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1.3.1 Kriterien und Kategorien des modernen Staates

Zu den Kriterien und Kategorien des modernen Staates führt MANN (s.o.) aus:

Erstens,

"...[d]er Staat ist territorial zentralisiert(*)."

Davon unterschiedlich verortet die ForscherIn

"...seine ideologischen, ökonomischen und militärischen Machtpotentiale(*)...nicht im Staat, sondern außerhalb des Staates...- diese ihm nicht inhärenten Machtressourcen muß er sich erst von außen heranholen... Nichtsdestoweniger verfügt er insofern über eine höchst eigene und höchst spezielle Machtquelle, als nur er 'von Natur aus' auf ein begrenztes Gebiet zentriert ist, über das er rechtsverbindliche Machtbefugnisse besitzt."

Die zugleich wirkenden und wirksamen staatlichen Prinzipien in Zeit und Raum sind bei der zweiten Kategorie von MANN zentral: Politisch-staatliche Machtansprüche und -ausübung werden von Akteuren zentral und über das gesamte Staatsgebiet hinweg erzeugt, Institutionen und Parteibeziehungen bewirken politische Prozesse, die auf die auch gesellschaftlich determinierten Institutionsformen zurückwirken:

Zweitens,

"...[d]er Staat enthält zwei Dualitäten: Er ist Ort und Akteur, Zentrum und Territorium. Politische Macht ist 'staatlich' und wird als solche verkörpert von Angehörigen der Staatselite und von Institutionen im Zentrum...Gleichzeitig besteht sie aus 'Parteibeziehungen' zwischen Personen und Institutionen sowohl im Zentrum als auch quer über das gesamte Staatsgebiet hinweg...Die Formen, in denen sich der Staat kristallisiert, werden somit zum einen von der gesellschaftlichen Außenwelt erzeugt und bestimmt, zum andern sind es Formen, die sich aus seinen eigenen politischen Prozessen ergeben (MANN 1998, S. 74)."

Die Funktionen und Geltungsbereiche der staatlichen Institutionen, wie MANN (s.o. S. 75) sie in der dritten Kategorie beschreibt, sind nicht gänzlich rational, einheitlich, zentral bestimmt und gelenkt. Die dabei vorgelagerte Gesellschaft bringt diese nicht so konsistent hervor, weil die Institutionen sich aus überlagernden und überschneidenden Machtgeflechten ergeben:

Drittens,

"...[s]aatliche Institutionen unterscheiden sich voneinander durch die Funktionen, die sie für die verschiedenen Interessensgruppen innerhalb ihres Geltungsbereichs erfüllen... Wie groß die Zentralität(*) oder die innere Rationalität(*) des Staates auch immer sein mögen, er ist nicht völlig einheitlich, denn es gibt genug Stellen und Punkte, an denen der Staatskörper das Eindringen verschiedenartiger Machtnetzwerke(*) zuläßt, was nichts anderes heißt, als daß der Staat einer letzten Einheit oder auch nur einer inneren Konsistenz nicht unbedingt bedarf...Er könnte ihrer bedürfen, wenn Gesellschaften eine solche letzte Einheit oder Konsistenz besäßen; aber mein Modell von Gesellschaften als sich überlagernde und überschneidende Machtgeflechte weist nicht in diese Richtung (s.o.)."

In der vierten Kategorie geht MANN (1988, S. 75) auf die (geo-)politischen Verflechtungen zwischen den souveränen Einzelstaaten ein. Der WIKIPEDIA Eintrag zu 'Geopolitik' benennt den Zusammenhang zwischen Geografie und Politik, in diesem Eintrag wird das in Beziehung zu anderen Staaten gesetzte, nach außen abgegrenzte Hoheitsgebiet als geopolitische Einheit definiert:

"...Die Geopolitik(*) versucht die geographischen Gegebenheiten mit politischen Zusammenhängen zu verknüpfen und analysiert die Verbindung zwischen beiden Gegebenheiten....Der schwedische Wissenschaftler Rudolf Kjellen prägte den Begriff der Geopolitik im Jahre 1899....und der deutsche Geograph Friedrich Ratzel... veröffentlichte...sein Buch Politische Geographie...1897..."

