst“, sagte er.

Mir war klar, dass er mich hänselte. Ich schindete Zeit und hoffte, sie würden weiterspielen, wenn ich nicht antwortete. Das war nicht der Fall. Connor wollte eine Antwort.

„Weil ihr mich dafür bezahlt, dass ich meinen Mund halte, und nicht um dich zu maßregeln über den ständigen Gebrauch des Wortes Pu…“ Ich konnte es nicht.

Doch das kannst du.

Ich schluckte hart und wisperte das schreckliche Wort. „Pussy.“

Ich fühlte mich schwach. Noch nie in meinem Leben hatte ich so ein vulgäres Wort ausgesprochen. Es war schmutzig und es fühlte sich nicht richtig an.

Connor sah aus als wollte er lachen. „Das zu sagen hat körperlich wehgetan, oder?“

Ich schwitzte ein bisschen. Ja. Verärgert schob ich das Buch höher und tat so, als ob ich das leise Gelächter von dem Männertisch nicht hörte.

Jungs waren blöd.

Ich wartete in der kleinen Teeküche, dass das Wasser im Kocher kochte. Ich öffnete eine Schranktür und holte den Kaffeebecher heraus, den Hell mir an der letzten Tankstelle gekauft hatte. Ich liebe meinen Job!, stand darauf geschrieben. Immer wenn ich ihn betrachtete, hatte ich den Drang zu lächeln. Ich lehnte mich gegen den Schrank und schob mir die Brille hoch, wobei ich versuchte, mich auf den Fernseher zu konzentrieren.

Connor saß auf dem Sofa, das Smartphone in der Hand. Was immer er machte, wurde auf den großen Fernsehbildschirm übertragen. Als er mich bemerkte, hob er das Kinn. „Was geht ab?“

„Nicht viel. Ich mache Tee.“

„Tee? Du stammst wirklich aus einem anderen Jahrhundert Emmy, oder?“ Er sah zum Fernseher hoch. „Wie alt bist du noch mal? Zweiundsiebzig? Dreiundsiebzig?“

Ich verdrehte die Augen, schüttete das Wasser in den Becher und wollte zu meiner Koje zurück, als Connor mich aufhielt.

„Wo willst du hin?“ Bei meinem erstaunten Gesichtsausdruck winkte er mich herbei. „Mir ist langweilig. Komm und sieh dir mit mir etwas an.“

Ich sah normalerweise nicht viel fern. Aber es gab eine Menge Filme, die ich noch nicht gesehen hatte, und die anderen Jungs waren gerade mit ihrem eigenen Kram beschäftigt, also …

„Okay.“

Ich stellte meinen Pfefferminztee ab und setzte mich ein Stück entfernt von ihm hin. „Was siehst du dir an?“

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Hab ich noch nicht entschieden. Gibt nicht viel Auswahl, Baby.“

In meinem Bauch tanzte es.

Als er über die so halbwegs bekannten Titel scrollte, fragte ich: „Was ist Sister Act?“

„Es geht um eine Sängerin, die Probleme mit der Mafia bekommt, sie geht in ein Kloster mit Nonnen. Sie bringt ihnen das Singen bei und sie werden alle Freunde und reiten zusammen in den Sonnenuntergang.“

Das klang nett. „Cool. Mach das an.“

Ich hätte wissen müssen, dass irgendwas nicht stimmte, als er kicherte.

„Dein Wunsch ist mir Befehl.“

Die Eröffnungssequenz zeigte zwei hübsche blonde Frauen, die sich unterhielten. Sie brauchten Geld, um Rechnungen zu bezahlen. Ich runzelte die Stirn. Ich hatte mir zwar etwas anderes vorgestellt, aber okay. In dem Film klingelte es an der Haustür und der Vermieter tauchte auf. Er war nicht nett. Es schien, als würde er die Frauen hinauswerfen, wenn sie nicht bezahlten. Als sie anfingen zu weinen, sagte er ihnen, dass er sich wünschte, sie würden sich etwas einfallen lassen. In dem Moment gingen die Frauen auf die Knie.

Ich sah zu Connor und wusste, dass ich verwirrt aussah. Er sah mich nur ermutigend an und ich sah wieder auf den Bildschirm. Die Frauen knöpften die Hose des Mannes auf und als seine riesige Erektion frei lag, schoss ich in die Höhe und warf ein Kissen auf Connor.

„Connor, das ist ein Porno!“, rief ich schrill.

Er warf den Kopf nach hinten und lachte laut.

Ich schüttelte den Kopf und wollte weggehen, doch er griff nach meiner Hand und zog mich zurück. „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass es der falsche Sister Act Film ist. Es war ein Versehen, echt jetzt.“

Ich versuchte, nicht auf den Bildschirm zu sehen und sah ihn finster an. „Das ist gelogen.“

Er grinste. „Ein bisschen.“ Mit Daumen und Zeigefinger zeigte er eine kleine Lücke an, durch die er hindurchlinste. „Nur so viel.“

Fest stand, dass Connor es liebte, mich zu ärgern. Man konnte Stöhnen hören und ich wurde rot. „Schalte das aus.“

„Okay, ich mach ja schon.“ Er drückte einen Knopf und der Fernseher war still. „Meine Güte. Du benimmst dich, als hättest du noch nie Sex gehabt.“

„Ich … ich hatte schon einen … Sex.“ In meinem Gehirn war wohl ein Kurzschluss.

Er hob die Augenbrauen. „Du hattest einen Sex?“

„Ja.“ Oh mein Gott. „Oft.“

Warum, Emily, warum?

Connor biss sich auf die Zunge, in der Art wie ich es so gern an ihm mochte, und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sprich nur weiter.“

„Nein.“ Ich stand schon wieder auf. Schnaubend schnappte ich mir meinen Tee und versteckte mich in meiner Koje, bis der Bus anhielt.

$7.73