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b) Freiheitsberaubung auf andere Weise

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Als Auffangtatbestand erfasst Var. 2 alle anderen Fälle der Freiheitsberaubung.[56] Auf einen „Raumbezug“ kommt es nicht an. Erfasst wird der Einsatz aller Mittel, die die körperliche Fortbewegungsfreiheit einer Person aufheben. Die eingesetzten Mittel müssen in ihrer Begehungsweise dem Einsperren nicht ähnlich sein.[57] Sie können physischer und/oder psychischer Art sein und auch nur mittelbar die Freiheitsberaubung verursachen. Letztgenanntes kann etwa bei Falschaussagen, die zu einer Freiheitsstrafe des Angeklagten führen, oder bei einer Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt der Fall sein.

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Die Freiheitsberaubung kann vor allem durch Gewalt, aber auch durch Drohungen,[58] List[59] oder Schaffung faktischer oder psychischer Zwangssituationen begangen werden. Beispiele für Gewalt sind das Festhalten oder Festbinden,[60] das Verabreichen von Betäubungsmitteln[61] sowie das Abhalten von hilfsbereiten Dritten oder das Wegnehmen von Brille, Rollstuhl usw., wenn sich eine Person nur mit fremder Hilfe bzw. Hilfsmitteln fortbewegen kann.[62] Mittels Drohung wird eine Freiheitsberaubung begangen, wenn dem Opfer ein Übel für den Fall in Aussicht gestellt wird, dass es sich körperlich fortbewegt. Unterhalb der Schwelle von Gewalt oder Drohung sind auch psychische Zwangssituationen einbezogen, aufgrund derer dem Opfer die Fortbewegung zumindest erheblich erschwert wird.[63] Letztlich werden auch Fälle der List erfasst, etwa wenn dem Betroffenen vorgespiegelt wird, dass es keine Fluchtmöglichkeit gibt.[64] Insoweit wird in das Rechtsgut der aktuellen Fortbewegungsfreiheit eingegriffen, weil die Realisierung des Fortbewegungswillens vereitelt wird. Im Hinblick auf eine teleologische Auslegung wird man hingegen Fälle einer Täuschung ausscheiden müssen, in denen es an einem hinreichenden Rechtsgutsbezug fehlt, mithin sich die Täuschung auf ein außertatbestandliches Motiv bezieht. Lässt sich das Opfer etwa einsperren, weil der Täter vortäuscht, eine Überraschung für das Opfer vorzubereiten, dies aber zur Begehung einer Straftat ausnutzt, so liegt trotz Täuschung ein wirksames tatbestandsausschließendes Einverständnis hinsichtlich der Freiheitsberaubung vor, derer sich das Opfer auch bewusst ist. In diesem Fall fehlt es gerade an einem Fortbewegungswillen des freiwillig im Raum verbleibenden Opfers.

c) Unterlassen

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Die Tathandlungen können nach allgemeinen Grundsätzen durch Unterlassen verwirklicht werden, soweit der Täter eine Garantenstellung hat[65] und die weiteren Merkmale des Unterlassungsdelikts, insbesondere Möglichkeit zur Handlung, Quasi-Kausalität und Zumutbarkeit, gegeben sind. So entfällt etwa die Quasi-Kausalität, wenn ein Polizist einen Festgenommenen zwar nicht unverzüglich dem Richter vorführt, dieser jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Fortdauer der Freiheitsentziehung angeordnet hätte.[66] Bedeutung erlangt das Unterlassen im Übrigen zunächst beim Beschützergaranten (z.B. Eltern gegenüber Kindern), wenn ein Dritter die zu beschützende Person der Freiheit beraubt oder diese sich versehentlich selbst einschließt. Auch Amtsträger wie Polizisten oder Vollzugspersonal können im Rahmen eines Freiheitsentzugs Beschützergaranten sein.[67] Daneben kommt aber auch eine Garantenstellung kraft Ingerenz in Betracht, wenn der Täter versehentlich sein Opfer einschließt oder in einem Strafverfahren unzutreffend beschuldigt, später aber sein Versehen bemerkt.[68] Entsprechendes gilt, soweit jemand die Beförderung eines Dritten übernommen hat und diesen auf berechtigtes Verlangen nicht aussteigen lässt.[69]

3. Taterfolg: Freiheitsberaubung

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Durch die Tathandlungen muss kausal und dem Täter objektiv zurechenbar der Erfolg der Freiheitsberaubung eintreten. Dabei muss die Fortbewegungsfreiheit nicht nur beschränkt, sondern vollständig aufgehoben sein.[70] Eine Freiheitsberaubung liegt auch dann vor, wenn dem bereits der Freiheit beraubten Opfer noch ein größerer Radius zur Bewegung verbleibt, dieser jedoch nicht verlassen werden kann.[71] Wird dieser Radius weiter begrenzt – eine in ein Haus eingesperrte Person wird von einem Dritten in ein Zimmer eingeschlossen –, kann eine weitere Freiheitsberaubung angenommen werden.[72] Entsprechendes gilt, wenn die Dauer einer Freiheitsberaubung durch einen Dritten verlängert wird.