Viertens,

"...[s]chon die Definition des Staates als eines nach außen abgegrenzten Hoheitsgebiets deutet auf ein weiteres Netz von 'politischen' Beziehungen zwischen diesem Staat und anderen Staaten hin – auf die Geopolitik...Politik und Geopolitik sind eng miteinander verschlungen; die eine läßt sich ohne die andere nicht sinnvoll untersuchen."

Die vier MANN'schen Kategorien wurden vom Verfasser vereinfacht zusammengefasst, wie folgt:

 territorial, das bedeutet räumlich sich erstreckende und verteilende Machtprinzipien, die zwischen einem Außen und einem Innen insbesondere rechtlich unterteilen,

 zentral, das bedeutet, dass die Prozesse aus einem politischen Inneren, den Parteien und Institutionen gesteuert werden,

 institutionell, das bedeutet, dass sich die unterschiedlichen in einem Staat gegebenen Interessen in den und durch die jeweiligen Institutionen organisieren und entfalten und selbst Ergebnis des inneren Kräftespiels und der regional wie überregional gegebenen Netzwerke sind und

 geopolitisch, das bedeutet, dass die einzelnen Territorialstaaten überregional miteinander vernetzt sind.

Gemäß REINHARD (2007, S. 12) beansprucht der moderne Staat nach Jellinek und Weber fünf Eigenschaften, Sie erweitert die oben ausgeführten vier zu acht Eigenschaften.

Die fünf Eigenschaften unterscheiden den Staat von anderen, vormodernen Gemeinwesen: Sesshaftigkeit, eine einheitliche, souveräne Staatsgewalt, das Monopol physischer Gewalt nach innen und außen, das Staat ist der Rechts- und Verwaltungsstaat, Nationalstaat und Demokratie.

Erstens,

"...ein einheitliches Staatsgebiet als ausschließlichen Herrschaftsbereich(*) – vormoderne Gemeinwesen bestanden häufig aus Gebieten mit unterschiedlichem Status und kannten überschneidende Herrschaftsbereiche. Daher fehlten ihnen eindeutige Außengrenzen."

Zweitens,

"...ein einheitliches Staatsvolk als sesshafter Personenverband mit dauernder Mitgliedschaft(*) – Nomaden können keinen modernen Staat bilden. Außerdem waren vormoderne Gemeinwesen in der Regel nicht nur vertikal, sondern auch horizontal in Schichten und Gruppen gegliedert, die im Verhältnis zur Zentralgewalt einen unterschiedlichen Status besaßen und oft genug in verschiedenen Sprachen redeten."

Drittens,

"...eine einheitliche Staatsgewalt im Besitz der Souveränität(*) - vormoderne Gemeinwesen kannten häufig Herrschaftsträger aus eigenem Recht, die ihre Befugnisse unabhängig von der Zentralgewalt beanspruchten, während im modernen Staat lokale Amtsträger nichts als Beauftragte und Teilhaber einer bei aller Differenzierung im Prinzip einheitlichen Staatsgewalt sind. Das gilt auch für Bundesstaaten...Souveränität der Staatsgewalt will heißen, dass sie innerhalb wie außerhalb ihres Gemeinwesens nichts und niemand über sich anerkennt (s.o.). Das bedeutet konkret":

Viertens,

"...das Monopol der legitimen Anwendung physischer Gewalt(*) nach innen, die von Justiz und Verwaltung geregelt und von der Polizei ausgeübt wird (s.o. S. 13),"

Fünftens,

"...das Monopol der legitimen Anwendung physischer Gewalt(*) nach außen, das heißt, das uneingeschränkte Recht, nach Belieben Krieg zu führen, wozu die Streitkräfte der ausschließlichen Kontrolle der Staatsgewalt unterstellt sind...."

