Deutsch-kroatische Sprachkontakte

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3.5 Entlehnungen in der frühneuhochdeutschen Periode
3.5.1 Zeit der osmanischen Expansion

Seit der zweiten Hälfte des 14. Jh. dringen die Osmanen immer weiter in die südöstlichen Teile Europas vor. 1396 fielen sie zum ersten Mal in Slawonien ein. Als 1463 Bosnien vollständig unter die Herrschaft der Osmanen fiel, kam es immer häufiger zu heftigen Einfällen der Türken in kroatisches Gebiet, denen auch dauerhafte Eroberungen folgten. Dies hatte gewaltige Folgen für die gesellschaftliche Entwicklung der kroatischen Gebiete, aber auch für das kroatische Königtum. Im Laufe des 15. Jahrhunderts versuchten die ungarisch-kroatischen Könige erfolglos gemeinsame Verteidigungslinien zu organisieren. So kam es zu einer Krise für die kroatisch-ungarische Staatsgemeinschaft, die nach der Schlacht bei Mohács im Jahre 1526 zerfiel. Es setzte eine massenhafte Fluchtbewegung des Adels und der bäuerlichen Bevölkerung aus Kroatien in Richtung Slawonien und zur Küste ein. Die Grenzgebiete verödeten. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde getötet oder von den Osmanen in die Sklaverei verschleppt. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Nähe der osmanischen Herrschaft zum entscheidenden Faktor der weiteren Entwicklung in Kroatien. 1519 verleiht Papst Leon X. Kroatien den ehrwürdigen Titel Antemurale Christianitatis bzw. «Vormauer des Christentums» (Antoljak, 1994: 80). Kroatische Intellektuelle wie Marko Marulić, Petar Zoranić und Bernardin Zane und viele andere schrieben von den Untaten der Osmanen und versuchten somit, das Problem der Verteidigung von den Türken zu internationalisieren und Hilfe von den Habsburgern und Europa zu erhalten. Die Kroaten haben nämlich nicht nur ihr eigenes Land verteidigt, sondern auch das christliche Europa. Außer etwas Geld vom Papst und moralischer Unterstützung, Segen und Mitleid kam jedoch nichts (Samaržija, 2001: 162).

3.5.2 Fortführung der Personalunion und die Militärgrenze

Nach dem Scheitern der politischen Verbindung zwischen Kroatien und Ungarn suchte die kroatische Aristokratie Unterstützung im Westen und wählte im Jahre 1527 den Habsburger Ferdinand zum kroatischen König. Dies war der Beginn einer festen und andauernden Verbindung Kroatiens zu Österreich und somit auch die Grundlage für die direkten (österreichisch)deutsch-kroatischen Sprachkontakte (Žepić, 2002: 214). Kroatien wurde somit Teil der Habsburgermonarchie, und diese politische Gemeinschaft dauerte bis zum Zerfall der österreich-ungarischen Monarchie im Jahre 1918. Dieser direkte Sprachkontakt führte zur intensiveren Entlehnung in beide Richtungen, obwohl der Einfluss der deutschen Sprache auf die kroatische immer stärker war als umgekehrt (Babić, 1990: 214) und die Sprachkontakte somit asymmetrisch angelegt waren. Es gibt mehrere Faktoren, die die Übernahme deutscher Entlehnungen begünstigten. Dies war vor allem die Errichtung der sog. Militärgrenze im 17. Jh., die die Habsburger als Schutz gegen die vordringenden Türken gründeten und die sich größtenteils durch kroatisches Gebiet erstreckte. Entlang der Grenze mit dem Osmanischen Reich wurden mehrere kleinere Festungsanlagen gebaut, in denen sich deutsche und kroatische Infanteristen befanden (vgl. Rothenberg und Zoglmann, 1970). Von 1849 bis 1866 war die Militärgrenze ein eigenes Kronland, das direkt unter dem k.u.k. Kriegsministerium stand, nach dem Ausgleich mit Ungarn wurde sie diesem einverleibt und Ende des 19. Jahrhunderts nach dem Rückzug der Osmanen aufgelöst. Innerhalb der Militärgrenze galt Deutsch als Amts- und Kommandosprache, so dass sich ein funktionaler kroatisch-deutscher Bilingualismus entwickelte, der sich auf ganz bestimmte Bereiche bezog. Die Träger des Sprachkontakts waren hier vor allem Soldaten (Piškorec, 2005: 56). Nach Einrichtung der Militärgrenze kam einigen Städten wie Karlovac und Varaždin eine besondere Rolle zu, da sie zum Mittelpunkt der Militärmacht wurden und die Kommandos dort untergebracht waren. Die Kommandanten waren größtenteils Deutsche (Gabričević, 2002: 70). Erzherzog Karl verwaltete im 16. Jh. die Militärgrenze und unterstützte im Jahre 1579 die Gründung der Stadt Karlovac, die zum zentralen Stützpunkt der Militärgrenze wurde. Somit entstand ein neues militärisch-politisches Territorium auf kroatischem Boden, das nicht dem Ban und Kroatischen Sabor unterlag (Antoljak, 1994: 96). Da Deutsch die Amts-, Kommando- und Unterrichtssprache war, gelangten viele deutsche Lehnwörter aus der administrativen und militärischen Terminologie in die kroatische Sprache, die auch heute noch aktiv gebraucht werden:

 kro. gruntovnica < dtsch. Grundbuch,

 kro. inspektor < dtsch. Inspektor < frz. inspecteur,

 kro. kancelar < dtsch. Kanzler < lat. cancellarius,

 kro. kancelarija < dtsch. Kanzlei < lat. cancelli.

Viele Ausdrücke der Militärterminologie stammen ursprünglich aus dem Französischen und wurden über die deutsche Sprache ins Kroatische übernommen, z.B.

 kro. mušketir < dtsch. Musketier < frz. musquetaire «mit einer Muskete ausgerüsteter Soldat»,

 kro. granadir < dtsch. Grenadier < frz. grenadier «für Granaten zuständiger Soldat»,

 kro. artiljerist < dtsch. Artillerist < frz. artillerie u.v.a.

Ein großer Teil dieser Ausdrücke ist auch heute noch im militärischen Wortschatz der kroatischen Sprache aktiv:

 kro. geler < dtsch. Geller,

 kro. kapetan < dtsch. Kapitän,

 kro. kaplar < ung. káplár < dtsch. Korporal < ital. caporale,

 kro. kasarna < dtsch. Kaserne < frz. caserne,

 kro. logor < dtsch. Lager,

 kro. lozinka < dtsch. Losung(-swort),

 kro. maršruta < dtsch. Marschroute < frz. marche-route,

 kro. oficir < dtsch. Offizier < frz. officier,

 kro. orden < dtsch. Orden,

 kro. ranac < dtsch. Ranzen,

 kro. regrut < dtsch. Rekrut < frz. recrue,

 kro. šanac < dtsch. Schanze,

 kro. šljem < dtsch. Helm,

 kro. šmajser < dtsch. schmeißen,

 kro. špalir < dtsch. Spalier,

 kro. šrapnel < dtsch. Schrapnell < engl. shrapnel,

 kro. štab < dtsch. Stab,

 kro. štucne < dtsch. Stutzen,

 kro. štuka < dtsch. kurz für Sturzkampfflugzeug,

 kro. trupa < dtsch. Trupp < frz. troupe.

Seit der Eigenständigkeit Kroatiens 1991 wurden viele Militärausdrücke, insbesondere diejenigen deutscher Herkunft, durch kroatische Äquivalente ersetzt. Es handelt sich dabei um die Wiederbelebung alter kroatischer Bezeichnungen, die mit dem Dekret aus dem Jahre 1918 verboten wurden (vgl. Samardžija, 2003: 111). Aber auch heute haben sich einige Termini in der Fachsprache des Militärs bewahrt wie geler, logor, lozinka.1 Einige Ausdrücke sind in einzelnen Ortssprachen gebräuchlich und haben ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, z.B. der Ausruf Wer ist da?, den die Grenzler entlang der Militärgrenze ausriefen, wenn sich jemand annäherte, und von den Einheimischen, die kein Deutsch verstanden, als Ber do? wahrgenommen wurde und aufgrund volksetymologischer Deutung im Verb berdokat in einigen Teilen Likas in der Bedeutung von 'laut rufen' wiederzufinden ist (Dasović/Kranjčević, 2003: 141).