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In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob es einer bestimmten Zeitdauer der Freiheitsberaubung bedarf. Während das Reichsgericht in einer vielzitierten Entscheidung die Dauer eines „Vater unser“ genügen ließ,[73] wird man die Dauer richtigerweise nicht mit einer absoluten Zeiteinheit festlegen können, sondern von den Umständen des Einzelfalles abhängig machen müssen, wofür neben der Dauer der Freiheitsberaubung auch die Intensität der Einwirkung auf das Rechtsgut maßgeblich ist.[74] Die Grenze wird jedoch in der Regel bei einigen wenigen Minuten liegen,[75] eine halbe Stunde dürfte immer genügen.[76] Ungeachtet dessen besteht jedoch Einigkeit darüber, dass bloße Bagatellfälle auszuscheiden sind, so dass nur unerhebliche Einwirkungen – wie ein kurzes Festhalten – nicht ausreichen.[77] Dies gilt insbesondere, soweit die Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit nur Begleiterscheinung der Verwirklichung eines anderen Tatbestandes ist, z.B. Festhalten zur Nötigung. Jedoch kann hier eine Versuchsstrafbarkeit vorliegen, wenn der Tatentschluss auf eine längere Zeitdauer gerichtet war. Im Übrigen können auch längere Beeinträchtigungen in diesen Fällen auf Konkurrenzebene zurücktreten.[78] Dauert die Freiheitsberaubung länger als eine Woche an, so ist die Qualifikation des Abs. 3 Nr. 1 verwirklicht.

4. Normative Korrekturen

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Die Weite der möglichen Tatmittel und der dadurch bedingten vielfältigen Konstellationen wirft die Frage auf, inwieweit es normativer Korrekturen zur Begrenzung der Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Schuldprinzips bedarf. Denn in vielen Fällen wird das Opfer rein faktisch die Möglichkeit haben, sich von dem Ort fortzubewegen, wobei freilich mehr oder weniger gefährliche Hindernisse überwunden werden müssen. So mag das eingesperrte Opfer zwar den Raum nicht durch die abgeschlossene Tür, wohl aber durch ein Fenster in einer oberen Etage eines Wohnhauses verlassen können, wobei jedoch erhebliche Verletzungen drohen.

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Grundlage für die Frage, wann bei (anderen) Fortbewegungsmöglichkeiten eine Freiheitsberaubung vorliegt, sind letztlich Zumutbarkeitskriterien.[79] Dies dürfte gemeint sein, wenn die Rechtsprechung darauf hinweist, dass außergewöhnliche Wege oder ungewöhnliche Mittel für die Möglichkeit der Fortbewegung nicht in Betracht kommen.[80] Soweit das Opfer in der konkreten Situation die Beschränkung der körperlichen Fortbewegungsfreiheit ohne größere Schwierigkeiten verhindern kann, weil andere leicht zu realisierende Fortbewegungsmöglichkeiten bestehen, liegt ein nur unerheblicher Angriff auf die Fortbewegungsfreiheit vor. Die Möglichkeit, sich auf bestimmten Wegen, auch unter leichteren Bedingungen fortzubewegen, ist nicht geschützt.[81] Soweit hingegen solche Ausweichmöglichkeiten unzumutbar sind, liegt trotz faktischer Fortbewegungsmöglichkeit eine Freiheitsberaubung vor. Dabei ist zu beachten, dass keine zu hohen Anforderungen an die Opferseite zu stellen sind, da es der Täter ist, der den Eingriff in die Freiheitsrechte verursacht. Dies entspricht auch denjenigen Grundsätzen, die für die Drohung mit einem empfindlichen Übel bei der Nötigung i.S.d. § 240 StGB gelten. Empfindlich ist das angekündigte Übel dort nur, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Opfers von solcher Erheblichkeit ist, dass nicht erwartet werden kann, dass das Opfer in seiner konkreten Lage der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält.[82] Im Übrigen überträgt die h.M. diese Kriterien konsequenterweise auch auf den Tatbestand des § 238 StGB, bei dem der Gesetzgeber einen vergleichbaren Unrechtsgehalt sieht.[83]