Gemäß REINHARD (2007, S. 13) gewann der moderne europäische Staat seit den Revolutionen des späten 18. und des 19. Jahrhunderts noch drei weitere Eigenschaften hinzu, die ihn heute mehr denn je kennzeichnen sollen. Damit war nicht nur institutioneller Wandel, sondern auch ein enormer, fast unbegrenzter Zugewinn an Möglichkeiten zur Ressourcenmobilisierung verbunden (s.o.):

Sechstens,

"...der moderne Staat ist Rechts- und Verwaltungsstaat. Der Staat hat zwar auch die Verfügung über das Recht monopolisiert, aber damit zugleich das staatliche Handeln im Regelfall an schriftlich festgelegte, nachprüfbare und einklagbare Vorschriften gebunden(*)... Darüber hinaus werden Aufbau und politisches Leben des Staates durch ein Grundgesetz in ähnlicher Weise geregelt und transparent gemacht..."

Der Rechts- und Verwaltungsstaat werden heute in engem Zusammenhang mit Demokratie gesehen, aber diese Verbindung ist nicht zwingend. Preußen und andere deutsche Länder waren im 19. Jahrhundert durchaus Rechts- und zum Teil auch Verfassungsstaaten, verdienen aber kaum die Bezeichnung demokratisch (s.o. S. 14)."

Siebtens,

"...der moderne Staat ist Nationalstaat. Zwar hatten schon mittelalterliche Gemeinwesen wie England oder Frankreich nationalen Charakter angenommen. Aber jetzt wurde das seiner nationalen Identität bewusste Volk auf ganz neue Weise zum Inbegriff von Staatlichkeit, während die Staatsgewalt sich zum Vollstrecker eines einheitlichen nationalen Willens stilisierte. Der moderne Einheits- und Einheitlichkeitswahn hat vor allem auf diesem Gebiet bis heute Schreckliches angerichtet."

Achtens,

"...der moderne Staat ist eine Demokratie, das heißt, in seiner Verfassung bekennt er sich einerseits zur Volkssouveränität, andrerseits zu den Grund- und Menschenrechten und konstituiert seine Staatsgewalt durch allgemeine und gleiche, freie und geheime Wahlen als parlamentarisches Regime. Auch quasi-monarchische Präsidialsysteme wie Frankreich und die USA haben zumindest eine sehr starke parlamentarische Komponente."

Den sechsten Punkt des Konzeptes von REINHARD (2007, S. 14) formuliert BRÜSEKE (1991, S. 126) in Entlehnung der Ausführungen von Weber, der auch den Beamtentyp bürokratischer Herrschaft beschreibt, wie folgt:

"Herrschaft geht immer einher mit Entwicklung von Verwaltung(*). Die rationale bzw. legale Herrschaft, die auf dem Glauben an die gesetzte Ordnung beruht, hat die entwickelteste Verwaltungsform, die Bürokratie hervorgebracht. Rationale Herrschaft ist letztlich ohne Bürokratie gar nicht denkbar. Bürokratische Herrschaft ihrerseits beruht auf der Entwicklung eines modernen Beamtentums, welches charakterisiert ist durch:

1. geordnete Kompetenzen und amtliche Pflichtzuweisung,

2. geregelte Befehlsgewalt,

3. geregelte Qualifikation,

4. Amtshierarchie,

5. Entwicklung des 'Büros' mit Sachmitteln und Aktenapparat,

6. der Amtstätigkeit geht eine Fachschulung voran,

7. Hauptamtlichkeit: das Amt wird zum 'Beruf',

8. der Amtsführung liegen erlernbare Regeln zugrunde."

Bezüglich des Verwaltungstyps des modernen Macht- und Rechtsstaates europäischen Ursprungs bezieht sich REINHARD (2007, S. 103f) auf die historische Forschung, die eine 'weiche' Variante eines totalitären Staates diskutiert und von einem weichen Zugriff der Staatsgewalt auf das Individuum spricht, wenn es um den bürokratischen Aspekt des modernen Staates im 21. Jahrhundert geht. Dieser staatliche Aspekt sei schwerer wahrnehmbar als die harten Totalitarismen.

