Read the book: «Staat(sordnung), Entwicklung und Demokratie», page 4

Font:

1.3.3 Historische Elemente des Mehrparteiensystems

Das Parlament und die Regierung werden oder sind von Mitgliedern der einzelnen Parteien besetzt, die einer lose gekoppelten Verbindung zwischen dem Volk bzw. der Bevölkerung und dem Staat entsprechen.

SCHMIDT (2008, S. 356) spricht beim modernen Parteienstaat – er bezieht sich dabei auf die staatsrechtliche Theorievariante – von einem unumkehrbaren Strukturwandel vom liberal-repräsentativen parlamentarischen System zur parteistaatlichen Massendemokratie.

Die Parteien lassen sich durch ihre Ausrichtung zu den ideologischen Grundpositionen 'konservativ' und 'sozialistisch' als staatstragende oder staatsnahe Positionen gegenüber der Grundposition 'liberal' mit einer Werthaltung, die sich in letzter Konsequenz einer kollektiv-sozialen Existenz ohne Staat zuordnen lässt.

Grob gesprochen entspricht die Werthaltung des Liberalismus gegenüber dem Staat als übergeordneter Instanz einer tendenziell anarchistischen Werthaltung mit Ausnahme des Faktors 'soziale Verantwortung':

"Der Anarchismus wird in einem sozialrevolutionären Sinn von seinen Vertretern als Synthese zwischen individueller Freiheit wie im Liberalismus und sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft wie im Sozialismus verstanden (WIKIPEDIA, 'Anarchismus')."

Bei den Überzeugungen der beiden Werthaltungen steht die individuelle Freiheit im Mittelpunkt, beim Anarchismus gänzlich ohne Staat und beim Liberalismus mit einem Staat, aber ohne dessen Machtmissbrauch und ohne Einschüchterung gegenüber deren BürgerInnen.

Die Ursprünge der politischen Werteausprägungen

Die Ursprünge der parteilich geprägten Weltanschauungen der letzten drei Jahrhunderte liegen weit zurück und lange vor der Herausbildung der ideologischen Werthaltungen der uns bekannten parteiimmanenten Werte- und Ausrichtungsdifferenzen.

Bereits 400 vor Christus datiert die WIKIPEDIA ('Daoismus') den ersten klaren Ausdruck anarchistischer Sensibilität, den Daoismus und Taoismus als chinesische Weltanschauung:

"Der Historiker Peter Marshall bezeichnet den Daoismus als 'ersten klaren Ausdruck anarchistischer Sensibilität' (s.o.)...Der Daoismus, auch Taoismus, "ist eine chinesische Philosophie und Weltanschauung und wird als Chinas eigene und authentische Religion angesehen. Seine historisch gesicherten Ursprünge liegen im 4. Jahrhundert vor Christus."..._

Der Anarchismus ist also in seinen Ursprüngen sehr alt und religiös.

Die ideologische Typisierung der politisch breitenwirksamen Weltanschauungen, Glaubensrichtungen, kognitiven Orientierungen und -ismen sind dabei immer mit der nötigen Distanz zu betrachten, verwenden und einzusetzen. Sie entspricht geschichtlich immer wieder neu entstehenden sozialen Bewegungen, die rekonstruktiv dann als Anarch-, Liberal-, Konservativ- und Sozialismus etc. etikettiert werden. Wann diese entstehen oder von anderen überlagert werden, sind historisch und den Methoden der HistorikerInnen entsprechend abzuleitende Tatsachen.

Entlang den historisch jeweilig gegebenen gesellschaftlichen Kontexten und Spaltungen an den ideologischen Konfliktlinien sind Parteien dann gruppierungsspezifische Kristallisationen. In der Politikwissenschaft besteht über die unterschiedlichen theoretischen Ansätze hinweg Einigkeit über die Entstehungskonstellationen der Parteien, so GELLNER und GLATZMEIER (2004, S. 286f):

"Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Ansätze besteht in der Übereinstimmung, dass die Parteien interessen- und konfliktorientiert entstanden sind: als reformatorische oder revolutionäre Opposition zu den jeweils vorhandenen staatlichen bzw. sozialen Strukturen [hier zitieren die AutorInnen BEYME 1984, S. 27ff]."

