Zusammen schreibt man weniger allein - (Gruppen-)Schreibprojekte gemeinsam meistern

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Zusammen schreibt man weniger allein - (Gruppen-)Schreibprojekte gemeinsam meistern
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[2] utb 4764


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[3]Melanie Fröhlich

Christiane Henkel

Anna Surmann

Zusammen schreibt man weniger allein – (Gruppen-)Schreibprojekte gemeinsam meistern

Verlag Barbara Budrich

Opladen & Toronto 2017

[4]Die Autorinnen:

Melanie Fröhlich, M.A. Angewandte Kulturwissenschaften, Koordinatorin im Projekt Peer Learning, Schwerpunkt Kooperatives Lernen, Lernbegleitung und Präsentationskompetenz, Programm richtig einsteigen, Zentrum für Lehren und Lernen an der Universität Bielefeld.

Dr. Christiane Henkel, Diplom-Pädagogin, Schreibdidaktikerin und -beraterin für wissenschaftliches, kreatives und biografisches Schreiben, Expertin für die Ausbildung von Peer-Schreibtutoren.

Anna Surmann, M.A. DaF und Germanistik, Koordinatorin im Projekt Peer Learning, Schwerpunkt Tutorenqualifizierung, Programm richtig einsteigen, Zentrum für Lehren und Lernen an der Universität Bielefeld.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Verlag Barbara Budrich, Opladen & Toronto

www.budrich-verlag.de

utb-Bandnr. 4764

utb-ISBN 978-3-8252-4764-5 (Paperback)

utb-eISBN 978-3-8385-4764-0 (eBook)

utb-eISBN 978-3-8463-4764-5 (ePUB)

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Lektorat: Dr. Andrea Lassalle, Berlin

Satz: Ulrike Weingärtner, Gründau

Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Titelbildnachweis: Nils Cordes, Bielefeld

Illustrationen: © Christian Tietze, Noun Project

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

[5]Ein Wort und Dank vorweg

An diesem Buch haben wir als Autorinnen zu dritt geschrieben. Gemeinsam schreiben live! Wir haben alle Stadien der Zusammenarbeit, der Projektplanung, des Schreibprozesses selbst durchlaufen und miteinander erlebt. Wir waren von Anfang an begeistert von der Idee, zusammen ein Buch zu schreiben. Herzlichen Dank an Swantje Lahm als Herausgeberin, die uns diesen Auftrag „zugemutet“ hat. In der ersten Planungsphase haben wir unsere Gedanken ausgetauscht und nach Zugängen gesucht, unsere jahrelange Erfahrung aus Seminaren, Workshops und unserer Zusammenarbeit im Projekt Peer Learning der Universität Bielefeld einfließen zu lassen. An dieser Stelle danken wir allen studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zentrums für Lehren & Lernen für die Erprobung und Weiterentwicklung vieler Übungen, für Feedback und Gegenlesen.

Im weiteren Verlauf haben wir viele Übungen selbst ausprobiert und im Schreibprozess angewandt. Insbesondere der Wechsel von einerseits gemeinsamen Phasen, in denen wir uns kreativ ausgetauscht, Gliederungen entwickelt und die Arbeit aufgeteilt haben, und andererseits dem Umsetzen von Arbeitsaufträgen allein hat uns oft herausgefordert. Wir haben uns über die unterschiedlichen Zugangsweisen beim Schreiben ausgetauscht, Vorlieben und Schwierigkeiten entdeckt und versucht, unsere Stärken gezielt einzusetzen.

Mit der ersten Rohfassung in Händen haben wir eine Feedbackrunde initiiert, um aus verschiedenen Perspektiven einen Blick auf den Entwurf zu erhalten. Vielen Dank an Nils Cordes, Lisa Fischer, Mareike Gronich, Anna Groß-Bölting, Yvonne Lohmeier, Johanna Springhorn und Eva Will für die Anmerkungen und die konstruktive Textdiskussion. Für das sorgfältige und umsichtige Redigieren danken wir unserer Kollegin Petra Weiß.

Als sehr hilfreich haben wir die Absprachen mit dem Verlag Barbara Budrich erlebt. Danke an Miriam von Maydell für ihre geduldige[6] Begleitung bei den Schritten der Textkonzeption und -produktion.

Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie mit Hilfe unseres Buches Ihr Schreibprojekt schneller, besser und bewusster zu einem gelingenden Abschluss führen und freuen uns, von Ihren Erfahrungen zu hören, und sind für Ihre Rückmeldung offen.

Bielefeld, im Juli 2016

[7]Inhalt

Ein Wort und Dank vorweg

1 Einführung – So können Sie dieses Buch nutzen

2 Anlässe für gemeinsames Schreiben: Szenarien

2.1 Autonome Schreibgruppe

2.2 Abschlussarbeit zu zweit

2.3 Gruppenhausarbeit

2.4 Schreiben im Seminar

3 Prozesse in gemeinsamen Schreibprojekten

3.1 Projektplanung und Zusammenarbeit

3.1.1 Projekte planen, überwachen und steuern

3.1.2 Einzel- und Zusammenarbeit organisieren

3.1.3 Gruppentreffen moderieren

3.1.4 Risiken der Zusammenarbeit entgegenwirken

3.1.5 Chancen von Zusammenarbeit nutzen

3.2 Schreibprozess und Selbstorganisation

3.2.1 Schreibstart: Ins Denken, Arbeiten, Schreiben kommen

3.2.2 Themenfindung und inhaltliche Planung

3.2.3 Literatur suchen, finden und auswerten

3.2.4 Strukturieren und einen roten Faden entwickeln

3.2.5 Textfeedback

3.2.6 Überarbeitung und Endredaktion

4 Praxisteil

4.1 Projektplanung

4.1.1 Startschuss für Schreibprojekte

4.1.2 Balkendiagramm und Klebezettel-Kalender

4.1.3 Kanban-Board

4.1.4 Moderationsplan für Arbeitstreffen

 

4.1.5 Moderationsplan für gemeinsame Schreibzeit

4.1.6 [8]Sprechstundengespräche vorbereiten

4.1.7 Auswertungsgespräch

4.2 Zusammenarbeit konstruktiv gestalten

4.2.1 Probleme lösen, Entscheidungen treffen

4.2.2 Checkliste: Probleme in der Gruppe lösen

4.2.3 Synergie-Check

4.3 Schreibstart: Ins Denken, Arbeiten und Schreiben kommen

4.3.1 Arbeits- und Schreibjournal

4.3.2 Inkshedding: Freewriting in der Gruppe

4.3.3 Schreibstrategien

4.3.4 Schreiborte und Schreibzeiten

4.3.5 Schreibblockaden lösen

4.3.6 Schreibzweifel überwinden

4.3.7 Auswerten und motiviert weiterarbeiten

4.4 Themenfindung und inhaltliche Planung

4.4.1 Themenklärung und Aushandlung in Gruppen

4.4.2 Clustering

4.4.3 Themenklärung im Gespräch

4.5 Literatur: Suchen, Finden und Auswerten

4.5.1 Literatur auswählen

4.5.2 Exzerpiertabelle

4.5.3 Texte gemeinsam besprechen

4.6 Strukturieren und einen roten Faden entwickeln

4.6.1 Mindmapping

4.6.2 Strukturieren mit Karten

4.6.3 Denkbilder

4.7 Textfeedback

4.7.1 Textfeedback mit Zeichen

4.7.2 Beschreibendes Textfeedback

4.7.3 Textentwürfe überarbeiten

4.7.4 Feedbackrundlauf

4.8 Überarbeitung und Endredaktion

4.8.1 Schrittweise überarbeiten

4.8.2 Redaktionssitzung

4.8.3 Wissenschaftssprache überprüfen

5 Literaturverzeichnis

1[9] Einführung – So können Sie dieses Buch nutzen

Zusammen schreibt man weniger allein – Sie fragen sich, ob das für Sie gilt? Schreiben wird gern als ‚einsame‘ Tätigkeit verstanden und oft auch so erlebt. Im stillen Kämmerlein wurschtelt man sich so durch. Was dabei passiert, wird nicht sichtbar. Vielleicht sind Sie schon einmal auf den Gedanken gekommen, sich mit anderen zu einer Schreibgruppe zusammenzutun, um die Einsamkeit beim Schreiben zu überwinden?

Es kann aber auch sein, dass Sie in Ihrem Studienfach (häufig) vor die Aufgabe gestellt werden, gemeinsam mit anderen an einem Schreibprojekt zu arbeiten. Bei dieser Anforderung müssen Sie viele Prozesse gleichzeitig managen: die Zusammenarbeit miteinander, die Organisation des gesamten Arbeits- und Schreibprozesses und die gemeinsame Texterstellung.