Die acht thematischen Bereiche des modernen Staates, die REINHARD (2007, S. 12-14) eingrenzt, lassen sich wie folgt kurzfassen in ein einheitliches Staatsgebiet und Staatsvolk: Nomaden oder zum Beispiel mehrere miteinander ausschließlich konkurrierende Herrschaftsbereiche können keinen Staat bildete: Ein moderner Staat beinhaltet...

 eine einheitliche Staatsgewalt (nicht auf souveräne lokale Herrschaftsträger dezentralisiert), ein Gewaltmonopol nach innen und außen,

 ein einheitliches Rechts- und Verwaltungswesen mit einem einklagbaren Regelcodex,

 einen vereinheitlichten Nationalstaat mit einer nationalen Willensbildung und eine volkssouveräne Demokratie mit Grund- und Menschenrechten.

Ein neunter Punkt ließe sich dahingehend formulieren, dass das moderne Staatsgebilde, das demokratischen Grundprinzipien zuzuordnen ist, sich immer in Konkurrenz mehrerer Parteien, und das sind deren jeweilige PolitikerInnen, zueinander und gegeneinander, auf der Grundlage der WählerInnenstimmen, finden, definieren und in Konkurrenz zu dessen politischen Bestandteilen treten muss.

Die Konkurrenz um die WählerInnenstimmen ist ein zentrales, organisatorisch fundamentales Kennzeichen eines sich immer mehr ökonomisch ausrichtenden modernen Staates im 21. Jahrhundert, der auf den Traditionen ehemals (europäisch weithin sozial-)demokratischer Grundfesten aufbaut. Die PolitikerInnen bewegen sich dabei auf einem Parkett, das von wirtschaftlichen, juridischen, geheimdienstpolizeilichen Lobbys und Netzen bestimmt wird.

1.3.2 Gewaltenteilung des modernen Staates

Vom Gesichtspunkt politischer, rechtlicher und organisatorischer Aspekte, Strukturen und Verfasstheiten des modernen Staates aus ließe sich die Aufspaltung der staatlichen Gewalten fassen, die Gewaltenteilung wird jedoch vornehmlich historisch und politikwissenschaftlich, unter Aussparung der oben genannten Aspekte, die in eine strukturelle-wirtschaftliche Sicht der Gewaltenteilung münden wurden, rezipiert.

Bereits im Altertum wird die Dreiteilung der Gewalten in Regierung, Gesetzgebung und Richterspruch thematisiert, so GELLNER und GLATZMEIER (2004, S. 131):

"Bereits Aristoteles beschreibt im vierten Buch der Politik die 'klassische' Dreiteilung der Gewalten in Regierung, Gesetzgebung und Richterspruch(*)...Doch erst sehr viel später fand sie ihren Niederschlag in den modernen Verfassungen und dies meist im Nachgang von Revolutionen oder Kriegen."

1748 differenziert MONTESQUIEU (1967, S. 214f) in ähnlicher Weise, er unterscheidet die gesetzgebende, die vollziehende und die richterliche Gewalt.

SCHMIDT (2008, S. 72f) bezieht sich bei der Frage der Gewaltenteilung auf RIKLIN (2006, S. 290, 269f), der die zugrundeliegende Idee in drei Punkten fasst. Machtmissbrauch wird durch Aufteilung auf mehrere Gewalten vermieden und ermöglicht Freiheit und Sicher-heit. Diese Ziele werden durch eine Mischverfassung realisiert:

"1) Macht muss auf mehrere Gewaltenträger verteilt werden, als geeignetes Mittel gegen Machtmissbrauch, 2) diese Balance der Gewalt ermögliche Sicherheit und Freiheit und 3) ermögliche das der Demokratie eine Einbindung in ein System der Mischverfassung und Machtteilung."

HABERLAND (1995, S. 136) bezieht sich auf den Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des (deutschen) Grundgesetzes, der als verfassungsrechtliche Konkretisierung des Grundsatzes der Gewaltenteilung gilt,

"wonach alle vom Volk ausgehende Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung...ausgeübt wird."