Geschichte der politischen Gruppierungen

In einer politisch-historischen Perspektive beschreiben GELLNER und GLATZMEIER (2004, S. 288) die typologischen Merkmale von Parteien.

'Links' und 'rechts' sind dabei die zwei Polaritäten eines Kontinuums politischer Grundausrichtungen, wobei dem Liberalismus mit seinem linken und rechten Flügel eine Position zukommt, die das Recht und die freien Entwicklungsmöglichkeiten aller und vor allem des Stärkeren betont.

Die Haltung des Liberalismus basiert auf dem aufstrebenden Bürgertum im 17. Jahrhundert, das der Krone und dem Adel in England immer mehr ihrer Rechte abgerungen hatte.

Daraus entwickelte sich zuerst der Konservativismus und später der Sozialismus (s.o.):

"...Der Liberalismus entwickelte sich als politisch einflussreiche Bewegung bereits früh, seit dem 17. Jahrhundert, zunächst in England...Wesentlich für die Verbreitung liberaler Ideen war das aufstrebende Bürgertum, das der Krone und dem Adel sukzessive immer mehr Rechte abgerungen hatte...Der Mensch hat zunächst, wie Locke in seiner Abhandlung The Second Treatise of Government...(1690; Über die Regierung, dt. z.B. Reclam 1974) darlegt, ein Recht an seiner eigenen Person und seiner Arbeitsleistung...

Wie die Links-Rechts-Dichotomie zeigt, können Parteien gemäß ihrer ideologischen Grundausrichtung typologisiert werden. Als Grundmuster stehen Sozialismus, Liberalismus und Konservativismus zur Auswahl. Die Links-Rechts-Einteilung geht 'auf die Sitzordnung der französischen Deputiertenkammer nach der Revolution' [Julirevolution 1830, vgl. auch WIKIPEDIA, 'Politische Linke'] zurück..."

Entsprechend einer liberalistisch-individualistischen Werteausrichtung kommt es zu einer ungleichen Einkommensverteilung und der Staat befindet sich in einem wohlwollend-zugewandten versus sozialen Anliegen abgewandten Hintergrund (GELLNER und GLATZMEIER 2004, S. 289):

"...[Es kommt] notwendigerweise zu einer ungleichen Einkommensverteilung. Diese besteht als legitimer Anspruch, sofern sie mit dem Naturgesetz vereinbar ist......Insgesamt ist der Liberalismus individualistisch orientiert und stellt in seiner Extremposition auf einen 'Minimalstaat' ab, der nur die notwendigsten Regelungen trifft und seinen Bürgern ein Höchstmaß an Freiheiten lässt."

Der frühe klassische Liberalismus im 17. Jahrhundert setzte sich schon früh für die Abschaffung der feudalen Leibeigenschaft der Bauern ein, die Ablösung der persönlichen Verpflichtungen der Bauern machte sich erst im 18. und 19. Jahrhundert im heutigen innereuropäischen Raum breit (vgl. WIKIPEDIA, 'Bauernbefreiung').

Inwieweit die Leibeigenschaft von ihrer historischen Vorstufe, der Sklaverei1 abzugrenzen ist, siehe die Ausführungen der WIKIPEDIA ('Leibeigenschaft').

In der Sklaverei ist das gänzliche Besitztum des Sklaven und des Ergebnisses seiner Arbeit im Besitz des Eigentümers, wie im römischen Recht festgeschrieben war, im Feudalismus ist es ein übergroßer Teil der Arbeit des leibeigenen Bauern, die er an seine Lehnsherren abgeben musste:

"Danach gehörte unter dem System der Sklaverei das gesamte erarbeitete Produkt dem Eigentümer des Sklaven, und dieser gab dann dem Sklaven soviel davon ab, dass er am Leben bleiben konnte. Unter dem Feudalismus geht zunächst dem Leibeigenen oder Grundhörigen das gesamte Produkt seiner Arbeit zu, jedoch muss er einen Teil an Sachgut oder Geld an den Feudalherrn abgeben. Dies bedeutet, dass nicht nur der Unterdrücker und Ausplünderer, sondern auch der Unterdrückte und Ausgeplünderte am Produkt beteiligt ist."

