Rollenspiele

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Arik Steen

Rollenspiele

Spiele auf Burg Sylvenstahl

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Der erste Tag

Der zweite Tag

Der dritte Tag

Der vierte Tag

Der fünfte Tag

Der sechste Tag

Der siebte Tag

Impressum neobooks

Der erste Tag

Wenn man die zahlreichen Serpentinen hinauf auf den Hausberg endlich hinter sich gebracht hat, und schließlich noch vor der Mittelstation rechts auf eine Anhöhe fährt, kann man die Burg der Adelsfamilie von Sylvenstahl bereits sehen. Ihr Bau wurde im dreizehnten Jahrhundert fertiggestellt. Damit ist sie über 800 Jahre alt. Ihr Mauerwerk birgt für viele ein großes Geheimnis, ist sie doch seit jeher auch der Mittelpunkt eines kleinen Ritterordens. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es war im August 2008.

Ein Jahr war vergangen, seitdem der Burgherr Franz von Sylvenstahl seine Geschäfte an seinen zweitältesten Sohn abgegeben hatte. Darunter nicht nur die Skistation mit der Gondel, sondern auch das Hotel im Tal, die Silbermanufaktur und die Brauerei. Der Baron war in der Zwischenzeit achtundsechzig Jahre alt und ging auf die Siebzig zu. Nachdem er nun die Geschäfte aus der Hand gelegt hatte, wollte er sich noch einmal einen Traum erfüllen: eine Fahrt mit einem Kreuzschiff. Er hatte seine drei Söhne hierzu eingeladen mit zu kommen.

Sein ältester Sohn Samuel hatte gleich abgelehnt. Er lebte seit dem Tod eine Frau sehr zurückgezogen in einem Jagdhaus, nicht allzu weit entfernt von der Burg. Sie war an Brustkrebs gestorben und hatte eine tiefe Leere in ihm zurückgelassen. Er wollte deshalb mit dem Titel eines Barons und mit den Geschäften der Unternehmen auch nicht allzu viel zu tun haben. Denn eigentlich war laut Erbfolge er der rechtmäßige Anwärter auf den Titel des Barons. So behielt er lediglich die Bezeichnung eines Freiherrn.

Franz jüngster Sohn Karl wollte ebenfalls nicht mitfahren. Er entschied auf der Burg zu bleiben und die „Stellung zu halten“, wie er es gerne nannte. Damit blieb nur Jonathan, der ohnehin die geradlinigste Schiene fuhr. Er war seit nunmehr dreizehn Jahren mit Elisabeth verheiratet und hatte drei Töchter. Nachdem der Baron bereits im vergangenen Jahr die Geschäfte an seinen Sohn abgegeben hatte, wollte er nun auch den Titel als Baron und damit die Burgherrschaft an seinen Sohn weitervererben. Dabei war dies eine rein formelle Sache. Anspruch auf das Vermögen und auch auf die Gewinne der Unternehmen hatten alle Söhne in gleichem Maße. Jonathan hatte wenige Vorteile dadurch. Vor allem hatte er eines: eine Menge Arbeit.

Die Verleihung des Titels eines Barons war deshalb nur gerechtfertigt. Auf der Kreuzfahrt hatte Franz dies als Überraschung geplant.

„Kinder! Macht ihr euch fertig?“, fragte Elisabeth. Sie hatte zusammen mit Jonathan in der Zwischenzeit drei Töchter. Mia, die jüngste Tochter, war gerade mal sechs Jahre alt. Julia wurde im September Acht und die älteste Tochter war in der Zwischenzeit Zehn.

„Mama? Können wir Odin nicht mitnehmen?“, sagte die sechsjährige Mia.

Ihr Vater Jonathan lachte: „Natürlich nicht, wo denkst du hin?“

„Sie möchte nicht wirklich den kleinen Husky mitnehmen, oder?“, mischte sich nun auch die Großmutter ein. Theresa von Sylvenstahl war die Baronin des Hauses.

