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Zum höfisch-monarchistischen Rest heutigen Politikgebahrens

In modernen staatlichen Gesellschaften ruft besonders der medial zelebrierte Präsentations-, Ablaufmodus und -ritus bei neu zu wählenden PolitikerInnen für die Regierungsämter nach anthropologischer Forschung, um die gesellschaftlich-rituelle Bedeutung der an königliche, zum Beispiel habsburgische, englische, etc. Herrschaftshäuser erinnernden Gebahren zu durchleuchten.

Es ginge dabei um die Erarbeitung einer theoretischen Distanz zu politisch alltäglichen Abläufen und zu den nicht mehr wegzudenkenden Gewohnheiten des jeweiligen europäisch-politischen Systems, das sich der Medien bedient bzw. von den Medien als Spektakel inszeniert wird.

Der Umfang und Inhalt des medialen Präsentationsablaufs beinhaltet den Versuch einer 'Rückzahlung' und minutiösen Ausgleichs für die nicht oder nur marginal gegebenen Mitsprache- und Partizipationsmöglichkeiten des Volkes während einer Legislaturperiode.

1 “Sklaverei(*) bezeichnet den Zustand, in dem Menschen vorübergehend oder lebenslang als Eigentum anderer behandelt werden. Bei der Sklaverei im engen Sinne der Geschichtsschreibung war das Recht, Sklaven zu erwerben, zu verkaufen, zu mieten, zu vermieten, zu verschenken und zu vererben, gesetzlich verankert. Die Sklavengesetze regelten die privat- und strafrechtlichen Gesichtspunkte der Sklavenhaltung und des Sklavenhandels; darüber hinaus bestimmten sie auch, welche Rechte den Sklaven zugestanden wurden. In vielen sklavenhaltenden Staatswesen behielten Sklaven eine gewisse Rechtsfähigkeit und konnten z. B. die Gerichte anrufen oder Eigentum erwirtschaften, das es ihnen eventuell erlaubte, durch Selbstkauf die Freiheit zu erlangen. In manchen Staatswesen war Sklaverei erblich, d. h. die Nachkommen von Sklaven waren ebenfalls unfrei" (WIKIPEDIA, ‚Sklaverei‘). Der Zustand der Sklaverei war im römischen Recht geregelt. Die auf Sklaverei beruhende Gesellschaftsformen waren bis zum 19. Jahrhundert weltweit verbreitet (WIKIPEDIA, ‚Sklaverei, Neuzeit‘)."

2. Politik
2.1 Definitionsmerkmale von Politik

Im semantischen Differenzial ist der Bedeutungsinhalt des Wortes 'Staat' dem des Wortes 'Politik' nahe und überlappend. Ohne Politik gibt es keinen Staat, der Staat kann mit 'politischem Gebilde' gefasst werden.

Der Gegenstand politischer Forschung ist mittels dreier Dimensionen eingrenzbar bzw. gekennzeichnet, BRÜSECKE (1991, S. 19) benennt sie (im Zusammenhang mit postindustrieller Ökonomie) als

 die biophysische,

 die wertförmige und

 die anthropogene Dimension.

Weder existiert Politik ohne den Menschen, also weder außerhalb bio-physischer oder anthropogener (die durch den Menschen entstandenen, verursachten, hergestellten oder beeinflussten) Bedingungen oder den Bedingungen verwertungsbestimmter Produktion (s.o. S. 22).

Weiter und grundlegender gefasst ist der Themenbereich der Politik das Menschliche. Somit ist es auch ein psychologischer Forschungsbereich, der über einen möglichen Querschnitt humanwissenschaftlicher Forschung hinaus, sozial-, wirtschaftswissenschaftliche und historische Ansätze gleichermaßen berührt (abgesehen von der politik- und staatswissenschaftlichen Domäne und Perspektive, die diese nur wenig berührt).

In jedem Fall ist die Politik ein Forschungsbereich, in dem das Zusammenwirken unterschiedlicher Personen und Kräfte innerhalb der Gesellschaft im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht. Wie die gegebenen Differenzen innerhalb einer Gesellschaft politischen Regelungsbedarf erzeugen, zeigt ARENDT (2003, S. 9f):

"...Politik handelt von dem Zusammen- und Miteinandersein der Verschiedenen. Politisch organisieren sich die Menschen nach bestimmten wesentlichen Gemeinsamkeiten in einem absoluten Chaos oder aus einem absoluten Chaos der Differenzen."