Die Sklaverei verschwand aus Mitteleuropa...

"...nach der zunehmenden Missionierung der slawischen Stämme und dem Siegeszug des Christentums, dessen Lehre es Christen verbot, andere Christen zu erwerben oder zu verkaufen (WIKIPEDIA, 'Sklaverei')."

Die Ausführungen über den (klassischen) Liberalismus weiterführend, entwickelte sich, als Reaktion auf den Liberalismus der Konservativismus auch in Abfolge auf die Französische Revolution, so GELLNER und GLATZMEIER (2004, S. 289):

"Der Konservativismus entwickelte sich als Reaktion auf den Liberalismus und vor allem auf die Französische Revolution [1789-1799, vgl. WIKIPEDIA 'Französische Revolution']...In der konservativen Weltsicht spielt der Aspekt der Tradition, d.h. der Überlieferung im eigentlichen Wortsinne, eine zentrale Rolle...Konservatives Denken hat...zunächst und unmittelbar eine historische Dimension....Jedoch wäre es verfehlt den Konservativismus als nur rückwärtsgewandt zu betrachten, da sein bewahrender Aspekt kein Selbstzweck ist, sondern zum Ziel hat, das Gegenwärtige für die kommenden Generationen zu erhalten...Weitere zentrale Aspekte konservativen Denkens sind Religion und Autorität, die letztlich die Ordnung rechtfertigen bzw. aufrechterhalten..."

Im Zentrum des Konservativismus stehen Religion und Autorität, die die bestehende Ordnung in einer angemessenen Weiterführung der dahinterliegenden Tradition rechtfertigen und aufrechterhalten.

GELLNER und GLATZMEIER (2004, S. 290) beschreiben die jüngste Strömung des Sozialismus, der im Zuge der industriellen Revolution (in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und verstärkt im 19. Jahrhundert, vgl. WIKIPEDIA, 'Industrielle Revolution') verdichtet wurde, namhafter Vertreter war in Frankreich zuvor Proudhon:

"Aus der Sozialen Frage heraus entstand als jüngste ideologische Strömung der Sozialismus und wurde daher erst spät, im Zuge der industriellen Revolution, besonders durch Karl Marx und Friedrich Engels theoretisch verdichtet....In Frankreich war bereits zuvor maßgeblich Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865) für sozialistische Positionen eingetreten und hatte unter anderem das Eigentum als Diebstahl bezeichnet. Dieser Satz wurde auch von Karl Marx aufgegriffen...'Sein bedeutet Bewußtsein' lautet die Kurzformel..., von der ausgehend das Privateigentum abgelehnt wird und allgemeine Gleichheit gefordert wird."

Eigentum ist Diebstahl am gesellschaftlichen Gesamtvermögen, wäre hier der damalige und jetzige sozialistische Standpunkt und deren prinzipieller Zielrichtung ergänzend auszuformulieren. Der sozialistische Kern lehnt Privateigentum ab und fordert eine allgemeine Gleichheit der BürgerInnen.

1873 gab es die große Wirtschaftskrise in Deutschland, darauf folgte die...

"...bis 1895 anhaltende konjunkturelle Abschwungphase mit ihren verschärften Klassengegensätzen ermöglichte den kontinuierlichen Ausbau der Sozialdemokratischen Partei...Die diese 'große Depression' charakterisierende allgemeine diffuse Existenzangst und die insbesondere die proletarischen Schichten bedrohende Lohnsenkungen und Arbeitsentlassungen bedingten nicht nur die Entwicklung der sozialdemokratischen Bewegung im Allgemeinen, sondern – in Verbindung mit weiteren Faktoren – auch ihre radikalen Randerscheinungen (BOCK 1975, S. 38)."

Für politische Bewegungen, die zu der Bildung von Parteien führen können, gibt es charakteristische Ausgangsbedingungen wie zum Beispiel die Bedrohung der Lebenslagen von 'unteren' Schichten, usw., die zu radikalen (Rand-)Erscheinungen führen können oder müssen und in der Langzeitperspektive auch zum Aufkeimen neuer politischer Bewegungen.