„Odin bleibt schön bei seinem Rudel und bei Onkel Samuel!“, meinte Elisabeth zu ihrer Tochter.

Samuel hatte sich nicht nur sehr von der Gesellschaft zurückgezogen, sondern lebte auch mit vierundzwanzig Siberian Huskys zusammen. Eine Langlaufloipe, die direkt an der Burg und auch am Jagdhaus von Samuel vorbeiführte, war eine optimale Trainingsstrecke für Schlittenhunde.

In diesem Sommer war der Welpe Odin ins Rudel einzogen. Er sollte, sobald er groß genug war, als Schlittenhund ausgebildet werden. Auf der Langlaufloipe, die von der Mittelstation an der Burg vorbei und durch das Schneetal führte, wurde jedes Jahr ein wichtiges Schlittenhunderennen veranstaltet.

Vor allem die sechsjährige Mia war relativ häufig bei ihrem Onkel in letzter Zeit gewesen, um bei dem kleinen Welpen zu sein. Deshalb fiel ihr der Abschied relativ schwer. Ganze zwei Wochen würde die Kreuzfahrt im Mittelmeer dauern.

„Und du bekommst das alles hin, Bruderherz?“, fragte Jonathan.

Karl nickte: „Natürlich. Wo denkst du hin?“

„Wir hätten wenigstens irgendjemand vom Personal dalassen können!“, sagte der noch im Amt stehende Baron Franz von Sylvenstahl.

Karl schüttelte den Kopf: „Die haben genau so Urlaub verdient. Und sie jetzt in den Urlaub zu schicken ist doch das Beste, wo ohnehin keiner im Haus ist.“

„Außer natürlich du!“, sagte Theresa.

„Jawohl!“, sagte Karl und stand stramm vor seiner Mutter: „Ich werde die Burg mit meinem Leben verteidigen!“

„Ach Karl!“, seufzte sie.

„Hab viel Spaß auf der Kreuzfahrt!“, grinste Karl und gab seiner Mutter einen Kuss auf die Stirn.

„Keine Frauenbesuche, hörst du?“, sagte Franz.

Karl grinste: „Ich bin 38 Jahre alt, ich weiß, was ich tu!“

„Ja, sicher!“, meinte seine Mutter spöttisch.

Die Familie verabschiedete sich. Das Personal war bereits am frühen Morgen in den Urlaub geschickt worden. Damit war Karl alleine auf Burg Sylvenstahl.

Karl schloss das große Tor der Burg und ging dann ins Herrenzimmer. Der jüngste Sohn der Adelsfamilie war definitiv kein Kind der Traurigkeit. Er war schon immer ein Lebemann gewesen und er wollte auch genau diese zwei Wochen in vollen Zügen genießen. Für ihn war klar, dass nun der Alkohol in großen Mengen floss. Vor allem seine äußerst biedere Mutter war er froh los zu haben. Denn obwohl er mit 38 Jahren natürlich längst erwachsen war, so lebte es sich in einer adeligen Familie wie den von Sylvenstahls nicht allzu freizügig. Karl hatte deshalb vor allem während seines Studiums die Sau rausgelassen. Für ihn war die „sturmfreie“ Burg ein absolutes Geschenk.

Das „Blue“ war die angesagte Bar schlechthin in der Kreisstadt Weissach. Besonders beliebt war sie vor allem auch bei den Sommertouristen.

Karl hatte sich mit dem Taxi nach Weissach fahren lassen. Normalerweise hatte die Familie einen Chauffeur. Doch auch ihm war der Urlaub gegönnt.

Die Musik war dezent, so dass man sich noch gut unterhalten konnte. Karl trank in aller Ruhe seinen Wodka. Eigentlich war er reiner Whiskey-Trinker. Sobald er auf Wodka umstieg, war seine Absichten mehr als deutlich: eine Frau klarmachen. Denn durch die Reinheit des Wodkas roch man den Alkohol nur äußerst gering und man ersparte sich die typische Alkoholfahne, die durch die Abbauprodukte vor allem von schwefelhaltigen Komponenten entstand. Wodka kam nun mal dem reinen Gemisch von Wasser und Ethylalkohol am Nächsten. Und er roch deshalb kaum.