Wir wollen Ihnen mit diesem Buch Orientierung für gemeinsame Schreibprojekte geben und zeigen, wie Sie diese gewinnbringend gestalten können. Kooperationen sind keine Selbstläufer. Sie werden Ihnen einiges abverlangen, dafür auch vieles geben. Sie können dabei viel lernen und nicht zuletzt kommunikative und soziale Kompetenzen ausbilden. Nutzen Sie daher die Gelegenheiten zur Zusammenarbeit, die Ihnen das Studium gibt.

Wir bieten Ihnen drei Zugänge an, um sich dem gemeinsamen Schreiben zu nähern:

1. Wir beschreiben vier Szenarien, in denen Studierende sich beim Schreiben begegnen: in einer autonomen Schreibgruppe, bei einer Abschlussarbeit zu zweit, bei einer Gruppenhausarbeit und beim Schreiben im Seminar. Für jedes Szenario haben wir einen fiktiven Fall‘ entwickelt, durch den Sie mitten in den Schreibprozess hineingenommen werden. Innerhalb der Szenarien finden Sie zahlreiche Hinweise auf die Übungen des Praxisteils.

2. [10]Wir führen Sie in verschiedene Prozesse ein, die beim gemeinsamen Schreiben durchlaufen werden: die Projektplanung, die Zusammenarbeit mit all ihren Chancen und Risiken, die Selbstorganisation und schließlich der eigentliche Schreibprozess. Sie werden merken, wie stark diese Prozesse ineinandergreifen, und dass sie nicht immer voneinander getrennt darzustellen sind. Auch hier verweisen wir auf die Übungen im Praxisteil.

3. Sie können auch über den Praxisteil ins Buch einsteigen. Hier haben wir passend zu den Prozessen Übungen zusammengestellt, die Sie für die Zusammenarbeit sowohl bei gemeinsamen Schreibprojekten als auch im Austausch mit anderen Schreibenden in Schreibgruppen oder Seminaren einsetzen können. In jeder Übung finden Sie wiederum Hinweise, für welches Szenario und in welcher Phase im Schreibprozess die Übung ausprobiert werden kann. Zusätzliches Übungsmaterial gibt es zudem im Downloadbereich .1

Verweise auf die Übungen sind mit gekennzeichnet, so dass Sie direkt wissen, wozu Sie eine Übung im Praxisteil finden können. Wir bieten Ihnen vielfältige Möglichkeiten, das Buch für Ihren gemeinsamen Schreibprozess zu nutzen. Was wir nicht haben, ist eine Musterlösung. Diese kann es angesichts vielfältiger Schreibprojekte, individueller Schreib- und Arbeitsstrategien und unterschiedlicher fachlicher Anforderungen nicht geben. Verstehen Sie unser Buch als Einladung, sich durch die Welt des gemeinsamen Schreibens zu navigieren und entscheiden Sie selbst, was zu Ihnen als Schreibende und Lernende, für Ihre Gruppe, für Ihr Schreibprojekt passt – oder machen Sie es passend. Lassen Sie sich von den Übungen und Beschreibungen anregen und entwickeln Sie Ihre eigenen Ideen. Gestalten Sie Ihr gemeinsames Schreibprojekt, werden Sie aktiv und nehmen die Dinge selbst in die Hand!

Dieses Buch ist in erster Linie für Studierende geschrieben, die in ihrem Studium Schreibaufgaben bewältigen müssen. Da in den Studienfächern sehr unterschiedliche Arten von Texten verfasst werden, haben wir darauf verzichtet, bestimmte Textsorten herauszugreifen, sondern sprechen allgemein von ‚Hausarbeit‘ und ‚Abschlussarbeit‘.[11] Verstehen Sie diese Bezeichnung als Platzhalter für Ihre jeweiligen Schreibprojekte.

Sollten Sie als Lehrende bzw. Lehrender zu diesem Buch gegriffen haben, können Sie darin die Perspektive von Studierenden auf Schreibanforderungen nachvollziehen. Gleichzeitig erhalten Sie Anregungen für Ihre Lehrpraxis – sei es in der Betreuung von Arbeiten oder in Lehrveranstaltungen wie Kolloquien oder Seminaren.