Wie oben ausgeführt, kam nach der Wirtschaftskrise eine Rezessionsphase, die die Klassengegensätze verschärfte und zum Aufbau der demokratischen Partei führte, die die Existenzängste und Nöte der proletarischen Schichten aufzugreifen wusste.

Ohne Staat könnte durch die Parteien eine Gesellschaftsform ohne Herrschaft abgebildet sein und hätte vielleicht weder privates Eigentum, noch den Staat mit seinen staatlichen Gewalten; aber vielleicht bestünden die ideologischen Werthaltungsgruppierungen in einer regional zu denkenden Bevölkerungsstruktur ohne darüber liegendes Herrschaftsmodell.

Eine Gesellschaft ohne Staat hätte vielleicht auch Arbeit, die nicht hierarchisch organisiert sein könnte.

1.3.4 Staat, Regierung und Parlament

"Die Regierung des Menschen durch den Menschen ist Sklaverei",

so lautet der berühmte Satz von Weber. ROUSSEAU (1977) schreibt 1762 über den Gegenstand des von ihm in den wissenschaftlichen Diskurs ein-gebrachten Gesellschaftsvertrags:

"Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten."

Hegel hat den Staat in seiner Tendenz als Ganzes, als von den Interessen der bürgerlichen Gesellschaft Abgehobenes charakterisiert, das sich gegen diese selbst, die den Staat und die Regierung erst ermöglichen, richten kann.

Beim Staat als abstraktes Ganzes entspricht die Regierung einer von mehreren Konkretionen desselben, sie vertritt und repräsentiert die 'Ansprüche des Staates'. Das Verhältnis zwischen Staat und Regierung beschreibt MILIBAND (1972, S. 72f):

"Es ist nicht weiter erstaunlich, daß die Regierung und der Staat oft als Synonyme erscheinen. Denn die Regierung spricht im Namen des Staates....Aber 'der Staat' kann überhaupt nichts beanspruchen; nur die jeweilige Regierung oder ihre ordnungsgemäß ermächtigten Vertreter können das tun."

MARX (1974, S. 35) positioniert die Gesellschaft als Ausgangspunkt der Analyse, er unterscheidet zwischen Staat und bürgerlicher Gesellschaft und spricht davon, dass die bürgerliche Gesellschaft von außerhalb, mittels der staatlichen Vollzugsbeamten (auch gegen sich selbst) repräsentiert und verwaltet wird:

"Hegel läßt den 'Staat selbst', die 'Regierungsgewalt' zur 'Besorgung' des 'allgemeinen Staatsinteresses und des Gesetzlichen', etc. innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft per 'Abgeordnete' hineintreten, und nach ihm sind eigentlich diese 'Regierungsabgeordneten', die 'exekutiven Staatsbeamten', die wahre 'Staatsrepräsentation', nicht 'der', sondern 'gegen' die 'bürgerliche Gesellschaft'...

Der Gegensatz von Staat und bürgerlicher Gesellschaft ist also fixiert; der Staat residiert nicht in, sondern außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft; er berührt sie nur durch seine 'Abgeordneten', denen die 'Besorgung des Staats' innerhalb dieser Sphären anvertraut ist. Durch diese 'Abgeordneten' ist der Gegensatz nicht aufgehoben, sondern zu einem 'gesetzlichen', 'fixen' Gegensatz geworden...

Der 'Staat' wird als ein dem Wesen der bürgerlichen Gesellschaft Fremdes und Jenseitiges von Deputierten [Vertretern] dieses Wesens gegen die bürgerliche Gesellschaft geltend gemacht...Die 'Polizei' und das 'Gericht' und die 'Administration' sind nicht...[Abgeordnete]...der bürgerlichen Gesellschaft selbst, die in ihnen und durch sie ihr eigenes allgemeines Interesse verwaltet, sondern Abgeordnete des Staats, um den Staat gegen die bürgerliche Gesellschaft zu verwalten."

Staat-Parlament-Regierung

Der Staat ist nicht die Gesellschaft, dessen/deren Regierung und auch nicht dessen/deren Parlament, sondern vielmehr das Ergebnis eines mitunter komplexen Wechselspiels zwischen diesen vier konstitutionellen und thematischen Bereichen. Der Gesellschaftsvertrag, der 'hinter' und `unter´ diesen gesellschaftlichen Institutionen liegt, bildet mehrere Variablen, ausgehend von der Variable 'Gesellschaft', ab.