Der Freiherr von Sylvenstahl schaute sich um. Es waren immer ein paar hübsche Mädchen hier. Vielleicht war es ihm vergönnt, die eine oder andere mit nach Hause zu nehmen. Zwar waren die meisten Frauen deutlich jünger als er, das war für ihn aber das kleinste Hindernis.

Besonders interessant fand Karl vier recht junge Damen, die an einem der Tische saßen und Cocktails tranken.

Der Freiherr von Sylvenstahl war nicht dafür bekannt, besonders schüchtern zu sein. Seinem Vater, dem Baron, war das oftmals ein Dorn im Auge. Karl war ein Schwerenöter und so ganz anders als sein Bruder Jonathan, der eher der typische erfolgreiche Geschäftsmann und Familienvater war.

Karl ging zu den Damen und stellte sich vor: „Ich bin Karl. Woher kommt ihr Hübschen denn?“

Es kam häufiger vor, dass die Damenwelt durchaus ablehnend reagierte, wenn sie so von der Seite angesprochen wurden. In diesem Fall war das jedoch keineswegs. Auch wenn die jungen Frauen eher skeptisch wirkten, so schienen sie doch interessiert an einem Gespräch.

„Wir sind aus Ostdeutschland!“, meinte die Nina, sie war groß, schlank und hatte kürzeres braunes Haar: „Genauer gesagt aus Dresden!“

„Eine schöne Stadt!“, meinte Karl: „Ich war dort in der Offiziersausbildung!“

„Tatsächlich?“, fragte Nina: „Cool!“

„Ist so ein Pflichtprogramm gewesen!“, meinte Karl: „Nichts Bedeutendes. Es war nicht mein Traum Offizier zu werden!“

„Wieso Pflicht?“, fragte nun Jane. Sie war nicht ganz so schlank wie ihre Freundin und schien auch etwas mehr Vorbau zu haben. Ihre Haare waren dunkelbraun und zu zwei Zöpfen zusammengebunden.

„Mein Vater wollte das so“, erklärte Karl: „damit in der Familie ausgebildete Offiziere sind!“

„Wie altmodisch ist das denn?“ grinste Nina.

„Nun ja, ich komme aus einer Adelsfamilie. Da ticken die Uhren etwas anders.“

„Ernsthaft?“, fragte Jala. Sie war dunkelhäutig, hatte ein markantes Gesicht und schönes schwarzes lockiges Haar.

 

„Ja, ernsthaft!“, meinte Karl.

Nina seufzte: „Jala ist ganz hin und weg von dieser Burg Sylvenstahl! Wir mussten sogar die teure Gondel nutzen, um sie uns anzuschauen.“

„So Burgen gibt es bei uns nicht!“, meinte Jala. Sie hatte wenig Verständnis für ihre Freundin, die ihr Interesse am Mittelalter so gar nicht teilen konnte.

„Wo ist bei uns?“, fragte Karl.

„Sie kommt aus Ghana!“, sagte Nina.

Karl lachte: „Kann sie nicht für sich sprechen?“

„Sorry!“, grinste Nina.

„Ja, ich bin aus Ghana!“, meinte nun auch die afrikanische junge Dame.

„Und dir gefällt also Sylvenstahl?“

„Aber hallo!“, meinte Jala: „Solche alten Gemäuer sind einfach cool!“

„Ich wohne auf Sylvenstahl!“, erklärte Karl: „Das trifft sich also gut!“

„Ernsthaft?“, fragte Jala: „Wie cool ist das denn?“

„Und das sollen wir dir glauben?“, fragte Nina: „Ja ne, ist klar.“

Karl holte seine Visitenkarte und legte sie auf den Tisch.