Ebenso spricht das Buch all diejenigen an, die Schreibgruppen, Workshops oder Tutorien zum wissenschaftlichen Schreiben leiten.

1 Unter folgendem Link gelangen Sie zum Downloadbereich: https://doi.org/10.3224/9783825247645A.

[12]2 Anlässe für gemeinsames Schreiben: Szenarien

Es gibt viele verschiedene Anlässe für gemeinsame Schreibprojekte. Wir stellen Ihnen im Folgenden vier Studierende vor, die mit unterschiedlichen Zielen mit dem gemeinsamen Schreiben befasst sind. Vielleicht finden Sie sich in der einen oder anderen Situation selbst wieder und bekommen Lust, sich mit Philipp, Esma, Alberto und Svetlana gemeinsam auf den Weg zu machen.

Philipp sucht selbstständig eine Schreibgruppe, um motiviert am eigenen Schreibprojekt dranzubleiben.2 Die Studentinnen Esma und Jule tun sich mit dem Ziel zusammen, eine gemeinsame Abschlussarbeit zu verfassen. In einer Vorlesung muss Alberto zum ersten Mal mit einer kleinen Gruppe von Studierenden zusammen einen Text verfassen. Und da ist noch das Kolloquium von Svetlana, in dem die Studierenden einzeln an Schreibaufgaben arbeiten und den Handlungsspielraum für Zusammenarbeit und Feedback ausloten, der sich ihnen bietet. Diese vier – konstruierten – Fälle begleiten Sie durch das gesamte Buch.

Die Szenarien lassen sich in eine Matrix bringen, die abbildet, von wem die Zusammenarbeit initiiert wurde und ob ein Gruppen- oder ein Einzelprojekt geschrieben wird (siehe Abb. 1).

[13]

Abbildung 1: Vier Szenarien für Schreibprojekte

Auf der vertikalen Achse wird der Grad der Initiative und Freiwilligkeit der Zusammenarbeit abgebildet: Die Zusammenarbeit kann auf der einen Seite von Studierenden selbst initiiert und organisiert werden, auf der anderen Seite kann sie von Lehrenden oder innerhalb einer Lehrveranstaltung veranlasst und angestoßen werden. Die horizontale Achse stellt dar, ob es sich um Einzelprojekte handelt oder an einem gemeinsamen Gruppenprojekt gearbeitet wird. Für jedes Szenario lassen sich bestimmte Rahmenbedingungen formulieren. Der Grad der Freiwilligkeit kann variieren, hier gibt es fließende Übergänge: Der Ausgangspunkt könnte zunächst sein, dass Teilnehmende eines Seminars aufgefordert werden, in Gruppen eine Hausarbeit zu verfassen (3. Szenario), die Gruppenkonstellation wird nun aber den Teilnehmenden selbst überlassen, so dass sie Einfluss auf die Zusammensetzung der Gruppenmitglieder haben. Auch aus dem 4. Szenario können sich bewusst gewählte Konstellationen ergeben, so dass das Maß an Selbstorganisation und -bestimmung zunimmt.

 

[14]Auf den folgenden Seiten lernen Sie Philipp, Esma, Alberto und Svetlana in ihrem Schreib- und Arbeitsprozess kennen und erleben die Form der Zusammenarbeit mit den Mit-Schreibenden. In jedem Szenario finden Sie direkte Verweise auf die passenden Übungen im Praxisteil (gekennzeichnet mit ).

2.1 Autonome Schreibgruppe

Philipp studiert im 5. Semester und jetzt steht die Abschlussarbeit an. Bisher hat er im Studium Hausarbeiten und eine empirische Forschungsarbeit geschrieben. Die Abschlussarbeit ist seine erste große wissenschaftliche Arbeit und fordert ihn sehr. Mit seiner Betreuerin trifft er sich alle paar Wochen. In der Zeit dazwischen ist Philipp auf sich allein gestellt. Er hat keine Veranstaltungen mehr und besucht nur noch ein Kolloquium. Dadurch hat er viel Spielraum – aber auch viel verspielten Zeitraum, den er nicht gut für sein Schreibprojekt nutzt. Allein am Schreibtisch kann ich mich schwer motivieren anzufangen. Und schnell kreisen meine Gedanken und lenken mich von der Arbeit ab. Inhaltlich finde ich keinen Einstieg, einmal kommt mir mein Thema zu klein vor, dann beginne ich zu lesen und dann kommt es mir zu groß vor. Mir fehlt der Austausch mit anderen.