Die historische Wissenschaft steht im Zentrum, wenn ARENDT (2003, S. 11f) über die historische Dimension des Globalen schreibt und beschreibt dabei den einzelnen Menschen als Betrachtungseinheit für die gesamte Menschheit:

"Durch die Vorstellung einer Weltgeschichte wird die Vielheit der Menschen in ein Menschenindividuum zusammengeschmolzen, das man dann auch noch Menschheit nennt..."

Die gänzlich unüberschaubare menschliche Geschichte ist die Grundlage, auf der die Politik (in den jeweils beforschten Phasen) stattfindet (s.o.):

"Daher das Monströse und Unmenschliche der Geschichte, das sich erst an ihrem Ende voll und brutal in der Politik selbst durchsetzt."

Die Geschichte der inner- und außerstaatlichen Politik ist eine Geschichte des Bestandes politisch-ideologischer Positionen, die sich im beständigen Widerstreit befinden. Die Resultierende dieses Widerstreits umfasst das im modernen Staat rechtlich verfasste Staatsgebilde sowie die permanente Abfolge und Zustände des Friedens wie des Krieges gleichermaßen. Es ist die Abfolge von Auflösung, Evolution und Ordnung und wieder Auflösung, die sich jeweils sehr unterschiedlich vollziehen und darstellen kann.

Die historisch-materialistische Geschichtsauffassung stellt ökonomische vor die politischen Faktoren einer staatlich organisierten Bevölkerung und Gesellschaft und definiert die Gesamtheit der Produktionsverhältnisse als Anfang und Basis sozialen und politischen Lebens. SCHÄFER (1974, S. XCIV) zitiert Marx, der im Vorwort seiner Arbeit "Zur Kritik der politischen Ökonomie" darlegt, dass "die Produktionsweise des materiellen Lebens...den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt" bedingt und die "Gesamtheit der Produktionsverhältnisse", die die "reale Basis" bildet, "worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt".

Unter verbindenden Definitionsmerkmalen der Politik, das sind die verbindenden Kriterien sehr unterschiedlicher Politikdefinitionen unterscheidet MEYER (2003, S. 43) vier Kriterien (vom Verfasser des vorliegenden Textes anders gerangreiht):

 Politisches Handeln,

 solidarisches Handeln

 wirtschaftliches Handeln

 kulturelles Handeln.

Politisches Handeln:

"Politisches Handeln...erzeugt diejenigen Regeln des Zusammenlebens, die für die ganze Gesellschaft verbindlich gelten sollen...(s.o. S. 48)."

Diese klare und einfache Definition setzt ebenso wie ARENDT 2003, S. 9f) die Notwendigkeit einer Ordnung des menschlichen Zusammenlebens an den Anfang von Politik und stellt eine sehr wirksame und scheinbar unmittelbar einleuchtende Legitimation staatlichen Handelns dar, die auf einer nicht anarchistischen Sicht der Dinge beruht.

Politik sollte Gemeinwohl erzeugen, und in den westlichen Demokratien mit wohlfahrtsstaatlicher Prägung ist (oder war) das zu einem hohen Ausmaß der Fall. Das heißt, Politik kann zu einem guten Teil auf dem Prinzip solidarischen Handelns beruhen.

Solidarisches Handeln:

Macht ist eine nötige Voraussetzung, um das Gemeinwohl in der Politik durchzusetzen (MEYER 2003, S. 44). Und die emotionale Zuwendung, die solidarisches Handeln mit sich bringt, befriedigt die wichtigsten emotionalen Bedürfnisse, die die notwendige Basis der Normen, Regeln und Rollen der Mitglieder der Gesellschaft sind (s.o. S. 47).

Im Normalfall befinden sich solidarisches und wirtschaftliches Handeln auf einer diamentral angeordneten gegensätzlichen Polarität, da die klassische Wirtschaft auf dem Konkurrenzprinzip beruht.