Nina nahm sie und las vor: „Karl von Sylvenstahl“

„Wie geil!“, meinte Jala und nahm Nina die Karte weg: „Darf ich die behalten?“

„Sicher!“, sagte Karl.

„Lädst du uns mal auf die Burg ein?“, fragte Jala.

Karl grinste: „Warum nicht? Wir könnten Spaß haben …“

„Soll das jetzt ein unmoralisches Angebot sein?“, fragte Jane mit den dunkelbraunen Zöpfen.

„Wenn du das so sehen willst!“, grinste er: „Was macht ihr eigentlich hier?“

„Wir sind Studentinnen!“, sagte Nina: „Wir studieren an der Hochschule für Schauspielkunst in Dresden!“

„Tatsächlich? Also, ihr wollt alle Schauspielerinnen werden?“, fragte Karl.

„Ja!“, antwortete Jala.

„Das ist ja mal ein Ziel“, erwiderte der Freiherr von Sylvenstahl und schaute dann Alina an. Sie hatte bisher noch nichts gesagt: „Was ist mit dir? Du auch?“

Sie nickte: „Ja!“

„Sie ist ein wenig schüchtern!“, grinste Jane.

„Gar nicht!“, schimpfte Alina. Sie hatte blondes langes Haar.

„Was ist jetzt mit dem unmoralischen Angebot?“, fragte Nina.

„Wie lange seid ihr noch hier?“

„Noch bis Samstag!“, meinte Jala und trank von ihrem Cocktail.

„Ihr wollt doch Schauspielerinnen werden!“, sagte Karl: „Wie wäre es mit einem Spiel?“

„Einem Spiel?“, fragte Nina irritiert: „Was für ein Spiel?“

„Ihr verbringt bis Samstag auf der Burg Sylvenstahl. Jeden Tag präsentiert eine von euch einen mittelalterlichen Charakter!“

Jane schaute ihn an: „Charakter? Okay, und die wären?“

„Das könnt ihr euch selbst überlegen“, sagte er: „Ich gebe euch jedem ein Budget. Ihr kauft euch entsprechend was sexy ein und bringt euer Kostüm mit auf die Burg.

„Habe ich richtig gehört? Sexy?“, fragte Jane.

„Ja natürlich!“, sagte Karl lachend: „Es soll doch auch mir Spaß machen!“

„Aber es geht nicht um Sex, oder so?“, fragte Alina.

„Keine Ahnung, sag du es mir!“ grinste er.

Sie wurde knallrot.

„Unsere schüchterne, kleine Alina ist noch Jungfrau!“, meinte Nina lachend: „Also ich wäre dabei!“

„Sie ist wirklich eine Jungfrau?“, fragte er: „Oha!“

„Boah, echt jetzt. Musst du das fremden Menschen auf die Nase binden?“, fragte Alina.

„Wie wäre es mit meinem Angebot?“, fragte er.

„Also ich weiß nicht …“, meinte Alina.

„Es kann alles, muss aber nicht!“, sagte Karl: „Ich zwinge dich zu nichts …“

„Hast Angst, dass du deine Unschuld dort oben verlierst?“, grinste Jane.

Alina wurde erneut rot.

„Also ich bin auch dabei!“, meinte nun Jala aus Ghana: „Du zwingst uns ja wirklich zu nichts, oder …?“

„Ganz sicher nicht!“, meinte Karl: „Wir wollen einfach Spaß haben und mehr nicht …“

„Das hört sich doch gut an!“, sagte Nina: „Aber ich versteh das nicht mit den Charakteren, die wir spielen sollen.“

„Jeder von euch überlegt sich ein Charakter, den er präsentiert. Jeder an einem anderen Tag!“, erklärte Karl: „Ihr habt den morgigen Tag Zeit euch was Hübsches zum Anziehen zu kaufen. Ein passendes Kostüm, sozusagen!“

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