Das bringt Philipp auf die Idee, sich Mitstudierende zu suchen, denen es ähnlich geht. Er möchte andere Schreibende finden, die wie er Austausch und Motivation brauchen. Durch Aushänge in der Universität macht er auf seine Initiative aufmerksam.

Projektplanung und Zusammenarbeit

Für die Zusammensetzung kommt es nun darauf an, Gleichgesinnte zu finden, bei denen die Zielvorstellungen nicht zu weit auseinanderliegen. Philipp wünscht sich zwar nicht in erster Linie fachlichen Austausch, dennoch möchte er auch mal über sein Thema und den Stand seiner Arbeit sprechen. Hier muss also zunächst entschieden werden: fachliche Nähe oder Heterogenität der Studienfächer? Für die fachliche Nähe spricht, dass die Gruppe sich auch inhaltlich, z. B. über wissenschaftliche Normen im Fach, austauschen kann. Sicher kann Philipp nicht erwarten, dass sich alle aus der Gruppe in das[15] Thema der anderen einarbeiten können, um fachlich zu diskutieren. Für eine fachdifferente Zusammensetzung spricht, dass gerade im Austausch mit fachfremden Studierenden das eigene Fach gut erklärt werden muss und Schreibende in den anderen unvoreingenommene Leser oder Austauschpartner finden.

Auf Philipps Initiative hin finden sich sechs andere Schreibende, die aus unterschiedlichen Fächern kommen und auch gerade ihre Abschlussarbeit schreiben wollen. Sie verständigen sich über die Art der Zusammenarbeit und die Ziele der Schreibgruppe. Philipp hat zwar die Gruppe ins Leben gerufen, will aber hier nicht allein seine Ziele durchsetzen.

Beim ersten Treffen kommen mir und den anderen einige Fragen: Wie gestalten wir die Treffen? Was bedeutet Zusammenarbeit, wenn die anderen gar nicht aus meinem Fach sind? Was können wir tun, damit alle am Ball bleiben?

Zunächst lernen sich die Gruppenmitglieder kennen und klären Organisatorisches. Dafür erarbeiten zunächst alle einzeln für sich einen Zeitstrahl für die eigene Arbeit ( Projektplanung). Für die Arbeitsmotivation und die Regelmäßigkeit bietet sich ein wöchentliches Treffen von drei Stunden an. Sie treffen sich in einem buchbaren Diskussionsraum in der Bibliothek.

Was aber erwarten Philipp und die anderen von der Schreibgruppe? Ein gemeinsames Schreibprodukt müssen sie nicht erstellen – worin liegt also der Gewinn der Zusammenarbeit? Der Austausch mit Hilfe der Übung () „Startschuss für Schreibprojekte“ dient dazu, verschiedene Aspekte der Zusammenarbeit zu klären. Hilfreich ist der Ablaufplan für die gemeinsame Schreibzeit ( Moderationspläne). Philipps Gruppe entscheidet sich für ein rotierendes Moderationsmodell, da so alle einmal in der Verantwortung sind (s. Anleitung zur Arbeit mit Drehbüchern, s. Kap. 4). Philipp geht zufrieden aus dem ersten Treffen nach Hause:

Super, ich glaube, ich habe die richtigen Leute für die Schreibgruppe gefunden. Die anderen wollen zwar nicht alle das Gleiche wie ich damit erreichen, aber ich habe den Eindruck, dass wir uns gut über unsere Ziele verständigen konnten. Schließlich helfen mir regelmäßige Treffen, um an meinem Schreibprojekt dranzubleiben. Sicher werde ich die anderen mal fragen, ob sie einen Text von mir lesen und mir Feedback geben können. Ich bin auch schon sehr gespannt, wie sich[16] unsere Treffen weiterentwickeln und ob wir bei unserer vereinbarten Struktur bleiben.

Themenfindung und inhaltliche Planung

Als Philipp sich wieder mit seiner Schreibgruppe trifft, kommen die Teilnehmenden über ihre Schreibprojekte ins Gespräch. Alle schreiben an einem anderen Thema, zum Teil sind die Gruppenmitglieder aus unterschiedlichen Fächern. Daher stehen sie alle vor eigenen Herausforderungen bei der Themensuche.

