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aa) Überprüfbarkeit des Sachverhalts, unbestimmter Rechtsbegriffe
und von Beurteilungsspielräumen

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Der Untersuchungsgrundsatz nach § 86 VwGO gibt den Gerichten nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhaltes.[260] Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen, im Unterschied zum Zivilprozess, in dem der Verhandlungsgrundsatz gilt.[261]

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Abgrenzungsfragen stellen sich gleichwohl, wenn das für die streitbefangenen realen Vorgänge maßgebliche Gesetz mit unbestimmten Rechtsbegriffen operiert, weil es um Wertungs- und Einschätzungsfragen geht oder um Fragen, die eine besondere Sachkunde erfordern, die so nicht ohne Weiteres dem Gericht zur Verfügung steht, oder um Sachverhaltskonstellationen, die zeit- oder situationsgebunden sind.

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Grundsätzlich überprüfen die Gerichte wegen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG die Tatbestandsseite in vollem Umfang. Gleichwohl gestehen die Gerichte auf der Tatbestandsseite für bestimmte Fallgruppen der Verwaltung einen Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt überprüft wird. Beispiele sind Prüfungsentscheidungen, bestimmte Prognoseentscheidungen oder dienstliche Beurteilungen. Die Gerichte überprüfen dabei lediglich, ob der Beurteilungsspielraum verkannt wurde (Beurteilungsausfall), ob ein unzutreffender Sachverhalt angenommen, anerkannte Bewertungsmaßstäbe verkannt oder sachfremde Erwägungen angestellt wurden (Fehlgebrauch) oder ob eine Beurteilungsüberschreitung vorliegt. Diese Fehlerlehre ist an die Ermessensfehlerlehre angelehnt.[262]

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Besondere Schwierigkeiten bereiten sog. Kopplungsvorschriften. Dies sind Normen, die einen unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestandsseite mit Ermessen auf der Rechtsfolgenseite der Norm verbinden.[263] Hier stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Gerichte prüfen dürfen, insbesondere ob für die Normelemente die jeweiligen Regeln gelten oder eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist oder die Regeln für das eine Normelement auf das andere Normelement ausstrahlen. Hierzu besteht keine allgemeine Antwort, es kommt letztlich auf die konkrete Norm an.

bb) Überprüfbarkeit von Ermessensfragen

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Ermessen besteht, wenn auf der Rechtsfolgenseite einer Norm Spielraum für mehr als eine Entscheidungsmöglichkeit eröffnet wird („Kann-Vorschrift“).[264] Auch hier stellt sich wie bei den unbestimmten Rechtsbegriffen die Frage, inwieweit dieser Spielraum gerichtlich überprüft werden kann. § 114 VwGO legt dazu fest, dass soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, das Gericht nachprüft, ob der Verwaltungsakt oder dessen Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Die Verwaltungsgerichte überprüfen bei Ermessensentscheidungen nur einen rechtlichen Rahmen. Die Ermessensfehlerlehre umfasst den Ermessensausfall (Behörde hat Ermessen übersehen), den Ermessensfehlgebrauch (sachfremde Erwägungen oder Gewichtungsfehler) und die Ermessensüberschreitung (Rechtsfolge außerhalb des gesetzlich gesteckten Rahmens).

cc) Maßstäbe der Kontrolle

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In Deutschland wurzeln die Maßstäbe für die Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte in der Verfassung. Zum einen leitet sich ein umfassender Kontrollumfang aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 97 Abs. 1 GG ab, wonach der Richter an Recht und Gesetz gebunden ist. Dies umfasst alle formellen und materiellen Gesetze des Bundes und der Länder.[265] Ferner gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz eine Rechtsschutzgarantie, die im Zweifel den strengeren Prüfmaßstab gebietet.

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Die Rechts- und Realakte der Verwaltung müssen dementsprechend mit Gesetzesrecht vereinbar sein. Dieses muss freilich seinerseits konform mit höherrangigem Recht sein. Dies dürfen Gerichte auch prüfen. Bestehen aufgrund der Prüfung im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Prüfungsmaßstabes Zweifel, so müssen die Gerichte nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorlegen, das für nachkonstitutionelle Parlamentsgesetze die Verwerfungskompetenz beansprucht. Für vorkonstitutionelle formelle und materielle Gesetze haben allerdings die Verwaltungsgerichte selbst eine Verwerfungskompetenz.

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Neben dem Gesetzesrecht sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG), sie sind ebenfalls von den Verwaltungsgerichten als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Das Völkervertragsrecht hat innerstaatlich in Deutschland den Rang von Gesetzesrecht (Art. 59 Abs. 2 GG), so dass es ebenfalls als Kontrollmaßstab in Betracht kommt.