Aus der Sicht der Politikwissenschaft ist die staatsrechtliche Unterscheidung der politischen Gewaltenteilungseinheiten der Legislative, Judikative und Exekutive zentral, die auch als Ausgangspunkte einer sozialwissenschaftlichen Analyse des Verhältnisses der oben genannten drei Einheiten zueinander gewählt werden können.

Hinter den Einheiten Legislative, Judikative und Exekutive bildet sich das Verhältnis von politisch-rechtlicher Theorie und Praxis ab, das quer zwischen Gesellschaft und Parlament (mit dem Staat als Überbegriff) zu verorten ist.

Der politisch-rechtliche Begriff der Exekutive

Exekutive meint eine operative politisch-juristische Einheit im Parlament und außerhalb des Parlaments, Judikative ist außerhalb des Parlaments gelagert, hat aber eine Kontrollfunktion über das Parlament und die Legislative kann im Parlament lokalisiert werden, diese wird aber entscheidend von außerhalb (Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof, staatliche und private Rechtsprechung) gespeist.

'Exekutive' definiert die WIKIPEDIA ('Exekutive, Deutschland') für Deutschland. Die Exekutive beinhaltet dieser Definition zufolge in erster Linie die Regierung – und das ist für die postmoderne Interpretation der drei Gewalten zentral, und den der Regierung vor- bzw. nachgelagerten Teil des 'Exekutivkörpers', die hier unter 'Vollzugsorgane' subsummiert werden:

"Zur Exekutive gehören in Deutschland die Bundesregierung, alle verwaltungstätigen Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen, zum Beispiel Landesverwaltungen und alle nachgeordneten Vollzugsorgane wie Staatsanwaltschaft, Polizei, Justizvollzugsanstalt und Finanzamt. Aber auch die hauptamtlichen Kreisverwaltungen (Landratsamt), Stadtverwaltungen und Gemeindeverwaltungen sowie die ehrenamtlichen Kreistage und Gemeindevertretungen gehören zur vollziehenden Gewalt."

Bei der WIKIPEDIA Definition wird die Regierung als Teil der Exekutive aus der Legislative ausgeklammert und ausschließlich als politisch-rechtliche Basiseinheit definiert.

Auch HARTMANN (2011, S. 17) fokussiert das Verhältnis zwischen Parlament und Regierung und unterscheidet nur dort die gesetzgebende und ausführende Gewalt, die Sie der Rechtswissenschaft zuordnet. Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft haben denselben Bereich zum Thema, der aber etwas unterschiedlich benannt wird:

"Die monströsen und altmodisch wirkenden, stark von der Rechtswissenschaft vereinnahmten Begriffe der gesetzgebenden und der ausführenden Gewalt werden in der politikwissenschaftlichen Literatur kurz und bündig mit Parlament und Regierung übersetzt."

Die Regierung im Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative

Das parlamentarische System als Teil der staatsrechtlichen Gewaltenteilung, die von HARTMANN (2011, S. 19) und von GELLNER und GLATZMEIER (2004, S 69) ohne Judikative gedacht wird, beschreibt Hartmann, BEYME (1999, S. 41-44) zitierend, und verortet die Regierung im Verhältnis zwischen der Exekutive und der Legislative:

"Die parlamentarische Regierung als Begriff beschränkt sich bewußt auf das Verhältnis von Exekutive und Legislative. (…) Das parlamentarische System soll nicht als geschlossenes autarkes Ganzes verstanden werden."

'Regierung', als Teil der Exekutive, wird von WIKIPEDIA ('Regierung') als Regierungschef und Ministerien definiert, die die Politik von innen nach außen formt.

HARTMANN, BEYME und WIKIPEDIA stimmen überein in der Sicht und dem Versuch, die staatliche Gewalt, die durch das Parlament zur Geltung kommt, in mehrere Unterfunktionen zu unterteilen, die eher der Legislative oder eher der Exekutive zuzurechnen sind.