Philipp erfährt, wie wertvoll der Austausch zum eigenen Thema aber gerade mit anderen sein kann, die nicht mit den gleichen Inhalten befasst sind. In einer Partnerübung probieren sie Folgendes aus: Person A erzählt vom derzeitigen Stand der Themensuche. Person B hört ausschließlich zu und macht sich Notizen. In den Notizen können besondere Fachbegriffe stehen, Zusammenhänge, die sichtbar werden, Fragen, die aufkommen ( Themenklärung im Gespräch). Philipp merkt beim Erzählen, was er schon alles im Kopf hat. Die Pausen beim Sprechen helfen ihm, seinen Gedanken nachzugehen, sie zu sortieren und selbst das bereits Gesagte wirken zu lassen. Seine Partnerin Nora signalisiert ihm, dass sie ganz aufmerksam ist und ihm Zeit lässt, wieder weiterzusprechen. Mit einem Mal kommt Philipp richtig in Schwung und entwickelt beim Reden Zusammenhänge, die er vorher noch nicht hergestellt hatte. Ihm fallen Texte ein, die er bereits zum Thema gelesen hat, und er entdeckt spannende Lücken.

Literatur suchen, finden und auswerten

Einige aus Philipps Gruppe sind bereits dabei, nach Literatur zu suchen, andere sind noch mit der Themenklärung und Gesprächen mit ihren Lehrenden beschäftigt. Philipp macht bei einem Treffen den Vorschlag, über die Suche und Auswahl von Literatur zu sprechen. Auch wenn die Vorgehensweisen in den Fächern dabei unterschiedlich sind, verspricht er sich davon, auf neue Ideen zu kommen. Also tauscht sich die Gruppe zu den Fragen aus: Wo suche ich nach Literatur? Wie finde ich relevante Literatur?

[17]Ein Mitglied der Gruppe, Bilal, stellt die Übung () „Literatur auswählen“ vor, mit der man überprüfen kann, ob ein Buch überhaupt zum Thema passt und wie tief man in die Lektüre einsteigen sollte. Eine andere Studentin, Nora, kennt sich gut mit digitalen Literaturverwaltungsprogrammen (wie z. B. Citavi) aus und bietet an, den anderen das Programm zu zeigen. Gute Erfahrungen hat ein weiteres Mitglied, Hakan, mit einer () „Exzerpiertabelle“ gemacht: Darin werden die wichtigen Angaben zum jeweiligen Text festgehalten, was einem später mühsames Suchen nach Jahres- oder Seitenzahlen erspart. Außerdem ist in der Tabelle Platz für eigene Kommentare, die helfen, die eigenen Gedanken von denen des Autors oder der Autorin zu unterscheiden. Daraus lassen sich später dann leicht die Inhalte für den eigenen Text formulieren.

Für ein weiteres Treffen nimmt sich die Gruppe eine ‚Lesestunde‘ vor ( Texte gemeinsam besprechen): Es ist hilfreich, nicht allein vor den Büchern und Texten zu sitzen, sondern sich zu einer fest verabredeten Zeit mit anderen zu treffen. Schon diese Arbeitsatmosphäre hilft Philipp, bei der Sache zu bleiben und nicht sofort bei den ersten Hinweisen auf weitere Literaturangaben in der Bibliothek zu verschwinden und erneut zu suchen.

Strukturieren und einen roten Faden entwickeln

Philipp wundert sich, dass es Gruppenmitglieder gibt, die bereits eine Gliederung erstellt haben. Er liest kreuz und quer die Literatur und schreibt dann einfach schon das auf, womit er gerade beschäftigt ist ( Schreibstrategien). Daher möchte er bei einem Treffen etwas über die Gliederungsmöglichkeiten erfahren und eine Idee bekommen, wie er bei der Erstellung einer Gliederung vorgehen kann. Das könnte auch helfen, die Anforderung seines Betreuers zu erfüllen, ein Exposé zu seiner Arbeit zu schreiben.

Im Austausch kommt die Gruppe schnell darauf, dass es sehr unterschiedliche Varianten gibt, wie eine Gliederung entstehen kann ( Mindmapping, Denkbilder, Blitzexposé in Frank et al. 2013: 28f.). Bilal hätte gerne von der Gruppe eine Rückmeldung auf den ersten Gliederungsentwurf. Also fragt er Philipp, ob er die Übung () „Strukturieren mit Karten“ mit ihm ausprobieren würde.[18] So erhält Bilal hilfreiche Anregungen für die Weiterarbeit und Philipp lernt etwas über Gliederungsvarianten.