3.6 Entlehnung in der neuhochdeutschen Periode
3.6.1 Neue Kolonisierungen

In den ersten Jahrhunderten der Neuzeit erlebte das kroatische Volk seine schwierigsten Zeiten. Das kleine Kroatien befand sich zwischen zwei Großmächten – im Osten die Osmanen, im Westen die Habsburger, deren Kriege vor allem auf den Gebieten des heutigen Kroatien ausgeführt wurden. Die Osmanen drangen immer weiter vor und eroberten Gebiete unter dem Bannus und dem Sabor. Das kroatische Territorium wurde bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als die Hälfte reduziert, so dass eine systematische Kolonisierungspolitik von Seiten des Wiener Hofes (Karl VI., Maria Theresia und später Josef II.) folgte. Der Hauptstrom der Zuzügler kam aus dem sog. Vorderösterreich (Schwaben), aber auch aus anderen Teilen des Deutschen Reiches (Rheinland, Luxemburg) oder aus Österreich. Aus dieser Periode stammt auch die gemeinsame umgangssprachliche Bezeichnung aller Deutschsprachigen im Kroatischen Švabo (»der Schwabe«). Gerade die Donauschwaben bildeten in den Städten Slawoniens zusammen mit den k.u.k. Militärs entlang der Militärgrenze zum damaligen Osmanischen Reich seit dem 18. Jh. eine bürgerliche Schicht, die auf moderne Strömungen in der kroatischen Gesellschaft großen emanzipatorischen Einfluss ausübte. Die erste große Welle der deutschsprachigen Kolonisten kam Ende des 17. Jh., als die Habsburger 1687 die Türken aus den östlichen Teilen des heutigen Kroatien vertrieben. Die langjährigen Kriege gegen die Türken verwüsteten große Teile Kroatiens. Viele Kroaten kamen im Kampf gegen die Türken ums Leben, viele flüchteten in andere Teile Kroatiens (hauptsächlich an die Küste) und ein großer Teil wurde islamisiert. Diese Gebiete mussten neu angesiedelt werden. Deshalb gehörte es zu den Prioritäten der Habsburger Monarchie, die neu hinzugekommenen Gebiete mit Menschen, die der Dynastie treu waren und die große Verantwortung für den Wiederaufbau der verwüsteten Gebiete auf sich nahmen, planmäßig zu besiedeln. Das deutsche ethnische Element spielte dabei eine tragende Rolle (Štuka VDG, 1995: 98). Auch strategische Gründe sprachen dafür, dass die Deutschen so schnell wie möglich die wirtschaftliche Grundlage für neue Kriege gegen die Türken schaffen sollten, um Österreich zu ermöglichen, über den Balkan in den Osten vorzudringen. Die Besiedlung Nord- und Ostkroatiens von Seiten deutscher Einwanderer im 17. und 18. Jh. begünstigte erneut den Bilingualismus. Unter den neuen Siedlern befanden sich zahlreiche Handwerker. Viele von ihnen waren aus Bayern, aus der Rheingegend, aus Österreich, der Steiermark und Kärnten. Die neuen Zuwanderer übten einen großen Einfluss auf die autochthone Bevölkerung aus, der sich in allen Lebensbereichen abzeichnet und in den vielen deutschen Lehnwörtern im Kroatischen widerspiegelt. Unter dem Einfluss der deutschen Siedler bildete sich in der slawonischen Stadt Osijek sogar eine Mischsprache, das Essekerische, heraus (vgl. Petrović, 2001). Der Zuwachs der städtischen Bevölkerung gab vielen deutschen Handwerkern und Händlern Grund, sich auch in diesen Städten anzusiedeln. Die Migrationsströme flossen aus allen Richtungen in städtische Zentren und wurden auf diese Weise zum Hauptfaktor der demographischen Entwicklung. Die Kolonisten waren nicht nur Handwerker und Händler, sondern auch Landarbeiter, die sich wirtschaftlich schnell entwickelten und bald ihre eigenen Manufakturen und Fabriken gründeten und somit den Kern des wachsenden Bürgertums bildeten (Gabričević, 2002: 74).

 