Solidarwirtschaftliches Handeln im unternehmerischen Bereich macht mit seinen Prinzipien nur einen minimalen Prozentsatz (1-2%), dieser zur Normalität gewordenen, meist gegebenen Wirtschaftsgüter generierenden, betrieblichen und betriebswirtschaftlichen Ausrichtung, aus.

WIKIPEDIA ('Politik') definiert Politik als...

"...die Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch verbindliche Entscheidungen."

Wirtschaftliches Handeln:

"Dabei geht es um die Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen, durch die zunächst die Grundbedürfnisse des Lebens und Überlebens, darüber hinaus aber auch viele andere menschliche Bedürfnisse befriedigt werden können...(s.o. S. 45)."

Die politisch-wirtschaftlichen Entscheidungen eines Landes legen den Grundstein für ein gemeinschaftlich-staatlich-wirtschaftliches Gesamtwesen.

Kulturelles Handeln:

"...Kultur(*) ist der Inbegriff für die Gesamtheit von Leistungen, die an die Stelle der unmittelbaren Natur die Steuerung des menschlichen Verhaltens und Zusammenlebens in Gesellschaften ersetzen...(s.o. S. 46)."

Die Kultur stellt die vor-, zwischen- und nachgeschalteten Steuerungsmuster gesellschaftlichen Handelns dar, das politisches und wirtschaftliches Handeln durchdringt, voraussetzt bzw. durch Letzteres erzeugt wird.

Idealtypisch, vom Blickpunkt eines ethisch-moralischen Imperativs des Politischen sowie eines Standpunktes der staatlich garantierten gesellschaftlichen und individuellen Grundrechte, sollte Politik von dem Ziel der Herstellung, Ermöglichung und Förderung einer anständigen Gesellschaft geleitet sein, die MARGALIT (2012, S. 39) wie folgt formuliert:

"Eine anständige Gesellschaft(*) ließe sich...als eine Gesellschaft definieren, welche die Rechte der von ihr abhängigen Menschen nicht verletzt. Der Kerngedanke dabei ist, daß nur eine Gesellschaft mit einem Begriff von Rechten jenes Konzept von Selbstachtung und Demütigung(*) entwickeln kann, das die notwendige Voraussetzung einer anständigen Gesellschaft bildet. Das Projekt einer anständigen Gesellschaft hat demnach nur Sinn, wenn es sich auf eine Gesellschaft mit einer klaren Vorstellung von Rechten bezieht."

2.2 Kennzeichen politischer Herrschaft

Im Folgenden werden einzelne, auf wenige reduzierte Aspekte von politischer Herrschaft mittels der Begriffe Gewalt, Macht und Herrschaft erarbeitet.

Gewalt wird als die eklatanteste Manifestation von Macht definiert, umgekehrt kann Macht auch als 'beschränkte' oder 'institutionalisierte' Form von Gewalt gesehen und in Beziehung gesetzt werden, Macht ist dabei eine gemilderte Art von Gewalt (ARENDT 1971, S. 39, sich auf den französischen Forscher d' Entreves beziehend). Gemäß ARENDT (1970, S. 39) beschränkt, kanalisiert und institutionalisiert sich Gewalt in Gestalt der Macht.

BASSO (1975, S. 27f) zitiert die von Marx erdachte, sehr grundlegende, organismische Metapher, die die politische Macht des Staates außerhalb der Gesellschaft positioniert:

"Marx [beschreibt] die politische Macht als eine Hülle, die die Gesellschaft von allen Seiten umfängt und behindert, als eine Schlange, die sie umklammert und erstickt, die also auf die Gesellschaft, deren Ausdruck sie ist, einwirkt..."

Das als Staat bezeichnete, zum Teil gesellschaftlich determinierte Machtkomplott, wird von politisch relevanten Akteuren gesteuert. Es richtet sich aus auf und organisiert sich entlang der bestehenden gesellschaftlichen Schichtenformation von Klassen und deren Lobbys und RepräsentantInnen. Das Ziel der herrschenden Klassen sei die Reproduktion der bestehenden Gesellschaftsverhältnisse (BASSO 1975, S. 27f):

"Der Staat entsteht...zu dem Zweck, eine bestimmte Klassenstruktur zu sichern und aufrechtzuerhalten, um Unterdrückung auszuüben... Einerseits ist er ein parasitäres Produkt der Gesellschaft.., während er jedoch andrerseits als Organ der Bourgeoisie [französischer Ausdruck für Bürgertum, gehobene Klasse] zur Niederhaltung des Proletariats und zur Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisse eine aktive Rolle spielt..."