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Auch das Europarecht (Primär- und Sekundärrecht der Europäischen Union) gehört zum Kontrollmaßstab der Verwaltungsgerichte. Aus Sicht des Europarechts muss der nationale Richter staatliches Handeln auf seine Vereinbarkeit mit dem anwendbaren Unionsrecht überprüfen und zwar auch – und erst recht – auf Antrag Privater. Darüber hinaus ist der deutsche Richter sogar verpflichtet, die Einschlägigkeit von Unionsrecht von Amts wegen festzustellen und dieses anzuwenden.[266] Hier kann der Anwendungsvorrang des Europarechts entscheidend sein, wenn das nationale Recht in Gegensatz zum Unionsrecht gerät. Mit der Rs. Alcan[267] von 1997 ist dies für das deutsche Verwaltungsrecht auch allgemeiner bekannt geworden. In dem Fall machte ein Unternehmen gegen die Rückforderung europarechtswidriger Subventionen Vertrauensschutz wegen Zeitablaufs aus dem deutschen VwVfG geltend, was mit dem vorrangigen Europarecht nicht ohne weiteres vereinbar war. Bei Fragen nach der Auslegung des Europarechts sowie bei Zweifeln hinsichtlich dessen Rechtmäßigkeit kann bzw. muss dem EuGH die Europarechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.

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Der Kontrollumfang beschränkt sich im Grundsatz auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle. Soweit noch das Widerspruchsverfahren (§ 68 VwGO) als vorgeschaltetes verwaltungsinternes Kontrollverfahren stattfindet, kann die Behörde bzw. die Widerspruchsbehörde auch die Zweckmäßigkeit überprüfen.

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Rechtmäßigkeitskontrolle heißt, dass die Rechtsanwendung und -auslegung durch das Gericht maßgeblich ist und sich gegenüber einer abweichenden Handhabung des Rechts durch die Verwaltung durchsetzt. In bestimmten Fällen ist die Kontrolldichte indessen eingeschränkt. Dann hat gleichsam die Verwaltung das letzte Wort. Ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt, so findet lediglich eine Überprüfung auf Ermessensfehler statt (§ 114 VwGO).[268] Auch bei unbestimmten Rechtsbegriffen kann sich die Frage nach der Kontrolldichte stellen.[269] Zwar sind unbestimmte Rechtsbegriffe grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist nur dann beschränkt, wenn der Behörde ein Beurteilungsspielraum bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zusteht, etwa bei Prüfungsentscheidungen, beamtenrechtlichen Beurteilungen oder allgemein Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen. Dann überprüft das Gericht lediglich Beurteilungsfehler, etwa Verfahrensfehler, ausgehend vom unrichtigen Sachverhalt, Verstöße gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze, sachfremde Erwägungen oder sonst willkürliche Entscheidungen.

b) Entscheidungen

aa) Entscheidungsarten

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Auf einer formalen Ebene entscheiden Verwaltungsgerichte durch Urteil, Gerichtsbescheid (§ 84 VwGO) oder Beschluss. Ein Urteil setzt in der Regel eine mündliche Verhandlung voraus (§ 101 VwGO).[270]

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Das Verwaltungsprozessrecht macht im Übrigen weitgehend, wenn auch nicht durchgehend, Vorgaben dazu, was möglicher Inhalt einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sein kann. Die Entscheidungen sind insoweit überwiegend gesetzesgeprägt und standardisiert. Je förmlicher das beanstandete Verwaltungshandeln, desto standardisierter die Vorgaben zur gerichtlichen Entscheidung. Entsprechend sind für die Verwaltungsakte betreffenden Klagen die Vorgaben am deutlichsten.

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Wendet sich der Einzelne mit der Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, so hebt das Verwaltungsgericht diesen auf, soweit er sich als rechtswidrig erweist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ggf. in der Gestalt, die der angegriffene Verwaltungsakt durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat. Ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt bereits vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag die Rückgängigmachung des Vollzugs anordnen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Im Hinblick auf einen bereits erledigten Verwaltungsakt stellt das Verwaltungsgericht auf Antrag die Rechtswidrigkeit fest, wenn der Kläger an dieser Feststellung ein berechtigtes Interesse hat (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

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Geht es dem Einzelnen darum, dass die Behörde vermittels Verwaltungsakt tätig wird (Verpflichtungsklage), so bestehen im Kern zwei Möglichkeiten: Das Gericht verpflichtet die Behörde zum Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes bei „Spruchreife“ (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), d.h. wenn es nur eine Entscheidungsoption gibt. Gibt es mehr als eine mögliche rechtmäßige Entscheidung, darf das Gericht nicht anstelle der Behörde entscheiden. Dann wird die Verwaltung zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Soweit es einen Ablehnungsbescheid gab, wird dieser zusammen mit der Verpflichtung auf den begehrten Verwaltungsakt bzw. auf Neubescheidung aufgehoben.