Die Gebiete, die stärker von der deutschen Kolonisierung betroffen waren, sind Slawonien und Nordkroatien. Die erste Besiedlungswelle im Banat, Bačka und Baranja erfolgte in der Zeit der Verwaltung des Gouverneurs Graf Klaudius Ferdinand Mercy, der von 1722 bis 1727 vor allem Handwerker und Bauern, etwa 10000 in 57 Siedlungen ansiedelte. Die zweite Welle folgte zwischen 1768 und 1771 in der Regierungszeit von Maria Theresia und zählt etwa 5000 Familien, die 50 neue Siedlungen und 30 schon bestehende besiedeln. Die dritte Welle beginnt zur Zeit der Herrschaft Joseph II. (1784–1787). Der Großteil der deutschen Ortschaften in Slawonien entstand um die Städte Osijek, Vinkovci und Vukovar herum. Die Kolonisierung der Deutschen im Südosten Europas wurde nach dem Wiener Frieden im Jahre 1810 intensiver, vor allem kamen Siedler aus Württemberg, Baden und Hessen. Ende des 18. Jh. und Anfang des 19. Jh wurden vor allem die Gebiete um Đakovo besiedelt (Geiger, 2001: 60). Vor der deutschen Kolonisierung bebauten die alteingesessenen Einwohner das Land auf traditionelle Art und Weise, durch Brachlegung, während die zugewanderten Deutschen die Fruchtfolge verwendeten. Die modernen Arbeits- und Anbaumethoden und neue verbesserte Viehrassen, die die deutschen Kolonisten einführten, wirkten innovativ auf die anderen Ethnien ein, hinterließen aber auch in der kroatischen Sprache ihre Spuren. So stammen aus dieser Zeit:

 kro. cvikcange < dtsch. Zwickzange,

 kro. rundhamer < dtsch. Rundhammer,

 kro. špicange < dtsch. Spitzzange,

 kro. švasati < dtsch. schweißen u.a.

Das enge Zusammenleben der deutschen Siedler und Kroaten sowie die starke Position der deutschen Sprache im 18. und 19. Jh. führte zum starken Einfluss auf die autochthone Bevölkerung in allen Lebensbereichen. Die bis dahin mit Stroh bedeckten und Feuerstellen beheizten Häuser ersetzten die auf römische Art gebauten Häuser, deren Elemente die deutschen Siedler übermittelten:

 kro. cigla < dtsch. Ziegel < lat. tegula,

 kro. letva < dtsch. Latte,

 kro. malter < dtsch. Mörtel,

 kro. planka < dtsch. Planke,

 kro. šalovanje < dtsch. Verschalung,

 kro. šindra < dtsch. Schindel usw.

Die Häuser wurden mit Kachelöfen (> kro. kaljeva peć) und später mit Sparherden (> kro. špaher) geheizt. Die deutschen Siedler beeinflussten ebenfalls auch die räumliche Gestaltung der Häuser:

 kro. forcimer < dtsch. Vorzimmer,

 kro. ganjak < dtsch. Gank,

 kro. hala < dtsch. Halle,

 kro. špajza < dtsch. Speisekammer,

 kro. štenge < österr. Stiege u.a.

Hilfsräume:

 kro. šajer < österr. Scheuer,

 kro. štala < dtsch. Stall,

 kro. šupa < dtsch. Schuppen,

sowie die Wohnkultur selbst:

 kro. firange < dtsch. Vorhang,

 kro. hoklica < österr. Hockerl,

 kro. mebl < dtsch. Möbel < frz. meuble,

 kro. pult < dtsch. Pult,

 kro. tepih < dtsch. Teppich.

Bei dieser Übernahme spielten besonders größere Städte wie Zagreb, Osijek und Varaždin, wo sich das Bürgertum konzentrierte, eine bedeutende Rolle. Von dort aus verbreitete sich das diesbezügliche Sprachgut auf die ländliche Umgebung (Schneeweis, 1960: XIX). In die Provinz gelangte das Neue auch durch den Handel, weil viele deutsche Händler und Handwerker Hausrat verkauften bzw. anfertigten und damit Wörter, die sie benannten, verbreiteten:

 kro. batrol < dtsch. Backrohr,

 kro. bratvan/protvan /protvanj < dtsch. Bratpfanne,

 kro. beštek < dtsch. Besteck,

 kro. cukerdoza < dtsch. Zuckerdose,

 kro. cukerpiksla < österr. Zuckerpiksl,

 kro. dunstflaša < österr. Dunstflasche 'Einmachglas',

 kro. escajg < dtsch. Esszeug,

 kro. faselj/faslin < österr. Fasslein,

 kro. flajšmašina < dtsch. Fleischmaschine,

 kro. flaša < dtsch. Flasche,

 kro. flašica < dtsch. Fläschchen,

 kro. fraklić < österr. Frackele/Frackl,

 kro. glažak < dtsch. Glas,

 kro. holjba < dtsch. Halbe,

 kro. kafelefl < dtsch. Kaffeelöffel,

 kro. kafemil < dtsch. Kaffeemühle,

 kro. kostšale < dtsch. Kostschale,

 kro. krigla/krigl/kriglin/krigljin < österr. Krügel,

 kro. nudlbret/ nudlpret < dtsch. Nudelbrett/Nudelprett,

 kro. pajtmlin < dtsch. Beutelmehl 'Mühle',

 kro. piksa/piksla < dtsch. Büchse / österr. Büchsel,

 kro. platna < dtsch. Herdplatte,

 kro. pleh < dtsch. Blech,

 kro. rajngla < österr. Reine,

 kro. ribež < dtsch. Reibeisen,

 kro. ringla < dtsch. Herdring/Ringl,

 kro. rerna/rol/ror < dtsch. Röhre,

 kro. roštilj < österr. Roschtl, dtsch. Grillrost,

 kro. sajtlik < österr. Seidelglas /Seitel,

 kro. supntopf/zupntopf < dtsch. Suppentopf,

 kro. šeflja/šerfa < dtsch. Schöpflöffel,

 kro. šola/šolja < dtsch. Schale,

 kro. šnešlager < dtsch. Schneeschläger, Schneebesen,

 kro. špajservis < dtsch. Speiseservice,

 kro. štampl < österr. Stamperl,

 kro. šparhet/šparet/šporet < dtsch. Sparherd,

 kro. šprica < dtsch. Spritze,

 kro. štoplciger < dtsch. Stoppelzieher,

 kro. taca/tacn/tacna < dtsch. Tasse, österr. Tazzerl,

 kro. termosflaša < dtsch. Thermosflasche u.a.

Die relativ große Zahl der Bezeichnungen für Gefäße und Behälter lässt sich dadurch erklären, dass die Denotate meistens durch die deutschsprachigen Handwerker und Händler verbreitet wurden. Außerdem verbreiteten sich mit dem Aufstieg des Bürgertums auch neue Etiketten und Tischsitten, die unter anderem auch die Benutzung von unterschiedlichem Besteck einschlossen.

Dies führte auch zu Veränderungen in der Tradition und den Bräuchen. So wurde die kroatische Speiselandschaft mit neuen Lebensmitteln bereichert:

 kro. ajeršpajz < dtsch. Eierspeise,

 kro.ajgemaht/ajgemakt/ajmokac/ajngemahtec/ajngemaht/ajngemahtes/hajmoc < dtsch. Eingemachtes,