Klassenspezifisch und -bezogen organisiert sich politische Gewalt interessebezogen (MARX-ENGELS-WERKE 1979 zitiert nach MILIBAND s.o. S. 11):

"[P]olitische Gewalt ist im eigentlichen Sinn die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer anderen."

Ohne politische Gewalt könnte der Staat nicht existieren, er ist ein parasitäres Produkt der Gesellschaft.

Die Herrschaftsgewalt, die sich mittels einer bestimmten Klassenstruktur aufrechterhält, wird von MILIBAND (1971, S. 11f) präzisiert. Er zitiert die MARX-ENGELS-WERKE (1976, S. 12), wo Marx betont,

"..daß in bestimmten Zeiten nicht die herrschende Klasse als Ganze, sondern nur ein Teil von ihr den Staat kontrolliert; und daß diejenigen, die zu einer bestimmten Zeit den Staat lenken, sehr wohl zu einer anderen als der ökonomisch herrschenden Klasse gehören können."

Die Relation der jeweiligen sozioökonomischen Klassen zueinander, die ein bestimmtes Herrschaftsverhältnis bestimmt, ist somit differenziert zu betrachten.

Politische Macht muss (bis zu einem gewissen Grad) die herrschenden Gesellschafts- und Unterdrückungsverhältnisse reproduzieren, will sie ihre Funktionsfähigkeit erhalten. Das erreicht sie mittels repressiver Aufgaben, ideologischer Manipulation und ökonomischer Intervention (BASSO 1975, S. 27f):

"[D]as Gesellschaftssystem als Ganzes [bringt] diesen Staatsapparat hervor..., der der Unterdrückungslogik des Systems selbst entspricht, und daß er daher nur in sehr geringem Maße selbständig und vielmehr ein aktiver Mechanismus zur Sicherung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dieses Systems der sozialen Unterdrückung ist, und zwar nicht nur aufgrund seiner repressiven Aufgaben, sondern heute weitaus stärker auf zahlreichen anderen Gebieten, von denen im Rahmen unserer Untersuchung die ideologische Manipulation und die ökonomische Intervention besonders bedeutsam ist..."

Die ideologische Manipulation und die ökonomische Intervention ist von materiellen Bedingungen und deren Steuerung in einem Staat abhängig, die klassengemäß organisiert und verteilt sind. Den Besitz dieser Produktions-, Distributions- und Kontrollmittel als zentrale Faktoren der ökonomischen Klassen hebt MANN (1998, S. 21) hervor und bezieht sich dabei auf Marx:

"Marx trifft eine Grundsatzunterscheidung(*) zwischen Klassen, die im Besitz von Produktionsmitteln sind oder die Distribution und den Tausch kontrollieren, und Klassen, die einzig und allein über ihre eigene Arbeitskraft verfügen – eine Differenzierung, die sich dadurch vertiefen läßt, daß man weitere Klassen mit je spezielleren Besitz- und Kontrollrechten über ökonomische Ressourcen voneinander unterscheidet..."

Das persönliche Gesicht der Macht

Macht konstituiert sich gesellschaftlich im Wechselspiel unterschiedlicher ökonomischer, sozialer, kultureller und politisch-psychologischer Kräfte- und Konfliktlinien, die häufig mittels machtaffiner Personen wirksam sind, die mit Persönlichkeitsprofilen und -strukturen, mitunter mit bestimmten, psychologisch beschreibbaren Persönlichkeitsstörungen ausgestattet sind und die dann als Bischöfe, Herzoge, Fürsten, Monarchen, Despoten, Militärbefehlshaber, etc. bezeichnet werden.1

Im Gegensatz zu den Ausführungen in der Fußnote definiert und differenziert MANN (1998, S. 18f) die Macht in vier Aspekten, ideologischen, ökonomisch, militärisch und politisch.