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Bei der Leistungsklage wird die Verwaltung zu dem begehrten schlichten Handeln oder Unterlassen verurteilt.

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Bei der Feststellungsklage spricht das Gericht eine Feststellung entsprechend dem Antrag des Klägers aus. Man geht also keine Umwege, wie sie etwa in der Schweiz offenbar für erforderlich gehalten werden: Dort ist eine Leistungsklage gegen die Behörde erforderlich, gerichtet auf den Erlass einer Feststellungsverfügung.[271]

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Für den Eilrechtsschutz legt § 80 Abs. 5 VwGO fest, dass das Gericht die aufschiebende Wirkung von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage anordnet bzw., falls die Verwaltung Sofortvollzug angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung wiederherstellt. Im Falle eines faktischen Vollzugs, d.h. wenn der Verwaltungsakt trotz eingetretenen Suspensiveffekts durch die Behörde vollzogen wird, wird die aufschiebende Wirkung festgestellt. Nach § 80a VwGO entscheidet das Gericht mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung oder einer Aussetzung der sofortigen Vollziehung bzw. einer Anordnung von Sicherungsmaßnahmen.

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Für Eilrechtsschutz jenseits der Anfechtungsklage ist die Formulierung offener, es können nach § 123 VwGO einstweilige Sicherungs- oder Regelungsanordnungen getroffen werden.

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Bei der Normenkontrolle nach § 47 VwGO erklärt das Gericht die beanstandete Norm ggf. für unwirksam. Vorgegeben ist dann, dass die Entscheidung des Gerichts allgemein verbindlich ist und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen ist wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.

bb) Begründungstechnik

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Wesentliches Merkmal von Gerichtsentscheidungen in Deutschland ist die Gliederung der Entscheidungen in Tatbestand und Entscheidungsgründe. Die Begründung der Gerichtsentscheidungen der Verwaltungsgerichte gleicht den Begründungen anderer Gerichtsbarkeiten in Deutschland.[272] Sie erfolgt schriftlich im „Urteilsstil“. Bei diesem Stil steht das Ergebnis gleichsam als apodiktische Behauptung zu Beginn. Die nachfolgenden Ausführungen erklären das Ergebnis.[273] Insoweit ist die Begründung formalisiert und konstruiert. Sie erreicht dabei aber nicht die formelartige Präzision und Kürze der Begründungen, die der französischen Urteilstradition[274] entspricht. Die Begründungstexte sind in deutschen Verwaltungsgerichtsurteilen deutlich länger als in französischen. Zugleich ist die deutsche Tradition weniger narrativ als die angelsächsische Tradition.[275]

202

Die Texte sind unpersönlich gehalten, die erste Person wird vermieden. Sondervoten sind nicht vorgesehen,[276] sie sind eine Besonderheit des BVerfG.

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Die möglichst genaue Bezugnahme auf die verwendeten Normen ist wichtig. Zitiert wird höchstrichterliche, aber auch sonstige Rechtsprechung und einschlägiges Schrifttum.

204

Der Rechtsvergleich spielt dabei keine hervorgehobene Rolle. Urteile des EuGH und des EGMR werden aber, falls einschlägig, heute genauso selbstverständlich zitiert wie Entscheidungen des BVerfG. Über das Europarecht ergeben sich dabei auch ohne unmittelbaren Rechtsvergleich mittelbar Kommunikationsverbindungen zwischen den Verwaltungsprozessordnungen der Mitgliedstaaten. Mitgliedstaatliche Erfahrungen fließen in das Europarecht ein und wirken von da aus wieder zurück in die Mitgliedstaaten.

cc) Sonstiges

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Als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung kommt dem Erörterungstermin[277] (§ 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO) bzw. der mündlichen Verhandlung in der Praxis eine wichtige Bedeutung zu. Wesentliches Merkmal des insoweit am Diskurs und Austausch orientierten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Deutschland sind die Sachverhaltsaufbereitung durch das Gericht im Kontakt mit den Beteiligten sowie das Rechtsgespräch mit den Beteiligten unter Erörterung der Sach- und Rechtslage.