 kro. ajnpren/amprensupa/ajnprenjuha1 < dtsch. Einbrennsuppe,

 kro. aufšnit < dtsch. Aufschnitt,

 kro. brizle < dtsch. Briese,

 kro. cukmiz < dtsch. Zugemüse,

 kro. cušpajz/čušpajz < dtsch. Zuspeise, Beilage,

 kro. cvibok < dtsch. Zwieback,

 kro. dunst < dtsch. Dunstobst,

 kro. ekstrabušt/ekstravuršt < dtsch. Extrawurst,

 kro. ementaler < dtsch. Emmentaler,

 kro. fišpaprikaš < dtsch. Fisch + ung. paprikás,

 kro. flam < österr./bair. Fläme,

 kro. flek(l)e < dtsch. Fleckchen/Fleckerl,

 kro. forbiks < dtsch. Bartwichs,

 kro. frišljing < dtsch. Frischling,

 kro. geršl/geršla/gešlo < dtsch. Gersche/Gerste,

 kro. griz < dtsch. Gries,

 kro. grizknedla/krisknedla < dtsch. Grießknödel,

 kro. griznokle < dtsch. Grießnockerl,

 kro. jeger < dtsch. Jägerwurst,

 kro. jesih < dtsch. Essig,

 kro. kajzerica < dtsch. Kaisersemmel,

 kro. kajzeršmarn < dtsch. Kaiserschmarren,

 kro. knedl/knedla < dtsch. Knedl/ Knödel,

 kro. kramlpogačice < dtsch. Grammelpogatsche,

 kro. krautflekerli < dtsch. Krautfleckerl,

 kro. krumpir < dtsch. Grundbirn/Krumpire,

 kro. lebervuršt < dtsch. Leberwurst,

 kro. liptauer < dtsch. Liptauer,

 kro. lungnbratn < dtsch. Lungenbraten,

 kro. meršpajz < dtsch. Mehlspeise 'Nudeln',

 kro. mudlin/nudle < dtsch. Nudel,

 kro. nokrl/noklice/nokle < dtsch. Nockerl,

 kro. pajšl < dtsch. Beuschl,

 kro. parizer < dtsch. Pariser,

 kro. perec < österr. Brezen,

 kro. pohendle < österr. Backhendl,

 kro. prezbušt/prezmušt/prezvuršt < dtsch. Presswurst,

 kro. putar < dtsch. Butter,

 kro. reštano < dtsch. Röstkartoffeln,

 kro. ričet < österr. Ritscher(t),

 kro. rolšunka < dtsch. Rollschinken,

 kro. rostbraten < dtsch. Rostbraten,

 kro. saft < dtsch. Saft 'Fleischgericht, Soße',

 kro. sulc < dtsch. Sülze,

 kro. sulcflajš < dtsch. Sulzfleisch,

 kro. supa/župa < dtsch. Suppe,

 kro. šmarn < österr. Schmarren,

 kro. šol < dtsch. Scholle,

 kro. šnicl/ šnicla < dtsch. Schnitzel,

 kro. šnitlauh < dtsch. Schnittlauch,

 kro. špek < dtsch. Speck,

 kro. špek fileki < Speck + österr. Kuttelflecke,

 kro. štercl < österr. Sterz,

 kro. šunka < österr. Schunken,

 kro. švargla < dtsch. Schwargel/Schwarte,

 kro. vaseršpacne < Wasserspatzen,

 kro. virfcuker < dtsch. Würfelzucker,

 kro. viršl/viršla < südd. Wirschtl/Würstel,

 kro. zemlknedl < österr. Semmelknödel,

 kro. žemla/žemlja < österr. Semmel,

 kro. žlundra < dtsch. Schrunde,

 kro. žmalc < dtsch. Schmalz u.v.a.

Die traditionelle kroatische Bauernküche bestand hauptsächlich aus Eintopfgerichten (Rittig-Beljak, 2002: 91). Die erhaltenen deutschen Entlehnungen zeugen von der Übernahme von Getreide- und Gemüsekulturen, Mehl- und Fleischspeisen sowie deren Zubereitungsarten. Manchmal geht es aber nur um neue Bezeichnungen für schon Bekanntes, wie beispielsweise bei ajeršpajz(e) (< Eierspeise), putar (< Butter) oder špek (< Speck). Die Fülle an Ausdrücken für Wurst- und Fleischprodukte ist ein direkter Einfluss der deutschsprachigen Kolonisten, die in ihre neue Heimat nicht nur viele bisher unbekannte Ausdrücke, sondern auch ihre Erfahrungen in der Verarbeitung von Wurst- und Fleischprodukten mitbrachten (ebd. 176).

Dank der Entdeckung der Mahlgutreinigungsmühle durch Ignaz Paur im Jahr 1810 kommt feines, kleingemahlenes Mehl auf den Markt. Die österreichischen und deutschen Müller haben diese Innovation mit als erste übernommen. Die deutschsprachigen Siedler brachten in ihre neue Heimat diese Technologie mit, die die Zubereitung einer ganzen Reihe von Mehlspeisen ermöglichte:

 

 kro. bakpulver < dtsch. Backpulver,

 kro. cvajer < dtsch. Zweier(mehl), grob gemahlenes Mehl,

 kro. dunst < dtsch. Dunst 'Mehlsorte',

 kro. fil/fila < dtsch. Fülle/Füllung,

 kro. flok < dtsch. Flocke,

 kro. germa < dtsch. Germ,

 kro. germitij/germtajg < dtsch. Germteig,

 kro. glazura < dtsch. Glasur,

 kro. grif/grifik < dtsch. griffig 'Mehlsorte',

 kro. grinc/grincajg < dtsch. Grünzeug,

 kro. gris/griz/kriz < dtsch. Grieß,

 kro. grizmelj < dtsch. Grießmehl,

 kro. gvirc < dtsch. Gewürz,

 kro. ingver < dtsch. Ingwer,

 kro. lorber < dtsch. Lorbeer,

 kro. me(j)la /melja/mel/muntvel < dtsch. Mehl,

 kro. mirbetajg < dtsch. Mürbeteig,

 kro. pac < dtsch. Beize/Peize,

 kro. pajtlin < dtsch. Beutelmehl,

 kro. prezle < dtsch. Brösel/Pröslein,

 kro. šam < dtsch. Schaum 'Eischnee',

 kro. šne < dtsch. (Ei)Schnee,

 kro. štaub/štaubcuker/štaubcukar/štaubšećer < dtsch. Staubzucker,

 kro. štoverak/štolver < dtsch. Stowellwerke2 'Würfelzucker' u.a.