Rechtssetzung und Rechtsanwendung

Mit der Unterscheidung der zwei Funktionen Rechtssetzung und Rechtsanwendung des Parlaments wird auch die übergeordnete Funktion des Parlaments gegenüber einem seiner Teile, der Regierung, deutlich:

"Die Regierung(*) ist eine der höchsten Institutionen eines Staates. Sie leitet, lenkt und beaufsichtigt die Politik nach innen und außen. Eine Regierung besteht in der Regel aus einem Regierungschef und mehreren Ministern mit jeweils eigenen Ministerien."

Zwei Typen von Regierungssystemen

Unterschiedliche Ausprägungen von Regierungssystemen sind in demokratischen Staatsformen gegeben, Frankreich und die USA haben eine präsidentielle Regierungsform (vgl. WIKIPEDIA, 'Präsidentielles' Regierungssystem). Der Präsident hat die Funktion des Staatsoberhauptes und des Regierungschefs, häufig auch des militärischen Befehlshabers. Es besteht eine ausgeprägte Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Volk ist nicht gegeben. Der Regierungschef ist unabhängig von der gesetzgebenden Körperschaft.

Die Machtposition des Präsidenten im präsidentiellen Regierungssystem wird also nicht durch eine parlamentarische Mehrheit neutralisiert, und befindet sich damit im Gegensatz zum parlamentarischen Regierungssystem, das durch den Kanzler der stimmenstärksten Partei, immer in Abstimmung mit den mehrheitlichen Verhältnissen im Parlament, gekennzeichnet ist.

"Er kann, anders als in einer parlamentarischen Demokratie, nicht durch das politische Misstrauensvotum einer Volksvertretung, sondern nur aufgrund rechtlicher Verfehlungen nach einem Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) seines Amtes enthoben werden.

Während in parlamentarischen Demokratien nur das Parlament direkt vom Volk gewählt wird und die Regierung aus ihm hervorgeht, gibt es in präsidentiellen Demokratien zwei Volkswahlen, die Parlamentswahl und die Präsidentenwahl. Weil der Präsident, um ins Amt zu kommen und in ihm zu bleiben, nicht über eine Parlamentsmehrheit verfügen muss, kann es dazu kommen, dass der Präsident gegen die Parlamentsmehrheit anderer Parteien regiert....

In den Vereinigten Staaten von Amerika spricht man in diesem Fall von divided government. Politikwissenschaftler wie Juan Linz sprechen von einem 'Versagen des Präsidentialismus', weil eine solche gegenläufige Mehrheit zu einer politisch instabilen Situation führe, die letztlich auch zum Demokratiezusammenbruch führen könne, wie sich an Beispielen lateinamerikanischer Staaten wie Brasilien und Chile zeige".

Der Präsident muss nicht über eine Parlamentsmehrheit verfügen und das kann zu einer gegenläufigen Mehrheit im Verlauf einer Regierungsperiode kommen, die zu einem Zusammenbruch der Demokratie führen kann. Das unterscheidet das präsidentielle Regierungssystem vom parlamentarischen, in dem eine direkte Unterstützung durch das Parlament gegeben sein muss, wie das bei der Mehrheit der europäischen Demokratien der Fall ist.

"Als parlamentarisches Regierungssystem(*) bezeichnet man jene Ausformungen parlamentarischer Systeme westlicher Demokratien, in denen die Regierung zu ihrer Wahl und in ihrer Amtsausübung auf die direkte oder indirekte Unterstützung durch das Parlament angewiesen ist. Hierbei sind die beiden Institutionen personell miteinander verzahnt und das Parlament besitzt ausgeprägte Kompetenzen, in erster Linie die Wahl und Absetzung der Regierung. Bedeutend ist auch, dass der Vorsitzende der Regierung (also der Regierungschef wie beispielsweise der Kanzler oder ein Ministerpräsident) vom Parlament gewählt wird und erweiterte Rechte gegenüber den Ministern besitzt (WIKIPEDIA, 'Parlamentarisches Regierungssystem')."