a) Gewalt

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Wird ein physisches Hindernis mit Gewalt geschaffen, so kann eine Freiheitsberaubung auch dann vorliegen, wenn das Hindernis nicht völlig unüberwindbar ist.[84] Entscheidender Gesichtspunkt für die Frage, ob die Überwindung noch zumutbar ist, sind die damit verbundenen Gefahren für Leib oder Leben.[85] Nur wenn diese unerheblich sind, ist eine Freiheitsberaubung zu verneinen. Daher wird eine Flucht aus dem Fenster im Erdgeschoss regelmäßig zumutbar, aus dem ersten Stock jedoch bereits unzumutbar sein. Ebenso kann den Insassen eines Fahrzeugs nicht zugemutet werden, während der Fahrt auszusteigen, wenn sich der Täter weigert, anzuhalten.[86] Auch die Schaffung von anderen Fluchtwegen durch nicht ganz unaufwändige oder beschwerliche Maßnahmen – z.B. Entfernen einer Kellerschachtsicherung mittels Werkzeug[87] – ist grundsätzlich nicht vom Opfer zu fordern.[88]

b) Drohungen

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Bei Drohungen kommt es maßgeblich darauf an, ob diese auf eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben bezogen sind.[89] Erfasst wird damit etwa die Drohung, im Falle des Verlassens des Zimmers Gewalt zu üben. Umstritten ist, ob auch Drohungen (nur) mit einem empfindlichen Übel[90] – wie z.B. Kündigung der Wohnung oder des Arbeitsplatzes[91] – i.S.d. § 240 StGB erfasst sind. Dafür ließe sich anführen, dass § 239 StGB eine gewisse Nähe zur Nötigung aufweist. Allerdings stellt § 239 StGB keinen Spezialfall des § 240 StGB, sondern ein eigenständiges Delikt dar.[92] Ferner ist die Realisierung des Übels hier nicht unmittelbar mit der Fortbewegung verknüpft, so dass eine tatsächliche Fortbewegung zunächst einmal weiterhin möglich ist und das angekündigte Übel allenfalls später durch einen weiteren Willensentschluss des Täters eintreten kann. Dies spricht dafür, eine zumutbare Fortbewegungsmöglichkeit anzunehmen. Die ausgesprochene Drohung bleibt freilich unter dem Gesichtspunkt des § 240 StGB zu würdigen.

c) Psychischer Zwang und List

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Entsprechendes gilt auch für Fälle des psychischen Zwangs. Auch hier muss es für das Opfer im Hinblick auf Leib oder Leben unzumutbar gefährlich sein, sich fortzubewegen. Bei den viel diskutierten Fällen des Wegnehmens der Kleidung eines am See nackt Badenden ist dies zu verneinen.[93] Bei List ist zunächst zu beachten, dass diese überhaupt auf das Rechtsgut der körperlichen Fortbewegungsfreiheit bezogen sein muss, so dass bloße Motivirrtümer nicht erfasst werden.[94] Im Übrigen können hier Zumutbarkeitserwägungen im Schnittbereich zwischen Täuschung, Zwang und Einverständnis zum Tragen kommen; so etwa, wenn der Täter vorspiegelt, Polizist zu sein und das Opfer mitnehmen zu müssen. Nicht anders als bei den Beschlagnahmefällen beim Diebstahl,[95] ist es für das Opfer dann unzumutbar, sich dem Willen zu widersetzen (und sich fortzubewegen), wenn neben der Täuschung derart faktischer Zwang ausgeübt wird, dass eine autonome Entscheidung nicht mehr möglich ist, weil für das Opfer keine reale Wahlmöglichkeit besteht. Unter dem Gesichtspunkt eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses fehlt es hier an einer freien Willensentscheidung.[96]