Die Gewaltenteilung ist das zentrale Ordnungsprinzip staatlichen Handelns, das sich rechtlichen, politischen, wirtschaftspsychologisch-sozialen und zeitlichen Dimensionen zuordnen lässt.

Ein systematischer Kriterienkatalog der Staatsgewalt wird von GELLNER und GLATZMEIER (2004, S. 74-76) herausgearbeitet, sie unterscheiden in Anlehnung an STEFFANI (1997, S. 19f) sechs Aspekte der staatspolitischen und staatsrechtlichen Gewaltenteilung:

 Die staatsrechtliche Gewaltenteilung,

 die temporale Gewaltenteilungslehre,

 die föderative Gewaltenteilung,

 die dezisive Gewaltenteilung,

 die soziale Gewaltenteilung und

 die konstitutionelle Gewaltenteilung.

Staatsrechtliche Gewaltenteilung

Im Staatsrecht und in der politischen Theorie werden ganz zentral die Rechtsetzung (Legislative), die Rechtsanwendung (Exekutive) und die streitige Rechtsanwendung (Judikative) unterschieden:

"Aus dem Bereich der streitigen Rechtsanwendung ergibt sich die Forderung nach einer Judikative, die den Bereich der Rechtsanwendung kontrolliert (GELLNER und GLATZMEIER 2004, S. 74)."

Bei der Rechtsetzung kann man die Prozesse der Planung und Zustimmung unterscheiden, der Einfluss der Verfassungsgerichte geht so weit, dass sie in den Bereich der Legislative eingreifen können. – Diese Kategorie ist die allgemein Bekannte.

Die nun folgenden sechs Gewaltenteilungen sind in der Praxis synchron zu denken und immer als gleichzeitig wirksam und als ineinander verwoben vorstellbar. Es ist ein und derselbe Gegenstand, herausgearbeitet aus unterschiedlichen thematischen Gesichtspunkten.

Temporale Gewaltenteilungslehre

Diese Kategorie bezieht sich auf das Regieren: Hier geht es um die zeitliche Aufeinanderfolge (von Legislaturperioden) der gewählten politischen Rechtsträger und der das Volk repräsentierenden und vertretenden Verantwortungskörper, es ist die zeitliche Dimension der (geteilten) Gewalten:

"Die temporale G. beschreibt den Umstand, dass politische Ämter in westlichen Demokratien auf Zeit vergeben werden. Dass die Vergabe nach feststehenden Regeln erfolgt, ist schon aufgrund des zugrundeliegenden Rechtsstaatsverständnisses selbstverständlich(s.o.)."

Föderative (vertikale) Gewaltenteilung

Diese Kategorie hat die territorialen Handlungseinheiten innerhalb eines Staates oder auch staatenübergreifend zum Thema:

"Die föderative Teilungslehre betrachtet das System unter dem Aspekt der Interdependenzen seiner territorialen Handlungseinheiten...Es bietet sich gerade für Großflächenstaaten eine föderale Struktur an, in der die Kompetenzen häufig nach dem Subsidiaritätsprinzip verteilt sind...Die Betrachtung der vertikalen Allokation politischer Macht und Zuständigkeit endet jedoch nicht an der jeweiligen Landesgrenze, sondern kann,...auch supranationale oder intergouvernementale Strukturen erfassen, in die ein System eingebettet ist – als Mitgliedschaften in Nato, EU, Nafta, usw. (s.o. S. 75)."

Dezisive Gewaltenteilung

Hier wird die Entscheidungsmacht der staatsrechtlichen Kompetenzbereiche mit allen Ausprägungen des pluralistischen Interessengruppengeflechts eines Staates miteinander in Beziehung gebracht und gesetzt:

"Nach Steffani bildet die dezisive Teilungslehre das [Herzstück einer demokratischen Gewaltenteilungslehre], da sie das 'pluralistische Gruppengeflecht in all seinen politischen Gestaltungsformen und Wirksamkeiten mit den staatsrechtlich fixierbaren Kompetenzbereichen in Beziehung setzt... Dabei unterscheidet Steffani fünf Entscheidungsebenen: (1) Regierung, (2) Parlament, (3) Parteien, (4) Interessensgruppen und (5) die Öffentliche Meinung (s.o.)."