Positiv formuliert enthält diese Definition das abstrakte Ergebnis der in Summe stattgefundenen menschlichen Handlungen und negativ formuliert, konstruiert sich damit eine absolut gegebene gesichts- und personenlose Macht, die eine menschentleerte Illusion von Macht zum Thema hat. Wenn die menschentleerte Illusion von Macht nicht die Summe der Handlungen von Einzelnen darstellt, laufen die machtlosen Unterdrückten Gefahr, sich nicht mehr als unterdrückte Einzelne erleben zu können. Die nun folgende Definition kann somit als eine Definition ausgewiesen werden, die vom Standpunkt eines Machtzentrums aus vorgenommen wurde:

"Ideologische Macht.(*)..Wer über eine Ideologie gebietet, in der Sinngehalte, Werte, Normen, ästhetische und rituelle Praktiken miteinander verschmelzen, dem wächst soziale Macht zu...

Politische Macht(*) leitet sich her aus der Zweckdienlichkeit territorialer, zentralisierter Regulierung. Politische Macht bedeutet staatliche Macht...Die staatliche Macht ist ebenfalls zweidimensional: im Inneren 'territorial zentralisiert', ist sie in ihren Außenbeziehungen geopolitisch bestimmt...

Ökonomische Macht(*) leitet sich her aus der Erfüllung von Subsistenzerfordernissen vermittels der sozial organisierten Extraktion, Transformation, Distribution und Konsumtion. Die Kontrolle über wirtschaftliche Ressourcen ist in allen komplexen Gesellschaften ungleich verteilt, mit dem Resultat, daß es überall Klassen gibt..."

Wenn von Kontrolle gesprochen wird, müsste gleichermaßen von Kontrolllosigkeit und Ohnmacht gesprochen werden, will man einen über die Macht hinausgehenden Standpunkt einnehmen. Dieser Standpunkt ist von zentraler Bedeutung, wenn es um die Analyse der Regierbarkeit von Bevölkerungsstrukturen und -kontexten geht und nicht immer nur und immer wieder nur, wie in den gängigen Schulgeschichtslehrbüchern, um eine top-down Perspektive, und die politisch-sozial bedeutsame Tiefenstruktur einer Bevölkerung in Relation zu den regierenden Einheiten erfasst werden will, eben aus einer bottom-up Perspektive.

"Militärische Macht(*) ist die soziale Organisation von Lockes Gewalt. Sie leitet sich her aus der Notwendigkeit einer organisierten physischen Verteidigung und ihrer Zweckdienlichkeit im Falle aggressiver Absichten (s.o. S. 20)...Militärische Macht ist in erster Linie autoritative 'konzentrierte Zwangsgewalt'. Das Militär steht, vor allem in Gestalt von modernen Armeen, für disziplinierten routinemäßigen Zwang (s.o. S. 21)..."

Vor dem Hintergrund der Summe der Handlungen und Entscheidungen einzelner staatlicher Akteure bezeichnete Hegel den Staat als die politische Macht den diese verkörpernden Manifestation des allgemeinen Willens der Nation (MARGALIT 2012, S. 212), ihm gemäß ist der "Staatssinn" ein "Sinn des Regierens und Gehorchens (ARENDT 1970, S. 37)."

Herrschaftsformen nach Weber

Unter dem Überbegriff 'idealtypische Herrschaftsformen' unterscheidet Weber Feudalismus und Bürokratie. Damit vergleicht er unterschiedliche historische Epochen, Feudalismus als Gesellschafts- und Wirtschaftsform des Mittelalters und Bürokratie, deren Beginn im Absolutismus angesetzt wird (vgl. WIKIPEDIA, 'Feudalismus', 'Bürokratie'.)

Bereits im Mittelalter nimmt ein kleiner, dafür nicht ausgebildeter Personenkreis zentrale staatliche (Beamten-) Funktionen in Recht und Verwaltung ein (MARGALIT 2012, S. 212):

"Feudalismus und Bürokratie stellen für Weber zwei idealtypische Herrschaftsformen dar. Im Feudalismus nimmt ein und derselbe Personenkreis juristische, wirtschaftliche und organisatorische Funktionen wahr, ohne dafür speziell ausgebildet worden zu sein..."