Ins Denken, Arbeiten und Schreiben kommen

Erst jetzt merkt Philipp, dass die anderen zum Teil noch gar keinen Text geschrieben haben. Er hat in dieser Phase schon diverse Kapitelanfänge, Exzerpte von wichtiger Literatur, Notizzettel mit Fragen und Anmerkungen. Zugegeben, alles noch ein wenig unsortiert und unfertig, aber immerhin schon Text. Wieder merken die Gruppenteilnehmenden, wie unterschiedlich sie beim Schreiben vorgehen ( Schreibstrategien).

Hier kann Philipp den anderen mitteilen, was ihm hilft, ins Schreiben zu kommen. Oft bespricht er sich erst mit jemandem, dabei kommen ihm dann gute Gedanken, die er in einer Kladde festhält, die er sich extra für die Abschlussarbeit angelegt hat ( Arbeits- und Schreibjournal). Wenn er sich dann zum Schreiben mit der Gruppe trifft, kann er auf diese Notizen zurückgreifen und kommt so schneller zu seinem Text. Die Gruppe tauscht sich über einfallsfreundliche Bedingungen (vgl. Ortner 2002) beim Schreiben aus. Dabei spielen die Schreiborte und -zeiten eine große Rolle: Zu welcher Tageszeit bin ich wach und konzentriert? Wo habe ich Ruhe oder eine anregende Atmosphäre zum Schreiben? ( Schreiborte und Schreibzeiten).

Nora hat bereits ihr gesamtes Dokument völlig durchgestylt: Alle Überschriften sind gleich formatiert, die Fußnoten haben ein bestimmtes Zeichenformat, Seitenränder sind eingestellt, sogar das Deckblatt ist schon fertig. Die Gruppe tauscht Tipps und Tricks bei der Formatierung mit einem Textverarbeitungsprogramm aus.

Gemeinsam erproben sie eine Übung zum Ins-Schreiben-Kommen ( Inkshedding: Freewriting in der Gruppe). Die Freude ist bei allen groß: Wir sitzen nicht mehr vorm leeren Blatt!

Textfeedback und Überarbeitung

Nun kommt ein aufregender Moment! Philipp zögert: Soll er tatsächlich jemandem seinen Text zeigen? Er ist doch noch so unfertig, enthält noch viele Tippfehler und auch die Literatur ist noch[19] nicht korrekt zitiert ( Schreibzweifel überwinden). Aber Philipp merkt auch, dass er selbst in seinem Text den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Er verliert ein wenig das Gefühl dafür, ob alles schon gesagt ist, ob die Sätze verständlich sind und ob es wissenschaftlich genug ist, was er produziert hat. Er braucht Feedback.

Zuerst spricht die Gruppe über die Vor- und Nachteile, die Befürchtungen und den Gewinn von Textfeedback. Alle können sagen, welche Art von Feedback sie sich wünschen. Dafür füllen sie die Checkliste für Textfeedback aus (s. Kap. 3.2.5). Je nach Anliegen können sie dann aus verschiedenen Textfeedbackmethoden wählen ( Übungen Textfeedback).

Philipp sucht sich Nora als Feedbackgeberin aus einem anderen Fach, die als externe Leserin Rückmeldung zu Verständlichkeit, Struktur und Logik der Argumentation geben kann. Später spricht er noch Hakan als Feedbackgeber aus dem eigenen Fach an, der den Text daraufhin durchsieht, ob die Theorien nachvollziehbar und korrekt dargestellt sind und ob die Konventionen des Faches beim wissenschaftlichen Schreiben (z. B. Zitation) eingehalten sind ( Textüberarbeitung und Endredaktion).

In einem Treffen vereinbart die Gruppe eine Übung zum Einstieg ins Überarbeiten ( Feedbackrundlauf): Alle, die einen Text mitbringen, bekommen Feedback auf verschiedenen Ebenen: Struktur, Verständlichkeit, Sprache und Zitation.