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Die Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile ist in den §§ 167 bis 172 VwGO geregelt und richtet sich im Übrigen nach den Regeln der ZPO.[278]

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Urteile und Entscheidungen der Gerichte sind heute in aller Regel gut elektronisch verfügbar. In der Praxis wird dabei überwiegend mit dem quasi-staatlichen juris-System gearbeitet.[279] Daneben stehen zunehmend auch andere, kommerzielle Datenbankangebote zur Verfügung, die u.a. auch Gerichtsentscheidungen der Verwaltungsgerichte verfügbar machen.[280] Die Entscheidungen des BVerwG werden in einer amtlichen Sammlung (BVerwGE) beim Carl Heymanns Verlag herausgegeben. Auch für die Entscheidungen der OVGs bzw. VGHs bestehen amtliche Sammlungen. Zunehmend bauen die Justizverwaltungen der Länder eigene Datenbanken auf, die frei zugänglich sind.

208

Die Entscheidungen der Gerichte werden heute im Übrigen über deren jeweilige Internetseiten in unterschiedlichem Umfang verfügbar gemacht, vereinzelt auch auf Englisch.[281]

c) Wirkungen von Entscheidungen

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§ 121 Nr. 1 VwGO sieht vor, dass rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden,[282] soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (materielle Rechtskraft). Dies setzt die formelle Rechtskraft der Entscheidungen voraus, d.h. den förmlichen Abschluss eines konkreten Verfahrens, das ab formeller Rechtskraft als beendet angesehen werden kann. Die Entscheidung kann dann mit Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen werden, sie ist nicht mehr abänderbar. Außer Betracht bleiben dabei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO und die eng begrenzte Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens im Falle gravierender Fehler nach § 153 VwGO.[283] Auch die Möglichkeit, vor dem BVerfG eine Verfassungsbeschwerde zu erheben, hindert den Eintritt der formellen Rechtskraft nicht.

d) Rechtsmittel

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Urteile und Gerichtsbescheide des VG können durch das OVG bzw. den VGH im Wege der Berufung überprüft werden, Urteile des OVG bzw. VGH wiederum durch das BVerwG mit der Revision. In Einzelfällen kann vom VG aus direkt Revision zum BVerwG eingelegt werden (Sprungrevision, § 134 VwGO). Gegen Beschlüsse besteht das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Rechtsmittel nach der VwGO sind fristgebunden (Monatsfrist bei Berufung und Revision, zwei Wochen bei Beschwerde).

211

Gegen Entscheidungen des BVerwG stehen keine Rechtsmittel zur Verfügung. Die hier noch mögliche Verfassungsbeschwerde zum BVerfG ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf.

aa) Berufung

212

Die VwGO sieht als Rechtsmittel gegen Urteile die Berufung nach §§ 124 ff. VwGO vor, wenn sie von dem VG oder dem OVG zugelassen wird. Die Berufung ist nach § 124 Abs. 2 VwGO nur unter bestimmten, dort aufgezählten Gründen zuzulassen: wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen; wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist; wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat; wenn das Urteil von einer Entscheidung des OVG, des BVerwG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht, oder wenn es um einen Verfahrensmangel geht, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

bb) Revision

213

Die Revision nach §§ 132 ff. VwGO ermöglicht es, das BVerwG mit der Sache zu befassen. Gegen das Urteil des OVG (§ 49 Nr. 1 VwGO) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO steht den Beteiligten die Revision an das BVerwG zu, wenn das OVG, oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das BVerwG, sie zugelassen hat. Die Revision ist nur unter bestimmten in § 132 VwGO genannten Gründen zuzulassen, u.a. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, oder wenn das Urteil von einer Entscheidung des BVerwG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht, oder wenn es um einen Verfahrensmangel geht, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Revision kann im Übrigen nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht oder einer Vorschrift des VwVfG eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem VwVfG des Bundes übereinstimmt, beruht. Dies ermöglicht eine Konsolidierung auseinanderlaufender Interpretationen.[284] Das BVerwG ist im Grundsatz an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden.

214

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn absolute Revisionsgründe bestehen (§ 138 VwGO). Als solche Gründe nennt die VwGO, dass das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; dass bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war; dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war; dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat; dass das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind oder und schließlich dass die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

cc) Beschwerde

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Die Beschwerde nach §§ 146 ff. VwGO steht insbesondere gegen Beschlüsse des VG zur Verfügung, Beschlüsse des OVG bzw. VGH sind in aller Regel nicht anfechtbar. Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, Beschlüsse über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 146 Abs. 2 VwGO).

§ 129 Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland › IV. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der europäischen Rechtsgemeinschaft