MARGALIT (s.o.) arbeitet die Funktion der Gesetze für die später auf breiter Ebene eingesetzte Bürokratie aus:

"...Die feudalistische Verwaltung lebt von Konzessionen, nicht von Gehältern. Eine idealtypische Bürokratie zeichnet sich dagegen durch die Allgemeingültigkeit der Gesetze aus ...; es gibt Gesetze, die für alle Mitglieder der Gesellschaft in gleicher Weise gelten. Die Bürokratie beruht also auf gesetzten Regeln und Funktionen, nicht auf persönlichen Beziehungen."

'Legitim' bedeutet gesetzlich, amtlich, genehmigt, erlaubt und/oder zugelassen. 'Legitimeren' bezieht sich auf den Prozess der gesetzlichen Zulassung von gesellschaftlich-sozialen Sachverhältnissen und Bedingungen.

Die Bedingungen, die Recht, Verwaltung und Bürokratie herstellen (und vice versa), werden als 'rational und legal' bezeichnet, eingeschätzt und befunden.

Für MANN (1998, S. 75) ist rational-legale Herrschaft durch bürokratisierte Systeme gekennzeichnet, der

"moderne Staat durchdringt(*) seine Gebiete mit Recht und Verwaltung". Die bürokratisierte Struktur wirkt nach gesetzlichen, personenunabhängigen Regeln und Funktionen."

Drei Typen legitimer Herrschaft(sformen) unterscheidet BRÜSEKE (1991, S. 124), der WEBER (1985, S. 822) zitiert, die Abfolge der unterschiedlichen Typen sollte variabel gedacht werden:

"-die traditionale Herrschaft, welche auf dem Alltagsglauben an die Heiligkeit der Tradition und der auf sie fußenden Autorität beruht [konservativer Herrschaftstyp];

- die charismatische Herrschaft, welche sich auf die Hingabe an Heiligkeit oder Heldenkraft einer Person gründet [massengetragener Herrschaftstyp];

- die rationale Herrschaft, welche auf dem Glauben an die Legalität gesetzter Ordnung beruht [moderner Herrschaftstyp]."

Der von Weber geprägte Typenbegriff 'rationale Herrschaft' verkörpert die historische Epoche, die mit Rationalität überschrieben werden kann. Er hat diese historisch-gesellschaftliche Entwicklung mit seinen wissenschaftlichen Schriften zu dieser Thematik eingeleitet und hat damit ein zentrales wissenschaftsgeleitetes Fundament moderner, rational-staatlicher Demokratie herausgearbeitet und damit mitbegründet.

Zu einer psychologischen Typologie von Herrschaft

Der soziologische Begriff der Herrschaftstypen ist im psychologischen Bereich mit dem Führungsstil von PolitikerInnen in Zusammenhang zu bringen.

Dass sich der Führungsstil der PolitikerInnen wandelt, zeigt sich ebenfalls an den oben beschriebenen drei Typen traditional-charismatisch-rational.

Rationalität bedeutet in einem technischen Zeitalter einen technokratischen Führungsstil, der zum Beispiel beim österreichischen, sozialdemokratischen Bundeskanzler Franz Vranitzky in den 80er Jahren sehr gut zu beobachten war, dessen politische Laufbahn an die Laufbahn eines Bankers, die er als Betriebswirt absolvierte, anschloss.

Die Zeit berichtet im Februar 2014 eindrucksvoll von Matteo Renzi, der zum italienischen Ministerpräsidenten gewählt wird (http://www.zeit-de/politik/ausland/2014-02/italien-regierungsbildung-renzi). Er schwor seine führenden Kollegen auf radikalen Wandel ein und wollte das politisch instabile Italien auf einen besseren Weg bringen. In seinem charismatischen Auftreten suggerierte er seinen AnhängerInnen eine generelle Hoffnung für Italien (http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-02/italien-renzi-letta).

Der heutige französische Präsident Emmanuel Macron ist in der charismatisch-traditional-rationalen Zuordnung nicht mehr eindeutig klassifizier- und einordbar. Er zielt auf das heutige politische Bedürfnis der individualisierten Einzelnen, die eher im oberen Bereich der Gesellschaft ökonomisch situiert sind.