Geschichtlicher Vergleich von Deutschland und Österreich

Gemäß SIMA (1993, S. 205) hatte in der Weimarer Reichsverfassung – in der deutschen Geschichte zwischen 1918 und 1933 zu datieren – das Staatsoberhaupt das Recht,

"...den Kanzler und auf dessen Vorschlag die Minister zu ernennen und zu entlassen. Er ist bei der Ernennung und auch der Entlassung des Kanzlers völlig frei, also an keinerlei Vorschlag irgendeines Organes gebunden, bedarf allerdings der Gegenzeichnung des von ihm ernannten Kanzlers, der auch die Entlassung seines Vorgängers gegenzuzeichnen hat...,

wie es im Reichsministergesetz von 1930 festgeschrieben war.

"Im politischen Leben muss das Staatsoberhaupt überdies darauf achten, daß die Regierung der Unterstützung des Parlaments bedarf, da sie ja ansonsten durch ein Mißtrauensvotum gestürzt werden kann (Artikel 53 und 54, s.o.)."

Nach den meisten österreichischen Verfassungsentwürfen ab 1919...

"...wird die Regierung nicht vom Staatsoberhaupt ernannt, sondern vom Parlament über einen Gesamtvorschlag eines besonderen Ausschusses in namentlicher Abstimmung gewählt (z.B. Art 60...Art 81...)"..,

die Wahl der Bundesregierung erfolgt durch die Bundesversammlung, gemeinsam durch das Parlament und die Ländervertretung (SIMA 1993, S. 205).

Zusammenhang zwischen Regierung, Fraktionen und Regierungs-opposition im parlamentarischen System

HARTMANN (2011, S. 22) beschreibt die Regierungsmehrheit und die Regierungsminderheit, die Opposition:

"Der Begriff der Regierungsmehrheit knüpft an die für die, für das parlamentarische Regierungssystem typische Unterteilung des Parlaments in Parlamentsmehrheit (Regierungsfraktion) und parlamentarische Opposition an."

Aus welchen Posten das parlamentarische Regierungssystem besteht, beschreiben GELLNER und GLATZMEIER (2004, S. 140), RegierungschefIn/KanzlerIn, deren MinisterInnen und die StaatschefIn/BundespräsidentIn und das Parlament als Ort der Gesetzgebung:

"In parlamentarischen Regierungssystemen(*) wird die Regierung vom Kabinett übernommen. Das Kabinett besteht aus dem Regierungschef und seinen Ministerien. Das Amt des Regierungschefs besteht unabhängig neben dem Amt des Staatschefs...- etwa die englische Königin oder der deutsche Bundespräsident...

Das Parlament berät und beschließt Gesetze und kontrolliert den Haushalt. Es ernennt und entlässt den Premierminister und teils auch seine Minister...Theoretisch wird durch diese Anordnung ein Übergewicht des Parlaments(*) erzeugt..., das auch für die Bundesrepublik Deutschland vermutet wurde...

Dabei waren die kritischen Punkte,

dass durch die starke Abhängigkeit der Regierung, die von der Parlamentsmehrheit abberufen werden kann, zwangsläufig eine Dominanz der Legislative etabliert würde..., und

dass sich die Regierung in ihrem Handeln nach den Wünschen der parlamentarischen Mehrheit richten müsse...

Diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt. Vielmehr zeigt sich – sowohl für Großbritannien(*), als auch für Deutschland(*) -, dass die Entwicklung starker, geschlossen agierender Parteien dieses Verhältnis umgekehrt hat...

Die relativ meisten Gesetzgebungsverfahren(*) gehen heute von der Regierung(*) aus. So brachte die Bundesregierung der BRD in den Jahren 1949-1998 57,7 Prozent der Gesetzesanträge ein, von denen rund 75 Prozent angenommen wurden...In Großbritannien liegt der Anteil der Regierungsinitiativen zwar deutlich geringer, dafür haben diese eine höhere Chance verabschiedet zu werden, die teils 100 Prozent beträgt...(s.o.)"

HARTMANN (2011, S. 22) bringt das Verhältnis zwischen Regierungspartei und den übrigen parlamentarischen Fraktionen auf den Punkt:

"Die Regierungsmehrheit umfasst zwei Akteure: Hier die Regierung, die ihr politisches Programm aufstellt und die Gesetzgebungsinitiative ergreift. Dort die Fraktionen, welche diese Vorschläge entgegennehmen und als Gesetze beschließen."