Außerdem wurden neue Zubereitungsarten von Speisen in die bisher eher einfache kroatische Küche aufgenommen:

 kro. ajpaniren < dtsch. einpanieren,

 kro. braunati < dtsch. bräunen,

 kro. denfati/tenfati < dtsch. dämpfen,

 kro. dinstati < dtsch. dünsten,

 kro. faširati < dtsch. faschieren,

 kro. filati/filovati < dtsch. füllen,

 kro. garbati < dtsch. gärben,

 kro. pajtlati < dtsch. beuteln,

 kro. pohati/pohovati < dtsch. bachen, backen 'panieren',

 kraot. poštaubati < dtsch. stäuben,

 kro. rašpati < dtsch. raspeln,

 kro. restati < dtsch. rösten,

 kro. ribati < dtsch. reiben,

 kro. špikati/špikovati < dtsch. spicken,

 kro. špinati < dtsch. spinnen,

 kro. šprudlati < dtsch. sprudeln usw.

Kuchen und andere Süßspeisen werden schon in den Werken kroatischer Schriftsteller aus dem 15. Jh. erwähnt, und im 18. Jh. sind sie in der Küche aller Schichten vertreten (ebd. 12). Aber erst das Erscheinen des Sparherdes mit Backrohr ermöglichte ihre leichtere, häufigere und auch mannigfaltigere Zubereitung. Die erhaltenen deutschen Entlehnungen zeugen davon, dass viele – obwohl aus anderen Sprachen stammend – durch deutschsprachige Vermittlung ins Kroatische übernommen wurden.

 kro. buhtla < österr. Buchtel,

 kro. firzitšnita < dtsch. Pfirsichschnitte,

 kro. grizkoh/koh < österr. Grießkoch,

 kro. indijaner < dtsch. Indianerkrapfen,

 kro. išler < österr. Ischler,

 kro. kifl/kifla < österr. Kipfel/Kipfl,

 kro. kitnkez < österr. Kütte + käse, Quittenmus,

 kro. krafna < österr. Krapfen,

 kro. kremšnita < österr. Cremeschnitte,

 kro. kuglof < österr. Gugelhupf/Kugelhopf,

 kro. lincer < österr. Linzer,

 kro. londoner < dtsch. Londoner,

 kro. melšpajz < österr. Mehlspeise 'Kuchen',

 kro. milihbrot/ milbrot/milibrot /miliprot/miliprut < österr. Milchbrot,

 kro. oberst/obrst < österr. Obers,

 kro. pogača < österr. Pogatsche,

 kro. puslice < österr. Busserl,

 kro. rajskoh < österr. Reiskoch,

 kro. šampita/šaumpita < österr. Schaum + türk. pita,

 kro. šamšnita < österr. Schaumschnitte,

 kro. šamrola < österr. Schaumrolle,

 kro. šlag < österr. Schlagobers,

 kro. šnenokli < österr. Schneenockerl,

 kro. štanglice < österr. Stangl,

 kro. štrudla/štrukli < dtsch. Strudel,

 kro. tačak < dtsch. Tasche,

 kro. tačkerli < österr. Tascherl u.a.

Das Essen wurde in den Großfamilien bei den Kroaten in einer großen Schüssel serviert. Bei den deutschen Kolonisten, die eher in Kleinfamilien lebten, war es jedoch üblich, die Hauptmahlzeit in mehreren Gängen einzunehmen. Darauf lässt sich die Übernahme der Bezeichnungen für Mahlzeiten und Gänge zurückführen (vgl. Ivanetić/Stojić, 2009: 105):

 kro. fruštik/fruštuk < dtsch. Frühstück/ Fruhstuck,

 kro. gablec < österr. Gabelfrühstück,

 kro. jauzn/jauzna < österr. Jause,

 kro. nahšpajz < österr. Nachspeise,

 sowie Verben wie fruštukati/ fruštukovati, jauznati u.a.