Soziale Gewaltenteilung

Die gesellschaftlich gegebenen Mechanismen und Modalitäten des Zugangs und der Barrieren für die unterschiedliche Schichten zu den politischen Ämtern und das Ergebnis der politischen Regelungen, die auf die gesellschaftlich-sozialen Bedingungen einwirken, werden bei dieser Dimension erfasst:

"Auch eine soziale G. berücksichtigt das Konzept Steffanis. Der Gedanke klingt bereits bei der dezisiven G. an. Denn eine moderne, gewaltenteilige politische Ordnung muss die verschiedenen gesellschaftlichen Klassen berücksichtigen, die sich unter ihr sammeln...[Das heißt], dass die (politischen) Ämter des Systems so wenig Zugangsbeschränkungen aufweisen wie nötig, damit keine gesellschaftlichen Gruppen von der Teilhabe ausgeschlossen werden (s.o. S. 76)."

Das politische Soll-Kriterium der sozialen Gewaltenteilung wird je nach aktuell neoliberaler Ausrichtung des Staates hinsichtlich vermehrter Zugangsbarrieren für die normalen BürgerInnen durch das Kriterium der Finanzmächtigkeit – irrelevant, wie diese zustande gekommen ist – aufgeweicht.

Konstitutionelle Gewaltenteilung

Diese Dimension erfasst die direkt juristische Ranghierarchie von Verfassungsgesetzgebung, Gesetzen und Verordnungen und deren institutionellen Ebenen:

"Die konstitutionelle G. bezeichnet ein Zweifaches: (1) Zunächst setzt sie eine Hierarchie der Normen voraus. Dies bedeutet nichts anderes, als dass Verfassungsrecht vor einfachem Gesetz gilt, einfaches Gesetz vor Verordnung, Verordnung vor Verwaltungsvorschrift usw. anders gefasst: das höherrangige Recht hat immer Vorrang vor dem nachrangigen, (2) Es besteht eine institutionelle Trennung von Verfassungsgebung, Verfassungsänderung und Verfassungsinterpretation. Diese Aufgaben obliegen also nicht dem einfachen Gesetzgeber (s.o. S. 76)."

Das heutige politische System, das auf der Gewaltenteilung aufbaut, beschreiben GELLNER und GLATZ-MEIER (2004, S. 69) als zweiteilig. Der Bereich der Judikative wird damit implizit als extern, nicht zentral gelegen und nicht direkt dem politischen System zugeordnet, eingestuft:

"Ausgehend vom Konzept der Gewaltenteilung lassen sich zwei unterschiedliche Systemkonstruktionen ausmachen: 1) Das strenger an der Vorstellung der Trennung der Gewalten orientierte präsidentielle System, das Legislative und Exekutive als wechselseitig (weitgehend) unabhängige Bereiche konstituiert. (2) Das parlamentarische Regierungssystem, in dem die Exekutive aus der Legislative – genauer der Parlamentsmehrheit – hervorgeht und daher auch gegenüber dem Parlament verantwortlich ist. Dieses Modell folgt stärker dem Gedanken einer Gewaltenverschränkung."

Sozialwirtschaftlich betrachtet geht es bei der Gewaltenteilung um die staatlich geregelte Aufteilung von Macht, Kompetenzbereichen und Unterwerfungsrechten, -pflichten und -praktiken, Souveränitätsteilung und Aufteilung der Machtansprüche und -exekution.

Die staatlich-gesellschaftliche Bedeutung der Gewaltenteilung ist aus einer Top-Down Perspektive zu denken, während die Parteien – Entstehung, Funktion und gesellschaftliche Bedeutung – mit ihrer intermediären Positionierung zwischen der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat Top Down und Bottom-Up theoretisch entwickelt werden können.