5. Tatbestandsausschließendes Einverständnis

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Da sich die Tathandlung stets gegen den Fortbewegungswillen des Opfers richten muss, schließt ein Einverständnis nach zutreffender h.M. bereits den Tatbestand aus.[97] Für dieses tatbestandsauschließende Einverständnis gelten die allgemeinen Regeln.[98] Es kann sowohl inhaltlich – etwa bestimmter Ort oder bestimmte Art und Weise der Freiheitsberaubung – als auch zeitlich beschränkt oder unter bestimmte Bedingungen gestellt werden. Werden solche Beschränkungen oder Bedingungen missachtet, ist der Tatbestand verwirklicht. Auch kann das Einverständnis grundsätzlich jederzeit widerrufen werden.[99] Dies gilt jedoch richtigerweise dann nicht, wenn ein Passagier eines öffentlichen Transportmittels wie Zug, Schiff oder Flugzeug mit dem Transport einverstanden ist und nach Beginn der Fahrt oder des Fluges seinen Willen ändert.[100] Abgesehen von Sondersituationen, wie bei Notfällen, beinhaltet das Einverständnis in die Fahrt zugleich den Verzicht auf Widerruf bis zum nächsten planmäßigen Halt entsprechend der Beförderungsbedingungen.[101]

6. Subjektiver Tatbestand

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Es genügt nach allgemeinen Grundsätzen bedingter Vorsatz, der sich auf die Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit gegen den Willen des Opfers richten muss. Auf Grundlage der hier vertretenen Ansicht scheidet der Tatbestand beim Einsperren schlafender Personen usw. aus, da es an einem aktuellen Fortbewegungswillen fehlt. Nimmt der Täter irrig an, dass das Opfer schläft, so liegt demnach ein vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB vor. Soweit der Täter nicht weiß, dass das Opfer schläft oder er ein Aufwachen billigend in Kauf nimmt, ist eine Versuchsstrafbarkeit gegeben. Auf Grundlage der Gegenansicht, die auch die potenzielle Fortbewegungsfreiheit schützt, ist es hingegen für den Vorsatz ausreichend, dass sich dieser auf eine schlafende Person erstreckt, weil dann aus Sicht des Täters ein potenzieller Fortbewegungswille beim Opfer gegeben ist; hält der Täter das Einsperren einer schlafenden Person für nicht strafbar, muss diese Ansicht zu einem nach § 17 StGB zu behandelnden Verbotsirrtum gelangen. Bei Irrtümern über die Zumutbarkeit einer anderweitigen Fluchtmöglichkeit ist zu differenzieren: Soweit der Täter irrig vom Bestehen einer leicht zu realisierenden Alternative ausgeht, liegt ein vorsatzausschließender Tatumstandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB vor; so etwa, wenn der Täter die Zimmertür abschließt, jedoch davon ausgeht, dass das Opfer das Zimmer durch die Balkontür verlassen kann, die jedoch wider Erwarten defekt ist. Ein nur nach § 17 StGB zu behandelnder Verbotsirrtum ist jedoch gegeben, wenn der Täter sich über die rechtlichen Anforderungen der Zumutbarkeit irrt und etwa annimmt, das Opfer müsse auch gefährliche Fluchtwege nutzen.

III. Rechtswidrigkeit

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Wie bereits dargelegt, schließt ein Einverständnis des Opfers bereits den Tatbestand aus. Soweit es sich um staatliche Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit, insbesondere Verhaftungen, Freiheitsstrafen oder Unterbringungen, handelt, sind Art. 104 GG, Art. 5 EMRK und Art. 6 EuGrCh zu beachten. Soweit sich der behördliche Eingriff im Rahmen der einschlägigen Gesetze bewegt, stellen diese Rechtfertigungsgründe dar.[102] Gemäß dem Subsidiaritätsgedanken kann öffentlich-rechtlich erlaubtes Verhalten keine Strafbarkeit begründen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob Umfang und Intensität der Freiheitsberaubung die gesetzlich gezogenen Grenzen überschreitet.[103] Inwieweit ein sog. Irrtumsprivileg des Staates gegeben sein kann, ist allgemein umstritten. Die Rechtsprechung[104] sieht hier einfache Förmlichkeitsmängel als unerheblich an, solange der Freiheitsentzug zumindest sachlich begründet ist, was unter rechtsstaatlicher Perspektive freilich wenig überzeugend ist.[105] Neben den allgemeinen Rechtfertigungsgründen der §§ 32, 34 StGB kann hier vor allem das Festnahmerecht des § 127 StPO Bedeutung erlangen. Irrtümer über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes sind als Erlaubnistatbestandsirrtum zu behandeln, der entsprechend § 16 Abs. 1 S. 1 StGB den Vorsatz bzw. die Schuld entfallen lässt.[106]