Früher war die Partei Gruppenrepräsentant und die Menschen wurden als Gruppe angesprochen. Die soziale Frage kann heute aber nicht mehr so gestellt werden und der Hunger nach Partizipation kann nur auf einer sehr individuellen Ebene befriedigt werden (Isolde Charim, Wiener Zeitung 24./25. Juni 2017, S. 29).

Die Führungsstile und Persönlichkeiten der PolitikerInnen sind Abbild bestimmter historisch-politischer Epochen, die die Bedingungen für die menschlichen Existenzweisen dieser Zeitabschnitte prägen.

Rational-legale wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedingungen menschlicher Existenz werden in einem Staat von der jeweiligen Staatsform, die in der Staatsformenlehre abgehandelt wird, und einer Rechtsordnung, die die Rechte erzeugt, generiert.

Rechtserzeugung und politische Macht

OOYEN (2003, S. 54f) zitiert KELSEN (1993, S. 320ff), Die zum Verhältnis von Staatsform und Rechtserzeugung ausführt:

"So muss für Kelsen im Bereich der Staatsformenlehre das formale Kriterium der Rechtserzeugung entscheidend sein. Wenn Staatslehre Rechtslehre ist und wenn der Staat mit dem Recht im Sinne der positiven Rechtsordnung identisch ist, dann sind die Staatsformen allein nach den Rechtsformen unterscheidbar."

Politische Macht in demokratischen Staatsformen konstituiert sich in Form von Mehrheitsverhältnissen in Mehr- oder Zweiparteiensystemen, die sich zu Regierungen konfigurieren. Den Verflechtungen der Regierungen mit den Parteien, mit dem jeweilig hergestellten Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen sozioökonomischen Klassen, kommt eine staatstragende Bedeutung zu.

Die Verflechtung der Macht mit dem Primat der Güterverteilung

Den koordinativen Charakter von Herrschaft betont MAURER (1999, S. 120), sie beruht auf machtgewichteten Einzelinteressen:

"In Erweiterung zu Weber kann Herrschaft nun als Koordinationsmechanismus gefaßt werden, der auf machtgewichteten Einzelinteressen beruht."

MAURER (1999, S. 120) zitiert LENSKI (1977, S. 90f), indem Sie konstatiert, dass politische Festigkeit ohne Bedrohung von außen benötigt wird, die den Bestand von Eliten sichert. Und es ist der fortdauernde Bestand der Eliten, der es im Lauf einer staatspolitischen Geschichte ermöglicht, militärische gegen politische Eliten auszutauschen und dabei gleichzeitig einen bestimmten Produktivitätsstandard zu gewährleisten:

"Die Vorteile eines verfassungsmäßigen Rechtsstaates gegenüber machtbasierten und weniger herrschaftlich geregelten Systemen liegen gerade in der politischen Festigkeit, die es erlaubt, militärische gegen politische und wirtschaftliche Eliten auszutauschen und so insgesamt zu einem höheren Produktivitätsstandard und einer erfolgreicheren wirtschaftlichen Entwicklung zu gelangen, sofern es zu keiner äußeren Bedrohung kommt."

MAURER (1999, S. 121) bezieht sich weiters auf LENSKI (1977, S. 90f), wenn Sie schreibt, dass funktionale Leistungen von Herrschaft nicht mehr – im Gegensatz zu Webers Konzeption – an eine gemeinsame Wertähnlichkeit gebunden sind, sondern an eine soziale Ordnung mit einer machtgewichteten Verteilung von Gütern. Dabei gehe es vielmehr um die materiellen Grundlagen einer Herrschaft in der Verbindung zwischen Macht und Herrschaft:

"Die Herrschaftskonzeption von Lenskis zeichnet sich dadurch aus, daß sie die bei Weber vorgenommene Perspektivenverengung, die aus der normativen Ordnungs- und Legitimationskonzeption folgt, rückgängig macht und erstens die Entstehung und funktionale Leistungen von Herrschaft auch für Situationen aufweist, in denen keine gemeinsame Wertgebundenheit vorliegt, sondern soziale Ordnung in der machtgewichteten Verteilung von Gütern und Leistungen besteht. Damit kann Lenski zum zweiten auf die Bedeutung materieller Grundlagen einer Herrschaft aufmerksam machen und eine theoretische Verbindung zwischen Macht und Herrschaft aufweisen."

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