In einige Gegenden Kroatiens gelangten neue Benennungen auch durch deutschsprachige Arbeiter, wie z.B. in Gorski kotar, wohin bayerische Holzhacker das Bohnengericht Bartwichs mitbrachten und die dortige Bevölkerung es als vorbiks entlehnte (Schneeweis, 1960: 27).3

Eine weitere wichtige Rolle spielten deutschsprachige Kochbücher, die es in der Habsburgermonarchie seit 1686 gab. Das bekannteste Kochbuch der Monarchie, jenes der Grazerin K. Prato von 1858, wurde vom bilingualen kroatischen Bürgertum im Original benutzt, obwohl es in alle 16 Sprachen der Monarchie übersetzt worden war. Das erste Kochbuch auf Kroatisch stammt aus dem Jahr 1813 (Rittig-Beljak, 2002: 27ff). Der stärkere Einfluss des Deutschen im Norden hat sich nicht nur auf die Zahl der deutschen Lehnwörter ausgewirkt, sondern hat die gesamte Ess- und Trinkkultur stärker beeinflusst als die der Küstenregion. Letztere zeichnet sich nämlich als Teil des Mittelmeergebietes durch ihre traditionelle mediterrane Ess- und Trinkkultur aus. Trotzdem wurden einzelne Zutaten und Speisen, z.B. Sahne und Torten, auch hier populär und in lokale Kochbücher aufgenommen (ebd. 78). Daran erkennt man ebenfalls, dass Entlehnungsprozesse immer auch ein Resultat von Kulturkontakten sind. Falls hier Bezeichnungen für Gerichte und Getränke übernommen wurden, konkurrieren sie meistens mit schon vorhandenen Lexemen verschiedener Herkunft, so dass sich mit der Zeit koexistierende Dubletten herausgebildet haben, z.B. njoki (ital. gnocchi) versus noklice (dtsch. Nockerl) versus valjušci (kro.), oder šufigat (ital. soffocare) versus dinstati (dtsch. dünsten) versus pirjati (kro.).

Eine andere Situation zeigt sich an der vorwiegend von österreichischen Touristen besuchten Nordadria, wohin mitteleuropäische Gerichte und die sog. Wiener Küche, die ein „Konglomerat verschiedener internationaler Berührungen“ war, gelangten (ebd. 14). Mit ihnen kamen auch entsprechende Entlehnungen.

Eine weitere Innovation zeigt sich im Bereich der Bekleidung:

 kro. falda < dtsch. Falte,

 kro. fudra < dtsch. Futter,

 kro. šnala < dtsch. Schnalle,

 kro. španga < dtsch. Spange,

 kro. štof < dtsch. Stoff,

 kro. veš < dtsch. Wäsche,

 kro. žniranci < dtsch. Schnürsenkel u.a.

Mit den neuen Kleidungsgegenständen kam auch eine bis daher unbekannte Art und Weise ihrer Bearbeitung und Ausarbeitung:

 kro. heftati < dtsch. heften,

 kro. heklati < dtsch. häckeln,

 kro. peglati < dtsch. bügeln,

 kro. štepati < dtsch. steppen,

 kro. štirkati < dtsch. stärken usw.

Die deutschen Kolonisten und ihre Nachfolger wurden, wie schon erwähnt, von den Einheimischen Švabe genannt, nach dem deutschen Volk der Schwaben,4 die aus dem Westen Bayerns und aus Württemberg kamen, die geographisch Kroatien am nächsten sind. Aber aus dem Schwabenland kam nur ein Teil der deutschen Siedler, viele kamen auch aus dem Sudetenland, Hessen, der Pfalz, Lothringen und dem Saarland. Ein Grund, weshalb die Kroaten die Deutschen auch heute noch pejorativ als Švabe bezeichnen, liegt wahrscheinlich darin, dass sich ihre Sprache wesentlich von der der anderen deutschen Siedler unterschied. Außerdem haben sich die Donauschwaben vor allem in abgeschiedenen, national homogenen Dörfern angesiedelt. Die anderen Zuwanderer kamen meistens einzeln und siedelten sich kontinuierlich in städtischen Zentren an und wurden von der einheimischen Bevölkerung schnell angenommen (Žepić, 2002: 215). Die deutschen Zuwanderer, die aus unterschiedlichen deutschsprachigen Teilen in größeren Gruppen kamen, hatten keine ausgeprägte nationale oder politische Identität oder ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Dieses wuchs erst nach ihrer Ansiedlung, insbesondere wegen der sprachlichen und kulturellen Distanz gegenüber den Einheimischen und Siedlern aus dem nicht-deutschsprachigen Raum. Dies führte zu einer engen Gemeinschaft der deutschsprachigen Siedler gleich zu Beginn, die untereinander Deutsch sprachen und für eine lange Zeit die gleichen Bräuche und Lebensweise praktizierten. Auf diese Weise widerstanden sie der Assimilation und bewahrten ihre Sprache und Kultur noch viele Jahre nach ihrer Zuwanderung (Geiger/Kučera VDG, 1995: 88).