Endredaktion

Es ist soweit: Bilal hat als erster der Gruppe bereits abgegeben! Die anderen sind ein wenig neidisch, als er mit der fertigen Arbeit vorbeikommt, aber auch froh, dass ihnen noch Zeit für die letzten Schritte bleibt. Die Liste mit der „Checkliste zur Endkontrolle“ hilft ihnen, den Zeitplan für diese Phase kurz vor der Abgabe zu verfeinern (vgl. Frank et al. 2013: 71).

Philipp zögert die Abgabe hinaus: Er mag seine Arbeit noch nicht so recht loslassen. Es gäbe noch so viel zu sagen … Habe ich denn überhaupt die neusten Erkenntnisse auf dem Gebiet eingearbeitet? Sollte ich nicht doch vielleicht noch mal in die Literatur schauen? Und ist dieser eine Teil nicht zu knapp geraten? Die Gruppe ermutigt ihn abzugeben, weil kein Text jemals perfekt ist.

[20]Der Abgabetermin naht. Philipp wird aus der Gruppe aussteigen. Zum Dank bringt er Kuchen mit. Ohne die anderen hätte er diese Hürde nicht so gut genommen. Die anderen sind zum Teil noch dabei und werden erst so nach und nach fertig. Eine Teilnehmerin hat gemerkt, dass sie ein anderes Tempo hat und sich nicht von der Abgabewelle der anderen unter Druck setzen lassen will, daher ist sie ausgestiegen. Nun muss die Gruppe entscheiden: Wer macht noch weiter? Bleiben die letzten noch bis zum Schluss beisammen oder löst sich die Gruppe auf? Gemeinsam verabreden sie, sich noch zu einem Abschluss zu treffen, um die Erfolge (hoffentlich!) zu feiern und das gemeinsame Arbeiten auszuwerten ( Auswertungsgespräch).

2.2 Abschlussarbeit zu zweit

Esma steht am Ende ihres Studiums und muss nur noch ihre Abschlussarbeit schreiben. Sie hat in ihrem Studium bisher gute Erfahrungen mit gemeinsamen Studienprojekten gemacht und fast ihre gesamte Studienzeit mit ihrer Kommilitonin Jule verbracht. Daher dachten die beiden: Wir schreiben unsere Abschlussarbeit als Gemeinschaftsprojekt! Wir überzeugen unsere Betreuerin vom Mehrwert der Gruppenarbeit. Sie müssen sich auf ein Thema verständigen und die Teile so voneinander abgrenzen, dass die jeweilige Einzelleistung erkennbar ist. Die beiden sind sich sicher, dass sie von ihren Stärken profitieren und den Prozess gut gemeinsam gestalten werden. Im Detail wissen sie allerdings nicht so genau, wie sie nun an diese große Aufgabe herangehen sollen und welche Schritte dabei bedacht werden müssen: Was schreibt jede von uns allein? Gibt es gemeinsame Teile? Wie gehen wir bei der Literaturrecherche vor? Lesen wir beide alle Texte? Beide fangen parallel zur Abschlussarbeit schon an, sich auf Stellenausschreibungen zu bewerben, daher fragen sie sich auch: Was ist, wenn eine von uns bereits eine Stelle hat und die Abschlussarbeit daher zügig fertigstellen will?

[21]Projektplanung und Zusammenarbeit

Bei einem ersten Treffen wollen Esma und Jule ihre Zusammenarbeit organisieren. Sie fragen sich: Was können wir von Anfang an klären? Was wird sich erst im Laufe der Zusammenarbeit an Schwierigkeiten oder Herausforderungen ergeben? Worauf wollen wir achten? Was ist uns jeweils wichtig?

Dazu sprechen sie über die Ziele, die Organisation und den Zeitplan (s. Kap. 3.1). Zentral sind dabei die Fragen, die sie sich jeweils einzeln stellen: Was ist mir bei der Arbeit wichtig? Was will ich mit der Arbeit erreichen? Wann wollen/müssen wir die Arbeit abgeben? Sie tauschen sich dann über die Zusammenarbeit aus ( Startschuss für Schreibprojekte und Projektplanung).

Hilfreich ist außerdem ein Austausch über die bisherigen gemeinsamen Schreiberfahrungen: Was brauche ich, damit ich gut ins Schreiben komme? Was erwarte ich mir von der anderen? Wo sehe ich meine eigenen Stolpersteine? Was klappt beim Schreiben bei mir gut? Der „Schreibstrategietest“ hilft ihnen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar zu machen ( Schreibstrategien).

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