IV. Beteiligung

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Täterschaft und Teilnahme ist nach allgemeinen Grundsätzen möglich. Es handelt sich um kein eigenhändiges Delikt, bei dem der Täter das Opfer selbst einsperren muss. Besondere Bedeutung erlangen dabei Fälle der mittelbaren Täterschaft, bei denen der Täter staatliche Strafverfolgungsorgane wie Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht durch Täuschung – wie falsche Anzeigen, falsche Verdächtigungen oder Manipulation von Beweismitteln – als Werkzeuge zum Freiheitsentzug des Opfers veranlasst. Soweit die gutgläubig handelnden Staatsorgane sich im Rahmen der entsprechenden Vorschriften halten, sind diese gerechtfertigt und weisen den für die mittelbare Täterschaft kennzeichnenden Strafbarkeitsmangel auf. Erfasst werden dabei nicht nur Konstellationen, in denen ein nicht zutreffender Verdacht geäußert wird, sondern auch solche, in denen ein tatsächlich gegebener Verdacht mit unzutreffenden Beweismitteln gestützt wird, ohne die eine Verurteilung nicht erfolgt wäre.[107] Soweit Strafanzeigen, Zeugenaussagen usw. hingegen wahrheitsgemäß erfolgen, ist eine mittelbare Täterschaft zu verneinen, weil in diesen Fällen die Tatherrschaft allein bei den Strafverfolgungsorganen liegt.[108] Anderes kann nur gelten, wenn in Unrechtsstaaten – ungeachtet der Wahrheit der Tatsachen – durch Denunziation rechtswidrige Verhaftungen bewusst veranlasst werden, so dass der Staatsapparat für Zwecke des Täters instrumentalisiert wird.[109] Hinsichtlich einer Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung durch richterliche Urteile ist zu beachten, dass § 339 StGB eine Sperrwirkung entfaltet, so dass sich der Richter nur dann gemäß § 239 StGB strafbar macht, wenn zugleich der Tatbestand der Rechtsbeugung verwirklicht ist.[110]

V. Vollendung und Versuch

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Der Gesetzgeber hat mit dem 6. StrRG den Versuch unter Strafe gestellt, um eine Gleichstellung mit Eigentums- und Vermögensdelikten zu erreichen.[111] Der Versuch des Delikts beginnt mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Freiheitsberaubung, z.B. mit Beginn des Drehens des Schlüssels in der Tür zum Zwecke des Einsperrens. Da das Delikt mit Eintritt der Freiheitsbeschränkung, soweit diese in ihrer Zeitdauer nicht unerheblich ist,[112] bereits vollendet ist, wird die Versuchsphase regelmäßig nur von kurzer Dauer sein. Bedeutung erlangt § 239 Abs. 2 StGB daher vor allem beim untauglichen Versuch. Soweit der Täter nicht weiß, dass das Opfer schläft, liegt auf Grundlage der hier vertretenen Ansicht etwa ein solcher untauglicher Versuch vor. Entsprechendes gilt, wenn dem Opfer ein zumutbarer Ausweg bleibt, der Täter diesen aber verkennt. Beendet ist das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung erst mit Aufhebung der Freiheitsbeschränkung.[113] In Fällen der Qualifikation des § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB, die eine Freiheitsberaubung von über einer Woche voraussetzt, ist streitig, ob der Versuchsbeginn erst kurz vor Ablauf der Wochenfrist liegt.[114]

VI. Strafrahmenverschiebungen und Strafzumessung

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Während der Grundtatbestand des § 239 Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren ein Vergehen ist, sind in § 239 Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) und § 239 Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren) Verbrechen enthalten, für die § 239 Abs. 5 StGB jedoch einen geringeren Strafrahmen für minder schwere Fälle vorsieht.

1. Freiheitsberaubung von über einer Woche (§ 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB)

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§ 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB knüpft den höheren Strafrahmen daran an, dass der Täter das Opfer „länger als eine Woche der Freiheit beraubt“. Umstritten ist hierbei, ob die Straferhöhung eine Erfolgsqualifikation oder einen Qualifikationstatbestand mit Vorsatzerfordernis darstellt. Vor dem 6. StrRG 1998 bestand Einigkeit, dass es sich aufgrund der tatbestandlichen Fassung „über eine Woche gedauert hat“ um eine Erfolgsqualifikation i.S.d. § 18 StGB handelt.[115] Zwar äußerte sich der Gesetzgeber nicht zu einer Änderung der dogmatischen Einstufung,[116] jedoch ist nunmehr richtigerweise eine Qualifikation mit Vorsatzerfordernis anzunehmen. Dafür spricht vor allem die Formulierung „länger als eine Woche der Freiheit beraubt“, die sich von der früheren passiven Formulierung „über eine Woche gedauert hat“ und von § 239 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 StGB, die die für Erfolgsqualifikationen gängige Bezeichnung „verursacht“ verwenden, unterscheidet.[117]