Die institutionellen Kriterien der parlamentarischen Regierung listet HARTMANN (2011, S. 20) auf, dabei stehen rechtliche und psychologische Überlappungen von Kompetenzbereichen im Mittelpunkt, die eine gegenseitige Kontrolle ermöglichen:

"(1) Enge Verbindung zwischen Exekutive und Legislative, verbunden mit dem Recht der Abgeordneten, Minister zu werden...(2) Premierminister und Minister stammen in der Regel aus dem Parlament (…). (3) Die Regierung hat die Pflicht zu demissionieren [=zurückzutreten], wenn die Parlamentsmehrheit ihr das Vertrauen entzieht (…). (4) Das Parlament hat das Recht, die Regierung unter Interpretation [=das formale Recht, Fragen an die Regierung zu richten] zu kontrollieren (…)."

Historische Ähnlichkeit von Staats- und Regierungsformen

Geschichtlich betrachtet sind die Staatsformen Monarchie und Demokratie vergleichbar und die Verfassungsform Monarchie ist auch durch das präsidentielle Regierungssystem mit der Demokratie vergleichbar.

HARTMANN (2011, S. 19) zitiert STEFFANI (1979, S. 39-41), Die herausarbeitet, dass die Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament nur im monarchischen parlamentarischen Regierungssystem verfassungsrechtlich nicht möglich ist.

WIKIPEDIA definiert Republik:

"Das Wort Republik (von lateinisch res publica 'öffentliche Sache') steht zunächst für das Gemeinwesen und Gemeinwohl. Als Staatsform versteht man darunter (seit der römischen Antike und insbesondere der Französischen Revolution) in erster Linie das Gegenmodell zur Monarchie."

Wie sich die (Regierungs-)Verwaltung im Lauf der Geschichte (der Monarchie) herausbildete, ist Inhalt des nun Folgenden.

Ursprünglich stellten die Geistlichen als einzige Schriftkundige den Kanzler, der mit seinen Untergebenen, die schriftliche Seite der Regierungsverwaltung abdeckte. Aus der Kanzlei des Kanzlers entwickelte sich eine umfangreiche Behörde, häufig wurde die Kanzlei zum Obergericht des königlichen Rates, vom König wurde der Kanzler auf Lebenszeit ernannt, unter Maria Theresia wurde der Staatskanzler zum Leiter der Außenpolitik, im Detail beschreibt REINHARD (2007, S. 48) diesen Themenbereich so:

"Weil die Geistlichen ursprünglich als einzige der Schrift und der Schriftsprache Latein mächtig waren, stellten sie längere Zeit auch den Kanzler, der mit seinen Untergebenen für die schriftliche Seite der Herrschaft zuständig war, dabei ging es zunächst für das Ausstellen von Urkunden und die Registerführung....

Die Kanzlei entwickelte sich bald getrennt vom Hof zu einer umfangreichen Behörde. Der Kanzler war von der älteren Ämtergeneration wohl am wichtigsten. Nicht zufällig haben nur dieses Amt und die beiden des militärischen des Marschalls und des Admirals in gewandelter Gestalt bis heute überlebt."

Zum Teil verwandelte sich die Kanzlei zum Obergericht und der Kanzler somit in die Justiz abgedrängt (s.o.):

"Allerdings wurden Kanzler und Kanzlei in den meisten Ländern im Lauf der Zeit in die Justiz abgedrängt. In England und Spanien, in Dänemark und manche deutschen Territorien entwickelte sich die Kanzlei zum Obergericht. In Frankreich wurde der Kanzler nicht nur Chef der Justiz, sondern behielt daneben als Vorsitzender des königlichen Rats beträchtlichen Einfluss auf die Innenpolitik...

Er partizipierte als einziger Amtsinhaber an der Sakralität des Königtums, wurde vom König auf Lebenszeit ernannt und konnte nicht abgesetzt, sondern höchstens kalt gestellt werden. Auch unter den deutschen Habsburgern waren die Hofkanzleien der verschiedenen Länder deren oberste Justiz- und Verwaltungsinstanzen, bis der Staatskanzler unter Maria Theresia zum Leiter der Außenpolitik wurde."